Oberon - Christoph Martin Wieland - E-Book

Oberon E-Book

Christoph Martin Wieland

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Beschreibung

Oberon ist ein Versepos von Christoph Martin Wieland, das 1780 zum ersten Mal erschien. Es hatte großen Einfluss auf zahlreiche musikalische und dichterische Werke jener Zeit, wie Schillers Don Karlos, Goethes Faust II und Mozarts Zauberflöte.

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Oberon

Christoph Martin Wieland

Inhalt:

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Oberon

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Siebenter Gesang

Achter Gesang

Neunter Gesang

Zehnter Gesang

Eilfter Gesang

Zwölfter Gesang

Glossarium

Oberon, C. M. Wieland

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849639952

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Hervorragender deutscher Dichter, geb. 5. Sept. 1733 zu Oberholzheim im Gebiete der ehemaligen Reichsstadt Biberach, gest. 20. Jan. 1813 in Weimar, genoß bei seinem Vater, der 1736 als Pfarrer nach Biberach versetzt wurde, sowie in der dortigen Stadtschule trefflichen Unterricht. Noch vor dem 14. Jahr auf die Schule zu Klosterberge bei Magdeburg geschickt, gab der sehr fromm erzogene, leseeifrige Knabe sich anfangs ganz dem dort herrschenden Geiste hin und warf sich in eine ausschließliche Bewunderung Klopstocks. Nachdem er seit Ostern 1749 sich ein Jahr lang bei einem Verwandten in Erfurt aufgehalten, verbrachte er den Sommer 1750 im Vaterhause. Hier traf er mit seiner Verwandten Sophie Gutermann (nachmals Sophie v. Laroche, s. d.) zusammen (vgl. Ridderhoff, Sophie von Laroche und W., Programm, Hamb. 1907). Die schwärmerische Neigung, die er zu ihr faßte, entwickelte rasch sein poetisches Talent. Durch sie empfing W. die Anregung zu seinem ersten der Öffentlichkeit übergebenen Gedicht: »Die Natur der Dinge. Ein Lehrgedicht in sechs Büchern« (anonym erschienen 1752). Im Herbst 1750 hatte W. die Universität Tübingen bezogen, angeblich um die Rechte zu studieren, welches Studium er jedoch über der Beschäftigung mit der neuern schönen Literatur und eigner poetischer Produktion ziemlich vernachlässigte. Ein Heldengedicht: »Hermann«, von dem er fünf Gesänge (hrsg. von Muncker, Heilbr. 1886) ausarbeitete und an Bodmer sandte, brachte ihn mit diesem in einen sehr intimen Briefwechsel. Seine übrigen Erstlingsdichtungen. »Zwölf moralische Briefe in Versen« (Heilbr. 1752), »Anti-Ovid« (Amsterd. 1752) u. a., kennzeichneten ihn als ausschließlichen und leidenschaftlichen Klopstockianer und strebten auf eine spezifisch seraphis-chchristliche Dichtung hin. Im Sommer 1752 folgte er einer Einladung Bodmers nach Zürich. Auf das herzlichste empfangen, wohnte er im traulichsten Verkehr eine Weile bei Bodmer, den er sich durch eine Abhandlung über die Schönheiten in dessen Gedicht »Noah« und durch die neue Herausgabe der 1741–1744 erschienenen »Züricherischen Streitschriften« (gegen Gottsched) verpflichtete, und in dessen Sinn er ein episches Gedicht in drei Gesängen: »Der geprüfte Abraham« (Zürich 1753), verfaßte. In anregendem Verkehr mit Breitinger, Hirzel, Sal. Geßner, Füßli, Heß u. a. schrieb W. in Zürich um jene Zeit noch die »Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde« (Zür. 1753). Die plötzliche Nachricht, daß seine Geliebte sich verehelicht, sowie ein längerer Aufenthalt in dem pietistisch gestimmten Grebelschen Hause in Zürich hielten ihn eine Weile länger, als es sonst geschehen sein würde, bei der seiner innersten Natur ganz entgegengesetzten frommen Richtung. In den »Empfindungen eines Christen« (Zürich 1757) sprach er zum letztenmal die Sprache, die er seit Klosterberge geredet, und erklärte sich mit besonderer Heftigkeit gegen die erotischen Dichter, besonders gegen Uz (s. d.). Aber bald genug vollzog sich in W., besonders unter dem Einfluß der Schriften des Lukian, Horaz, Cervantes, Shaftesbury, d'Alembert, Voltaire u. a., eine vollständige Umkehr von den eben bezeichneten Bahnen. Schon das mit starker Benutzung einer englischen Tragödie von Rowe gedichtete Trauerspiel »Lady Johanna Gray« (Zürich 1758) konnte Lessing mit der Bemerkung begrüßen, W. habe »die ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter den Menschenkindern«. In demselben Jahr entstand das epische Fragment »Cyrus« (Zürich 1759), zu dem die Taten Friedrichs d. Gr. die Inspiration gegeben hatten, ferner das in Bern, wo W. 1759 eine Hauslehrerstelle angetreten hatte, geschriebene Trauerspiel »Clementina von Porretta« (nach Richardsons Roman »Grandison«, das. 1760) und die dialogisierte Episode aus der Kyropädie des Xenophon: »Araspes und Panthea«, welche Dichtungen sämtlich nach Wielands spätern eignen Worten die »Wiederherstellung seiner Seele in ihre natürliche Lage« ankündigen oder geschehen zeigen. In Bern trat der Dichter in sehr nahe Beziehungen zu der Freundin Rousseaus, Julie Bondeli (s. d.). 1760 nach Biberach zurückgekehrt, erhielt er eine amtliche Stellung in seiner Vaterstadt, deren kleinbürgerliche Verhältnisse ihm minder drückend wurden, nachdem er auf dem Schlosse des Grafen Stadion, der sich nach dem Biberach benachbarten Warthausen zurückgezogen, eine Stätte feinster weltmännischer Bildung, mannigfachste persönliche Anregung und eine vortreffliche Bibliothek gefunden hatte. In Warthausen traf W. auch Sophie v. Laroche, seine ehemalige Geliebte, die mit ihrem Gatten bei Stadion lebte, wieder. Der Verkehr mit den genannten und andern Personen, die sich in jenem Kreise bewegten, vollendete Wielands Bekehrung ins »Weltliche«. Jetzt erst trat seine schriftstellerische Tätigkeit in die Epoche, die seinen Ruhm und seine Bedeutung für die nationale Literatur umfaßt. Um 1761 wurde der Roman »Agathon« (Frankf. 1766–67; vgl. Scheidl, Persönliche Verhältnisse und Beziehung zu den antiken Quellen in Wielands ›Agathon‹, Berl. 1904; F. W. Schröder, Wielands. Agathon' und die Anfänge des modernen Bildungsromans, Dissertation, Königsb. 1905) begonnen, nach Lessings Urteil der erste deutsche Roman »für den denkenden Kopf von klassischem Geschmack«, 1764 »Don Silvio von Rosalva, oder der Sieg der Natur über die Schwärmerei« (Ulm 1764; vgl. Martens, Untersuchungen über Wielands, Don Sylvio', Dissertation, Halle 1901) vollendet. Daneben vertiefte sich W. in das Studium Shakespeares und ließ dessen Stücke zu einer Zeit, wo sie sonst in Deutschland noch nirgends ausgeführt wurden, in Biberach von einer Liebhabergesellschaft ausführen. Auch ließ er zuerst eine Sammlung von Shakespeareschen Dramen in deutscher Sprache erscheinen (22 Stücke, Zürich 1762–66, 8 Bde.). Die Übersetzung (in Prosa) wird ebensowenig wie die Anmerkungen dem Dichter immer gerecht, die Versmaße des Originals sind nur in dem vortrefflich übertragenen und W. besonders kongenialen »Sommernachtstraum« beibehalten (vgl. Wurth, Zu Wielands, Eschenburgs und A. W. Schlegels Übersetzungen des, Sommernachtstraums', Programm, Budweis 1897; Simpson, Eine Vergleichung der Wielandschen Shakespeare-Übersetzung mit dem Originale, Dissertation, Berl. 1898).

