Odhin's Trost: Historischer Roman - Felix Dahn - E-Book

Odhin's Trost: Historischer Roman E-Book

Felix Dahn

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Beschreibung

Felix Dahn's 'Odhin's Trost: Historischer Roman' nimmt den Leser mit auf eine fesselnde Reise ins alte Germanien. Der Roman zeichnet ein lebendiges Bild des Lebens in einer Zeit voller Mythen und Legenden. Dahn's literarischer Stil ist detailliert und einfühlsam, wodurch die historischen Ereignisse und Charaktere zum Leben erweckt werden. Als ein führender Vertreter der historischen Romantik des 19. Jahrhunderts bringt Dahn eine einzigartige Perspektive in die Welt der historischen Fiktion. Felix Dahn, selbst Jurist und Historiker, war bekannt für seine intensive Forschung und sein tiefes Verständnis der deutschen Geschichte. Diese Expertise spiegelt sich in 'Odhin's Trost' wider, wo Dahn historische Genauigkeit mit fesselnder Erzählkunst verbindet. Seine Leidenschaft für die deutsche Kultur und Geschichte prägt jeden Satz dieses Romans und macht ihn zu einem unverzichtbaren Werk der historischen Literatur. Mit 'Odhin's Trost' bietet Felix Dahn den Lesern nicht nur eine packende Geschichte, sondern auch einen Einblick in eine längst vergangene Epoche. Dieses Buch ist ein Muss für alle Geschichtsinteressierten und Liebhaber historischer Romane, die sich von Dahn's meisterhafter Darstellung faszinieren lassen wollen.

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Felix Dahn

Odhin's Trost: Historischer Roman

Eine nordische Geschichte aus dem elften Jahrhundert

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2215-5

Inhaltsverzeichnis

I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XX.

Wen’ge, ich weiß es,

Wird er trösten, – Odhin’s heldentapfrer Trost.

Schwer würde mich strafen, mit Bet-Zwang und Buß-Zwang Isleifr der Bischof, schärfer noch Gizurr, sein scharfer Sohn und scharfer Schürer, wüßten sie, was ich hier aufzeichne nächtlicher Weile. –

Zauberlieder, Höllensprüche, würden sie schelten die alten Runen, die stolzen Lied-Stäbe der Väter, die ich hier rette vor der Söhne Vergessen.

Heidenschaftspflege, Unholdendienst würden sie’s nennen, daß ich meines alten Vaters, des hohen Mannes, Sagen-Weisheit verzeichne, so viel ich ihrer noch weiß und gedenke.

Und doch will ich gern glauben nach des Bischofs Gebot an den Himmels-König, den Alt-Weisen, der geschaffen Land und Meer.

Und im Meere die Eilande. Auch dieses Eis- und Feuer-Eiland.

Und will glauben an den Herren Christus, seinen Edel-Erben, der Helden Herrlichsten, der in den Tod ging für seine Gefolgschaft: – hätten doch die Jünger, die allzu sanften, Schwerter geschwungen, so kühn wie meine Gesippen: niemals hätten, so mein’ ich, die Männer von Juda noch auch von Rumaburg die stärkeren Recken gebunden den Edling.

Will auch glauben – obzwar unleicht – an den Geist, den heiligen, der daher fliegt in Tauben-Weise. Lieber wär’ mir’s, käm’ er geflogen im Adler-Hemd, wie Odhin. – –

Nun aber will ich leise hinaus gehen und schauen, ob nicht von Außen sichtbar sei der Lichtschein von meinem Kien-Spahn: denn schlau sind, allum spürend, des Herrn Bischofs eifrige Späher, die braunen Mönche.

Auch wir freien Godhen, im Hausfrieden unserer Godhordhe, sind nicht sicher vor ihrer Spähe nach Heidenschaftsthaten, obzwar solche Spähe das Landrecht verbietet.

Nicht wäre mir lieb, Lügen zu lügen: aber auch nicht rathsam, das Wahre zu sagen, fragten sie mich, was so spät ich schaffe, wann lange schon schlafen die Andern unter allen den Dächern meiner Gehöfte.

Auch hört ich den Eisbären brüllen am Geis-Stall –: den scheuch’ ich mit Speer-Wurf. –

*

Gescheucht ist der Eisbär. Roth glühte sein Auge im Dunkel.

War es ein Unhold, ein Wer-Bär? Hat ihn der Hölle übler König gesandt, mich zu schrecken, der leidige Loki, wohl wissend, wie ich zu schreiben gedenke von seinen Listen und seinem Erliegen?

Dann: wenig gelang ihm’s.

Nicht fürcht ich der Heiden dunkle Hel noch der Christen hell flammende Hölle.

Denn mich schützt der Himmelsherr, an den ich ganz glaube.

Und nicht auch versagt mir der Licht-Alfen Geschlecht, die uns seit Alters hausen am Herde, unserer Sippe ein altbefreundetes Völklein: noch auch in der Rechten der starke Speer. –

Kein Lichtstrahl glomm durch den Laden – getrost mag ich schreiben: – still liegt das Haus und die beiden Klein-Höfe, still weithin die schneebegrabne Heide; der Ael-Krug reicht noch, bis die Sterne bleichen: – denn nur selten darf trinken, wen der Schlaf nicht beschleichen soll, bei nächtlichem Schriftwerk. Noch den knorrigen Wurzelstock der Före werfe ich auf die Herdstätte. Denn kalt wird die Nacht. –

Also: ich glaube an des Bischofs Lehre.

Aber das Eine will nimmer ich glauben, daß es Sünde sei, treu zu bewahren der Väter Alt-Sagen.

Mögen Odhin, Thor und ihre Genossen nicht Gott gleich sein –: daß sie lebten und noch leben, sagt ja auch Isleifr, der Bischof.

Nur üble Wichte, Höllengeister, meint er, sind sie.

Dem aber ist nicht so.

»An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen« – sagt das heilige Buch. Ei nun wohlan!

Unsere Ahnen, mein Vater zumal, haben aus diesen Alt-Sagen von den Walhall-Göttern höchsten Muth und tapfern Trost geschöpft. Und treffliche Thaten, nicht nur herrlichen Heldenthums, auch tiefer Weisheit und gütevollen Herzens, haben sie gethan, die Heidenleute, Männer und Weiber, nach der Walhall-Götter lichtem Vorbild, ihnen zu gefallen, ihnen zu gleichen, endlich zu ihnen aufzusteigen in Asgardhs goldene Säle.

