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In "Norika" sammelte Hagen Nürnberger Novellen aus dem 16. Jahrhundert und übertrug sie in die Sprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
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Seitenzahl: 271
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Norika
August Hagen
Inhalt:
August Hagen – Biografie und Bibliografie
Norika
Vorbericht des Verfassers Jacob Heller.
Erster Aufenthalt in Nürnberg.
Einzug in Nürnberg. Der Sebaldustag.
Die öffentlichen Kunstmerkwürdigkeiten Nürnbergs.
Die Bildner Vischer, Krafft und Lindenast.
Albrecht Dürer, der Maler.
Albrecht Dürers Erinnerungsbuch.
Der Ratsherr Wilibald Pirckheimer in Neunhof.
Dürers Schüler. Holzschnitte zum Gedichte Teuerdank.
Der Bildhauer Krafft in seiner Werkstatt.
Zweiter Aufenthalt in Nürnberg.
Der störrische Schuster. Der Herrenkeller.
Der Rotschmied Peter Vischer und seine Söhne.
Der Bildschnitzer Veit Stoß.
Der Kaiser Maximilian I.
Der Johanniskirchhof mit den Bildwerken Adam Kraffts.
Die Singschule der Meistersinger
Dürer erhält einen Besuch von Thomas von Bologna, einem Schüler Raphaels
Pirckheimers Dichterkrönung
Brief von Pirckheimer und Nachschrift des Verfassers.
Norika, A. Hagen
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783849626860
www.jazzybee-verlag.de
Schriftsteller, geb. 12. April 1797 in Königsberg, gest. daselbst 15. Febr. 1880, studierte seit 1816 in seiner Vaterstadt Medizin und Naturwissenschaften, wendete sich dann aber dem Studium der Kunst- und Literaturgeschichte zu. 1821 promoviert, machte er eine Reise nach Rom, eröffnete nach seiner Rückkehr in Königsberg 1824 akademische Vorlesungen über Kunst- und Literaturgeschichte, ward 1831 ordentlicher Professor dieser Lehrfächer und erhielt zugleich die Aussicht über die Kunstsammlungen. 1831 stiftete er den Königsberger Kunstverein, später auch das dortige Stadtmuseum. Noch während seiner Studienzeit war er mit dem romantischen Gedicht »Olfried und Lisena« (Königsb. 1820) hervorgetreten, und bald darauf ließ er seine »Gedichte« (das. 1822) erscheinen. Er schrieb außerdem: »Norica, nürnbergische Novellen aus alter Zeit« (Bresl. 1827; 6. Aufl., Leipz. 1887; engl. 1855); »Die Chronik seiner Vaterstadt vom Florentiner Lorenz Ghiberti« (das. 1833; 2. Aufl. 1861; ital., Flor. 1845); »Die Wunder der heil. Katharina von Siena« (Leipz. 1840); »Leonhard da Vinci in Mailand« (das. 1840); »Geschichte des Theaters in Preußen« (Königsb. 1854); »Die deutsche Kunst in unserm Jahrhundert« (Berl. 1857); »Acht Jahre aus dem Leben Michelangelo Bonarrottis« (das. 1869); »Max v. Schenkendorfs Leben, Denken und Dichten« (das. 1863). Vgl. »August H., eine Gedächtnisschrift« (Berl. 1897).
"Ehe Amsterdam emporkam und Hamburg sein Haupt erhob, war Nürnberg das deutsche Venedig!" sagt mein großer Ohm Gottsched, der aus Furcht, die Voluten seiner Kandidaten-Perücke mit dem Grenadierzopf zu vertauschen, die Vaterstadt floh. Wenn nur Handel und bürgerlicher Wohlstand berücksichtigt wird, so kann das Urteil dieses Mannes nicht angefochten werden, den Pinkerton noch im Jahre 1811 als den größten Kritiker der Deutschen rühmt. Betrachten wir aber die Blüte der Kunst, so verdient Nürnberg das deutsche Florenz genannt zu werden, welchen Namen ein anderer heimischer Dichter von anderem Gehalt einer andern deutschen Stadt zuerkannte. Wenn auch einzelne Strahlen der Kunst in verschiedenen Örtern Italiens früh aufleuchteten, so vereinigten sie sich in Florenz zu einem Lichtquell, aus dem die Stifter verschiedener Malerschulen Erleuchtung schöpften. Florenz war die Pflanzschule aller Künste, das wetteifernd mit unverwelklichen Kränzen den Ruhm seiner hochsinnigen Herrscher schmückte. Auf gleiche Weise gedieh in Nürnberg die deutsche Kunst zu nahmhafter Würde durch rege Wechselwirkung, die daselbst von einem edlen Aufwande gepflegt in einer zunftgemäßen Gesetzlichkeit eigentümlich sich entfaltete.