Mit den beiden oben genannten Romanen und den Dichtungen: »Musarion, oder die Philosophie der Grazien« (Leipz. 1768) und »Idris und Zenide« (das. 1768), in den nächsten Jahren den Erzählungen: »Nadine« (das. 1769), »Combabus« (das. 1770), »Die Grazien« (das. 1770) und »Der neue Amadis« (das. 1771) verfolgte W. seinen neuen Weg und verkündete eine Philosophie der heitern Sinnlichkeit, der Weltfreude, der leichten Anmut, die im vollen Gegensatz zu den Anschauungen seiner Jugend stand. Inzwischen hatte W., der seit 1765 mit einer Augsburgerin verheiratet war, einem durch Riedel in Erfurt vermittelten Ruf an die dortige Universität im Sommer 1769 Folge gegeben. Seine Lehrtätigkeit, dse er mit Eifer betrieb, tat seiner dichterischen Produktivität wenig Abbruch. In Erfurt verfaßte er, außer einigen der oben genannten Schriften, noch das Singspiel »Aurora«, die »Dialoge des Diogenes« und den lehrhaften Roman »Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian« (Leipz. 1772; vgl. O. Vogt, ›Der goldene Spiegel‹ und Wielands politische Ansichten, Berl. 1904), der ihm den Weg nach Weimar bahnte. 1772 berief ihn die Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar zur literarischen Erziehung ihrer beiden Söhne nach Weimar. Hier trat W. in den geistig bedeutendsten Lebenskreis des damaligen Deutschland, der schon bei seiner Ankunft Männer wie Musäus, v. Knebel, Einsiedel, Bertuch u. a. in sich schloß, aber bald darauf durch Goethe und Herder erst seine höchste Weihe und Belebung erhielt. W. bezog unter dem Titel eines herzoglichen Hofrates einen Gehalt von 1000 Tlr., der ihm auch nach Karl Augusts Regierungsantritt als Pension verblieb. In behaglichen, ihn beglückenden Lebensverhältnissen entfaltete er eine frische und sich immer liebenswürdiger gestaltende poetische und allgemein literarische Tätigkeit. Mit dem Singspiel »Die Wahl des Herkules« und dem lyrischen Drama »Alceste« (1773) errang er reiche Anerkennung. In der Zeitschrift »Der teutsche Merkur«, deren Redaktion er von 1773 vis 1789 führte, ließ er fortan die eignen dichterischen Arbeiten zunächst erscheinen, neben denen er auch eine ausgebreitete kritische Tätigkeit übte (vgl. Burkhardt, Repertorium zu Wielands deutschem Merkur, Jena 1873). Wielands im »Merkur« abgedruckte »Briefe über Alceste« (September 1773) gaben Goethe und Herder Ärgernis und riefen des erstern Farce »Götter, Helden und W.« (1774) hervor, auf welchen Angriff W. mit der ihm in der zweiten Hälfte seines Lebens fast unverbrüchlich eignen heitern Milde antwortete. Als Goethe bald darauf nach Weimar übersiedelte, bildete sich zwischen ihm und W. ein dauerndes Freundschaftsverhältnis, dem der überlebende Altmeister nach Wielands Tod in seiner schönen Denkrede auf W. ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Goethe gewann auch den stärksten Einfluß auf Wielands Bestrebungen in der dritten Periode, in deren Werken sich die besten und rühmlichsten Eigenschaften unsers Dichters gleichsam konzentrieren, während seine Neigung zur ermüdenden Breite und zur sinnlichen Lüsternheit bis auf einen gewissen Punkt überwunden wurde. Die »Geschichte der Abderiten« (Leipz. 1781; vgl. Seuffert, Wielands ›Abderiten‹ Berl. 1878), das romantische, farbenreiche epische Gedicht »Oberon« (Weim. 1781; vgl. M. Koch, Das Quellenverhältnis von Wielands ›Oberon‹, Marb. 1880; Lindner, Zur Geschichte der Oberonsage, Rostock 1902), Wielands Meisterwerk, die prächtigen poetischen Erzählungen: »Das Wintermärchen«, »Geron der Adelige«, »Schach Lolo«, »Pervonte« (vgl. F. Muncker, Wielands ›Pervonte‹, Münch. 1904) u. a., gesammelt in den »Auserlesenen Gedichten« (Jena 1784–87), entstanden in den ersten Jahrzehnten in Weimar. Dazu gesellten sich die trefflichen Bearbeitungen von »Horazens Satiren« (Leipz. 1786), »Lukians sämtlichen Werken« (das. 1788–89; vgl. Kersten, Wielands Verhältnis zu Lucian, Programm, Kuxhav. 1900; Steinberger, Lucians Einfluß auf W., Dissertation, Götting. 1903) und zahlreiche kleinere Schriften. Eine Gesamtausgabe seiner bis 1802 erschienenen Werke (1794–1802 in 36 Bänden und 6 Supplementbänden), die Göschen in Leipzig verlegte, hatte W. in den Stand gesetzt, das Gut Osmannstedt bei Weimar anzukaufen. Dort lebte der Dichter seit 1798 im Kreise seiner großen Familie (seine Gattin hatte ihm in 20 Jahren 14 Kinder geboren) glückliche Tage, bis ihn der 1801 erfolgte Tod seiner Gattin veranlaßte, seinen Landsitz zu veräußern und wieder in Weimar zu wohnen (1803), wo er dem Kreise der Herzogin Anna Amalie bis an deren Tod (1807) angehörte. Die Zeitschrift »Attisches Museum«, die W. allein 1796–1801, und das »Neue attische Museum«, das er mit Hottinger und Fr. Jacobs 1802 bis 1810 herausgab, dienten dem Zweck, die deutsche Nation mit den Meisterwerken der griechischen Poesie, Philosophie und Redekunst vertraut zu machen. W. blieb bis in sein höchstes Alter in seltener Weise lebensfrisch (noch aus seinen letzten Lebensjahren stammt seine schöne Übersetzung von »Ciceros Briefen«, Zür. 1808–21). 1808 wurde er von Napoleon mit großer Auszeichnung behandelt. Seine Überreste ruhen seinem Wunsche gemäß zu Osmannstedt in Einem Grabe mit denen seiner Gattin und einer Enkelin seiner Jugendfreundin Laroche, Sophie Brentano. In Wielands Gartenhaus in Biberach wurde 1907 ein Wieland-Museum errichtet (vgl. »Vorträge, gehalten bei der Wielandfeier in Biberach a. Riß am 3. September 1907«, Biberach 1907). Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Klassiker des 18. Jahrhunderts« (im 11. Bd.).