Alle Tugenden des Heldenthums, der Treue, der Zucht pflegten unsere Vorväter und Vormütter in der Walhallgötter Dienst. Zwar Seraphicus, der böse Mönch, las uns neulich in der Kirche aus einem lateinischen Buch eines heiligen Bischofs, Augustinus heißt er, ein Wort, das lautete: »die Tugenden der Heiden waren und sind nur glänzende Laster«. Aber das ist, und wenn es auch ein heiliger Bischof, ein heißblütiger, im heißen Südland Africa geschrieben, ein so scheußliches Wort, daß ich sofort mich wandte, dem Altar und dem Priester den Rücken kehrte und mitten durch die Versammelten zur Thüre der Kirche hinaus schritt.

Denn ich dachte meines Vaters, des hohen Mannes: und Zorn und Verachtung füllten mir das Hirn mit heißer Gluth.

Und gar manche meiner Freunde und Nachbarn folgten meinem Schritt.

Jenes giftböse Wort, das unsere todten Helden und edeln Frauen noch im Grabe schänden will, verzeihe ich dem Pfaffen nie.

Und er mir wohl nicht, daß ich ihm den Rücken wandte!

Loki aber und die schadenden Riesen, das waren Unholde, »Daemones« wie der Bischof sagt; denn übel war ihr Werk und Beispiel.

Dann aber ist es stark unsinnig, zu sagen, Odhin und die Asen seien auch Teufel; denn gerade das Gegentheil von Loki und den Riesen thun sie und trachten.

Wüßten der Bischof und sein Sohn von Odhin so viel Hohes als ich, – selbst müßten sie’s einsehn.

Aber in blindem Zorn – oder ist es Grauen? – läßt der Junge ja alle Bücher verbrennen und alle Skalden verbannen, welche da wissen und singen von den alten Göttern.

So kann er’s nicht einsehen.

Mein Vater aber, Thormodhr, Thorgeirssohn, der Hohe, Herrliche, ein Held im Speer-Kampf, ein Weiser im Rath und ein Kind an weicher Güte des Herzens ist der letzte Skalde gewesen, der im vollen Glauben an die alten Götter gestorben, auch nachdem der neue Glaube Gesetz ward auf der Insel.

Alle die alten Sagen von den Göttern, den Königen und den Helden wußte er zu singen und zu sagen, wie Keiner sonst.

Oft und oft hörten wir ihm zu, die Mutter, die Brüder und die Schwestern und ich, der jüngste (seinen Liebling nannte mich die Mutter), wenn er abends in der Halle vor uns und den Wintergästen sang und harfte von den Asen und Riesen.

Und gar manchen Sommer zog ich mit ihm, die Harfe ihm tragend und stimmend, fort aus der Halle, über die Eilande hin und durch das ganze Nordland, gen Mittag bis Frisland und zu den Sachsmännern; und lauschte dabei seinem Gesang, wie er ihn einübte auf dem Schiff unter schweigenden Sternen oder ihn vortrug in der Könige Hallen.

Aber einmal fuhren wir gar bis Rumaburg und bis zu einem Eiland mit einem Feuerberg, gleich dem auf unserer Eis-Insel.

Vieles habe ich vergessen. Denn es sind manche Großzehnte von Jahren, daß sein Mund im Tod erschwieg. Aber Manches habe ich gemerkt; vor Allem die Sage von »Odhin’s Trost«. Sie schien mir immer nicht gerade die Schönste; aber die Höchste.

Freilich: der Vater wußte das Ganze in Liedstäben.

Ich aber habe die Liedstäbe meist vergessen; nur in schlichter Rede kann ich erzählen, wie Alles geschah. Ausgenommen die Stücke, welche der Vater in den Hallen – oder auch mir – am Häufigsten sagen mußte, weil sie den Andern – oder auch mir – am Meisten gefielen. Von solchen Stücken weiß ich auch noch meist die Liedstäbe.

Und wenn ich nun anhebe, zu erzählen, so geschieht es schlecht und nicht gut, ohne jede Kunst.

Denn Kunst erbt nicht.

Und nicht als Skalde, die Hörer zu ergetzen, erzähle ich zur Freude und Kurzweil mir und den Andern. Sondern nur als ein Zeuge – muß es sein: mit meinem Blut – von der Herrlichkeit der Ahnen und ihrer Götter, welche sie jetzt zu Teufelsanbetern machen und zu Teufeln. In Volksrede bald und bald in Skaldenrede, wie ich mir solche gemerkt, spreche ich. Daher – ungefüg und ungleich.

Und gar nicht habe ich gelernt, kunstvoll mit Faden und Einschlag die Sage zu weben oder Alles, wie Eines auf das Andere folgte, hübsch an der Schnur aufzureihen, wie der Fischer die Winterfische zum Trocknen aufreiht an der Schnur.

Sondern Mitten darin fange ich an und greife bald in den Anfang, bald in das Ende der Rede; wie die Möve bald vor dem Bugsprit eintaucht, bald unter dem Steuer: sie fängt den Fisch, wo sie ihn findet.

So fange ich der Sage einzelne, verloren, wie Treibholz, schwimmende Trümmer zusammen, wie sie verstreut auftauchen in meinem Erinnern.

Denn diese Hand hat manches Jahrzehnt nur Hammer und Ruder geführt. Schwer lernte ich die Finger zum Schreiben zu krümmen, als mich die Kniewunde zum Sitzen zwang in der Halle.

Aber ich will ja nicht, wie ein Skalde, um Gunst singen mit Kunst.

Gunst suche ich nicht, noch Lohn.

Mein Lohn wird Aergerniß sein bei den Meisten, wie jetzt die Menschen sind im Nordland.

Aber der Eine oder Andere wird mit Ehrfurcht hören von den alten Göttern. Vor allem du, Thorbiörn, mein lieber Sohn, wenn du heimkehrst und dies Schreibwerk findest.

Denn schon da du von mir und der Halle aus der Insel schiedest vor zwei Wintern, drüben in der alten Heimath, in Hördhaland, unsrem verwaisten noch waffenunreifen Vetter Thorwaldr als Muntwalt beizustehen gegen die Raubgier seiner bösen Nachbarjarle und deren Waffenangriffe abzuwehren, – schon damals war zu befahren, daß etwa meines Bleibens nicht mehr lang sein werde auf der Insel.

Immer härter wird Isleifr, der gute alte Bischof, der selbst nichts Hartes will – gedrängt von einem Andern, hart zu werden gegen uns Alle, in deren Hallen, wie sie wissen, manchmal noch ein Lied von den alten Göttern tönt. Seither ist’s übler geworden und übler. Denn der Andere gewinnt immer mehr Macht über den gutherzigen Isleifr, der immer mehr in Siechthum fällt.