Auf die Kunstgeschichte Nürnbergs wurde meine Aufmerksamkeit durch eine Handschrift gelenkt, die mir der öffentlichen Mitteilung nicht unwert schien. Sie rührt von einem Kaufmann aus Frankfurt Jacob Heller her, der, nicht ohne gelehrte Bildung, vielleicht mehr Kunstfreund, als Kenner, im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts sich längere Zeit in Nürnberg aufhielt und, was er von den Künstlern und ihren Werken daselbst sah und hörte, umständlich niederschrieb. Die Handschrift befindet sich in der Bibliothek der hiesigen Hochschule.
Zu den Büchern, mit denen Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Stifter der Hochschule, die Bibliothek beschenkte, gehört ein Foliant mit Dürers Schriften. Albrecht erhielt ihn vielleicht durch den bekannten Lucas Cranach, an den er folgendermaßen schrieb:
Es ist an Dich unser gütliches Begehren, Du wollest uns alle neue, gute, lesenswürdige Bücher, so in Kurzem bei Dir oder anderswo ausgegangen wären und bei euch zu bekommen, kaufen und aufs Förderlichste übersenden.
In einem Briefe Cranachs, worin er über die noch nach Jahren nicht erfolgte Zahlung des vorgestreckten Geldes klagt, heißt es:
Ich habe Ew. fürstl. Gnaden im nächsten Weihnachten geschrieben der Bücher halber, die ich Ew. Gnaden geschickt habe.
Der erwähnte Foliant enthält folgende zusammengebundene Schriften:
Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit in Linien, Ebnen und ganzen Körpern durch Albrecht Dürer zusammengetragen und mit zugehörigen Figuren in Druck gebracht im Jahr 1525.Etliche Unterricht zu Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken. Gedruckt zu Nürnberg 1527.Hierin sind begriffen vier Bücher von menschlicher Proportion durch Albrecht Dürer von Nürnberg erfunden und beschrieben 1528.Dieses Buch war offenbar einst ein teures Eigentum Jacob Hellers, das nach seinem Tode unbesehen vertrödelt wurde, denn in ihm fand ich die herauszugebende Handschrift.
Meinem Wunsche, die Schuld von mehr denn dreihundert Jahren, während sie unbemerkt in dem Buche lag, das nicht durch den Gebrauch, sondern nur durch den Stock gelitten, jetzt durch die Veröffentlichung zu tilgen, stellt sich manches Hindernis entgegen. In der unsaubern, schwer zu entziffernden Handschrift bemerkt man eine Flüchtigkeit und Fahrlässigkeit der Abfassung, die sich nur wenige Leser um des Inhalts willen gefallen lassen. Beinahe kein Satz ist ausgeführt, vieles ist zwei-, dreimal ohne allen Grund wiederholt, nirgend zeigt sich ein Streben nach Einheit, am wenigsten in der Art der Schreibung, da z.B. der Name Pirckheimer, wie oft er vorkommt, immer verschieden buchstabiert ist. Auf diese Weise schien mir die Handschrift überall zuzurufen, was Dürer in einem Briefe sagt: "Lest es nach dem Sinn!" und ich sah mich genötigt, die Pflicht eines rechtgläubigen Herausgebers zu verletzen.
Die altertümliche Sprache wurde verbannt, darum aber wollte ich nicht den altertümlichen Charakter abstreifen und einzelne Seiten der Urschrift sind Wort für Wort wiedergegeben. Im ganzen jedoch wurde zusammengezogen und verkürzt, namentlich viele Briefe, die als Belege beigefügt sind, teils übergangen, teils dem Inhalte nach mitgeteilt. Nichts ist schwerer bei dergleichen Verneuungen, als die rechte Grenze zu treffen, wo das Alte beibehalten und wo es zu verändern sei, weshalb der Billige eine kaum zu vermeidende Ungleichheit der Sprache ungerügt lassen wird.
Königsberg, im Februar 1829.
Nachschrift.
An der Übersetzung: Norica: or tales of Nürnberg from the olden time.After a MS. of the sixteenth century. London 1851liest man in der Vorrede: No such MS. as Hellers Journal exists.How far a fiction of this character is wholly defensible, the literary conscience of the public must be lest to decide. – Was hier eröffnet wird, dringt sich jedem denkenden Leser von selbst auf und wurde daher niemanden verschwiegen, weder dem ersten deutschen Verleger 1829, noch dem englischen Übersetzer 1850. Dieser so wie sein Publikum werden darum hier nicht die Shakespearschen Worte anwenden wollen: he both pleaseth men an angers them.
Königsberg, im Juli 1854.
