"Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen" - Gerhard Wehr - E-Book

"Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen" E-Book

Gerhard Wehr

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Beschreibung

Mystik als Urerfahrung – Leben im Pulsschlag aller Religion

- Mystische Erfahrung heute – überraschende Lebensbilder des 20. Jahrhunderts

- Ein lebendiges, schön gestaltetes Handbuch mit verblüffenden Einsichten in das Herz aller Religion

Mystische Erfahrung ist das Urphänomen allen religiösen Erlebens. Das Interesse daran ist ungebrochen groß. Meister Eckhart und Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg und Teresa von Avila sind Stars der Szene. Doch nicht nur im Mittelalter machten Menschen Erfahrungen mit dem Urgrund des Seins.

Gerhard Wehr stellt 25 Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts vor, die in das Herz aller Religion eindrangen und ihr Leben und Denken im Horizont dieses Bewusstseins gestalteten. Rudolf Steiner, C.G. Jung und Martin Buber, Albert Schweitzer, Rainer Maria Rilke, Teilhard de Chardin, Simone Weil, Dag Hammarskjöld, Dorothee Sölle und zahlreiche andere: Wehr erzählt die Biografie dieser Menschen, lässt sie in O-Tönen zu Wort kommen und erschließt so die Grundlinien ihrer Erfahrungen und ihres Denkens. Ein kleines, lebendiges Handbuch als Ermutigung für die, die eigene Wege in die innere Welt suchen.

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Seitenzahl: 439

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Inhaltsverzeichnis

AnnäherungUnterwegs nach innenDie Stimme der DichtungTheologisch-weltanschauliche PositionenWege der MeditationUnter westlich-östlichem SpannungsbogenExkurseÜber den AutorAnmerkungenErgänzende LiteraturhinweisePersonenregisterBildnachweisCopyright

Annäherung

Wie eine von mannigfachen Pilgerpfaden durchzogene Landschaft, so öffnet sich das vergangene Jahrhundert in der Rückschau. Suchenden begegnet man auf den Wegen, Menschen der Sehnsucht, so unterschiedlich die Motivationen ihres/unseres Verlangens gewesen sein mögen; so unterschiedlich das, was sie/wir gefunden haben, gefunden zu haben meinten …

Wer nun der Aufforderung folgt, Aspekte mystischer Bewegungen des 20. Jahrhunderts im Umriss darzustellen, sieht sich alsbald erheblichen Schwierigkeiten gegenüber. Angefangen von der begrifflichen Problematik – was soll eigentlich unter Mystik verstanden werden? – über den jeweils unterschiedlichen Gebrauch der Bezeichnung vor wechselnden historischen und religiös-weltanschaulichen Horizonten bis hin zur sich darbietenden, überbordenden Stofffülle. So sieht man sich zum Eingeständnis veranlasst, bestenfalls im Sinne einer ersten Annäherung, der weitere Schritte folgen müssen, tätig werden zu können. Dessen war sich bereits Ernst Troeltsch (1865 – 1923) am Anfang des Jahrhunderts bewusst. Der evangelische Theologe, Philosoph und Soziologe drückte das so aus:

»Berichterstattungen über religiöse Bewegungen haben ihre große Schwierigkeit … Die Wandlungen der religiösen Stimmungen und die Bildung verschiedener Gruppen liegt so sehr im Dunkel und in der Mannigfaltigkeit des persönlichen Lebens, dass immer wieder erst die Ergebnisse nach langer, verborgener, unterirdischer Ausbreitung hervortreten und die eigentlichen letzten Quellen fast niemals zu erfassen sind. Hier herrscht nicht die Logik der Begriffe, und die Entwickelung spinnt sich nicht am Faden der Reihenfolge der Bücher ab. Hier wirkt der Druck der sozialen Lage, die Mannigfaltigkeit des persönlichen Erlebens, die Eigenart der Individuen, die Mitteilung des verborgensten inneren Daseins von Person zu Person, das ganze und undurchschaubare Spiel kleiner und kleinster Seelenregungen, die sich zu geistigen Mächten langsam und unmerklich zusammenballen. Freilich hängt dann die größere Ausbreitung und öffentliche Wirksamkeit schließlich an erkennbar hervortretenden Persönlichkeiten oder an einflussreichen Büchern. Aber in beiden brechen doch die dunkel empfundenen und langsam zusammenstrebenden Kräfte erst ans Licht. Und auch da bleiben oft die bedeutsamsten und wirksamsten Erscheinungen wenig beachtet und treten ihre Wirkungen oft erst an ganz anderen Stellen zutage.«1

Die nach wie vor bestehende Gültigkeit dieser Sätze steht außer Frage. Dazu kommen noch andere Überlegungen zur Vorgehensweise, zum Beispiel: Soll man etwa in chronologischer Weise das Auftreten bestimmter Gedanken oder Lebensformen ausbreiten, soll man eine Abfolge von bestimmten Persönlichkeitsprofilen aufzeigen oder nimmt man eine Darbietung in Kauf, bei der unter wechselndem Blickwinkel, dazu wahlweise repräsentativ erscheinende Vertreter unterschiedlicher Bedeutung aufeinander folgen? Aus naheliegenden Gründen sind als Mystiker oder Mystikerinnen anzusehende Zeitgenossen im Folgenden bisweilen neben Vertreter der Forschung gestellt, ohne eine kompendienartige, gar eine auf repräsentative Vollständigkeit abzielende Darstellung zu versuchen. Nicht jeder oder jede, die man der Mystik zuordnet, hat sich selbst so verstanden. Kein Wunder, dass Selbstverständnis und Außenbetrachtung miteinander selten zur Deckung zu bringen sind.

Was den Begriff anlangt, so ist ebenfalls eine gewisse Flexibilität in dessen Handhabung naheliegend und förderlich. Mehrere Zugänge sind möglich, beispielsweise solche in religionsgeschichtlicher, kirchengeschichtlicher, systematisch-theologischer oder philosophischer Sicht.2 Dagegen muss der Versuch, Mystik in einem umfassenden und allgemeingültigen Sinn zu definieren, immer wieder scheitern. Es kann sich jeweils nur um Aspekte handeln, die durch den jeweiligen spirituellen Standort sowie durch die Blickrichtung des Betrachters bedingt sind. Meister des Mittelalters wie Jean Gerson oder Thomas von Aquin verstanden unter der aus dem griechischen Mysterienbereich kommenden Bezeichnung (von griech. myein, schließen, verschweigen) eine auf Erfahrung gegründete Gotteserkenntnis (lat. cognitio dei experimentalis) . Die westlichen Theologen der Alten Kirche verwendeten das Wort contemplatio für das, was die griechischen Theologen als mysterion und mystiké theologia, mystische Theologie, als Mystik bezeichneten. 3 Schon das Neue Testament nennt das heilige Mahl, das Sakrament des Altars, Mysterion. Von daher ist vom »mystischen Leib Christi« (corpus Christi mysticum) die Rede, dessen Gegenwart im Symbolon von Brot und Wein je und je Ereignis wird, wie unterschiedlich auch die Deutungen des Geschehens ausfallen mögen.

Gleichzeitig gilt aber auch: Nicht Objekte der Sinneswahrnehmung stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, nicht, was man optisch sieht, akkustisch hört oder leibhaft tastet. Vielmehr ist der Blick der Seele nach innen gerichtet. Er ist gesammelt und bereit, dessen gewahr zu werden, was letztlich nie zureichend beschrieben und bezeichnet werden kann. Insofern geht es in der Mystik um eine im wörtlichen Sinn gemeinte Esoterik (von griech. eso, innen), um diese Blickrichtung zu unterstreichen. Daher macht es Sinn, die beiden Begriffe Mystik und Esoterik – nach einem Wort von Antoine Faivre4 – bisweilen auszutauschen und gleichbedeutend nebeneinander zu verwenden. Das dürfte freilich nur dann statthaft sein, wenn man Esoterik nicht mit jenem in der Regel überaus fragwürdigen Mischprodukt verwechselt, wie es gegen Ende des vorigen Jahrhunderts den Buch- und Veranstaltungsmarkt zu überschwemmen begann.