Indem W. bei Beginn seiner zweiten Periode zur Vorbildlichkeit der französischen Literatur zurückkehrte und den Ehrgeiz hegte, die der deutschen Literatur völlig gleichgültig gegenüberstehenden höhern Stände durch eine der französischen ähnliche graziöse Leichtigkeit und lebendige Anmut für die deutsche Literatur zu gewinnen, leistete er ebendieser Literatur einen großen und entscheidenden, aber auch einen etwas bedenklichen Dienst. Er nahm einen guten Teil der Leichtfertigkeit, der Üppigkeit und Oberflächlichkeit jener Musterliteratur in die Produktionen seiner mittlern Zeit herüber. Freilich verband sich diese herausfordernde Frivolität und spöttische Weltklugheit mit dem kräftigen Behagen und dem unverwüstlichen Kern in seiner Natur, der selbst Schiller in einem Brief an Körner Wielands »Deutschheit« trotz alledem und alledem betonen ließ. Und die außerordentliche Entwickelungsfähigkeit seines reichen Talentes, der eigentümliche Aufschwung, den seine Dichtung noch in der zweiten Hälfte seines Lebens nahm, hätten die stutzig machen sollen, die, wie dies im Kreise der Romantiker Mode war, von W. immer und überall nur als von einem guten Kopf, ohne eigenstes poetisches Verdienst und tiefere Bedeutung, sprachen. Die mittelbare Nachwirkung Wielands brachte der deutschen Literatur eine Fülle seither nicht gekannter Anmut und Heiterkeit, die lebendigste Beweglichkeit und gesteigerte Fähigkeit für alle Arten der Darstellung. Die sämtlichen Werke Wielands erschienen im Göschenschen Verlag, herausgegeben von Gruber (Leipz. 1818–28, 53 Bde., mit der unten angeführten Biographie), dann ebenda in 36 Bänden 1839–40 (wiederholt Stuttg. 1853) und bei Hempel (Berl. 1879, 40 Bde.); »Ausgewählte Werke« gaben H. Kurz (Hildburgh. 1870, 3 Bde.), G. Klee (Leipz. 1900, 4 Bde., mit Biographie), W. Bölsche (das., 4 Bde.), H. Pröhle (in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Stuttg. 1887, 6 Bde.) und Muncker (in Cottas »Bibliothek der Weltliteratur«, 1889, 6 Bde.) heraus; eine große kritische Ausgabe wird von der Deutschen Kommission der Berliner Akademie vorbereitet; vgl. Seuffert, Prolegomena zu einer Wieland-Ausgabe (Berl. 1904). Von Briefen Wielands erschienen: »Ausgewählte Briefe an verschiedene Freunde« (Zürich 1815–16, 4 Tle.); »Auswahl denkwürdiger Briefe« (hrsg. von Ludwig W., Wien 1815, 2 Bde.); »Briefe an Sophie von La Roche« (hrsg. von Fr. Horn, Berl. 1820); »Briefe an Merck« (hrsg. von Wagner, Darmst. 1835; hauptsächlich auf den »Deutschen Merkur« bezüglich); »Neue Briefe, vornehmlich an Sophie von La Roche« (hrsg. von Hassencamp, Stuttg. 1893). Eine Biographie des Dichters schrieb Gruber (»Christ. Martin W.«, Altenb. 1815–16, 2 Bde.; neue Bearbeitung u. d. T.: »Chr. M. Wielands Leben«, als Bd. 50–53 der Werke, Leipz. 1827–28). Vgl. Ofterdinger, Chr. M. Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz (Heilbr. 1877); Buchner, W. und die Weidmannsche Buchhandlung (Berl. 1871); R. Keil, W. und Reinhold (Leipz. 1885); L. Hirzel, W. und Martin und Regula Künzli (das. 1891; behandelt eine Episode aus Wielands Züricher Jahren); P. Weizsäcker, Die Bildnisse Wielands (Stuttg. 1893); Wukadinovié, Prior in Deutschland (Graz 1895); Pomezny, Grazie und Grazien in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts (Hamb. 1900); B. Seuffert, Der Dichter des ›Oberon‹ (Vortrag, Prag 1900); F. Bauer, Über den Einfluß L. Sternes auf W. (Programm, Karlsbad 1898 u. 1900, 2 Hefte); Behmer, L. Sterne und W. (Berl. 1899); Doell, W. und die Antike (Programm, Münch. 1896); L. Hirzel, Wielands Beziehungen zu den deutschen Romantikern (Bern 1904); Ermatinger, Die Weltanschauung des jungen W. (Frauens. 1907); Kuhn, ›Idris und Zenide‹. Ein Beitrag zur Erkenntnis der Sprache Wielands (Würzb. 1903); Calvör, Der metaphorische Ausdruck des jungen W. (Dissertation, Götting. 1906); Schlüter, Studien über die Reimtechnik Wielands (Dissertation, Marb. 1900). Eine Reihe vorzüglicher Arbeiten über W. hat B.Seuffert, der beste Kenner des Dichters, in Zeitschriften veröffentlicht.