Aber ärger und giftiger als der Bischofssohn – der ist nur heißblütig, wie mancher unter uns Nordleuten: aber streng geschult, denn er war in Rumaburg und saß dort zu des großen Bischofs Füßen – ist ein anderer, den Gizurr aus dem Südland mitbracht, das ist Seraphicus, der häßliche Mönch. Der habe, so sagt mir ein Häusling des Bischofs, dem er es räuschlings vorgeplaudert, daheim, bevor er Mönch geworden, sehr weltlich gelebt, habe in einem bösen, bösen Handel den Mann eines schönen Weibes erstochen, sei dann, sich der Strafe zu entziehen, in ein Kloster gelaufen und habe dort die Kutte genommen, diese aber nur unter dem Beding erhalten, daß er das Land räume und, Gizurr folgend auf dessen Heimfahrt, bei uns Nordländern das Kreuz predige.

Und dürfe er in das schöne Südland nur zurückkehren mit dem Zeugniß unseres Bischofs, daß er dreihundert Heiden bekehrt oder zur Strafe gebracht und dreihundert Stück Heidengeräth eingeliefert habe.

Nun friert ihn elend bei uns.

Und so eifert er aus Reue und Frömmigkeit und aus Heimweh gleich gierig, an uns armen Nordleuten seiner Selen Seligkeit und die Rückkehr nach Italia zusammen zu verdienen.

Gizurr schürt Isleifr, den Vater: das wäre noch auszuhalten: aber Seraphicus schürt Gizurr; und das ist aber schon fast nicht mehr auszuhalten.

Und hinter all’ den Priestern und ihren Kreuzen steht, vom Festland herüberdrohend, das Schwert in der Faust, mit seinen sieben Fuß Länge sie Alle überragend, jener wilde König Harald Hardhradhi.

Obzwar er in seinem Norge Bischof und Priester niederdrückt mit so harter Hand, daß Viele ihn für einen heimlichen Heiden halten: – mit unsern Priestern hier auf diesem noch freien Eiland thut er gar schön.

Und rasch kämen, meine ich, seine Drachen-Segel geflogen, riefen ihn unsere Frommen, die Kirche zu schützen, das Heidenthum vollends nieder zu brechen.

Lange schon lauert er listig; er käme gar eifrig, bräche das Heidenthum, bräche noch viel lieber unsere alte Bauernfreiheit, der Gewalt-Herr, und behielte als Lohn für seine fromme Fahrt – das ganze Land!

Soll er ja doch schon planen, die viel machtvollere Insel, das volkreiche England, dem wackren Sachsen-König Harold zu entreißen: – wer solchen Hunger hat für das Hauptmal, – uns fräße er vorher zum Frühstück.

Darum hab’ ich dir in sternenloser Nacht den Ort gezeigt, tief unter den Schritten der Menschen, wo ich Kunde vom Vater und seiner neugewählten Heimat bergen kann, sicher, daß sie keine Hand erhebt – oder die Deine.

Wenn sie vielleicht die alte Halle niedergebrannt haben, bevor du heimkehrst und wenn du den Vater nicht mehr findest auf Island, so sollst du doch außer dem Wink, wo ich weile, auch dies finden, was ich für dich aufgezeichnet.

Denn wer weiß, ob wir uns dann jemals wiedersehen.

Bald sechzig Winter habe ich getragen.

Und wenn diese Sage unter die Leute kommt, wird das Zeugniß davon sein, daß sie mein Sohn gefunden hat.

Und daß sie ihm wohl gefiel.

Denn nur er kann sie finden.

Und gefällt sie dir nicht wohl, mein Sohn, so wirf sie in’s Feuer.

Gefällt sie dir aber, so überliefere sie deinen Kindern und Enkeln, wie ich sie dir überliefert habe.

Hier hebt an die Sage von »Odhin’s Trost«.

I.

Inhaltsverzeichnis

Viele Winter, ja unvordenklich viele, hatten sich Asen und Riesen bekämpft.

Schaden konnten sie sich thun, manchfaltigen, aber ganz hinzwingen nicht.

Denn weder konnten die von Asgardh die Riesen alle erschlagen, noch konnten die Riesen einbrechen in Walhall’s Burgthor.

Da hatten die Riesen den Göttern Botschaft gesandt, friedliche Zwiesprach zu halten, ob nicht der alte Streit beizulegen sei für immer und alle Tage.

Herausgeben wollten die Riesen, falls ein Vergleich vertragen würde, werthvollste Waffe und wonnigstes Weib, die sie beide den Göttern abgewonnen durch List eines Menschenmannes: – der hieß Argr.

Und die Asen mißten Waffe und Weib wie Arm und Auge.

Denn die Waffe war Miölnir, Thors Hammer, und das Weib war Freia.

Argr hatte Thor in Rausch getrunken mit sehr, sehr vielen Hörnern Ael: nicht so gut, als Mancher meint, ist Ael den Erdensöhnen.

Aber auch Asen, scheint es, ist es oft von Uebel.

Argr hatte mit Thor in die Wette getrunken; jeder wettete ein Trinkhorn. Nach sehr vielen Hörnern sagte Argr, er könne nicht mehr. Thor konnte auch nicht mehr: aber er trank fort und gewann so großes Horn, aber größeren Rausch.

Den von Ael und Ael-Sieg berauschten Gott hatte nun Argr zum Würfelspiel gereizt.

Thor verlor Alles, was er bei sich trug.

Endlich setzte er auf den letzten Wurf seinen Hammer.

Da warf Thor ein Auge und Argr acht.

Da hatte Thor seinen Hammer verloren.

Willig hatte der treue Gott den Hammer dem Menschen-Mann hingegeben, der eilig verschwand.

Aber damit hatte Thor seine Freude hingegeben aus seinen Lebenstagen.

Schwer seufzend, wortlos, lag er auf der Haut des großen Riesen in Eisbärengestalt, den er zuletzt mit dem Hammer erlegt, in Thrudhwang, seiner Halle.

Und was das Aergste war: ungekostet stand neben ihm im Becher der Meth.

Da sahen alle Götter, daß Thor sehr krank sein mußte. –

Zu Freia aber war Argr gegangen in Gestalt von Skirnir, der ist Freirs Freund, und hatte ihr, in Skirnirs Gestalt, Botschaft gebracht von Freir, in neun Nächten zu kommen in den Wald der stillen Wege, den beide kannten.

Und Freia kam, denn Liebe zwang sie.

*

Nun hör’ ich schon überkluge Skalden schelten: Freia sei nicht Freir’s Braut, sondern Schwester.

Aber die Schelter sollen nur glauben, daß mein lieber Vater der Götter Versippung so gut wußte wie sie.

Es giebt aber verschiedene Kunde im Volk von der Götter Geschlecht und Sippezahl.