Es war in der Charwoche, als ich in der Dominikanerkirche in meiner Vaterstadt Frankfurt am Altar kniete und Gott um Vergebung meiner Missetat flehte. Ich kniete auf dem Steine, der die Begräbnisstelle meiner entschlafenen Gattin deckt. Mit Tränen im Blicke schaute ich zu dem Altarbilde empor, dessen Türen, wie dies an Festtagen geschieht, geöffnet waren. Die Türen, von beiden Seiten bemalt, stellen Gestalten von Heiligen dar, so schön, daß das Auge, wenn es nicht auf dem noch schöneren Mittelbilde weilt, nicht von jenem hinwegzuwenden vermag. Nie stimmte mich wehmutsvoller und andächtiger der Anblick der verklärten Jungfrau Maria, wie sie frei von zeitlicher Beschränkung in einem Chor lieblicher Kindesengel zum Himmel emporschwebt. Nicht weniger sehnsüchtig und trauernd blickte ich zu ihr, als unten auf dem Gemälde die Schar der Apostel, die um ihr Grab versammelt sind. Oft hatte ich das Kunstwerk mit Liebe und Bewunderung betrachtet, da ich es selbst in die Kirche gestiftet, aber nach jenem Eindrucke, als ich zuerst desselben ansichtig ward, war ich von seiner Schönheit niemals tiefer bewegt.
Da ich so ganz meinen Empfindungen mich hingab, zupfte es mir am Ärmel und ich erblickte meinen lieben Sohn, der mir nach der Kirche nachgeschickt war. Was bringst du mir, lieber Wilibald? fragte ich ihn. Einen Brief aus Nürnberg, war seine Antwort, einen Brief von meinem Paten, auf den Ihr lang gewartet habt! Da ich nach dem Briefe griff, zog er ihn wohlmeinend zurück und zögerte, ihn mir auszuhändigen. Ich nahm ihn und bemerkte ein schwarzes Wachssiegel. Nachdem ich einen kleinen Schauer überwunden, durchflog ich den Brief, tiefgebeugt von seinem Inhalt. Albrecht Dürer, hub ich darauf an, du wandelst nicht mehr unter den Sterblichen, der in dieser Himmelfahrt Mariens so ganz aussprach, was er fühlte, herrlicher, frommer Meister! In der Charwoche betrauerte die Kunst den Tod Raphael Ganzios und in der Charwoche schiedest du auch hin, sein Freund, der noch sterbend seinem Vorbilde folgte.
Ich dachte an Albrechts Tod und aller Meister, die vor zehn Jahren bei einem zweimaligen Aufenthalt in Nürnberg mir Beweise rührender Liebe ablegten und die nun nicht mehr waren. Der Tag des Herrn war diesmal mehr, als je, mir eine ernste Feier schöner Erinnerungen. Wie lange wird es währen, dachte ich bei mir, so habe auch ich die Spanne Land durchschritten und bin mit den vorangegangenen Freunden vereinigt! Mein Sinn stehe jetzt dahin, denen, die mir teuer sind, ein würdiges Vermächtnis zu hinterlassen, außer des Wohlstandes ungewissen Besitztümern. Dies Vermächtnis in der verzagten, lieblosen Zeit, die sich schämt, die von Furchen entstellte Stirne der Freude zu entfalten, sei das wahrhafte Geständnis, daß ich glücklich lebte, daß man noch auf der Erde glücklich leben könne. Auf daß zweifelnde Gemüter darin Trost, Kraft und Erhebung finden, bin ich entschlossen, die glücklichsten Tage meines Lebens getreu und umständlich abzuschildern.
Im vertraulichen Verkehr mit den ersten Gelehrten und Künstlern, die je lebten, umgeben von den herrlichsten Kunstwerken, die je entstanden, war mir in Nürnberg ein irdisches Paradies aufgetan. Indem ich für meine Angehörigen und Freunde das niederzuschreiben gedenke, was ich oft nach des Tages Müh' an frohen Abenden erzählte, hege ich bei meinem Vornehmen, genau der Wahrheit zu folgen, dennoch die Furcht, hie und da wider Willen von ihr abzuweichen. Denn da ich kein anderes Tagebuch als das der Ausgaben führe, und nur, was von Schriften Merkwürdiges mir vorkam, abschrieb, da ich nach meiner Heimkunft fleißig Briefe von den Künstlern in Nürnberg empfing, die meine Freunde waren, da jeder, der mir einen Gruß von dort brachte, als mein Tischgast genau berichten mußte, was sich im Felde der Kunst begeben, so kann es kommen, daß mein Gedächtnis bisweilen irrt, daß ich nach dem Wert der Künstler den ihrer Werke ermesse, daß ich das früher Geschehene vom später Hinzugekommenen nicht zu scheiden weiß und daß ich das mit eigenen Augen gesehen zu haben glaube, was ich nur durch Hörensagen kenne. Wer mich bis zu Ende, folglich gern erzählen hört, wird mir die Fehler nachsehen, und wer mir nicht sein Ohr leiht, darf mir keinen Vorwurf machen.