Oberon

Ein romantisches Heldengedicht in zwölf Gesängen

An den Leser

Die Romanzen und Ritterbücher, womit Spanien und Frankreich im zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ganz Europa so reichlich versehen haben, sind, eben so wie die fabelhafte Götter- und Heldengeschichte der Morgenländer und der Griechen, eine Fundgrube von poetischem Stoffe, welche, selbst nach allem was Bojardo, Ariost, Tasso, Allemanni, und andere daraus gezogen haben, noch lange für unerschöpflich angesehen werden kann.

Ein großer Teil der Materialien zu gegenwärtigem Gedichte, besonders dessen was man in der Kunstsprache die Fabel nennt, ist aus dem alten Ritterbuche von Huon de Bordeaux genommen, welches durch einen der Bibliotheque Universelle des Romans einverleibten freien Auszug, aus der Feder des verstorbenen Grafen von Tressan, allgemein bekannt ist. Aber der Oberon, der in diesem alten Ritterromane die Rolle des Deus ex machina spielt, und der Oberon, der dem gegenwärtigen Gedichte seinen Namen gegeben, sind zwei sehr verschiedene Wesen. Jener ist eine seltsame Art von Spuk, ein Mittelding von Mensch und Kobold, der Sohn Julius Cäsars und einer Fee, der durch eine sonderbare Verzauberung in einen Zwerg verwandelt ist; der meinige ist mit dem Oberon, welcher in Chaucers Merchant's-Tale und Shakespeares Midsummer-Night's-Dream als ein Feen- oder Elfenkönig (King of Fairies) erscheint, eine und eben dieselbe Person; und die Art, wie die Geschichte seines Zwistes mit seiner Gemahlin Titania in die Geschichte Hüons und Rezias eingewebt worden, scheint mir (mit Erlaubnis der Kunstrichter) die eigentümlichste Schönheit des Plans und der Komposition dieses Gedichtes zu sein.

In der Tat ist Oberon nicht nur aus zwei, sondern, wenn man es genau nehmen will, aus drei Haupthandlungen zusammen gesetzt: nämlich, aus dem Abenteuer, welches Hüon auf Befehl des Kaisers zu bestehen übernommen, der Geschichte seiner Liebesverbindung mit Rezia, und der Wiederaussöhnung der Titania mit Oberon; aber diese drei Handlungen oder Fabeln sind dergestalt in Einen Hauptknoten verschlungen, daß keine ohne die andere bestehen oder einen glücklichen Ausgang gewinnen konnte. Ohne Oberons Beistand würde Hüon Kaiser Karls Auftrag unmöglich haben ausführen können: ohne seine Liebe zu Rezia, und ohne die Hoffnung, welche Oberon auf die Treue und Standhaftigkeit der beiden Liebenden, als Werkzeugen seiner eignen Wiedervereinigung mit Titania, gründete, würde dieser Geisterfürst keine Ursache gehabt haben, einen so innigen Anteil an ihren Schicksalen zu nehmen. Aus dieser auf wechselseitige Unentbehrlichkeit gegründeten Verwebung ihres verschiedenen Interesse entsteht eine Art von Einheit, die, meines Erachtens, das Verdienst der Neuheit hat, und deren gute Wirkung der Leser durch seine eigene Teilnehmung an den sämtlichen handelnden Personen zu stark fühlt, als daß sie ihm irgend ein Kunstrichter wegdisputieren könnte.

An Se. Durchlaucht den Prinzen August

von Sachsen-Gotha und Altenburg

 Der Grazien schönste weihet, am Altar

 der Freundschaft, Bester Prinz, Dir diese Blumen,

 gepflegt von einer Muse die Du liebst.

 Sie blühten unter Deinen Blicken auf,

 und Du ergötztest Dich an ihrem Duft.

 Bescheiden ist ihr Glanz; allein mir sagt's

 ein Genius, sie werden nie verblühen:

 und wenn dereinst nichts übrig ist von mir

 als sie – und auch von Dir, o Du Geliebter,

 nichts übrig ist, als Deiner schönen Seele

 und aller Deiner holden Tugenden

 Erinnerung: dann werden noch die Musen,

 stilltraurend – denn wer liebte sie wie Du? –

 die unverwelklichen um Deine Urne winden.

Erster Gesang

1.Noch einmal sattelt mir den Hippogryphen, ihr Musen,

Zum Ritt ins alte romantische Land!

Wie lieblich um meinen entfesselten Busen

Der holde Wahnsinn spielt! Wer schlang das magische Band

Um meine Stirne? Wer treibt von meinen Augen den Nebel

Der auf der Vorwelt Wundern liegt,

Ich seh, in buntem Gewühl, bald siegend, bald besiegt,

Des Ritters gutes Schwert, der Heiden blinkende Säbel.

2.Vergebens knirscht des alten Sultans Zorn,

Vergebens dräut ein Wald von starren Lanzen:

Es tönt in lieblichem Ton das elfenbeinerne Horn,

Und, wie ein Wirbel, ergreift sie alle die Wut zu tanzen;

Sie drehen im Kreise sich um bis Sinn und Atem entgeht.

Triumph, Herr Ritter, Triumph! Gewonnen ist die Schöne.

Was säumt ihr? Fort! der Wimpel weht;

Nach Rom, daß euern Bund der heilge Vater kröne!

3.Nur daß der süßen verbotenen Frucht

Euch ja nicht vor der Zeit gelüste!

Geduld! der freundlichste Wind begünstigt eure Flucht,

Zwei Tage noch, so winkt Hesperiens goldne Küste.

O rette, rette sie, getreuer Scherasmin,

Wenn's möglich ist! – Umsonst! die trunknen Seelen hören

Sogar den Donner nicht. Unglückliche, wohin

Bringt euch ein Augenblick! Kann Liebe so betören?

4. In welches Meer von Jammer stürzt sie euch!

Wer wird den Zorn des kleinen Halbgotts schmelzen?

Ach! wie sie Arm in Arm sich auf den Wogen wälzen!

Noch glücklich durch den Trost, zum wenigsten zugleich

Eins an des andern Brust zu sinken ins Verderben.

Ach! hofft es nicht! Zu sehr auf euch erbost

Versagt euch Oberon sogar den letzten Trost,

Den armen letzten Trost des Leidenden, zu sterben!

5. Zu strengern Qualen aufgespart

Seh ich sie hülflos, nackt, am öden Ufer irren:

Ihr Lager eine Kluft, mit einer Hand voll dürren

Halb faulem Schilf bestreut! und Beeren wilder Art,

Die kärglich hier und dort an kahlen Hecken schmoren,

All ihre Kost! In dieser dringenden Not

Kein Hüttenrauch von fern, kein hülfewinkend Boot,

Glück, Zufall und Natur zu ihrem Fall verschworen!