Mystik lässt sich als ein Urphänomen religiösen Erlebens ansehen, von dem Menschen in den Religionen und Philosophien des Ostens wie des Westens in ihrem Denken, Fühlen und Wollen ergriffen werden können, sodass sie Impulse für ihr gesamtes Leben empfangen. Wer nach Wesen und Erscheinung solcher Mystik fragt – handle es sich um eine philosophisch5 oder eine religiös eingestellte Mystik –, wer von Sehnsucht und liebendem Verlangen nach dem Ganz-Anderen, nach dem Grund des Seins getrieben ist, der darf daher keine normierende, für alle Zeiten und Zonen gültige Antwort erwarten, wie sie etwa für alltägliche Gegenstände oder Sachverhalte üblich ist. Oder um nochmals Ernst Troeltsch zu zitieren:

»Die Mystik im weitesten Sinne des Wortes ist nichts anderes als das Drängen auf Unmittelbarkeit, Innerlichkeit und Gegenwärtigkeit des religiösen Erlebnisses. Sie setzt die Objektivierung des religiösen Lebens in Kulten, Riten, Mythen oder Dogmen bereits voraus und ist entweder eine Reaktion gegen diese Objektivierungen, die sie in den lebendigen Prozess wieder zurückzunehmen sucht, oder eine Ergänzung der herkömmlichen Kulte durch die persönliche und lebendige Erregung.«6

In einer betont extravertierten, nach außen gerichteten und in betont einseitiger Weise auf materielle Werte ausgerichteten »globalen« Zivilisation erfüllen Mystik oder die im strengen Sinn des Wortes gemeinte Esoterik eine letztlich unverzichtbare kompensierende, eine ausgleichende, vervollständigende Funktion. Insofern antwortet sie dem, was seit Jahrzehnten sich als spirituelles Defizit abzeichnet, dem die Hüter der religiösen Ordnungssysteme seit Langem nicht mehr gewachsen sind. Denn: »Überdruck an der technologischen Rationalität, am Sinnverlust zivilisatorischen Fortschritts und an den schal gewordenen Verheißungen utopischer Gesellschaftsdoktrinen veranlassen immer mehr Menschen, sich für Theorien und Lebensmöglichkeiten zu interessieren, die einen Zugang zu einer ›anderen‹ Wirklichkeit verheißen.«7

Diese andere Wirklichkeit – im Grunde handelt es sich um eine andere Dimension der einen materiell-seelisch-geistig/geistlichen Wirklichkeit! – hat Paul Tillich (1886 – 1965) die Kategorie genannt, die »identisch (ist) mit der Gegenwart des Göttlichen in jeder religiösen Erfahrung. In diesem Sinne ist das Mystische das Herz aller Religion. Eine Religion, die nicht sagen, nicht glaubhaft bezeugen kann: ›Gott ist gegenwärtig‹, wird zu einem System moralischer und lehrhafter Regeln, die an sich nicht religiös sind, selbst dann nicht, wenn sie ursprünglich aus Offenbarungserlebnissen herrühren. Das Mystische als erlebte Gegenwart Gottes ist ein wesentliches Element einer jeden Religion und hat an sich nichts mit Selbsterlösung zu tun.«8 Mit anderen Worten: Es geht um das Angerührt- und Ergriffenwerden von Heiligkeit, gegebenenfalls unter »Furcht und Zittern«, das paradoxerweise mit einem innigen Vertrautsein verwoben sein kann – etwa in der so genannten »Minnemystik«9. Mystik, wie unterschiedlich sie erfahren werden mag, lässt sich jedenfalls verstehen als ein religiöses Erleben und – immer wieder – als ein Verlangen, dem Ungenügen einer vordergründig-oberflächlich bleibenden Lebenshaltung zu widerstehen. Und dies, obwohl es meist nur um kurzfristige Momente geht, in denen die Distanzen zwischen dem Ich und dem Ganz-Anderen, zwischen Subjekt und dem erstrebten Objekt überwunden werden, überwunden scheinen.10

Mystik im 20. Jahrhundert hat, wie zu jeder Zeit, naturgemäß viele Aspekte, zumal die allgemein-gesellschaftlichen und die individuellen Situationen, aus denen heraus die Menschen von innen her gerufen werden, variieren. Anders ausgedrückt: Nach Mystik fragen entspricht einem Erfahrungshunger in geistig-religiöser Hinsicht. Sie entspricht letztlich dem Verlangen, den spirituellen Durst zu stillen, der in den Grenzen der herkömmlichen Religionsformen nicht mehr oder nicht mehr allein befriedigt werden kann. Es heißt – analog zu dem Evangelienwort – »das Verlorene suchen«, nachdem sich immer mehr Menschen eines Verlustes bewusst geworden sind. Aber auch das ist wieder nur ein Aspekt neben anderen. Es geht nicht allein um eine Gott-Suche, gemäß der der Mensch aktiv wird, indem er sich auf den Weg nach innen macht. Denn dazu kommt, dass Zeitgenossen immer wieder von einem bislang ungeahnten Erleben überrascht werden. Sie werden mit jener anderen Dimension der Wirklichkeit konfrontiert, in der sie spontan zu einer »Seinsfühlung« gelangen oder, was ebenfalls, wenngleich viel seltener vorkommt, dass sie von der »Großen Erfahrung« (im Sinne Karlfried Graf Dürckheims) heimgesucht werden. Der Gott suchende Mensch wird bisweilen von dem Menschen suchenden Gott eingeholt! Oder um an ein Wort von Blaise Pascal anzuknüpfen: Würden wir denn suchen, wenn wir selbst nicht längst gefunden worden wären? Oder um es mit Bernhard von Clairvaux auszudrücken: »Die Seele sucht das Wort. Doch nur die Seele, die zuvor schon vom Wort gesucht worden ist. Eine Seele, die nicht wieder vom Wort gesucht würde, würde ihr Auge nie mehr umwenden, um das Gute zu sehen …«11

An dieser Stelle können die traditionellen innerkirchlichen und klösterlichen Bezüge eines mystischen Lebens einmal außer Betracht bleiben. Sie sollten schon ihrer Vielgestaltigkeit, ihres Überlieferungsreichtums wegen einer gesonderten Darstellung vorbehalten bleiben. Jede Ordensspiritualität hat nicht nur ihr eigenes Gepräge. Sie unterliegt auch zeitbedingten Wandlungen. Es bedarf bisweilen einer Wiederbelebung oder Intensivierung. Da gilt nach wie vor, was Karl Rahner (1904 – 1984) zu bedenken gab: »Nur dort, wo die äußere Botschaft des Christentums sich nicht nur für sich allein mächtig versteht, sondern der innersten Erfahrung des Menschen, also der mystischen Komponente des Christentums entgegenkommt, sie gleichsam aktualisiert, sie lebendiger macht, sie unter dem Schutt des Alltagsbewusstseins ausgräbt, nur dort kann heute ein lebendiges Christentum noch bestehen, auch in einer atheistischen Gesellschaft. Man hat schon gesagt, dass der Christ der Zukunft … ein Mystiker sein müsse, oder er werde nicht mehr sein. Das ist vielleicht etwas massiv ausgedrückt, aber im Grunde genommen ist es richtig.«12

Für den profilierten Jesuiten-Theologen Rahner, der sich mehrfach unter diesem Gesichtspunkt zu Wort gemeldet hat, ist »Mystik ein inneres, wesentliches Moment des Glaubens, das sich als eine reine und unbegrenzte Bejahung Gottes in Leben und Sein des Gläubigen« erweist.13 Er legte gleichzeitig großen Wert auf eine einzuübende mystagogische Bemühung, die nicht durch die herkömmliche religiöse Erziehung oder gar durch eine »sehr sekundäre Dressur für das religiös Institutionelle« ersetzt werden kann. Vielmehr versteht er unter Mystagogie eine disziplinierte Heranführung und Eröffnung spiritueller Erfahrung.14 Eine solche Mystagogie muss vor der bloßen Rezitation und Reflexion theologischer Sätze rangieren, zumal das damit gemeinte Geschehen mit einem »Zu-sich-selber-Kommen« zu tun hat.15

Was den Gesichtspunkt einer Neubelebung des in der eigenen Tradition Angelegten betrifft, so ist bekannt, dass vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte von der östlichen Geistigkeit des Yoga oder des Zen her Impulse ins klösterliche Leben eingedrungen und von dort aus wiederum zum Tragen gekommen sind. Es geschah, was noch kaum ein Menschenalter zuvor nur schwer denkbar gewesen wäre, dass man etwa in ein Franziskaner- oder Benediktinerkloster geht, um beispielsweise von einem christlichen Mönch, der zugleich in der fernöstlichen Tradition stehender Zen-Meister ist, in die Disziplin des ursprünglich im Buddhismus beheimateten Zen eingeführt zu werden. So war auch der aufgrund seiner mehrjährigen Japan-Erfahrung inspirierte Karlfried Graf Dürckheim nicht der Einzige, bei dem sich unter anderem Mönche und Nonnen einfanden, um einen neuen Erfahrungszugang zu der überkommenen geistlichen Innerlichkeit ihrer eigenen Ordenzusammenhänge zu erlangen. Davon wird noch zu sprechen sein. Andere, wie der Jesuit Hugo Makibi Enomiya-Lassalle oder die Benediktiner Bede Griffiths, Henri Le Saux und Willigis Jäger, verstanden es, ihre im Fernen Osten empfangenen Impulse mit der christlichen Überlieferung so zu verbinden, dass es zu einer geistig-geistlichen Horizonterweiterung kam. Auf einem anderen Blatt steht, dass die Kirche in der Sorge, das christliche Dogma könne durch derlei Aktivitäten relativiert oder infrage gestellt werden, wiederholt Einspruch erhob. Daher kam es – wie kaum anders zu erwarten – in der römisch-katholischen Kirche zu Publikations- und Redeverboten, eine Praxis, die seit alters bekannt ist.

Unterwegs nach innen

Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht.Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.In uns und nirgends ist die Ewigkeitmit ihren Weiten.