Schon lange vor meiner Verheiratung war mir Herr Hans Imhoff in Nürnberg als ein lieber Geschäftsfreund bekannt. Oft lud mich dieser ein, ihn zu besuchen, um die Merkwürdigkeiten der alten Reichsstadt zu bewundern und die berühmten Männer daselbst kennen zu lernen, vor allen Albrecht Dürer, den Fürsten der Künstler, denn er kannte meine Neigung wohl zu den Künsten und Wissenschaften. Manchem Maler hatte ich schon etwas zu verdienen gegeben und mit Dürer selbst pflog ich Unterhandlungen wegen eines Altarblattes. Da mich noch nicht Weib und Kind an die Heimat fesselten, da ich mir von einer Reise nach Nürnberg, Augsburg und Regensburg wichtige Handelsverbindungen versprach, so entschloß ich mich um so lieber der Einladung zu folgen.
Ende Juli war es, als ich den Reisewagen bestieg und ohne Aufenthalt meinem Ziele entgegenstrebte. Denn ich halte nichts davon, unterwegs nach Sehenswürdigkeiten rechts und links zu spüren, zum Sehen gehört Ruhe und die Ruhe verträgt sich nicht mit dem Vorwärtskommen. Schon sah ich in Erlangen am Horizont die Türme der Pegnitzstadt schimmern und hoffte um eine Stunde in ihre Tore einzuziehn. Was konnte mir hier verdrießlicher sein, als folgender Vorfall? Der eine von meinen Rappen nämlich, von der Hitze und den Bremsen gepeinigt, schlug aus und traf den Kutscher, gerade da er sich auf den Bock schwingen wollte. Er fiel zu Boden und glaubte nie wieder aufzustehn. So schlimm war es nun nicht, aber schlimm genug, daß ich mir mußte die Lust vergehen lassen, mit ihm weiter zu fahren. Ich ließ den Verwundeten sogleich in die Schenke bringen und machte dem Wirt seine Pflege zur Pflicht. Sodann bat ich ihn, mir einen tüchtigen Fuhrmann zu besorgen, der mich nach Nürnberg führe und der dort gut Bescheid wüßte. Daselbst wollte ich mich so lange aufhalten, bis mein eigner Kutscher wieder seine Dienste versehen könnte. Der Wirt schlug mir sogleich einen zuverlässigen Menschen vor, der aus Nürnberg dahin gekommen wäre und der sich glücklich schätzen würde, den Weg zu fahren, den er sonst zu Fuß hätte zurücklegen müssen. Das war mir recht und ich erkannte, wie gewöhnlich dem, der schnell auf Abhülfe eines Unglücks denkt, als Schmerzensgeld unerwartet ein günstiger Umstand zu gute kommt. Ich fragte den Fuhrmann im blauen Reisehemde, ob er Herrn Hans Imhoff finden würde. Mit verbundenen Augen! gab er mir zu Antwort. Kaum eine Viertelstunde war verflossen, so saß ich wieder im Wagen und merkte mit Vergnügen, daß mein Führer sein Handwerk verstünde und überhaupt ein ganz gescheidter Mensch wäre. Als wenn er mein Wohlgefallen an ihm erriete, machte er mich auf das Genaueste mit seiner Person, seiner Wohnung und seinen Vorfahren bekannt. Ich hörte es geduldig an, da gerade kein anderer Gegenstand zu besprechen war. Die Türme Nürnbergs traten immer deutlicher aus der blauen Ferne vor und zunächst fesselte meinen Blick altes Festungsgemäuer mit Schanzen und Wehrtürmen. Ich fragte ihn nach diesen Gegenständen und er ließ sich so vernehmen:
Hochgeehrter Herr, der graueste Kopf in der Stadt ist nicht so grau, als dieses Mauerwerk, und hat es auch nicht entstehen sehen. Das rührt noch aus der höllischen Heidenzeit her. Der dicke Turm da ist vom Kaiser Nero. Das war ein Satan. Nebukadnezar begnügte sich mit Heu, aber dieser sog nichts als eitel Menschenblut. Da saß er auf der Warte und spähte, wie die Krähe auf dem Dachgiebel, nach Beute umher. Weil er solch lästerliches Wesen hier trieb, so ward der Felsen, auf dem der Turm steht, der Neroberg genannt und das ist der rechte Name von Nürnberg. Jetzt wohnt auch der Kaiser da, wenn er zu uns von Wien herüberkommt, ich meine im Schlosse nebenbei, aber der macht es nicht so. Der viereckige Turm mit den vier Erkern, das ist der Luginsland, der mag auch schon manch liebes Jahr ins Land gelugt haben und wird es nicht satt.
Indes waren wir ziemlich nahe der Stadt und um so weniger war es mir recht, daß mein Kutscher anhielt; doch mochte ich nichts dagegen äußern. Er ging zu den Pferden, strich ihnen die Mähnen zurecht, band ihnen die Schweife los und säuberte sie so viel, als es sich in dem Augenblicke geschehen ließ. Jetzt kam die Reihe an ihn selbst. Er kämmte sich mit dem großen Kamm, den er trug, die Haare glatt, zog sich dann das blaue Hemde aus und hüllte sich in eine bessere Tracht.