6.Und noch ist nicht des Rächers Zorn erweicht,

Noch hat ihr Elend nicht die höchste Stuf erreicht;

Es nährt nur ihre strafbarn Flammen,

Sie leiden zwar, doch leiden sie beisammen.

Getrennt zu sein, so wie in Donner und Blitz

Der wilde Sturm zwei Bruderschiffe trennet,

Und ausgelöscht, wenn im geheimsten Sitz

Der Hoffnung noch ein schwaches Flämmchen brennet:

7. Dies fehlte noch! – O du, ihr Genius einst, ihr Freund!

Verdient, was Liebe gefehlt, die Rache sonder Grenzen?

Weh euch! Noch seh ich Tränen in seinen Augen glänzen;

Erwartet das Ärgste wenn Oberon weint! –

Doch, Muse, wohin reißt dich die Adlersschwinge

Der hohen trunknen Schwärmerei?

Dein Hörer steht bestürzt, er fragt sich was dir sei,

Und deine Gesichte sind ihm geheimnisvolle Dinge.

8. Komm, laß dich nieder zu uns auf diesen Kanapee,

Und – statt zu rufen, »ich seh, ich seh«,

Was niemand sieht als Du – erzähl uns fein gelassen

Wie alles sich begab. Sieh, wie mit lauschendem Mund

Und weit geöffnetem Auge die Hörer alle passen,

Geneigt zum gegenseitigen Bund,

Wenn du sie täuschen kannst sich willig täuschen zu lassen.

Wohlan! so höret denn die Sache aus dem Grund!

9.Der Paladin, mit dessen Abenteuern

Wir euch zu ergetzen (sofern ihr noch ergetzbar seid)

Entschlossen sind, war seit geraumer Zeit

Gebunden durch sein Wort nach Babylon zu steuern.

Was er zu Babylon verrichten sollte, war

Halsbrechend Werk, sogar in Karls des Großen Tagen:

In unsern würd es, auf gleiche Gefahr,

Um allen Ruhm der Welt kein junger Ritter wagen.

10.»Sohn«, sprach sein Oheim zu ihm, der heilge Vater in Rom,

Zu dessen Füßen, mit einem reichlichen Strom

Bußfertger Zähren angefeuchtet,

Er, als ein frommer Christ, erst seine Schuld gebeichtet;

»Sohn«, sprach er, als er ihm den Ablaß segnend gab,

»Zeuch hin in Frieden! Es wird dir wohl gelingen

Was du beginnst. Allein vor allen Dingen,

Wenn du nach Joppen kommst, besuch das heilge Grab!«

11. Der Ritter küsset ihm in Demut den Pantoffel,

Gelobt Gehorsam an, und zieht getrost dahin.

Schwer war das Werk, wozu der Kaiser ihn

Verurteilt hatte; doch, mit Gott und Sankt Christoffel

Hofft er zu seinem Ruhm sich schon heraus zu ziehn.

Er steigt zu Joppen aus, tritt mit dem Pilgerstabe

Die Wallfahrt an zum werten heilgen Grabe,

Und fühlt sich nun an Mut und Glauben zwiefach kühn.

12. Drauf geht es mit verhängtem Zügel

Auf Bagdad los. Stets denkt er, »kommt es bald?«

Allein da lag noch mancher steile Hügel

Und manche Wüstenei und mancher dicke Wald

Dazwischen. Schlimm genug, daß in den Heidenlanden

Die schöne Sprache von Ok was Unerhörtes war:

»Ist dies der nächste Weg nach Bagdad?« fragt er zwar

An jedem Tore, doch von keiner Seele verstanden.

13. Einst traf der Weg der eben vor ihm lag

Auf einen Wald. Er ritt bei Sturm und Regen

Bald links bald rechts den ganzen langen Tag,

Und mußt oft erst mit seinem breiten Degen

Durchs wilde Gebüsch sich einen Ausgang haun.

Er ritt Berg an, um freier umzuschaun.

Weh ihm! Der Wald scheint sich von allen Seiten,

Je mehr er schaut, je weiter auszubreiten.

14. Was ganz natürlich war däucht ihm ein Zauberspiel.

Wie wird ihm erst, da in so wilden Gründen,

Woraus kaum möglich war bei Tage sich zu finden,

Zuletzt die Nacht ihn überfiel!

Sein Ungemach erreichte nun den Gipfel.

Kein Sternchen glimmt durch die verwachsnen Wipfel;

Er führt sein Pferd so gut er kann am Zaum,

Und stößt bei jedem Tritt die Stirn an einen Baum.

15. Die dichte rabenschwarze Hülle

Die um den Himmel liegt, ein unbekannter Wald,

Und, was zum ersten Mal in seine Ohren schallt,

Der Löwen donnerndes Gebrülle

Tief aus den Bergen her, das, durch die Todesstille

Der Nacht noch schrecklicher, von Felsen widerhallt:

Den Mann, der nie gebebt in seinem ganzen Leben,

Den machte alles dies zum ersten Mal erbeben!

16. Auch unser Held, wiewohl kein Weibessohn

Ihn jemals zittern sah, fühlt doch bei diesem Ton

An Arm und Knie die Sehnen sich entstricken,

Und wider Willen läuft's ihm eiskalt übern Rücken.

Allein den Mut, der ihn nach Babylon

Zu gehen treibt, kann keine Furcht ersticken;

Und mit gezognem Schwert, sein Roß stets an der Hand,

Ersteigt er einen Pfad, der sich durch Felsen wand.

17.Er war nicht lange fortgegangen,

So glaubt er in der Fern den Schein von Feuer zu sehn.

Der Anblick pumpt sogleich mehr Blut in seine Wangen,

Und, zwischen Zweifel, und Verlangen

Ein menschlich Wesen vielleicht in diesen öden Höhn

Zu finden, fährt er fort dem Schimmer nachzugehn,

Der bald erstirbt und bald sich wieder zeiget

So wie der Pfad sich senket oder steiget.

18. Auf einmal gähnt im tiefsten Felsengrund

Ihn eine Höhle an, vor deren finsterm Schlund

Ein prasselnd Feuer flammt. In wunderbaren Gestalten

Ragt aus der dunkeln Nacht das angestrahlte Gestein,

Mit wildem Gebüsche versetzt, das aus den schwarzen Spalten

Herab nickt, und im Widerschein

Als grünes Feuer brennt. Mit lustvermengtem Grauen

Bleibt unser Ritter stehn, den Zauber anzuschauen.