So ist auch, was mein Vater sang, daß Frigg Thor’s Mutter gewesen und Odhin Loki’s Vater, in andern Geschlechter-Runen und noch manches derart – so, daß Baldur den Sonnenwagen führe – anders geritzt.

Bei den Heidenleuten durfte darin jeder sagen und glauben, wie er wollte.

Anders ist das und scharf gefährlich geordnet bei den Christenleuten. –

*

Aber in dem Walde traf Freia nicht Freir, sondern sieben Riesen; die schleppten die Weinende fort.

Und die Götter klagten, daß Thor gram-krank liege. Und klagten noch mehr, daß sie Freia nicht mehr hatten, sie anzuschauen. Denn sie welkten nun und wurden alt.

Eifrig verlangten sie, Waffe und Weib wieder zu gewinnen und nahmen gern die Zwiesprach an mit den Riesen.

Was aber diese als Tauschgabe heischten – das hatten sie noch nicht angesagt.

Als nun die Nacht heran gekommen war, nach deren Sinken bei klimmender Sonne die Zwiesprach beginnen sollte, da lagerten seit Abenddunkel in dem beredeten Thal die Riesen zur Mitternachtseite, die Götter aber auf der Mittagseite.

Festadalr oder auch Festadalar hieß das Thal oder hießen die beiden Thalgründe. Denn ein dünner Bach zog sich zwischen beiden hin.

Da schoß aus dem schon nächtigen Gewölk ein rother feuriger Streif hernieder in den Bachgrund zwischen beiden Lagern; er erlosch: aber gleich darauf sah man unablässig, bald zur rechten, bald zur linken des Rinnsals einen Irrwisch huschen, bald zu den Göttern, bald zu den Riesen gleitend.

Auf der Mittag-Seite, fern ab von den andern Asen, die unter Laubhütten schliefen, saß auf einem alten Hünengrab, den Speer in der Hand, einsam, ein Gewaltiger.

Der Nachtwind strich wie liebkosend durch seinen wirren Bart. Das hohe Haupt ruhte auf der um den Schaft geballten Speer-Faust. Aber der Einsame schlief nicht. Nichts entging ihm in des dunkeln Himmels Rundung und in dem noch dunkleren Thal. Jetzt knurrte, leise den Kopf reckend, ein Thier, das dicht zu seinen Füßen, lang ausgestreckt, lag, und es warf einen warnenden Blick nach dem Gebieter empor: dieser aber, ohne sich zu rühren, flüsterte kaum hörbar: »Laß nur, Geri. Wohl seh’ ich den Irrwisch. Scharf witterst du Loki. Schärfer doch ahnt ihn dein Herr.«

II.

Inhaltsverzeichnis

Als nun der Tag anbrach, und so auch Baldur, der wechselnd mit Freir den Sonnenwagen führt, über die Ostberge her bei den Asen eingetroffen war, da stiegen Götter und Riesen herab von den Höhen in das Thal zu der Zwiesprach; nur der schmale Bach trennte sie: darüber hin und her wie Pfeile flogen die Worte.

Loki saß auf Steinen, welche trocken aus der Mitte des Wassers ragten.

Da sprach Surtur, der Feuerriese, welcher das Wort führte für seine Gesippen: »Weit ist die Welt. Hoch ist der Himmel ob Thursenheims Thoren. Versöhnen könnten sich Götter und Riesen. Nur ein schlimmes Geschlecht reizt beide stets zum Streit: die redenden Ratten: der maßlos muthige Meister Mensch.«

Alle Riesen nickten und winkten und brüllten Beifall zu diesen Worten. Surtur aber fuhr fort, zornig und zorniger und seine Stimme scholl wie der prasselnde Athem der Flamme: »Seit die Götter, in übler Stunde, die Menschen gebildet aus stummen Bäumen, aus dem Eschenbaum den Mann, das Weib aus der Erle – anhoben jene alsbald, frech geworden, anzutasten die Erde, unser uraltes Erbe. Mit Stahl aus starrem Gestein klopfen die Klüglinge des freien Feuers freudige Funken, dem festen Felsen entführend sein heilig verhohlen Geheimniß; aus hartem Holz reiben sie ruchlos die flackernde Flamme. Sie zwingen, die zähen Zwerglein, den grollenden Geist zu niedrigem Werk, zu dumpfem Dienst unfreien Frohns! Sieden soll er den Sud zur Suppe, trocknen das triefend durchweichte Gewand und den Thon, daß er tauge zum Topfe. Edles Eisen, ächzend in Asche, klopfen sie kläglich, schmelzend und schmiedend, zu den winzigen Waffen, zu Geräth und Gerümpel widrigen Werks. Ja, sie legen zuletzt noch die leidige Leiche, die ekle, entehrend den Athem der freudigen Flamme, ihr an’s heilige Herz.

Und in kleinlicher Knechtung schleppen die Schlauen von Hütte zu Hütte, von Herde zu Herd, durch das Dorf gedehnt, die gegliederte Gluth, entlehnend Einer vom Andern, wie Leibeigene man leiht und käufliche Knechte. –

Zuweilen zwar zornig brech’ ich die Bande der geknechteten Kinder: und in grimmiger Größe, in rasender Rache für langes Erleiden verzehren sie zündend Fahrniß und Vieh, Haus, Habe und Herd und Wiege und Weib.

Aber die Argen, maßloß muthigen! Nicht verzagen die zähen, die frechen Frevler! Nein! Sie nehmen auf’s Neue aus der Flamme des fallenden Balkens den Brand, erhöhen die Halle auf dem früheren Fleck, auf der Asche der Alten: und wieder erwärmt sie an verhaßtem Herde des Hauses die Flamme, die frech noch aus glimmender Gluth des zerstörten sie zogen!«

Da schwieg Surtur. Sofort aber begann Starkadhr der Wasserriese: und seine Stimme brauste wie Rauschen der Meerfluth: »Leidiger Leid noch legen die Listigen uns auf, des Wassers einst wildfreien Gewalten.

Brausend durch Berge, die Bahn sich bohrend, brach Bradhr, mein Bruder: uralt und immer war sein Weg so gewesen.

Da kamen die Kleinen, die Klüglinge, die Menschen: und maßen und machten Gemäuer, aus starken Steinen fest es fügend, und wehrten den Weg der wogenden Welle. Zornig zischte Bradhr, mein Bruder; und sammelte sämmtlich die sausenden Söhne, die sieben, der Sippe, die breiten Bäche, die brausenden: auch die tanzenden Töchter, die quirlenden Quellen, die kleinen, die klaren, die wonnigen Wichtlein, rief er zum Reigen: und zur Rache Rausche-Regen von Oben, den uralten Ahn.