Halten alle Nürnberger so auf Zierlichkeit, wenn sie in die Stadt ziehen? fragte ich ihn ein wenig unwillig. Ja, heute geht's nicht anders, erwiderte er, denn was würde sonst unser Herr Sebald sagen? Da er mir anmerkte, daß ich von diesem Herrn nichts wußte, so fuhr er also in der Rede fort: das ist Euch der Oberste in ganz Nürnberg; selbst wenn der Kaiser Maximilian bei uns weilt, so will der nur wenig gegen ihn bedeuten. Des Kaisers Schloß ist groß, aber seines ist noch größer. Seht Ihr die Kirche mit den beiden Türmen dort über dem roten Dach? Da wohnt der heilige Sebaldus. Der Lorenzkirche, die auch zwei Türme hat, die aber weiter entfernt liegt, gibt sie wenig nach. Ja – da könnt Ihr lange reisen, bis Ihr einen Münster wie den St. Lorenz findet. Doch so wahr ich ehrlich bin, heute erscheint die Sebalduskirche höher, als alle, und zwar mit allem Recht, denn heute ist der neunzehnte August und der Ehrentag des heil. Sebaldus. Der Heilige kann es nicht lassen, fortan Wunder zu verrichten.
Jetzt stieg der Kutscher wieder auf den Bock und trieb die Pferde. In mein Verlangen, mir die Taten des heil. Sebaldus mitzuteilen, wollte er lange nicht eingehen und wiederholte mir: heute ist sein Ehrentag. Da werdet Ihr einmal ein Leben sehen, ein Jubeln und Jauchzen. Ja, wer sich nie Zeit zur Ruhe nahm, der legt heute die Hände behaglich in den Schoß, und wer vor Alter nicht mehr die Füße rühren kann, der tanzt Euch heute trotz dem Jüngsten, und wer das ganze Jahr von Brot und Salz lebte, bei dem geht's heute ohne Braten nicht ab. Wenn Ihr denn wissen wollt, wer der erste Schutzheilige Nürnbergs ist, so will ich Euch gar schöne Dinge von ihm erzählen. Ihr werdet alles Lüge nennen und meinen, daß es so was vom Badeknecht ist, aber glaubt mir, alles steht so in den Schriften, wie ich es Euch sage.
Zur Zeit des Kaisers Constantin, da lebte in Dänemark ein gottesfürchtiger König und die Königin war es auch. Sie flehten um Kinder lange umsonst und taten das Gelübde, daß, wenn ihnen eins zuteil werden sollte, es zum Ausbunde aller Tugenden zu erziehen. Und wirklich sparten sie an ihrem Sohne Sebald, als dieser ihnen geboren wurde, nicht Mühe und Kosten.
Von fünfzehn Jahren ward er auf die hohe Schule nach Paris geschickt und hier kannte er bald die Gottesgelahrtheit aus- und inwendig, so daß er alle Doktoren beschämte. Reinen Wandels und voll übermenschlicher Klugheit kehrte er zu den Eltern. Da diese ihm anlagen, sich zu vermählen, so zeigte er, daß er über allem Ruhm, den er sich in der Fremde erworben, doch den Kindesgehorsam nicht vergessen hatte. Gar einfältiglich fragte er, welche Jungfrau er ehelichen sollte, denn ihr Wille wäre seine Wahl. Da die Eltern sich besannen, so traf es sich, daß eine Schwalbe mit einem Frauenhaar im Schnabel vorbeiflog, die, wie es bei diesen Vögeln gewöhnlich ist, oft ihren Flug wiederholte und endlich das Haar vor die Füße des Jünglings legte. Alle meinten, daß dies eine göttliche Bestimmung wäre, und daß die Frau ihm zugeeignet werden müßte, der dieses Haar gehörte. Der junge Herr Sebald war eben so schön und mannhaft, als reich und adlig, und daher kam es, daß alle Jungfrauen fern und nah, deren Locken etwa so braun aussahen, als jenes Haar, steif und fest behaupteten, es gehörte ihnen, und es als unschätzbares Eigentum zurückverlangten. Da war keine, die nicht ein Geschichtchen vorzubringen wußte, wie sie das Haar verloren und wie sie schon um ihrer Vorzüge willen den Rang vor allen Mitbewerberinnen verdiente. Unter ihnen gab es auch manche leichtfertige Dirne, die es mit dem frommen Herrn Sebald versuchen wollte. Wie sahen sich alle Leute in der Stadt, ja in ganz Dänemark an, als er die allerfreiste unter ihnen wählte. Sie war so eine aus Paris. Die Eltern wollten vor Gram vergehn, allein das Haar stimmte und Sebald pries sich glücklich, da er sich so früh erkoren sah, eine Sünderin zu bekehren. Das Bekehrungsgeschäft war sauer, und gelungen wäre es nie, wenn sie nicht bei aller Flatterhaftigkeit eine sonderliche Neigung zu ihm gefaßt hätte. Anstatt zu scherzen, tändeln und tanzen, sah man sie jetzt weinen, beten und sich kasteien. Ein über das andre Mal mußte sie ihm einen hochheiligen Schwur ablegen, keinem Manne, außer ihm, ihre Liebe zuzuwenden. Da nun so aus dem leichtfertigen Weltkinde eine fromme Büßerin geworden war, so ward der Tag der Vermählung festgesetzt. Die Hochzeit aber war Euch ein wahrhaftes Trauermahl. Als alle Gäste von dannen gegangen waren und die beiden Vermählten allein blieben, da vermahnte sie Herr Sebald, wie es in seiner Art war, ließ sie noch etliche Male schwören und stelle ihr dann vor, wie eine Ehe nichts Sträfliches, wie aber eine heilige Ehe das gottgefälligste Vernehmen auf Erden wäre. Das wollte der Braut lange nicht zu Sinne gehn, da er es aber an schönen Reden nicht fehlen ließ, so mußte sie ihm glauben. Noch einmal verlangte er das alte Gelöbnis und, da sie es getan, entfloh er und sah sie nimmer wieder.