19. Indem schallt aus dem Bauch der Gruft ein donnernd »Halt!«

Und plötzlich stand vor ihm ein Mann von rauher Gestalt,

Mit einem Mantel bedeckt von wilden Katzenfellen,

Der, grob zusammen geflickt, die rauhen Schenkel schlug;

Ein graulich schwarzer Bart hing ihm in krausen Wellen

Bis auf den Magen herab, und auf der Schulter trug

Er einen Cedernast, als Keule, schwer genug

Den größten Stier auf Einen Schlag zu fällen.

20.Der Ritter, ohne vor dem Mann

Und seiner Ceder und seinem Bart zu erschrecken,

Beginnt in der Sprache von Ok, der einzgen die er kann,

Ihm seinen Notstand zu entdecken.

»Was hör ich« ruft entzückt der alte Waldmann aus,

»O süße Musik vom Ufer der Garonne!

Schon sechzehnmal durchläuft den Sternenkreis die Sonne,

Und alle die Zeit entbehr ich diesen Ohrenschmaus.

21.Willkommen, edler Herr, auf Libanon, willkommen!

Wiewohl sich leicht erachten läßt

Daß ihr den Weg in dieses Drachennest

Um meinetwillen nicht genommen.

Kommt, ruhet aus, und nehmt ein leichtes Mahl für gut,

Wobei die Freundlichkeit des Wirts das Beste tut.

Mein Wein (er springt aus diesem Felsenkeller)

Verdünnt das Blut, und macht die Augen heller.«

22. Der Held, dem dieser Gruß gar große Freude gab,

Folgt ungesäumt dem Landsmann in die Grotte,

Legt traulich Helm und Panzer ab,

Und steht entwaffnet da, gleich einem jungen Gotte.

Dem Waldmann wird als rühr ihn Alquifs Stab,

Da jener itzt den blanken Helm entschnallet,

Und ihm den schlanken Rücken hinab

Sein langes gelbes Haar in großen Ringen wallet.

23. »Wie ähnlich«, ruft er, »o wie ähnlich, Stück für Stück!

Stirn, Auge, Mund und Haar!« – »Wem ähnlich?« fragt der Ritter.

»Verzeihung, junger Mann! Es war ein Augenblick,

Ein Traum aus beßrer Zeit! so süß, und auch so bitter!

Es kann nicht sein! – Und doch, wie euch dies schöne Haar

Den Rücken herunter fiel, war mir's ich seh Ihn selber

Von Kopf zu Fuß. Bei Gott! sein Abdruck, ganz und gar;

Nur Er von breitrer Brust, und eure Locken gelber.

24. Ihr seid, der Sprache nach, aus meinem Lande; vielleicht

Ist's nicht umsonst, daß ihr dem guten Herrn so gleicht,

Um den ich hier in diesem wilden Haine,

So fern von meinem Volk, schon sechzehn Jahre weine.

Ach! ihn zu überleben war

Mein Schicksal! Diese Hand hat ihm die Augen geschlossen,

Dies Auge sein frühes Grab mit treuen Zähren begossen,

Und itzt, ihn wieder in euch zu sehn, wie wunderbar!«

25.»Der Zufall spielt zuweilen solche Spiele«,

Versetzt der Jüngling. – »Sei es dann«,

Fährt jener fort, »genug, mein wackrer junger Mann,

Die Liebe, womit ich mich zu euch gezogen fühle,

Ist traun! kein Wahn; und gönnet ihr den Lohn

Daß Scherasmin bei euerm Namen euch nenne?«

»Mein Nam ist Hüon, Erb und Sohn

Des braven Siegewin, einst Herzogs von Guyenne.«

26.»O!« ruft der Alte, der ihm zu Fußen fällt,

»So log mein Herz mir nicht! O tausendmal willkommen

In diesem einsamen unwirtbarn Teil der Welt,

Willkommen, Sohn des ritterlichen, frommen,

Preiswerten Herrn, mit dem in meiner bessern Zeit

Ich manches Abenteur in Schimpf und Ernst bestanden!

Ihr hüpftet noch im ersten Flügelkleid,

Als wir zum heilgen Grab zu fahren uns verbanden.

27. Wer hätte dazumal gedacht,

Wir würden uns in diesen Felsenschlünden

Auf Libanon nach achtzehn Jahren finden?

Verzweifle keiner je, dem in der trübsten Nacht

Der Hoffnung letzte Sterne schwinden!

Doch, Herr, verzeiht daß mich die Freude plaudern macht.

Laßt mich vielmehr vor allen Dingen fragen,

Was für ein Sturmwind euch in dieses Land verschlagen?«

28. Herr Hüon läßt am Feuerherd

Auf einer Bank von Moos sich mit dem Alten nieder,

Und als er drauf die reisemüden Glieder

Mit einem Trunk, so frisch die Quelle ihn beschert,

Und etwas Honigseim gestärket,

Beginnt er seine Geschichte dem Wirt erzählen, der sich

Nicht satt an ihm sehen kann, und stets noch was bemerket

Worin sein vorger Herr dem jungen Ritter glich.

29.Der junge Mann erzählt, nach Art der lieben Jugend,

Ein wenig breit: wie seine Mutter ihn

Bei Hofe (dem wahren Ort um Prinzen zu erziehn)

Gar fleißig zu guter Lehr und ritterlicher Tugend

Erzogen; wie schnell der Kindheit lieblicher Traum

Vorüber geflogen; und wie, so bald ihm etwas Flaum

Durchs Kinn gestochen, man ihn zu Bordeaux, von den Stufen

Des Schlosses, mit großem Pomp zum Herzog ausgerufen;

30. Und wie sie drauf in eitel Lust und Pracht,

Mit Jagen, Turnieren, Banketten, Saus und Brause,

Zwei volle Jahre wie einzelne Tage verbracht;

Bis Amory, der Feind von seinem Hause,

Beim Kaiser (dessen Huld sein Vater schon verscherzt)

Ihn hinterrücks gar böslich angeschwärzt;

Und wie ihn Karl, zum Schein in allen Gnaden,

Nach Hofe, zum Empfang der Lehen, vorgeladen;

31. Wie sein besagter Feind, der listige Baron

Von Hohenblat, mit Scharlot, zweitem Sohn

Des großen Karls, dem schlimmsten Fürstenknaben

Im Christentum, (als der schon lange Lust gehegt

Zu Hüons Land) es heimlich angelegt

Auf seinem Zuge nach Hof ihm eine Grube zu graben;

Und wie sie, eines Morgens früh,

Ihm aufgepaßt im Wald bei Montlery.