Hoch auf den Häuptern der Hügel sammelte er so heimlich in Höhlen ein Heer; und, nächtlich genaht, plötzlich, polternd und prasselnd, Felsen voran fortwälzend als Wurfwaffen, stürmten die Starken, gießend vom Gipfel, auf die Mauer der Menschen und brachen sie brausend in bröckelnde Brocken und verschlangen zerschlagend die gehaßten Gehöfte, die dahinter sich hielten, und schleppten Schlamm und kugelten Kies und streuten Gestein über alle die Aecker, die Getreide getragen dem Meister Mensch: und ersäuften der Siedler siebzig im Schlaf.

Aber die acht, welche waren entwichen, nur nackt mit dem Leben, ließen, die Leidigen, nicht nach! Nein! Auf’s Neue nahten sie!

Gewitzigt wagten sie wieder – und weiser – das Werk.

Sie erstiegen das steile Haupt der Höhe und banden den Bruder, oben ihn überraschend, gleich am Gipfel, wo er noch wenig wälzt der Gewässer. Und sie lenkten ihn listig gezwängt zwischen zwei mächtige Mauern, enge, den Aechzenden: gruben im Grunde ihm oben ab die Bundesbrüder, zwangen den Zürnenden anders als ehdem in’s Land zu laufen nach der Sumpfseite, südlich.

Aber ach! Eine der thauigen Töchter, die ich Nifteln nenne, die niedliche Nixe. Quana, das Quellchen, fingen sie völlig aus des Vaters Gefolge: und zerrten die Zierliche, herab zu rinnen in’s Thal, wo die Trotzigen wieder gewagt, an der alten Ecke zu erhöh’n die Gehöfte. Seht, sie selber mag melden, die Maid, wie weh ihr geworden. Bis hieher hört man die Holde klagen, die Kleine.«

Und er hielt inne.

Von fern her aber hörte man die helle Stimme der Quelle, wie sie vorbei glitt an den Hütten des fernen Dorfes: »Ach ich Arme, gefesselt gefangne! Schmählichen Schmutz soll ich säubern mit Seufzen, trüb’ und traurig. Rußig Geräth, klebende Kleider waschen die Weiber in mir und die Mägde. Mit häßlichen Händen, mit heißen, haschen die Derben durstig die thauigen Tropfen. O wär’ ich doch wieder beim Bergbach da droben! Da nickten so neigend die bunten Blumen, die zieren, mir zu! Da strahlten mir still auf die Stirne die Sterne! Und es fiel nur ein Falter, der lang mich geliebt und mich schillernd umschaukelt, mein Liebling, zuletzt in mein reines Rinnsal; treu trug ich den Todten auf weicher Welle. O helft mir, ihr Helden, ihr reisigen Riesen, ihr freudigen Vettern, aus freudlosem Frohn!«

Da trat vor Bläster, der Luftriese, und sprach: »Kann ich nicht blasen, muß ich sticken und sterben. Aber auch mich wollen meistern die Menschen. Trotzig thürmen sie mir mitten auf meinem Weg über Bergjoch und Heide Bretter entgegen und Gebälk, die ich nicht immer fortblasen kann. Was hat der Mensch so hoch zu bauen, daß das Gebäu sein Haupt so hoch überragt! Ja, wie den Knecht und das Rind sie über die Tenne treiben, zu treten die kleibigen Körner, daraus ihr Brod zu backen, zwingen sie mich zornigen, für sie mich zu mühn und Mehl zu mahlen.

Breite Bretter muß ich drehen mit ächzendem Athem; und je zorniger ich erzürne, je wilder ich wehe, desto rascher geräth, das sie wollen, das Werk; und sie lachen meines unfreiwilligen Eifers. Aber ich, Bläster, ich blase sie doch noch Alle wie welke Blätter im Herbst in’s Meer, daß sie elend ersaufen.«

Da sprang auf Gridh, die Erdriesin, ein gewaltig schönes Weib: mächtig hoben sich und wogten, wie sie zornig rasch athmete, ihre Brüste; braun war ihr weites Mantelgewand mit breiten grünen Randstreifen: und lichte Blumen, roth, gelb und weiß, waren verstreut darein gewirkt: Riesen und Riesinnen rückten ehrerbietig zur Seite, ihr Raum zu schaffen; und auch die Götter, welche bisher zu manchem Wort der Riesen leise spöttisch gelacht, beruhigten der Lippen höhnendes Spiel. Blitzenden Auges über alle Götter hinweg schaute die Riesin auf Odhin hinüber.

Odhin aber zog den breitrandigen Schlapphut tiefer herab und furchte die Stirn, wie er pflegt, wann er Antwort sucht auf gewichtigen Einwurf.

»Kränkenden Kummer künd’ ich wie keine«, sprach sie mit tiefer, verhaltner Stimme. »Und heiße doch heilig selbst meinen Hassern. Auch Odhin einst« – hier hob sich lauter ihr Ton – »der Uebel-Arge, ob er heute das Haupt vor mir hehlt, hat einst hehr und hold mich geheißen. – – Muß ich euch mahnen, wie einst ein Alter der Unschuld uns einte? Das ganze Gebiet der endlosen Erde, einst war es Riesenreich! Nur redliche Riesen, unsere Alt-Ahnen, füllten die Felder, die langen Länder, die breiten Gebirge.

Da wuchset gewaltig – wer weiß es wie! – ihr argen Asen! Aus Ostland, acht’ ich, aus hellerer Heimat, kamet ihr Kühnen. –

Lang lebten wir leidlich, lau zwar in Liebe; doch hemmend den Haß. Ja, man raunt: mancher Mann aus den argen Asen gewann von wonnigem Weib in Riesenheim kosenden Kuß. – Ob er’s oben in Asgardh der göttlichen Gattin wohl vertraute, der Treue?« –

Sie schwieg eine Weile, strich mit der Linken über die wogende Brust und fuhr fort: »Leidlos lebten wir redlichen Riesen. Rinder und Rosse hegten wir, herrliche, und schimmernder Schafe häufige Herden: wir molken die Milch und holten den Honig der braunen Bienen: starker Stein und hartes Holz nur Waffen und Wehr und rüstig Geräth zu ehrlicher Arbeit: Krieg nicht kannten wir, Schlachten nicht schlugen, Morde nicht mordeten: Wölfen nur wehrte und brummenden Bären der Stab und der Stein: Frieden und Freude füllten die Felder.

Da schuf der gewaltig weise – und ihre Stimme zitterte leise – der schrecklich Schöne, der Asgardh-Odhin, die Menschen, die mächtig bald sich Midhgardhs bemeistert.