Novalis

Suchbewegungen seit Jahrhundertbeginn

Mit hochgesteckten Erwartungen, mit Feuerwerk und ins Zukünftige weisenden weit ausholenden Lobreden war das zwanzigste Jahrhundert weltweit begrüßt worden. Nicht ganz unähnlich der Weise, wie man vor wenigen Jahren die Schwelle zum dritten Jahrtausend überschritt, betrat man das vergangene Säkulum. Damals geschah es freilich mit einer fatalen Unbedarftheit, nicht ahnend, dass zwei völkermordende Weltkriege samt deren kaum weniger bedrückenden kriegerischen Begleit- und Folgeerscheinungen bevorstehen würden. Aber Fortschritt und Optimismus bestimmten die Seelenlage der jeweils Herrschenden in Politik und Wirtschaft, in technischer Weltbewältigung und in kolonialistischer wie nationalistischer Durchsetzung der jeweils ideologisch diktierten Ziele. Hatte man es nicht auf nahezu allen Gebieten so »herrlich weit gebracht«? War man nicht im Besitz der weiterführenden philosophischen Ideen wie der im Rahmen eines bürgerlichen Weltbildes gepflegten religiösen Glaubensüberzeugung, mit der die Menschheit »beglückt« werden sollte?

Mit dem Credo einer selbstvermessenen Unüberwindlichkeit war man gesonnen, im Bedarfsfall etwaige Krisen zu meistern und darüber hinaus die angeblich unterentwickelten fernen Heidenmenschen zu missionieren. Man muss nur – um ein Beispiel zu geben – die Kriegspredigten lesen, mit denen die Kirchen ihre eisenstarken Männer (»Der Gott, der Eisen wachsen ließ …«) an die Fronten schickte – in den ersten Monaten des Weltkriegsjahrs 1914 zumindest16. Dass Gesinnungen dieser Art dazu herausfordern, dass geistige Umbrüche zu bewältigen seien, musste nach und nach erkannt, akzeptiert und bestanden werden. Und was das Mode gewordene Mystik-Interesse jener Jahre anlangt, so hatte der für das damalige national getönte Lebensgefühl aufgeschlossene Mystik-Verleger Eugen Diederichs bereits 1909 angedeutet, dass weder religiöse noch metaphysische Vertiefung gemeint war, wenn er sagte: »Augenblicklich liegen die Verhältnisse so, dass die Mystik mehr in ästhetischen Kreisen als in religiösen Boden hat.«

In der Tat ist es nicht nur die Theologie, sondern es sind zwei philosophische Disziplinen, die auf ihre Weise und unter Einbezug monistischer Anschauungen einen mystischen Zugang zur Wirklichkeit postulieren: die antiaufklärerische, an die Unmittelbarkeit der Welterfassung anschließende Lebensphilosophie und die Sprachphilosophie, wie sie einerseits von Schopenhauer und Nietzsche herkommend, von Wilhelm Dilthey, Georg Simmel und Max Scheler, andererseits von Fritz Mauthner und anderen vertreten wurden. Da sagt man sich, die übliche Bezeichnung, das Wort biete keine Gewähr für das Auszusagende und das zu Bezeichnende. Umso wichtiger sei es, jeweils in die Lebensganzheit einzutauchen. »Die Sprache, der Intellekt, kann nicht dazu dienen, die Welt uns näherzubringen, die Welt in uns zu verwandeln. Als sprachloses Stück Natur aber verwandelt sich der Mensch in alles, weil er alles berührt. Hier beginnt die Mystik«, bemerkt Gustav Landauer17. Es bedürfe einer solchen Mystik, durch die Ich und Welt in eine unmittelbare Beziehung geraten, damit ein Einheitserlebnis zustande komme, und zwar – nach herrschender Bewusstseinslage – in einer gegebenenfalls areligiösen säkularen Gestalt beziehungsweise als »Gottlose Mystik«18. Die Ideologen einer antimetaphysischen Menschenkunde haben ohnehin seit Langem das Ruder ergriffen19. Daraus und nicht nur daraus ergibt sich, dass die herkömmliche Mystik-Einschätzung, die ohne eine metaphysische Basis auskommt, in unserem Zusammenhang durch einen erweiterten Mystik-Begriff zu ermitteln sein wird.

Die Zusammenstellung von »gottlos« und Mystik sei – nach Mauthner – berechtigt, »weil stets nur die Gestalt des Wortes ›Gott‹, niemals der Gehalt existiert. Sogar die christlichen Mystiker des Mittelalters könnten ›als Zeugen für unsere gottlose unio mystica‹ aufgerufen werden, denn ›sie waren erblich mit dieser Art von Gottlosigkeit belastet‹. Mystik sei einfach Einswerdung des eigenen Ich mit dem Nicht-Ich. Immanente Mystik bedeutet, dass sich das menschliche Ich in einem Zustand entrückter Versunkenheit mit allen Dingen der Welt eins fühlt.«20 Auf diese Weise trugen die genannten Denker, in ihrer Nachbarschaft eine Reihe von Dichtern, dazu bei, in der Gesellschaft des Jahrhundertbeginns das Interesse an so genannter Mystik zu wecken. So konnte diese geistig-seelische Verfasstheit auch in nichtreligiösen, eben selbst in metaphysikfernen Bereichen Interesse wecken. Die sich daraus ergebende säkularisierende Umformung der herkömmlichen Unio mystica verlagerte sich von der Transzendenz in die Immanenz, »die anstelle der Einheit von Seele und Gott die beiden Verschmelzungspole Ich und Welt setzte. Ein Andachtsgefühl der Wirklichkeit gegenüber entstand, eine Frömmigkeit, die sich an der Welt entzündete. «21

Was nun das geistig-geistliche Rüstzeug anlangt, mit dem man ins verheißungsvolle Jahrhundert eintrat, so musste man sich – etwa aus tiefenpsychologischer Sicht betrachtet – eingestehen, wie wenig die Menschheit gerüstet war, um ihre wirkliche Sendung zu erfüllen. Längst hätte man sich eingestehen müssen, was Gustav Richard Heyer, der analytische Psychologe an der Seite C. G. Jungs, im Krisenjahr 1933 zu bedenken gab: »Den Weg zu dieser unserer eigentlichen Aufgabe (die der platte Materialismus des endenden 19. und der dürre Rationalismus des beginnenden 20. Jahrhunderts überhaupt vergessen hatte) findet der Heutige vielfach nicht mehr durch die einfache Wiedereinbettung in die kollektiven Formeln und Normen der Gesellschaft. Waren diese für den Menschen des vorigen, des bürgerlichen Jahrhunderts noch lebendiges Kleid, umso mehr erscheinen sie heute museal erstarrt zu sein. Ebenso führt … der kirchlich-konfessionelle Weg nur noch Wenige zu ihrer Wurzel und zum Licht. Denn die Sakramente sind matt geworden und ihre Diener vielfach müde und unsicher. Und erst recht können die mannigfachen wohlgemeinten oder besessenen Sekten und Bünde ›reformerischer‹ Art nicht in jene Tiefen führen, aus denen die Antwort käme auf Fragen, die nicht dadurch zu Fragen wurden, dass der Mensch sie stellte, sondern dadurch, dass sie sich ihm stellten, dass er in sie hinein geriet.«22

Jener allgemeinen euphorisch getönten Erwartungsstimmung zum Trotz traten allerlei Suchbewegungen auf den Plan, Unternehmungen und deren Initiatoren, denen es darum ging, dem allgemeinen Trend jeweils Alternativen entgegenzusetzen. Auch an wenigen kritischen Stimmen, die sich bereits vor Anbruch der ersten Kriegskatastrophe Gehör zu verschaffen suchten, hatte es nicht gefehlt, nicht einmal von solchen, die durch die nachfolgenden Ereignisse in erschütternder Weise bestätigt worden sind, denn: »Wo der Fortschrittsmensch die Herrschaft antrat, deren er sich rühmt, hat er ringsum Mord gesät und Grauen des Todes!« So der Philosoph und Psychologe Ludwig Klages (1872 – 1956) zur bedeutsamen Jahrhundertfeier der Freideutschen Jugend auf dem Hohen Meißner 1913.23 »Klages Philosophie ist, wie die Lebensphilosophie generell, Philosophie der Zeit. Auch sein Verständnis des Heidentums ist, wie die Wendung von der ›außerpersönlichen Wirklichkeit des glühenden Augenblicks‹ zeigt, wesentlich von einer bestimmten Zeitvorstellung geprägt.«24 Bezeichnenderweise hatte sich auf dem Hohen Meißner eine Schar junger, an die Jugend appellierender Menschen, Repräsentanten erst zu Jahrhundertbeginn zu Bünden sich zusammenschließender Jugendbewegung eingefunden. Es vereinte sie die vorweg zur Gewissheit gewordene Hoffnung: »Mit uns geht die neue Zeit!«25 Eine starke naturmystische, bisweilen ins Völkische tendierende Note hängt mit diesen Bestrebungen zusammen.

Und der Heidelberger Philosoph Karl Jaspers (1883 – 1969) diagnostizierte seine Zeit bereits als die einer »entgötterten Welt«, der in einem Augenblick des Gestaltwandels Lichtes und Dunkles bevorstehe, ohne in erforderlicher Weise dafür gerüstet zu sein: »Noch ohne klares Wissen wird immer entschiedener bewusst, in einem Augenblick der Weltwende zu stehen, die nicht an einer der partikularen geschichtlichen Epochen der vergangenen Jahrtausende gemessen werden kann. Wir leben in einer geistig unvergleichlich großartigen, weil an Möglichkeiten und Gefahren reichen Situation, doch müsste sie, würde ihr niemand genug tun können, zur armseligsten Zeit des versagenden Menschen werden. Im Blick der vergangenen Jahrtausende scheint der Mensch vielleicht am Ende …«26 Immerhin ist in gebotener Nüchternheit hier nicht nur vom »Großartigen« die Rede, auf das man sich siegesgewiss einstellt, sondern auch von einem noch nicht näher bezeichenbaren Gefahrenpotential. Sieht man einmal von zivilisationsskeptischen Äußerungen ab, dann ist darüber hinausweisend vor allem an jene zu erinnern, die den Willen zur reformerischen Tat und zur Umkehr aufriefen, bei sich selbst beginnend einen Neuansatz erprobten, auch wenn von Fall zu Fall nur geringe Aussicht auf generelle Durchsetzung bestand oder bestehen konnte. Auch hier klingen nicht selten mystische, zumindest an Mystizismus erinnernde Motive an.