32. »Mein Bruder«, fuhr er fort, »der junge Gerard, machte,

Mit seinem Falken auf der Hand,

Die Reise mit. Aus frohem Unverstand

Entfernt der Knabe sich, da niemand Arges dachte,

Von unserm Trupp, läßt seinen Falken los,

Und rennt ihm nach: wir andern alle zogen

Indessen unsern Weg, und achteten's nicht groß

Als Falk und Knab aus unserm Blick entflogen.

33. Auf einmal dringt ein klägliches Geschrei

In unser Ohr. Wir eilen schnell herbei,

Und siehe da! mein Bruder liegt, vom Pferde

Gestürzt, beschmutzt und blutend auf der Erde.

Ein Edelknecht (von keinem unsrer Schar

Erkannt, wiewohl es Scharlot selber war)

Stand im Begriff ihn weidlich abzuwalken,

Und seitwärts hielt ein Zwerg mit seinem Falken.

34. Von Zorn entbrannt rief ich: ›Du Grobian,

Was hat der Knabe dir getan,

Der wehrlos ist, ihm also mitzuspielen?

Zurück, und rühr ihn noch mit einem Finger an,

Wofern dich's jückt mein Schwert in deinem Wanst zu fühlen.‹

›Ha!‹ schrie mir jener zu – ›bist du's? Dich sucht ich just;

Schon lange dürst ich nach der Lust

Mein racheglühend Herz in deinem Blut zu kühlen.

35. Kennst du mich nicht, so wiß, ich bin der Sohn

Des Herzogs Dietrich von Ardennen:

Dein Vater Siegewin (mög er im Abgrund brennen!)

Trug über meinen einst bei einem offnen Rennen

Mit Hinterlist den Dank davon,

Und durch die Flocht allein entging er seinem Lohn.

Doch, Rache hab ich ihm geschworen,

Dusollst mir zahlen für ihn! Da, sieh zu deinen Ohren!‹

36. Und mit dem Worte rennt er gegen mich,

Der, unbereit zu solchem Tanze,

Sich dessen nicht versah, mit eingelegter Lanze.

Zum Glück pariert ich seinen Stich

Mit meinem linken Arm, um den ich in der Eile

Den Mantel schlug, und auf der Stell empfing

Mit meinem Degenknopf der Unhold eine Beule

Am rechten Schlaf, wovon der Atem ihm entging.

37. Er fiel, mit Einem Wort, um nimmer aufzustehen.

Da ließen plötzlich sich im Walde Reiter sehen

In großer Zahl; doch des Erschlagnen Tod

Zu rächen, war dem feigen Troß nicht Not.

Sie hielten, während wir des Knaben Wunde banden,

Sich still und fern, bis wir aus ihren Augen schwanden;

Drauf legten sie den Leichnam auf ein Roß

Und zogen eilends fort zum kaiserlichen Schloß.

38. Unwissend, wie bei Karl mein Handel sich verschlimmert,

Verfolg ich meinen Weg, des Vorgangs unbekümmert.

Wir langen an. Mein alter Oheim, Abt

Zu Saint Denis, ein Mann mit Weisheit hochbegabt,

Führt beim Gehör das Wort. Wir werden wohl empfangen,

Und alles wär erwünscht für uns ergangen:

Doch, wie man eben sich zur Tafel setzen will,

Hält Hohenblat am Schloß mit Scharlots Leiche still.

39. Zwölf Knappen tragen sie, in schwarzen Flor vermummet,

Die hohen Stufen hinan, und wer sie sieht verstummet

Und steht erstarrt. Sie nehmen ihren Lauf

Dem Saale zu. Die Türen springen auf:

Da tragen zwölf Gespenster eine Bahre,

Mit blutgen Linnen bedeckt, bis mitten in den Saal.

Der Kaiser selbst erblaßt, uns andern stehn die Haare

Zu Berg, und mich trifft's wie ein Wetterstrahl.

40.Indem tritt Amory hervor, hebt von der Leiche

Das blutge Tuch, und – ›Sieh! (ruft er dem Kaiser zu)

Dies ist dein Sohn! und hier der Frevler, der dem Reiche

Und dir die Wunde schlug, der Mörder unsrer Ruh!

Weh mir! ich kam zu spät dazu!

Sich nichts versehend fiel dein Scharlot im Gesträuche,

Durch Meuchelmord, nicht wie in offnem Feld

Von Rittershand ein ritterlicher Held.‹

41. Wie viel Verdrieß dem alten Herrn auch täglich

Sein böser Sohn gebracht, so blieb er doch sein Sohn,

Sein Fleisch und Blut. Erst stand er unbeweglich;

Dann schrie er laut vor Schmerz, ›mein Sohn! mein Sohn!‹

Und warf sich in Verzweiflung neben

Den Leichnam hin. Mir war der bange Vaterton

Ein Dolch ins Herz; ich hätt um Scharlots Leben

In diesem Augenblick mein bestes Blut gegeben.

42. ›Herr‹, rief ich, ›höre mich! Mein Will ist ohne Schuld;

Er gab sich für den Sohn des Herzogs von Ardennen,

Und was er tat, bei Gott! es hätte die Geduld

Von einem Heilgen morden können!

Er schlug den Knaben dort, der ihm kein Leid getan,

Sprach lästerlich von meines Vaters Ehre,

Fiel unverwarnt mich selber mördrisch an –

Den möcht ich sehn, der kalt geblieben wäre!‹

43. ›Ha! Bösewicht!‹ schreit Karl mich hörend, springt entbrannt

Vom Leichnam auf, mit Löwengrimm im Blicke,

Reißt einem Knecht das Eisen aus der Hand,

Und, hielten ihn mit Macht die Fürsten nicht zurücke, Er hätt in seiner Wut mich durch und durch gerannt.

Auf einmal rüttelt sich der ganze Ritterstand;

Ein wetterleuchtender Glanz von hundert bloßen Wehren

Scheint stracks in jeder Brust die Mordlust aufzustören.

44.Die Hall erdonnert von Geschrei,

Das Estrich bebt, die alten Fenster klirren.

Aus jedem Mund schallt Mord! Verräterei!

Die Sprachen scheinen sich aufs neue zu verwirren.

Man schnaubt, man rennt sich an, man zückt die drohende Hand.

Der Abt, den noch allein Sankt Benedikts Gewand

Vor Frevel schützt, hält endlich unsern Degen

Mit aufgehobnem Arm sein Skapulier entgegen.