Aus Eschenhärte und Erlenweiche schuf er – so sagt er – den Menschen-Mann und das Menschen-Weib. –

Ganz und gar nicht glaub’ ich’s dem Gotte!

Weiber wissen – so wähn’ ich, – in Wonnen und Weh, wie er Weiber gewinnt!

Aus Esche und Erle nicht hat er geholt sie, die Zwillinge zart.

Eine Bule gebar sie, die heimlich er hegte. Eine Elbin etwa: – Lichtelbinnen liebt er!

Daher, denk’ ich, die lange Liebe, die den Menschen er zumißt. Selten sieht man den argen Odhin lange lieben! Seine Söhne wohl sind sie und Enkel alle und zierlich zarte, traute Töchter! Doch das ist, denk’ ich, Frigg’s Frage! Der rauhen Riesin, – was ist ihr Odhin.«

Sie schwieg, warf das lange schwarze Haar zornig in den Nacken und fuhr fort: »Als Menschen maßen mit schnellen Schritten die freien Gefilde, da endete Unschuld: Harm hub sich und Hader.

Unten, im Urfels des innersten Erdkerns, liegt mein Lager: vom Vater gefestigt umfängt mich wuchtiger Wall stärksten Gesteins, von Wasser umwogt, von Feuer umflammt, von dräuender Drachen Häuptern gehütet.

Und doch wagte ein Wandrer, zur Nacht zu nahn, wo noch nie war genaht ein frevelnder Fuß. Das Wasser durchwatete, die Lohe durchlief, die Drachen verdrang der wundernde Wandrer: im Finstern mich fand er, die unmaklige Maid; und zaubernd bezwang er Sinn mir und Seele: und lockte mir listig heraus mein Geheimstes, daß schöne Schätze gelben Goldes, daß Erz und Eisen endlos ich eigne, daß schlummernd im Schose Wärme mir wohne, die wuchernd wieder läßt wachsen, was an Keim und an Korn in’s Gewand man mir wirft. Wie im Finstern er mich fand – im Finstern entfloh er; wer der Wandrer gewesen, – nicht wag’ ich’s zu wähnen.«

Tief schöpfte sie Athem und schwieg.

Frigg schob den breiten goldnen Gürtel mit beiden Händen zornig hinab gegen die Hüften und warf einen funkelnden Blick auf die Riesin.

Diese fuhr, nun hastig die Worte stoßend, fort: »Aber Odhin’s Erkorne, die muthigen Menschen, brachen bald herab in mein Reich: Gold gruben sie, Erz und Eisen, Schwerter schmiedeten sie, schneidende Pflugschar und ritzten, die Räuber, mit dem eigenen Eisen mir wehvolle Wunden und bohrten und brachen in mein heiliges Heim, zwangen es, zu zeitigen Körner und Keime.

Und die Gier des Goldes vergiftete ganz wie die glänzenden Götter so die redlichen Riesen: Gold gebar den Männermord, Eisen erzeugte den Kriegeskampf, anhub alsbald alles Unheil.

Muß ich noch mahnen? Malmet die Menschen, die maßlos Muthigen.«

Sie schwieg und setzte sich und alle Riesen nickten und brummten ihr Beifall zu.

Odhin aber, welcher das Haupt sinnend auf die Hand am Speer vorgebeugt hatte, hob nur ein klein wenig das Antlitz und sprach, einen kurzen Blick auf die Riesin werfend: »Wo immer ein Weib Argwohn hegt um Liebe, da wähnt es, Odhin, der Arge, schulde ihr Schuld. Aber ich eide bei meinem eigenen hohen Haupte: nicht ich habe die Menschen gezeugt. Soll ich nur lieben, wo mein eigen Blut mich zwingt? Allvater bin ich geheißen: Alles lieb’ ich, was mir hilft, die Welt zu erhalten. Und nicht ich habe der Erdjungfrau Geheimnisse geraubt. Ein Menschenmann, ein muthiger, mein’ ich, war der Gewinner. Vielleicht, daß ein Gott den Weg ihm gewiesen.«

Da glättete sich Frigg’s Stirn, die sie finster gefurcht. Ein flammender Blick heißer Liebe flog zu dem Gatten hinüber, der, nur ihr sichtbar, mit der Wimper ihr winkte.

Die Riesin aber fuhr schreiend empor. Blaß und kalt wie Eis waren ihre Wangen plötzlich geworden, während ihr Antlitz kurz vorher wie rother Mohn geglüht hatte: »Ein Menschenmann, rief sie schmerzlich, ein mühseliger Mensch, der Gridh gewann? Ich will es nicht wähnen! Dann wehe dem Gott, der den Speer ihm geliehen und den weitgerandeten Hut und den dunkelblauen Mantel!«

Da lächelte Odhin durch all seinen Ernst: und herrlich schön stand das reife, verhaltene Lächeln dem bärtigen, dem feingeschnittnen Mund: »Finster war doch die Höhle. Speer kann man greifen, auch breitrandigen Hut. Aber wie griffest du, daß der Mantel dunkelblau?«

Verwirrt sprach die Riesin, Gluthen wieder im Antlitz: »Sagte ich das?«

Loki aber richtete sich auf beiden Ellenbogen auf – er lag nun im trocknen Grase, fast ganz zugedeckt von den dürren Halmen, (denn Vorfrühling, fast Winter noch war es) – stützte das schmale Kinn auf beide Hände und lachte:

»König Hicko von Hadaland war ihr Gast, von Odhin gesendet und gekleidet. Die Thörin hielt ihn für den Götterkönig. Als er entschlummert war, das Haupt auf ihrem Busen, schlug die Listige Stahl an Stein, fing den Funken und wollte dem Schlummerer in’s Antlitz leuchten. Der aber erwachte, wandte sich und floh: seinen Mantel nur sah sie noch flattern. Mir hat es der Gast erzählt, all’ das. Und noch mehr – .«

»Schande dem Schwätzer!« rief Odhin laut mit jener breiten Stimme, welche nur aus seiner Brust bricht –: erschreckt durch den wohl bekannten Zornruf griffen alle Riesen unwillkürlich nach ihren Waffen: die Midhgardhschlange aber, welche ihren Kamm aus dem nahen Meere gereckt hatte, zu lauschen, fuhr zitternd pfeilschnell in die Tiefe.

Aber ruhig fuhr Odhin fort: »Und Schande dem Nachschwätzer.

Schweig, lästernder Loki.«

Und nur ganz leise hob er den Speer.

Zwei Frauen blickten tief dankend auf Odhin. Die Riesin – aber auch Frigg: denn Frigg ist an aller Frauen Ehre und Geheimnissen gelegen.