Hinzuweisen ist auf ein buntes Konglomerat von Lebensformen und gesellschaftlichen Zusammenschlüssen, deren Mitglieder ihrerseits auf der Basis teils recht unterschiedlich ausgerichteter Zielsetzungen tätig wurden. Sie waren bestrebt, ihr gesamtes Leben und Arbeiten, das Wirtschaften und Wohnen, nicht zuletzt eine religiös-weltanschauliche Erneuerung mit mehr oder weniger Erfolg ins Werk zu setzen.27 In diesem Zusammenhang ist der Mystik in ihrem Gesamtumfang als Erlebnis, als Denkweise und Erfahrungsweg eine besondere Bedeutung beizumessen. Zahlreiche Aspekte sind hierbei zu berücksichtigen, vorweg die Unterscheidung einerseits von Mystik als eine Wendung nach innen und – inmitten der Alltagswirklichkeit – als ein Ergriffensein von einem nicht näher bezeichneten Ganz-Anderen, das sich im »Jetzt und Hier« als Teilhabe am Überweltlichen darstellt. Auf der anderen Seite ist davon ein schwärmerischer Mystizismus abzusetzen, dessen Vertreter sich zwar mystischer oder quasi-mystischer Vokabeln bedienen, es jedoch an der zu fordernden Geistesklarheit und Erlebnistiefe mangeln lassen. Und dies letztlich unabhängig vom spirituell-religiösen oder auch philosophischen Rahmen, in dem eine solche besondere Erlebnisintensität jeweils gesucht und empfangen wird. Es versteht sich, dass innerhalb der Christenheit mit ihren katholischen, orthodoxen und protestantischen Konfessionen eigengeprägte Formen der Spiritualität entstanden sind, die naturgemäß gleicherweise geschichtlicher Wandlungen unterworfen wurden. Doch ein durchgehender, wenngleich nicht immer deutlich vernehmbarer Cantus firmus des Gottes-und Christusglaubens ist zumindest innerhalb der Konfessionen weitgehend durchgehalten und erkennbar.

Nicht wenige Schriftsteller und Dichter haben in der zeitgenössischen Literatur mystische Spuren hinterlassen – sei es, dass sie sich durch das große Thema der religiösen Erfahrung inspirieren ließen, sei es, dass sie einer philosophisch beziehungsweise atheistisch ausgerichteten Mystik Sprache verliehen. Dazu bemerkt Paul Konrad Kurz: »Mystische Erfahrung im strengen Sinn steht sogar in einem Spannungsverhältnis zum Wort. Sie kann zwar visionär werden, scheint aber primär eher bild- und wortlos zu sein: reine Gegenwart. Wort, Bilder, Erkenntnisabfolgen begrenzen. Sie bestehen aus Teilen. Der ›reine‹ Mystiker verhält sich ganzheitlich. Er ist nicht stumm, aber ein Schweigender. Schweigend hört er, schweigend spricht er, schweigend schaut er, schweigend ist er ganz gegenwärtig. Was in der mystischen Begegnung geschieht, ist mehr und etwas anderes als Worte. Sie ist eine Ganzheitserfahrung. Erst im Nachhinein, wenn der Mystiker zurückkehrt ins Tagesbewusstsein, sucht auch er Wort und Bilder. Als Regel scheint zu gelten: Je intensiver, ›reiner‹ die mystische Erfahrung, desto ungemäßer erscheint die Wiedergabe in sprachlicher oder bildlicher Form … Für den Schriftsteller ist die Worterfahrung Ausgangspunkt, das künstlerisch geformte Wort Ziel.«28

Vorweg hierzu einige Beispiele, so unterschiedlich wiederum die Annäherung in Darstellung und Reflexion jeweils ausgefallen sein mag: So gibt der Philosoph Leopold Ziegler (1881 – 1958) zu bedenken, der Mystiker sei sich bewusst, dass »die immanente Funktion Gottes über sein (des Menschen) Bewusstsein« erhaben sei. Denn »erst wenn der Mensch durchdrungen wird von der Beschränktheit seiner seelischen Vermögen, erst wenn er erkennt, dass sie nur für den Verkehr mit der Welt und mit der Sinnlichkeit ausreichend sind, erst wenn er die Notwendigkeit eines religiösen Verhältnisses anerkennt, erwacht das mystische Bewusstsein … Der Mystiker hebt sich über seine Ichlichkeit (sic) und individuelle Beschränktheit hinaus, indem er die mystische Kontemplation des inneren Anschauens vollzieht.«29

Ausgehend von Baruch Spinoza, Friedrich Nietzsche und Max Stirner wandte sich Gustav Landauer (1870 – 1919) am Anfang des Jahrhunderts unter dem philosophischen Aspekt der Mystik Meister Eckharts zu, dessen Predigten er auswahlweise übertrug. Unter Bezugnahme auf Fritz Mauthners Sprachkritik verfasste er seine Abhandlung »Skepsis und Mystik« (1903)30: »Der Weg, den wir gehen müssen, um zur Gemeinschaft mit der Welt zu kommen, führt nicht nach außen, sondern nach innen. Es muss uns endlich wieder einfallen, dass wir ja nicht bloß Stücke der Welt wahrnehmen, sondern dass wir selbst ein Stück Welt sind … Nun denn, kehren wir ganz in uns selbst zurück, dann haben wir das Weltall leibhaftig gefunden … Was der Mensch von Hause aus ist, was sein Innigstes und Verborgenstes, sein unantastbares Eigentum ist, das ist die große Gemeinschaft der Lebendigen in ihm. «31

»Hugo von Hofmannsthal stellt im ›Chandos-Brief‹ (1902) das Verstummen der Sprache und neuen Sinnfindung im Unscheinbaren und Hässlichen dar, während Rainer Maria Rilkes ›Stundenbuch‹ (1905), das vor allem von der älteren Forschung als mystisch gepriesen wird, in der Rolle des frommen Künstler-Mönchs die Negativität Gottes besingt. Christian Morgensterns ›Tagebuch eines Mystikers‹ (1916) begibt sich ebenso wie Franz Kafkas ›Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den Weg‹ (1931) aphoristisch auf die Suche nach der mystisch-paradoxen Wahrheit. Unter den Expressionisten müssen unter anderen Ernst Barlach und Alfred Döblin genannt werden; im ›November‹-Roman (1939 – 1950) lässt Döblin den Mystiker Johannes Tauler als Gesprächspartner im inneren Monolog seines Protagonisten Becker auftreten …«32 In diesem Zusammenhang wären weitere Namen zu nennen, etwa Hermann Hesses »Siddharta« (1922), insbesondere sein Spätwerk »Das Glasperlenspiel« (1943), oder Robert Musil, der in seinem monumentalen »Mann ohne Eigenschaften« auf Meister Eckhart und die mittelalterliche Mystik zurückgreift, geht es doch dort um das »Entwerden« und Ledigwerden des Menschen, letztlich um die Preisgabe von »Eigenschaften«, die den Menschen an dem Nichtigen haften lassen. Erwin Guido Kolbenheyer versetzt seine Gestalten in Zeit und Welt des Paracelsus oder in die Jakob Böhmes. »Bis in die Gegenwartsliteratur reicht die Auseinandersetzung mit dem, was ›Mystik‹ genannt werden kann: Für Peter Handke ist sie vor allem in den Notizbüchern, in der ›Geschichte des Bleistifts‹ (1982) und in den ›Phantasien der Wiederholung‹ (1983), dokumentiert, und Martin Walser feiert in ›Heimatlob‹ (1978) Heinrich Seuse als den ›größten Schriftsteller‹ der Bodenseelandschaft …«33 Oder um das unerschöpfliche Thema auch durch Ernst Bloch anklingen zu lassen: »Wer immer aber auszieht, kommt von einem Innern her.« Das verweist wiederum auf die Umsetzung des innen Erfahrenen zur Verwirklichung, zur Tat – Ora et labora. Daher kann es nicht verwundern, wenn Menschen wie Ernesto Cardenal, einst Kulturminister Nicaraguas, bekennt: »Die Mystik hat mich zum Revolutionär gemacht.« Ja, das Revolutionäre, das Anarchische ist durch und durch mystisch tingiert. Gehen da nicht die Gedanken weiter zur der »Mystik als Widerstand« bei Dorothee Sölle? Freilich verlangen alle diese Beispiele von Fall zu Fall eine Klärung des zugrunde gelegten erweiterten Mystik-Begriffs! Angemessenes und Unangemessenes scheinen ineinander überzufließen …

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Jahr um Jahr sich vertiefenden Mystik-Forschung besteht sodann darin, dass im 19. Jahrhundert wichtige Dokumente der deutschen Mystik des Mittelalters entdeckt und in ihrer Bedeutung erhellt wurden.34 Dadurch waren angesichts des zu Jahrhundertbeginn erstaunlich gewachsenen Mystik-Interesses unverzichtbare Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme dieses zentralen Themas gegeben. Dass der anschließenden historischen Textkritik weitere Arbeit vorbehalten war, beispielsweise im Zusammenhang der Edition der deutschen und lateinischen Werke Meister Eckharts (Stuttgart 1936ff.) sowie weiterer Quellenschriften, sei nur angemerkt. Neu in den Blick kam durch Martin Buber die reiche Erzähltradition des im 18. Jahrhundert entstandenen ostjüdischen Chassidismus35, während Gershom Scholem der Erforschung der jüdischen Mystik richtungweisende Impulse gab36. Eine ähnliche Rolle spielte Annemarie Schimmel für die Erschließung der sufischen Mystik im deutschen Sprachraum.37 Viel zu wenig bekannt wurden hier die spezielleren Studien des französischen Orientalisten Henry Corbin (1907 – 1978) über die persische Lichtmetaphysik, speziell die Botschaft Suhrawardis38.