45.›Ehrt‹, ruft er laut, ›den heilgen Vater in mir

Des Sohn ich bin! Im Namen des Gottes, dem ich diene,

Gebiet ich Fried!‹ – Er rief's mit einer Miene

Und einem Ton, der Heiden zur Gebühr

Genötigt hätt. Und stracks auf einmal legen

Des Aufruhrs Wogen sich, erhellt sich jeder Blick,

Und jeder Dolch und jeder nackte Degen

Schleicht in die Scheide still zurück.

46. Nun trug der Abt den ganzen Verlauf der Sache

Dem Kaiser vor. Die Überredung saß

Auf seinen Lippen. Allein, was half mir das?

Die Leiche des Sohns liegt da und schreit um Rache.

›Hier‹, ruft der Vater, ›sieh, und sprich

Dem Mörder meines Sohns das Urteil! Sprich's für mich!

Ja, rachedürstender Geist, dein Gaumen soll sich laben

An seinem Blut! Er sterb und mäste die Raben!‹

47. Itzt schwoll mein Herz empor. ›Ich bin kein Mörder‹, schrie

Ich überlaut. ›Der Richter richtet nicht billig

In eigner Sache. Der Kläger Amory

Ist ein Verräter, Herr! Hier steh ich, frei und willig,

Will in sein falsches Herz, mit meines Lebens Fahr,

Beweisen, daß er ein Schalk und Lügner ist, und war

Und bleiben wird; so lange sein Hauch die Luft vergiftet.

Sein Werk ist alles dies, Er hat es angestiftet!

48. Ich bin, wie er, von fürstlichem Geschlecht,

Ein Pär des Reichs, und fordre hier mein Recht;

Der Kaiser kann mir's nicht versagen!

Da liegt mein Handschuh, laßt ihn's wagen

Ihn aufzunehmen, und Gott in seinem Gericht

Entscheide, welchen von uns die Stimme dieses Blutes

Zur Hölle donnern soll! Die Quelle meines Mutes

Ist meine Unschuld, Herr! Mich schreckt sein Donner nicht.‹

49.Die Fürsten des Kaiserreichs, so viel von ihnen zugegen,

Ein jeder sieht sich selbst in meiner Verdammung gekränkt.

Sie murmeln, dem Meere gleich, wenn sich von fern zu regen

Der Sturm beginnt: sie bitten, dringen, legen

Das Recht ihm vor. Umsonst! den starren Blick gesenkt

Auf Scharlots blutiges Haupt, kann nichts den Vater bewegen:

Wiewohl auch Hohenblat, der's für ein leichtes hält

Mir obzusiegen, selbst sich unter die Bittenden stellt.

50.›Herr‹, spricht er, ›laßt mich gehn, den Frevler abzustrafen,

Ich wage nichts wo Pflicht und Recht mich schützt.‹

›Ha!‹ rief ich laut, von Scham und Grimm erhitzt,

›Du spottest noch? Erzittre! immer schlafen

Des Rächers Blitze nicht‹. – ›Mein Schwert‹, ruft Hohenblat,

›Soll, Mörder, sie auf deine Scheitel häufen!‹

Doch Karl, den meine Glut nur mehr erbittert hat,

Befiehlt der Wache, mich zu greifen.

51.Dies rasche Wort empört den ganzen Saal

Von neuem; alle Schwerter blitzen,

Das Ritterrecht, das Karl in mir verletzt, zu schützen.

›Ergreift ihn‹, ruft der Kaiser abermal;

Allein er sieht, mit vorgehaltnen Klingen,

In dichtem Kreis die Ritter mich umringen.

Vergebens droht, schier im Gedräng erstickt,

Der geistliche Herr mit Bann und Interdikt.

52. Des Reiches Schicksal schien an einem Haar zu schweben.

Die grauen Räte flehn dem Kaiser auf den Knien,

Dem Recht der Ritter nachzugeben:

Je mehr sie flehn, je minder rührt es ihn;

Bis endlich Herzog Nayms (der oft in seinem Leben,

Wenn Karl den Kopf verlor, den seinen ihm geliehn)

Den Mund zum Ohr ihm hält, dann gegen uns sich kehret,

Und zum begehrten Kampf des Kaisers Urlaub schwöret.«

53.Herr Hüon fahr dann zu erzählen fort:

Wie stracks auf dieses einzge Wort

Der Aufruhr sich gelegt, die Ritter alle zurücke

Gewichen, und Karl, wiewohl im Herzen ergrimmt,

Mit stiller Wut im halb entwölkten Blicke,

Den achten Tag zum Urteilskampf bestimmt;

Wie beide Teile sich mit großer Pracht gerüstet,

Und, des Triumphs gewiß, sich Amory gebrüstet.

54.Der stolze Mann, wiewohl in seiner Brust

Ein Kläger pocht der seinen Mut erschüttert,

War eines Arms von Eisen sich bewußt,

Der manchen Wald von Lanzen schon zersplittert.

Er hatte nie vor einem Feind gezittert,

Und Kampf auf Tod und Leben war ihm Lust.

Doch all sein Trotz und seine Riesenstärke

Betrogen ihn bei diesem blutgen Werke. –

55.»Gekommen war nunmehr der richterliche Tag,

Versammelt alles Volk. Mit meinem silberblanken

Turnierschild vor der Brust, und, wie ich sagen mag,

Von allen mit Liebe begrüßt, erschien ich in den Schranken.

Schon stand der Kläger da. In einem Erker lag

Der alte Karl, umringt von seinen Fürsten,

Und schien, in offenem Vertrag

Mit Amory, nach meinem Blut zu dürsten.

56. Die Sonne wird geteilt. Die Richter setzen sich.

Mein Gegner scheint vor Ungeduld zu brennen

Bis die Trompete ruft. Nun ruft sie, und wir rennen,

Und treffen so gewaltiglich

Zusammen, daß aufs Knie die Rosse stürzen, und ich

Und Hohenblat uns kaum im Sattel halten können.

Eilfertig machen wir uns aus den Bügeln los,

Und nun, in einem Blitz, sind beide Schwerter bloß.

57. Daß ich von unserm Kampf dir ein Gemälde mache

Verlange nicht. An Grimm und Stärke war,

Wie an Erfahrenheit, mein Gegner offenbar

Mir überlegen; doch die Unschuld meiner Sache

Beschützte mich, und machte meine Kraft

Dem Willen gleich.« Der Sieg blieb lange zweifelhaft;

Schon floß aus manchem Quell des Klägers Blut herunter,

Und Hüon war noch unverletzt und munter.

58. Der wilde Amory, wie er sein dampfend Blut

Den Panzer färben sieht, entbrennt von neuer Wut,

Und stürmt auf Hüon ein, gleich einem Ungewitter

Das alles vor sich her zertrümmert und verheert,