Gestärkt durch Odhin’s Schutzwort fuhr Gridh fort: »Und war es ein Mensch, – so heisch’ ich desto heißer der Menschen Verderben. Nicht ruh’ ich mehr und raste, so lange freche Füße muthwilliger Menschen trotzig treten mein heiliges Haus. Brocken der Berge, Kronen der Kämme, hohe Hügel schleudr’ ich den Schlimmen auf Häupter und Hütten: auf reiß ich den Abgrund in klaffende Spalten und schlinge die Schlauen in tödtliche Tiefe.«

Fornjotr aber, ihr Vater, der Riesen Aeltester, fuhr fort – eisgrau wallte sein breiter Bart ihm bis auf den Gürtel: »Friede und Freundschaft wird nur zwischen uns und euch, wenn nicht mehr die Menschen zwischen uns wandeln, gehaßt und geliebt, bedroht und beschirmt. Und so sprech ich als aller Riesen Fürsprech: Friede und Freundschaft bieten wir euch, geben heraus euch Freia und Miölnir, wenn ihr gelobt, mit uns auszutilgen die Menschen.«

Da ging ein zorniges Murren durch die Reihen der Götter und Göttinnen.

Selbst Freir, so heiß er nach Freia, und Thor, so ungestüm er nach Miölnir verlangte, wollten von solchem Vergleich nicht hören. Alle riefen und redeten durcheinander.

Nur Odhin schwieg; er blickte spähend nach Süden, in die Ferne.

Da sprach, als einige Stille geworden, Baldur: lebhaft hob er seinen kurzen ganz goldenen Wurfspeer empor: »Das sei fern von den Asen! Nichts, was außer Asgardh ist, erfreut mich mehr als der Menschen Freude. Ja, ihre Freude, noch vor ihrem Dank: noch ehe sie sich besinnen, daß sie mir Dank schulden. Wann ich, nach langem Winter, zuerst wieder hinfahre auf helleren Wolken, verkündet von den vor mir zwitschernden Schwalben, wann ich den ersten gelben Falter vorausgeschickt, wann aus dem Walddicht das fahle Reh zuerst heraus lugt, am Saume zu äsen der jungen Birken saftiger schwellende Knospen –, wann in den wetterbraunen Gehöften die Menschen mein Nahen verspüren, – wann der Hofherr, tief einathmend den ersten Lenzwind, von der Hausthür das Winter-Vorbrett herab nimmt und dem Weibe zunickt: »Für dies Jahr ist’s wieder gewonnen!« – wann der Hirt von der Halde zurück ruft mit lautem Horn: »der Waldquell hat das Eis abgeworfen!« – wann dann Knaben und Mädchen mit fröhlichem Lärmen sich an den Händen fangen und hinaus hüpfen aus den Höfen auf den Anger zum ersten Reigen auf dem noch feuchten, aber schon warm beglänzten Rasen: – – dann zieht mir Wonne durch’s Herz, noch bevor sie mir danken! Und nicht missen will ich, so lange ich den Frühling führe über die Erde, glücklicher Menschen frühlingsfreudiges Antlitz! Nicht tilg’ ich sie aus, die geliebten Thoren, so lange ich athme.«

»So lange du athmest!« sprach Odhin leise vor sich hin, seufzend: denn er hatte schwer geträumt. –

Da nahm Fro das Wort, gestützt auf den langen Schaft der Sense, deren goldene Schneide kosend streichelnd: »Nicht freute der Herbst mich, sähe ich nicht mehr, von emsigen Menschen geschnitten, die dicht wogenden, goldgelben Halme, welche sie sorgsam gepflegt viel schwankende Monde. Gern fahr’ ich dahin über die fluchenden Felder im Abendwind über die nickenden Aehren und segne sie leise. Gern schau’ ich den letzten Aehrenbüschel auf dem Acker, mir dankbar geschont, von blauen Blumen gekränzt; gern sehe ich sie tanzen um den garbenbedeckten Feldaltar; gern hör’ ich den Dank auch der fröhlichen Schnitter und im Winter den Schlag der dröhnenden Drischel! Die fleißigen Schollendurchfurcher – nie tilg’ ich sie aus!«

»Nie tilg’ ich sie aus!« wiederholte Frigg, die silberne Spindel schwingend und zurückschlagend den zarten Linnen-Schleier: »nie will ich vermissen die Freude im Busen, seh’ ich der Jungfrau schämigen Blick, wie mit Zagen und süßem Grauen von den Aeltern hinweg und festlichen Bänken des Brautlaufs dem Gemale sie folgt, der ungeduldig an der Hand sie dahin zieht über des Brautgemachs blumenbestreute Schwelle. Und fast weniger noch will ich entbehren, stand ich der wehvoll Ringenden bei, den ersten Blick mit dem seligen Lächeln, den auf das Kind, das erstgeborene, das schmerzerkaufte, wirft die junge Mutter, aller Schmerzen vergessen. – Die Männer, die rauhen, die untreuen, – wohl könnt ich sie missen auf Erden: doch nimmer die Frauen, die zarten, die tiefen, treuen entbehr ich!«

Da zog, trotz all’ seines ernsten Sinnens und scharfen Spähens, über Odhins bärtige Lippen ein leises Lächeln: schön stand der überlegene Scherz dem Hohen, als er, das Haupt leicht seitwärts neigend, langsam sagte:

»Willst du der Weiber, Frigg, dich freuen, fast all zu Strenge, wirst du auch Männer müssen ertragen. Lange nicht, wähn’ ich, werden die Weiblein blühen auf Erden, mißen sie Männer.«

Und es lachten die Götter, die es vernommen, leise.

Nur Thor, der lachte so lautschallend, daß Frigg fast zürnte.

Doch ward sie ihm gleich wieder hold, dem starken Sohn, als er einfiel: »Wie die Mutter nicht die Weiber, so mag ich die Männer nicht missen! Lieb ist mir mein Hammer: wie lieb – das weiß keiner außer mir: lieber als dem Durstgen das Aelhorn, lieber als dem Manne das Brautweib. Und nicht weiß ich, weder wie ich froh werden noch wie Walhall sicher sein soll ohne Miölnir. Aber das weiß ich: Nichts zu leide thu’ ich den Menschen! Ich meine: den Guten! Denn manchem unter ihnen schon habe ich den Kopf zerschlagen, so weich wie Hirsebrei, der da hatte brechen wollen was Thors Hammer gefestigt. Thoren! Das Recht wollen sie brechen und brechen das eigene Leben, Thors Frieden wollen sie brechen und brechen nur den Frieden im eigenen Herzen! – Aber daß wir auch die Treuen austilgen sollten – bei meinem armen, herrenlosen Hammer! – das wäre Neidings-That. Haben sie uns nicht Opfer geblutet und Sud gesotten und Ael geweiht in großen Eimern? Sollten wir geschmaust haben Roß-Opfer und Eber-Opfer und das Opfer-Bier getrunken, wir Alle, – und nicht am Sparendsten Thor, Odhins Sohn, den erwarteten Schutz aber versagen, den verdienten, den Freigebigen und Wackeren, ja, sie verderben? Wahrlich, gleich dem Dreschknecht würd’ ich mich achten, der voraus trinkt das Dresch-Bier, das dem Drescher gebührt, dann aber müßig davon geht, ja das Gehöfte verbrennt. –