Aber es ging und geht nicht allein um eine Vertiefung in die einschlägige Literatur, wenngleich ihre Entstehung und ihr Interesse in der jeweiligen Leserschaft etwas von dem Mystik-Bedürfnis anzeigen. Immer wieder stellt sich die Frage, in welcher Weise ein innerer Zugang zu den betreffenden spirituellen Gehalten gewonnen werden kann. Wie groß die Nachfrage ist, bedarf keiner besonderen Hervorhebung, auch wenn man im Vordergrund bleibende Modeerscheinungen von ernsthafter Vertiefung bei alledem unterscheiden muss. Die Nachfrage lässt sich – angesichts eines mehr und mehr sich ergebenden spirituellen Vakuums – generell als Ausdruck einer solchen Bedürftigkeit und eines inneren Verlangens begreifen. Im Laufe des Jahrhunderts war es durch die kirchliche Verkündigung offensichtlich immer weniger zu stillen. Was das erwachte Mystik-Interesse in christlichen Zusammenhängen anlangt, so erhob sich alsbald eine heftige Diskussion über das Wesen christlicher Mystik, über das mystische Gebet, nicht zuletzt über die erwähnte, von Karl Rahner aufgestellte These, dass der Christ der Zukunft ein Mystiker sein müsse, einer, der etwas erfahren hat, wenn sein Christsein Bestand haben solle. Auf einem anderen Blatt steht, inwieweit das vor einem kulturell fremdartigen Hintergrund erwachsene Geistesgut integriert werden kann. Dass auch in dieser Hinsicht im Laufe des Jahrhunderts – abgesehen von Zen-Snobismus und dergleichen – bemerkenswerte Fortschritte gemacht wurden, steht außer Frage.

Eine Weise der Seelenführung und spirituellen Übung stellt hierbei die Meditation dar, die vom Gegenständlichen (Bild, Wort, Symbol) ins Ungegenständliche, durch das Schweigen bestimmte Kontemplation einmündet. Die dabei gemachte Erfahrung ist nicht nur geeignet, mystische Texte erschließen zu helfen. Meditation und Kontemplation lassen geradezu einen erfahrungsmäßigen Anteil an mystischem Erleben als solchem gewinnen. So gesehen stellt dies Geschehen eine Wiederentdeckung dar. Die geistliche Sammlung erwies sich als eine unverzichtbare Übung des Glaubens. Dies entspricht einer Anknüpfung an die reiche spirituelle Tradition der Christenheit. Die geistig-seelische Situation des neuzeitlichen Menschen forderte diese Rückbesinnung heraus. Der um eine Erneuerung und Wiederverlebendigung eines christlichen Menschenbildes bemühte russische Denker Nikolaj Berdjajew (1874 – 1948) wirkte in diesem Sinn – zwar abseits der ausgetretenen Wege – wegbereitend: »Es gibt eine ewige Mystik, und das Christentum muss zu den ewigen Grundlagen der Mystik zurückkehren, um nicht ganz und gar zu verknöchern. Aber die mystische Wiedergeburt des Christentums in unserer Epoche hat ihre besonderen Aufgaben … In der mystischen Erfahrung wird die natürliche und menschliche Welt in das Innere des Geistes hineingenommen; nichts steht als äußerer Gegenstand gegenüber.« 39

Bei einer Beschreibung der christlichen Mystik im 20. Jahrhundert war ein Hinweis auf die Rolle der östlichen Religionen und auf deren Mystik ebenfalls unverzichtbar. Beginnend mit der Romantik waren im Laufe des 19. Jahrhunderts immer neue Quellen – die »heiligen Bücher des Ostens« – insbesondere aus Sanskrit und Pali in europäische Sprachen übersetzt und erschlossen. Die vergleichende Religionswissenschaft etablierte sich und ist seitdem in aller Welt durch namhafte Forscher vertreten40. Einer von ihnen, Rudolf Otto (1869 – 1937), der im Weltkriegsjahr 1917 seine richtungweisende, in zahlreichen Auflagen verbreitete und übersetzte Studie über »Das Heilige« hinausgehen ließ41, machte am Beispiel von Meister Eckhart und dem Hindu Shankara42 deutlich, inwiefern von einer Vergleichbarkeit westlicher und östlicher Mystik gesprochen werden kann; aber auch, inwiefern die jeweilige Eigenprägung eine Nivellierung verbietet. Er traf eine nach wie vor beherzigenswerte Feststellung:

»Wir behaupten, dass in der Mystik sich in der Tat gewaltige Urmotive der menschlichen Seele regen, die als solche ganz gleichgültig sind gegen die Unterschiede des Klimas, der Weltgegend oder der Rasse und die in ihrer Übereinstimmung eine innerliche Verwandtschaft der menschlichen Geistes- und Erlebensart aufweisen, die wahrhaft erstaunlich ist. Sodann aber wollen wir erkennen, dass die Behauptung, Mystik sei eben immer Mystik43, sei immer und allenthalben ein und dieselbe Größe, falsch ist, dass es in ihr vielmehr Mannigfaltigkeiten der Ausprägungen gibt, die gerade so groß sind wie die Mannigfaltigkeiten auf irgendeinem anderen geistigen Gebiete, sei es etwa auf dem der Religion überhaupt oder auf dem der Ethik oder auf dem der Kunst. Und drittens sagen wir: Diese genannten Mannigfaltigkeiten sind als solche wieder nicht durch Rasse oder Gegend bedingt. Sondern sie können innerhalb desselben Rasse- und Kulturkreises nebeneinander auftreten, ja in scharfer Gegensätzlichkeit gegeneinander auftreten.« 44

Auf diese und andere Gesichtspunkte der Bedeutung der östlichen Spiritualität für die Belebung des Mystik-Interesses in der westlichen Welt ist noch zurückzukommen und sie sind anhand von Beispielen zu veranschaulichen. Dabei sind zwei Bewegungsrichtungen zu beobachten. Einerseits handelt es sich um eine vielgestaltige Rezeption östlicher Religiosität und Spiritualität; andererseits kam es zu einem vielstimmigen Dialog der Religionen. Und der gestaltete sich nicht allein im Austausch der zu unterscheidenden Glaubensanschauungen, sondern er führte bisweilen zu symbioseartigen Unternehmungen, nämlich dadurch, dass Menschen des Westens als Christen sich in die nichtchristliche Weltanschauung und Lebensart einfügten und eine »Inkulturation« erprobten. Deshalb ist – abgesehen von nicht wenigen Konvertiten – von Männern wie dem Amerikaner Thomas Merton, dem Engländer Bede Griffiths, dem Franzosen Henri Le Saux, dem Deutschen Hugo Makibi Enomiya-Lassalle und manch anderem gesondert zu sprechen. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang eine Äußerung des indisch-spanischen Theologen und Philosophen Raimon Panikkar, der aufgrund seiner besonderen Schicksalskonstellation bekannte: Als Christ sei er nach Indien gegangen; dort habe er sich als Hindu entdeckt, als Buddhist sei er zurückgekehrt, und zwar ohne aufgehört zu haben, ein Christ zu sein!