Herr Sebald gab jetzt sein Geld den Hungrigen, seine schönen Kleider den Nackenden und in einem groben Kittel zog er in einen Wald, bauete sich hier eine Hütte aus Baumzweigen und nährte sich von wilden Früchten. Alle irdische Eitelkeit hatte er abgelegt und daher schwang er sich von der Erde leicht auf der Leiter des Gebets hoch zum Himmel empor. Da er durch Anrufung aller Heiligen einst einen Krüppel heilte, so verbreitete sich der Ruf seiner Heiligkeit weit und breit und das Glück der Einsamkeit, das ihm so wohltuend war, hatte die längste Zeit gewährt. Von allen Orten wallten zu ihm Mühselige und Beladene, und er richtete sie auf von der Bürde ihres Leidens. Andere gotterleuchtete Männer gesellten sich zu ihm, und oft, wenn sie über Hunger klagten, trug er ihnen die Geschichte von den fünf Broten und zwei Fischen vor, und diese fühlten sich um so mehr getröstet, da ein leeres Legel sich alsdann mit Wein füllte und ein Engel ihnen Brot brachte. Als Herr Sebald sein lieb Teil gebetet, entschloß er sich, nach Rom zum heiligen Vater mit seinen Gefährten zu ziehn. Der Papst reichte gar huldselig dem Gottesmann den Pantoffel hin und gab es ihm nach, alle Heiden in Deutschland jenseits der Donau zu lehren und bekehren. Allein Herr Sebald konnte seinen Eifer nicht beherrschen und trieb sein Wesen schon von Stund an, da er Rom verließ. Gar weitläufig wäre es zu erzählen, wie er predigte, um Steine zu erweichen, wie er die Blinden sehend und die Lahmen gehend, die Tauben hörend und die Hungrigen zehrend machte. Viel Lob erwarb er sich, aber mitunter auch Spott. Den letztern nahm er gern für den Willen, weil es alsdann wieder etwas zu bekehren gab. So rief einst einer, da er predigte: Leute glaubt nicht! Sebald ist ein Lügner. So wahr als ich nicht fliegen kann, so wahr ist es auch, daß Herr Sebald keine Wunder verrichtet. Kaum hatte der Ketzer so gesprochen, so wurde ihm das Stehen schwierig, seine Füße konnten nicht recht Grund fassen, die Arme breitete er aus, als wenn er sich an der Luft halten wollte und wie er zappelte, so fühlte er, daß er immer höher stieg und gleich einem Flaum, der vom Winde immer aufs neue in die Höhe getrieben wird, büßte er für seinen Frevel und flennte gewaltiglich. Da betete Sebald, und der Spötter kam wieder zur Ruhe und betete mit ihm.