Zu den Suchbewegungen, die in diesem Jahrhundert in Erscheinung getreten sind, gehören ferner weitere Erscheinungen, denen man zwar nicht immer mystische Züge zusprechen kann. Aber von Fall zu Fall gibt es Berührungspunkte, wenn man beispielsweise auf theosophische, anthroposophische Gruppierungen oder außerkirchliche religiöse Erneuerungsbewegungen blickt. »Bruderschaften« der künstlerischen Avantgarde formierten sich. Mit Wassily Kandinsky sann man »Über das Geistige in der Kunst« nach, und zwar unter Einbezug theosophischer Sichtweisen und Wirklichkeitsdeutungen.45 Hatte bereits Nietzsche von einem »Kloster für freiere Geister« geträumt, so fanden sich nach 1900 in Berlin Gefährten einer »Neuen Gemeinschaft« zusammen, so kurzlebig derartige Versuche auch sein mochten. Gustav Landauer gehörte zu ihren Mitinitiatoren, sein Freund Martin Buber schloss sich zeitweilig dort an. Andere fanden eine lebensreformerische Alternative auf dem Monte Veritá oberhalb von Ascona am Lago Maggiore 46. Deutsch-christliche und pagane deutsch-gläubige Gruppenbildungen, an die später nationalsozialistische Ideologen anknüpfen konnten, gab es lange vor 1933, schon um die Jahrhundertwende. Dem war bald ein sozialistisch-anarchistischer, bald ein durch völkische Ideologie gefärbter Mystizismus verwandt.47 Dass es bei alledem ohne Verfälschungen und bewusste Missdeutungen des Mystischen nicht abging, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Dergleichen ist geradezu zeittypisch. Um Gurus und sogenannte Erlösergestalten unterschiedlichster Couleur scharten sich vor allem junge Menschen in der Hoffnung, der bürgerlichen Gesellschaft unter Kaiser Wilhelm II. zu entfliehen und so etwas wie ein »neues Jerusalem«, und sei es im kleinsten Maßstab, zu begründen. »Barfüßige Propheten« bevölkerten die Landstraßen und Marktplätze.48

Insgesamt ist von einer Vielfalt mystischen sowie verwandten Erlebens zu sprechen, zumindest von einer Vielfalt, die einmal mehr auf eine Bedürftigkeit an innerer Erfahrung und deren Deutung hinweist. Immer wieder sind Menschen anzutreffen, die eines Bewusstseinswandels und einer Entgrenzung ihres eigenen Ich gewahr geworden sind. Die Grenzen von Subjekt und Objekt scheinen sich für gar nicht wenige verschoben zu haben. Bezeichnend sind daher eine Reihe von Publikationen, in denen am Jahrhundertanfang von der Mystik als Ausdruck einer Evolution des menschlichen Geistes die Rede ist. Der englische Psychiater Richard M. Bucke, ein Verehrer Walt Whitmans, veröffentlicht 1901 seine Studie über das »Kosmische Bewusstsein«49, indem er Stufen des Bewusstseins aufzeigt und eine Auswahl von Manifestationen dessen, was die Religions- und Geistesgeschichte an Erfahrungen eines kosmischen Bewusstseins bietet. Dass der Autor anstelle von Mystik die Bezeichnung »kosmisches Bewusstsein« (cosmic consciousness) wählte, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass seine Gewährsleute von Gestalten des Alten Testaments, über Buddha, Sokrates über H. D. Thoreau bis hin zu Walt Whitman reichen, also im strengen Sinn des Wortes mit mystischen Erlebnissen oft nichts zu tun haben. Ehe mag man von »Seinsfühlungen«, seltener von der »Großen Erfahrung« im Sinne von Karlfried Graf Dürckheim (1896 – 1988) sprechen50. Von dem genannten Buch R. M. Buckes beeindruckt, veröffentlicht der einflussreiche amerikanische Psychologe William James (1842 – 1910) im darauffolgenden Jahr sein zum religionsgeschichtlichen Klassiker gewordenes Werk »Die Vielfalt religiöser Erfahrung«51. Seine Ausführungen gehen auf seine ebenfalls vielbeachteten Gifford Lectures (Edinburgh 1901/02) zurück. Diesen Veröffentlichungen sei, um ein weiteres Beispiel zu nennen, eine mehrfach aufgelegte und übersetzte, von Friedrich Heiler gewürdigte zusammenfassende Darstellung mystischer Strömungen der Engländerin Evelyn Underhill von 1911 an die Seite gestellt.52 Sie wird ihrem Thema nicht zuletzt dadurch gerecht, dass sie als Katholikin auch nichtkirchliche mystische Gestalten und Strömungen bis William Blake (1757 – 1827) vorbehaltlos bespricht, also auf kirchliche Alleinvertretungsansprüche verzichtet.

Aber »noch will nichts anders werden«, lamentiert der junge Ernst Bloch (1885 – 1977), freilich lange bevor er nach vorne blickend das »Prinzip Hoffnung« proklamiert. Denn »wir sind arm und matt und fühlen nicht einmal, wie sehr. Die meisten treiben ihr ödes, angstvolles, künstlich abgestumpftes Leben voran. Gedrückt und gleichförmig schleichen die Tage der meisten dahin … «53 Bleibt immerhin zu erproben, und zwar ohne Verzug, auf welche Weise sich vor und nach dem Weltenbrand des ersten großen Kriegs der Funke für ein ganz anderes Feuer, nämlich der gerade jetzt und vor expressionistischem Horizont zu entdeckenden Mystik, zu entfachen ist. »Bloch findet in der Mystik – man muss betonen: seiner Mystik – eine historisch-theologische Unterstützung für sein religionsphilosophisches Zentralparadox: dass Gott verschwindet, wenn er kommt, dass Gott sich selbst erübrigt, wenn das, was mit ihm bezeichnet wird, verwirklicht ist, wenn der Mensch sich über die unendlichen Umwege von Projektionen an den Himmel zurückgenommen, zurückgefunden hat zu sich selbst. Das mit ›Gott‹ Bezeichnete löst sich ein und auf in Wirklichkeit.«54 Nicht nur von Karl Marx, sondern vor allem von Joachim von Fiores Ankündigung des neuen Reiches und Thomas Müntzers Tatmystik herkommend, Jakob Böhme und manch anderen seines Geistes beerbend, beschwört Bloch den Geist der Utopie. So geschehen im gleichnamigen »Sturm- und Drang-Buch«, in den Kriegsjahren 1915/16 geschrieben, 1918 sodann teilweise verändert, 1923 erschienen 55. Der als »Theologe der Revolution« alsbald (1921) ausgerufene Müntzer ist Bloch nicht zuletzt deshalb so bedeutsam, weil er dessen flammende, an die empörten Bauern gerichtete Predigt durch das nicht minder kräftige »innere Wort« Müntzers legitimiert sieht. Beide Jugendwerke und die in ihr pulsierende Spiritualität weisen über sich hinaus: Deren »revolutionäre Romantik findet Maß und Bestimmung in dem Buch Das Prinzip Hoffnung.«56 Das in der amerikanischen Emigration entstandene Hauptwerk sollte erst um 1950 zur Wirkung kommen. 57

Zu den verschiedenen Arten, sich nach Jahrhundertbeginn mit mystisch-spirituellen Erfahrungen zu beschäftigen, gesellen sich – während der zweiten Jahrhunderthälfte – neben gesellschaftsverändernden Unternehmungen eine Reihe weiterer, auf spirituelle Erneuerung gerichtete Aktivitäten. Bewusstseinsveränderung ist gefragt, weil eine tragfähige Veränderung auf politisch-weltanschaulicher Ebene innen beginnen muss. Wer die Welt verändern will, muss sich selbst – und zwar mit Blick auf Selbst-Verwirkung – verändern.58 Den in den Jahrzehnten nach dem II. Weltkrieg noch gesteigerten Erfahrungshunger suchen Teile der jungen Generation in Gestalt eines Drogen-Mystizismus zu befriedigen. Es ist der Versuch, zu (angeblichen) Transzendenzerfahrungen zu gelangen, jedoch meist ohne sich spirituellen Exerzitien, etwa der Meditation und Kontemplation, zu unterziehen.

Zu den geistigen Wortführern, die an die »Tore der Wahrnehmung« (The doors of perception) gepocht haben, gehört der in religionswissenschaftliche Studien vertiefte, mit Mescalin experimentierende Romancier Aldous Huxley (1894 – 1963)59. Als »Hoherpriester der amerikanischen Drogen-Subkultur« gerierte sich der US-Psychologieprofessor Timothy Leary60. Von Amerika her breitete sich die Mode aus, die in mehreren Staaten alsbald verbotene, Halluzinationen erzeugende künstliche Droge LSD-25 (Lysergsäure Diäthylamid) sowie anderer berauschender Stoffe zum Zweck der Erzeugung veränderter Bewusstseinszustände zu genießen 61. Um dem physischen und psychischen Verfall des Drogenmissbrauchs deutend und therapeutisch zu begegnen, versuchte man den »Trug der Drogen« aufzudecken .62 Richtungweisendes hierzu ist dem Schrifttum Jean Gebsers (1905 – 1973) zu entnehmen, indem er darauf hinwies, inwiefern durchaus von einem sich manifestierenden »neuen Bewusstsein« gesprochen werden kann. Und: »Nur die heute bereits sterbende, die das rein Mentale usurpierende Rationalität glaubt noch, alles durch Anwendung von Mitteln lösen zu können. Demjenigen, der in den Rausch flieht, ermöglicht der Rausch keine Bewusstwerdung, sondern das Gegenteil: Wahnsinn …«63

Über die bisherigen Formen mystischen Erlebens und der Mystizismus-Illusionen weisen schließlich die diversen Wege und Methoden hinaus, die unter Einbezug der Tiefenpsychologie und Psychotherapie zur Ausformung einer Transpersonalen Psychologie geführt haben. Zur herkömmlichen Wertschätzung des religiösen Erlebens ist der therapeutische und auf spirituelles Wachstum zielende Gesichtspunkt hinzugetreten. Sieht man einmal von den Turbulenzen ab, die durch Anwendung psychodelischer Substanzen in der westlichen Welt verursacht wurden, lernte man den Umgang mit spirituellen Krisen64 kennen. Damit sind Phänomene gemeint, die freilich von Fall zu Fall eine sorgfältige psychiatrische Abklärung voraussetzen, um pathologische Erscheinungen gegenüber bewusstseinserweiternden Vorgängen abzugrenzen, die auf eine Entfaltung geistig-seelischer Potentiale hinweisen. Eine solche Differenzierung ist schon deshalb erforderlich, weil aus dem Vorkommen psychopathologischer Erscheinungen beispielsweise nicht der Schluss gezogen werden darf, dass alle als mystisch ausweisbare Vorkommnisse als krankhaft hingestellt und Mystik als solche in Misskredit gebracht werden. Aber alles in allem zeigt sich anhand von derlei Vorgängen, wie oft die im engeren Sinn des Wortes als mystisch zu charakterisierenden Erfahrungsfelder überschritten werden können. Es gilt einst wie heute das Gebot der »Unterscheidung der Geister«.

Gustav Landauer:

Mit Recht hat ein alter Meister, der große Ketzer und Mystiker Eckhart, gesagt, dass wir, wenn wir vermöchten, ein kleines Blümchen ganz und gar, so wie es in seinem Wesen ist, zu erkennen, damit die ganze Welt erkannt hätten. Er selbst hat aber darauf hingedeutet, dass wir niemals zu solcher absoluten Erkenntnis von außen her, mit Hilfe unserer Sinne, die wir außen an unserem Leibe hängen haben, gelangen können. ›Gott ist allezeit bereit, aber wir sind sehr unbereit; Gott ist uns nahe, aber wir sind ihm ferne; Gott ist drinnen, aber wir sind draußen; Gott ist zu Hause, wir sind in der Fremde.‹ …

Der Weg, den wir gehen müssen, um zur Gemeinschaft mit der Welt zu kommen, führt nicht nach außen, sondern nach innen. Es muss uns endlich wieder einfallen, dass wir ja nicht bloß Stücke der Welt wahrnehmen, sondern dass wir selbst ein Stück der Welt sind. Wer die Blume ganz erfassen könnte, hätte die Welt erfasst. Nun denn: Kehren wir ganz in uns selbst zurück, dann haben wir das Weltall leibhaftig gefunden.65

Martin Buber:

Haben die Meister aller Zeiten, die ihn schufen – den Mythos von der großen Einheit – und immer wieder neu schufen, nicht aus ihrem Erlebnis geschöpft? Denn auch sie haben die Einheit erfahren; und auch sie sind aus der Einheit in die Vielheit gegangen. Aber wie ihre Ekstase nicht das Hereinbrechen eines Unerhörten war, das die Seele überwältigt, sondern Einsammlung und tiefstes Quellen und eine Vertrautheit mit dem Grunde, so lag auf ihnen das Wort nicht wie ein treibender Brand: Es lag auf ihnen wie die Hand des Vaters. Und so lenkte er sie, das Erlebnis einzutun – nicht das Ereignis in das Getriebe, nicht als Bericht in die Kunde der Zeit, sondern es einzutun in die Tat ihres Lebens, es einzuwirken in ihr Werk, daraus neu zu dichten den uralten Mythos, und es so hinzusetzen nicht als ein Ding zu den Dingen der Erde, sondern als ein Stern zu den Sternen des Himmels. – Aber ist der Mythos ein Phantasma? Ist nicht das Erlebnis des Ekstatikers ein Sinnbild des Urerlebnisses des Weltgeistes? Ist nicht beides ein Erlebnis?

Wir horchen hinein – und wissen nicht, welches Meeresrauschen wir hören.66

Ihr sollt in mir sehen Einen von zweien Und hinter meinen Worten Unruhig horchen Auf die andere Stimme.

Marie Luise Kaschnitz

Rudolf Steiner

Die Mystik im Aufgang

Bild 1

Zieht man in Betracht, wie Mystik – wie immer man sie in ihren unterschiedlichen Facetten erlebte und beschrieb und bei allen Besonderheiten des jeweils verwendeten Mystikbegriffs – am Jahrhundertanfang eine »Renaissance« erfuhr, dann ist jenem Ansatz gesonderte, mit entsprechender Kritik begleitete Aufmerksamkeit zu schenken, der unter der Bezeichnung Theosophie67 von der Russin Helena Petrovna Blavatsky (1831 – 1891), dem Amerikaner Henry Steel Olcott und der Engländerin Annie Besant ausgegangen war68. Zur Schar derer, die auf der Jahrhundertschwelle nach geistigen Horizonten Ausschau hielten, die jenseits der Grenzen rationaler und technischer Weltbewältigung liegen und östliche Weisheitslehren einbezogen, gehört der österreichische Philosoph und Goetheforscher Rudolf Steiner (1861 – 1925), der Begründer der Anthroposophie. Zu bedenken ist freilich, dass Steiner nicht etwa die Absicht verfolgte, den Chor der Mystik-Begeisterten seiner Zeit anzuführen oder zu verstärken. Er bewegte sich mit seinen Intentionen, was um 1900 noch nicht klar sichtbar war, mit der von ihm auszuformenden »Wissenschaft vom Geist« oder Geisteswissenschaft auf einer anderen Ebene und zu einem anderen Ziel hin. Und doch gehören seine ersten auf Mystik bezogenen Vorträge und Schriften zum anthroposophischen Primärschrifttum. Das trifft nicht zuletzt deshalb zu, weil die von ihm initiierte Anthroposophie entgegen anders lautender Deutung nicht von der Blavatsky-Theosophie abzuleiten ist, sondern in der Hauptsache in der christlich-abendländischen Tradition und ihrer Theosophie wurzelt.69

Wer sich mit Leben und Werk Rudolf Steiners bekannt gemacht hat, der erwartet von ihm in der Tat nicht gerade Darstellungen zur Mystik des 20. Jahrhunderts, und das mit guten Gründen. Denn nicht als Erneuerer oder Erforscher der westlichen samt der östlichen Mystik ist er 1902 an die Spitze der deutschen Sektion der anglo-indischen Theosophischen Gesellschaft (Theosophical Society) getreten.70 Ihm ging es um die von ihm ausgeformte »anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft« als einer mit wissenschaftlichen Ansprüchen auftretenden Spiritualität; ihn bewegte »eine ehrliche Sehnsucht nach der geistigen Welt«. Darunter verstand er Erkenntnisbemühungen, die eine Zusammenschau zweier einander konträrer, jedoch ergänzender Sichtweisen, nämlich der Naturwissenschaft, von der er herkam, und eines meditativ-spirituellen Strebens, durch das er eine Erweiterung und Vertiefung der Erkenntnis erwartete, darstellen. Diese seine »Geisteswissenschaft« grenzte er gegen die ihm damals bekannt gewordene Gestalt einer »Mystik« in der Weise ab, dass eine Verwechslung der beiden zu unterscheidenden Zugangswege zum Übersinnlichen vermieden würde. Steiner drückte das so aus:

»Unter Anthroposophie verstehe ich eine wissenschaftliche Erforschung der geistigen Welt, welche die Einseitigkeiten einer bloßen Natur-Erkenntnis ebenso wie diejenigen der gewöhnlichen Mystik durchschaut und die, bevor sie den Versuch macht, in die übersinnliche Welt einzudringen, in der erkennenden Seele erst die im gewöhnlichen Bewusstsein und in der gewöhnlichen Wissenschaft noch nicht tätigen Kräfte entwickelt, welche ein solches Eindringen ermöglichen.«71 Oder unter anderem Aspekt: »Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte.«72 Daraus ergibt sich ein auf Selbst- und Wirklichkeitserkenntnis gerichtetes Streben, das sich von einem vornehmlich religiösen Verlangen nach Gotteserfahrung unterscheidet.

Das geschah, obwohl er ein gewisses Interesse an Vertretern und deren Ausformungen der sogenannten Deutschen Mystik in öffentlichen sowie in internenVorträgen bekundete.73 Das zeigte sich bereits, als eine Folge dieser Vorträge erschien, die er unter dem Titel »Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung« (1901) als Buch herausgab.74 Diese Formulierung signalisiert Steiners Absicht; sie benennt Ausgangsort und Ziel seiner Bestrebungen. Schon seinen zeitgenössischen Kritikern wendete er mancherlei ein. Dies ergab sich aus der Tatsache, dass er in diesem Buch einerseits Gestalten wie Meister Eckhart, Mitglieder der Gottesfreundebewegung, sodann Valentin Weigel, Jakob Böhme und Angelus Silesius behandelte – selbst Nikolaus von Kues, Agrippa von Nettesheim, Paracelsus und Giordano Bruno bezog er ein, wiewohl sie eine andere Zuordnung verlangen. Andererseits war Steiner als Verehrer des eher dem antiklerikal-freigeistigen Lager zuzurechnenden Biologen Ernst Haeckel (1834 – 1919) bekannt.75 Dessen populäres Standardwerk »Die Welträtsel« (1899) gehörte um die Jahrhundertwende und darüber hinaus zu den vieldiskutierten weltanschaulichen Veröffentlichungen. Das Buch war Ausdruck jener betont erkenntnisoptimistischen Bestrebungen der herkömmlichen Naturwissenschaft, mit deren Methoden man nach und nach alle »Welträtsel« zu enthüllen hoffte.