Langsam setzte der Gottesmann seine Reise fort. Die Natur kämpfte eben mit Winter und Frühling und es geschah, daß, als der Heilige das Donauufer erreicht hatte, der Eisgang die Brücke zertrümmerte und mit sich riß. Die Gefährten, der heil. Wilibaldus und der heil. Wunibaldus, sahen ihren Führer zagend an. Er aber zagte nicht, zog sich die Kutte ans, legte sie auf das Wasser, stellte sich darauf und schwamm über die wilden Fluten, die ihm kaum die Füße benetzten. Es war kalt. Er aber wußte sich zu helfen und ließ eine Frau, da sie in ihrer Strohhütte kein Holz hatte, Eisschollen herbeibringen und sie auf den Herd legen. Und die Eisschollen brannten wie das trockenste Holz. Die arme Frau fiel dem Heiligen zu Füßen und trug ihm dann noch ein Anliegen vor. Seit gestern, und das erzählte sie ihm mit Tränen in den Augen, hatte sie all ihr Hab und Gut eingebüßt, nämlich ihre beiden Ochsen, die sich im Walde verlaufen. Sie flehte und ihr Mann jammerte dabei, denn er hatte sie vergebens gesucht, bis es dunkel geworden. Herr Sebald befahl ihm, noch einmal nach dem Walde zu gehn, während des Gehens zu beten und – er würde finden. In der Nacht? grinsete ihm der Bauer entgegen. Allein jener wiederholte, was er gesagt hatte, und der Mann ging. Der meinte, es wäre Nacht, aber um ihn war Tag und seine Hand leuchtete wie die Sonne. Er betete und fand die Tiere. Wie groß war die Freude und das Entzücken, als die Ochsen heimgeführt wurden. Das Ehepaar kniete nieder und küßte dem Wohltäter Hände und Füße. Vor Dankgefühl zerflossen schier alle beide in Tränen und konnten sich nicht zufrieden geben und baten inbrünstig, daß er ein Opfer von ihnen fordern möge. Seid fromm! rief Sebald. Wer weiß, ob ich nicht einst einen Dienst von euch verlange und wer weiß, ob ihr ihn dann tun werdet. Das tat den Armen recht weh, die nun noch lauter beteuerten, wie aufrichtig es von ihnen gemeint sei.
Der Heilige setzte seinen Wanderstab weiter und kam in die Gegend von Nürnberg. Hier in dem Lorenzerwalde hauste er und es vereinigten sich wieder seine Gefährten mit ihm, die an der Donau sich von ihm getrennt hatten. Die gottgeistigen Männer taten hier nichts, als Wunder, der Herr Wilibald und Wunibald, vor allen der Herr Sebald. Der letztere war noch nicht alt, als er sein letztes Stündlein schlagen hörte. Da er auf dem Todesbette lag, so fragten ihn weinend die Gefährten, was er noch auf dem Herzen hätte, wo und wie er begraben zu werden wünschte und anderes. Der Sterbende bezeichnete jetzt den Freunden eine Frau, deren Hütte bei Regensburg unweit der Donau läge. Zu ihr sollten sie sich begeben und sie um ihre beiden Ochsen für etliche Tage bitten und die Tiere vor seinen Leichenwagen spannen. Lenken sollte sie niemand und wohin sie von selbst gingen und stille stünden, möchte man ihn beerdigen. Der heil. Sebald verschied. Die Freunde gingen alsobald zu jener Frau, aber diese fragte in verwunderlichem Tone, wer denn der Herr Sebald wäre? Jene baten und sie erinnerte sich, dem Heiligen sich zu einem Dienste erboten zu haben, aber doch nur bei seinen Lebzeiten. Sie schlug es ab, da sie einem Lebenden gern einen Gefallen täte, in Aussicht eines Gegendienstes, aber nicht einem Toten, bei dem auf nichts zu rechnen wäre. Kaum hatte das undankbare Weib so gesprochen, so brachen die wütigen Stiere die Stalltüre auf und rannten davon. Die beiden Heiligen schüttelten den Kopf und dachten, daheim andere Ochsen zu mieten. Aber zurückgekehrt sahen sie die entronnenen Tiere am Leichenwagen, die sich wie Lämmer anspannen ließen. Sich überlassen schweiften sie hin und her und lenkten dann nach Nürnberg ein. Vor der Petrikapelle blieben sie stehn, legten sich dann hin und standen nicht mehr wieder auf. Da ruht nun und rastet der heil. Sebald gar gnädiglich.
Wenn er nach dem Tode rastet, wandte ich ein, so verleugnet er ja der Heiligen Art.