In dem aktuellen Meinungsstreit ergriff Steiner alsbald die Partei Haeckels.76 Hier und in seinem wenig später erschienenen Mystik-Buch hatte er seiner Überzeugung Ausdruck zu geben, dass man mit Haeckel den Evolutionsgedanken Darwins sich durchaus zu eigen machen und gleichzeitig den Gedankenwegen zustimmen könne, wie sie von manchen Mystikern betreten worden sind. Mit anderen Worten: Er wollte sich weder als »gläubiger Materialist« noch als christlicher Mystiker klassifizieren lassen. Er hoffte vielmehr zeigen zu können, »dass man ein treuer Bekenner der naturwissenschaftlichen Weltanschauung sein und doch die Wege nach der Seele aufsuchen kann, welche die richtig verstandene Mystik führt. Ich gehe sogar noch weiter und sage: Nur wer den Geist im Sinne der wahren Mystik erkennt, kann ein volles Verständnis der Tatsachen in der Natur gewinnen. Man darf wahre Mystik nur nicht verwechseln mit dem ›Mystizismus‹ verworrener Köpfe. «77 Es gehört zu Steiners eigentümlicher »Mystik«-Einschätzung, dass er die von ihm genannten Repräsentanten lediglich unter zeitgenössischen, wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu begreifen suchte. Mit anderen Worten: An die Stelle einer inneren Gotteserfahrung, wie wir sie aus Geschichte und Gegenwart kennen, stellte er die von ihm geteilten Erkenntnisbestrebungen seiner Zeit; an die Stelle von Religion trat für ihn »Wissenschaft«. Einer solchen »Mystik« verschrieb er sich. An die Stelle von Offenbarung, Weisheit und theologischer Lehre suchte er in zeitüblicher Weise eine »exakte Wissenschaft« zu stellen, die freilich auch und gerade die Bereiche des Übersinnlichen und Geistigen einbezieht. Er drückte das unter anderem so aus:

»Der Mensch strebt eine Erkenntnis der wahrhaftigen Wirklichkeit an. Der erste Schritt für eine ihm mögliche Befriedigung dieses Strebens ist die Einsicht, dass ihm solche Erkenntnis nicht durch Naturbetrachtung und auch nicht durch gewöhnliches, mystisches Innenleben werden kann. Denn zwischen beiden klafft ein Abgrund …, der erst ausgefüllt werden muss.«78

In dem Wissen, dass mit dem herkömmlichen, für die Sinnesbeobachtung erforderlichen rationalen Bewusstsein das angestrebte Ziel nicht erreicht werden könne, verlangte Steiner andere, seiner Überzeugung nach dafür geeignetere, entsprechend qualifizierte »Erkenntnismittel«. Dabei dürfe der Mensch nicht davor zurückschrecken, »zur Erlangung dieser Erkenntnis die Kräfte, welche im gewöhnlichen Bewusstsein auf die sinnliche Welt gerichtet sind, so umzuwandeln, dass sie eine übersinnliche Welt ergreifen können. (Denn) bevor man die wahre Wirklichkeit ergreifen kann, muss man erst den Seelenzustand herstellen, der auf die übersinnliche Welt Bezug haben kann.«79 Für den einzuleitenden Wandlungsprozess einer Metamorphose des Bewusstseins entwickelte Steiner seine anthroposophische Erkenntnismethodik, einen Übungsweg, der unter Einbezug von Willen und Fühlen in erster Linie einen disziplinierten Denkweg beschreiten lässt. Es handelt sich um Meditation und Kontemplation80, also um Praktiken, die in der abendländischen philosophisch-theologisch-mystischen Tradition durchaus vorgebildet sind81, sei es, dass man einerseits von Bildvorstellungen, Symbolen, Natureindrücken und dergleichen ausgeht; sei es, dass man sich in einem bestimmten Stadium eines gegenstandsfreien Innewerdens (Intuition, Kontemplation) dem Übersinnlichen gegenüber öffnet. Dieser Erkenntnisweg, der beim Denken ansetzt, ist so angelegt, dass Imagination, Inspiration und Intuition als Erkenntnisstufen durchschritten werden sollen. (Darauf ist im Zusammenhang der Meditation noch näher einzugehen).

Bereits in der Einleitung seines Mystik-Buches kommt Steiner auf diese Gesichtspunkte zu sprechen, wo er einleitend von einer »Wahrnehmung seiner selbst« und von einer »Erweckung seines Selbst« handelt. Da heißt es etwa: »Was ich durch diese Erweckung zu den Dingen hinzubringe, ist nicht eine neue Idee, ist nicht eine inhaltliche Bereicherung meines Wissens; es ist ein Hinaufheben des Wissens, der Erkenntnis auf eine höhere Stufe, auf der allen Dingen ein neuer Glanz verliehen wird … Mit der Erweckung meines Selbst vollzieht sich eine geistige Wiedergeburt der Dinge der Welt. Was die Dinge in dieser Wiedergeburt zeigen, das ist ihnen vorher nicht eigen.« Ausgedrückt ist die diesbezügliche Fragestellung mit dem Titel einer der anthroposophischen Grundschriften: »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?«82

An dieser Stelle gibt Steiner ein meditatives Beispiel: »Da draußen steht der Baum. Ich fasse ihn in meinem Geist auf. Ich werfe mein inneres Licht auf das, was ich erfasst habe. Der Baum wird in mir zu mehr, als er draußen ist. Was von ihm durch das Tor der Sinne einzieht, wird in einen geistigen Inhalt aufgenommen. Ein ideelles Gegenstück zu dem Baume ist in mir. Das sagt über den Baum unendlich viel aus, was mir der Baum draußen nicht sagen kann. Aus mir heraus leuchtet dem Baume erst entgegen, was er ist. Der Baum ist nun nicht mehr das einzelne Wesen, das er draußen im Raume ist. Er wird ein Bild der ganzen geistigen Welt, die in mir lebt. Er verbindet seinen Inhalt mit anderen Ideen, die in mir sind. Er wird ein Glied der ganzen Ideenwelt, die das Pflanzenreich umfasst; er gliedert sich weiter in die Stufenfolge alles Lebendigen ein.«83

Damit ist einmal mehr zum Ausdruck gebracht, dass Steiner keine Geschichte der mittelalterlichen Mystik schreiben und an sie weiterführend anknüpfen wollte. Ebenso wenig ging es ihm um eine aktuelle Einführung in die herkömmliche Mystik. Weder die anglo-indischen Theosophen noch die Anthroposophen verstehen sich als »Mystiker«. Weil er in jenen Mystikern der Vergangenheit »letzte Ausläufer einer Forschungs- und Denkungsart« sah, bei denen ein geistig Strebender nicht stehen bleiben wollte, erlaubten sie ihm auch keine bloße Aktualisierung oder Weiterführung. Dennoch sprach sich Steiner – anlässlich der Neuausgabe seines Mystik-Buches (1923) – dafür aus, dass das heutige Erkenntnisstreben »einer mystischen Vertiefung fähig« und auch bedürftig sei. Insofern gebe es einen Weg, »von dem mystischen Ausgangspunkte aus zur Geist-Erkenntnis« aufzusteigen.84

Eine Fortführung und Erweiterung der in »Die Mystik im Aufgange …« vorgetragenen Gedanken, fanden sich ein Jahr später in der Schrift »Das Christentum als mystische Tatsache«85. Auch das darin Dargestellte geht auf eine Berliner Vortragsfolge zurück. Sie begann am 19. Oktober 1901 und erstreckte sich über einige Wochen. Führt man sich vor Augen, welche Themen Rudolf Steiner in jenen Tagen – also noch vor seinem Eintritt in die Theosophische Gesellschaft – beschäftigen, dann zeigt sich, wie deutlich sich die Inhalte von dem abheben, was formal im theosophischen Rahmen darzustellen war. Wichtig geworden sind ihm die klassischen Ideale der Wahrheit, Schönheit und Güte. So handelt es sich beispielsweise um einen Vortrag, in dem er Haeckel im Zusammenhang des Ideals der Wahrheit, Tolstoi unter dem Gesichtspunkt der Güte, Nietzsche unter dem der Schönheit darstellt. Wenige Tage später trägt er in Hannover über Goethes Esoterik vor, wie sie im »Märchen von der grünen Schlange und der weißen Lilie« abgebildet ist. Und wiederum wenige Tage danach, als man am 17. November der Gründung der Theosophical Society (1875) gedenkt und Steiner für diese von H. P. Blavatsky initiierte Gesellschaft gewonnen werden soll, weist er darauf hin, dass unter anderem an Plato und Goethe, also an die abendländische Geistestradition, angeknüpft werden müsse, falls man von der Seite der Theosophen auf seine Mitwirkung Wert legen sollte.86

Was nun sein Buch »Das Christentum als mystische Tatsache« anlangt, so haben Steiners Vorstellungen zur Einschätzung des Christentums und seiner Mystik sich innerhalb weniger Jahre, etwa bis 1910, geklärt. Auch hier geht es ihm nicht primär um eine geschichtliche Darstellung, »sondern es sollte die Entstehung des Christentums aus der mystischen Anschauung heraus geschildert werden. Es lag dabei der Gedanke zugrunde, dass in dieser Entstehung geistige Tatsachen wirkten, die nur durch eine solche Anschauung gesehen werden können. Der Inhalt des Buches allein kann rechtfertigen, dass sein Verfasser ›mystisch‹ nicht eine Anschauung nennt, welche sich mehr an unbestimmte Gefühlserkenntnisse als an ›streng wissenschaftliche Darlegung‹ hält.«87