So war es nicht gemeint, fuhr der Erzähler wieder fort. Sogleich als er beerdigt und ein erbärmliches Häuslein von Holz über seinem Grabe zusammengeschlagen war, konnte er nicht zur Ruhe kommen, bis auf seine Veranstaltung dasselbe nebst der Petrikapelle vom Blitz eingeäschert wurde. Da sah man ein, was für einen mächtigen Gast man aufgenommen hatte, und legte seinen Leichnam in einen übergroßen Sarg von echtem Silber und darüber führte man die allgewaltige Sebaldskirche auf. Jetzt läßt er es sich bei uns wohl gefallen und alle Gute und alle Böse erhalten von ihm ihren Lohn. Die reichen Leute legen in seine Sparbüchse Geld, das er unter die Bettler verteilt, und die Armen opfern ihm Brot, Früchte, Wachs und was sie haben. Und er weiß es ganz gut, wie es jeder Geber meint. Da war ein übermütiger Soldat, der brachte ihm Wein und goß denselben in den Sarg, damit der Heilige ihn tränke, ehe er verdürbe. Als jener das tat, streckte der heil. Sebald die Totenhand aus und zeichnete ihn dermaßen, daß Ihr noch auf seiner Backe die fünf Finger sehen könntet, wenn er noch lebte. Ein Bauerknecht sollte einst für seine Herrschaft einen Käse auf des Heiligen Grab legen. Da er aber sah, daß mehr als ein Käse schon geopfert, aber keiner angerührt war, so meinte er, es klug zu machen, indem er seinen Käse behielt und einen ganz ähnlichen Stein dem heil. Sebald vorsetzte. Der Bauer biß darauf in den Käse, aber brach sich sogleich zwei Zähne aus, denn es war ein Stein. Er verwunderte sich, daß er anstatt einen andern, sich diesmal selbst betrogen hätte, schlich in die Kirche und wechselte heimlich die Gaben. Aber der neue Käse war nicht minder hart und er verlor wieder ein paar Zähne. Er vertauschte ihn von neuem, allein er mußte wieder büßen. Als er keine Zähne mehr hatte, gönnte er dem heil. Sebald den Käse und warf den Stein dahin, woher er ihn genommen. Den Frommen läßt er es aber wohl ergehn. Es war, als mein Urgroßvater lebte, daß eine arme Frau mit ihrem bereits gestorbenen Kinde in die Kirche lief und bat den Schutzpatron, es lebendig zu machen. Und horch! als der Priester das Amt hielt, so erwachte das Kind und sagte ganz laut: Amen! obgleich es erst drei Monate zählte. Er ist ein Freund aller Notleidenden und das solltet Ihr nicht glauben, daß der ehrbar züchtige Herr Sebald den Weibern auch in Kindesnöten beisteht.
Lieb war es mir, daß das Gerassel auf dem Steinpflaster des Fuhrmanns Redeschwall hemmte und wir endlich in das Tor, unfern dem Schloßzwinger, einzogen. Ich fragte am Tor, was die Uhr wäre, und vernahm, da es doch noch Vormittag war, daß die Glocke eben zwei geschlagen hätte. Mich wollte bedünken, als wenn ich in eine Narrenstadt käme. Nachmals erfuhr ich, daß hier die italienische Uhr gelte und daß im Augustmond zwei Uhr bei uns neun Uhr des morgens wäre. An Narretei fehlte es indes nicht und mir war es, als wenn die ganze Stadt ein Ballsaal wäre und wenn die Bürgerschaft aus nichts denn ausgelassenen Buben bestünde. Überall wurde gegeigt und getrommelt und überall gab es Schmaus und Tanz. Leute, die schon erwachsen waren, umzingelten in buntscheckigen Anzügen mit Larven meinen Wagen und taten allerlei närrische Fragen. Anfangs war mir die Neckerei ärgerlich, dann aber freute ich mich mit dem Fuhrmann, der die Hände lachend in den Seiten stemmte. Ich wandte mich zu ihm, er möchte den nächsten Weg zum Herrn Hans Imhoff fahren. Das konnte er aber beim besten Willen nicht, denn auf allen freien Plätzen und da, wo größere Straßen sich durchschnitten, waren Lauben errichtet mit bunt bebänderten Tannenkronen, in denen bald gezecht und getafelt, bald zur Schalmei getanzt wurde. Endlich war mit nicht geringer Mühe das bestimmte Haus erreicht. Es ward angeklopft, aber nicht aufgetan. Nach langem Warten erklärte uns eine mitleidige Nachbarin, daß der Herr Imhoff mit all den Seinigen nach Neunhof gefahren wäre und vor Abend nicht zurückkehren würde. Eine wahre Hiobsbotschaft! Der Kutscher kehrte sich ruhig nach mir um mit dem Worte: Das hätte ich Euch vorher sagen können, denn am Sebaldustag ist niemand zu Hause. Die Vornehmen fahren aufs Land und die Armen schlendern auf der Straße umher. Wenn Ihr wollt, hochverehrter Herr, so tränke ich hier ein wenig die Pferde und fahre Euch nach Neunhof. Es liegt nur eine Meile von hier. Dort verlustiert sich der Herr Imhoff bei seinem Schwiegervater, dem alten Herrn Pirckheimer. Nein! rief ich ärgerlich, fahrt mich in die erste beste Schenke! Die erste und beste Schenke, erwiderte der Fuhrmann, ist auf dem Rathausplatz die goldene Rose. Da geht es ganz anständig her. Von neuem trieb er die Pferde an und, obgleich ich manche Ungemächlichkeit erfahren, so riß doch der Jubel, der alle Gesichter rings verklärte, mich mit in den Strudel der Lust und die goldene Rose auf dem Schilde der mir bestimmten Herberge galt mir als ein glückliches Wahrzeichen. Und die Ahnung täuschte mich nicht.