Und wie freut es mich doch in der breiten Brust, wann ich krachend, mit rollenden Rädern des dröhnenden Wagens, dahin fuhr über die Dorfflur, wie die Leute nun heraus treten aus den Hausthüren und meiner letzten Regentropfen sich freuen, die goldglänzend unter Baldur’s Blick wie eitel Segen fallen auf die Sat: würziger Brodem quillt aus den braunen Schollen und freudig rufen sie dankend mir nach: »Grimmiger Groller, schrecklich dein Schrei, doch Segen dein Sinn und Wonne dein Werk!«

Und nimmer auch will ich es missen, zu schauen, wie ernst sie blicken, bedächtig und wacker, weihte ich ihnen neu gezimmertes Haus mit Hammer und Spruch. Noch auch, wie traurig und treu, weih’ ich den Todten zuletzt auf dem Holzstoß. – Arme, sonnen-durstige Schlucker! Sie dauern mich! Ich habe sie lieb: sie mühen sich endlos und müssen so bald sterben und die Meisten versinken nach Hel, während wir ewig leben, wir Götter, die wir das weite Walhall bewohnen.«

Tief auf athmete schwer da Odhin und blickte mit einem Blick treuer Liebe auf den freudigen Sohn.

»Genug, daß sie einzeln sterben! Nie tilg’ ich aus das ganze Geschlecht,« so schloß Thor und er griff in den Gürtel, den Stärke-Gürtel, wo sein Hammer zu stecken pflag an der linken Hüfte. Leer war der Gürtel: – seufzend setzte sich der Gott. –

Aber an seiner Seite sprang empor Tyr, der Kriegsgott, des Schwertes nackte Klinge, die er, ohne Scheide, rechts im Wehrgehänge trug, heraus reißend und drohend gegen die Riesen reckend: »Nicht will ich missen der Menschenmänner freudigen Kriegsruf, die schallenden Schilde, das hallende Horn, wann Keil trifft auf Keil in herrlicher Schlacht. Mit Jauchzen springen sie in die Speere und den Tod. Heil den Helden! Oft haben die Helden auch lange Lümmel, hoch ragende Riesen, mit Muth und mit Raschheit gefüllt, mir zur Freude! So sollen sie oft noch.«

Und Heimdall warf im Unwillen sein Wächterhorn zurück, das er an langem Lederbande trug, sprang auf und rief: »Den Regenbogen hüte ich den Göttern, die Brücke, ein mühereich freudenarm Werk. Tag und Nacht, wann sie kämpfen, spielen, schmausen, zechen, schlafen – Heimdall ist nicht dabei. Nur selten hab’ ich Ablösung. Denn am Wachsten wacht Heimdall. Nicht will ich der Freuden entbehren, wie die Menschen staunend aufblicken zu mir. Erst gestern lief ein Kind auf mich zu, die Aermchen erhoben, die nackten, die runden: lachend vor Freude rief es: »nun will ich laufen, bis daß ich den Bogen finde, mit Händen ihn greife.« Und es lief, bis es lächelnd einschlief. Heim trug es die Mutter: und goldene Schüsseln warf ich dem Kind im Traume herab. Nie will ich es missen – das Staunen, das Lächeln der Kinder!«

»Nie tilgen wir die Menschen!« riefen die Götter.

Nur Odhin schwieg; er gedachte des Spruches, den er einst als schwer ersonnener Weisheit Frucht aus Runen gelesen: »So lang leben Asen in Asgardh, als Menschen in Midhgardh an Götter glauben: die Götter vergehn mit den Menschen zumal.«

So hatte Odhin nicht erst Zweifelfrage zu fragen, ob er die Menschen austilgen solle und annehmen der Riesin Vorschlag. Deßhalb schwieg er.

Aber er sann.

Denn noch nicht wußte er, wie er auf andrem Wege möge Freia und Miölnir wieder gewinnen von den Riesen. Er sann und fand nicht Rath. Verzögern wollte er die Entscheidung, bis daß ihm zurück geflogen wäre Hugin, sein Rabe: »Gedanke«; denn der andre Munin: – »Erinnern« – saß rathlos auf seiner Schulter. Hugin aber hatte er entsendet auf Spähe weithin über sieben Königreiche nach Süden. Und der Rasche war noch nicht zurück. Scharf sah Odhin aus in den Himmel. –

Da nun aber die Riesen gehört hatten der Götter heftige Weigerung, da entbrannten sie in Riesenzorn, fuhren auf, brüllten, daß die Felsen wiederhallten, schlugen die Steinwaffen aneinander, daß große Splitter davon sprangen und schrieen den Asen zu, daß sie wollten Freia und Miölnir in die See werfen, da sie am Tiefsten wäre.

Und die Midhgardhschlange, die sich, da Odhin wieder schwieg, von ihrem Schrecken erholt und wieder herangewälzt hatte im nahen Fjordh, freute sich sehr, da sie hörte, daß sie Freia sollte verschlingen dürfen; und sie peitschte mit dem Schweif die Fluth, daß sie hoch auf spritzte.

Und sprangen da auf von ihren Sitzen alle Riesen und alle Götter und drohten, in Waffen wider einander zu fahren.

Nur Odhin blieb sitzen in hoher Ruhe, das Haupt vorgebeugt, den Speer über die Schulter gelehnt, nachsinnend und gelegentlich spähend, ob nicht Hugin komme geflogen.

Und drunten am Bach blieb liegen in dem hohen, dürren Grase der lauernde Loki; er blickte bald in Odhin’s zweifelndes Antlitz empor, bald auf den lärmenden Haufen der Streitenden.

Da er nun sah, daß diese bald würden handgemein werden, – schon hatte Thor, in Ermangelung seines Hammers, zwei Steinriesen gegriffen mit bloßen Händen und stieß ihre harten Schädel wider einander – sprang er plötzlich auf und stieß seinen spitzen Eisenstab vor sich in die Erde: da loderte hoch auf eine rothe Säule knisternden Feuers zwischen Asen und Riesen, die schon Kämpfenden scheidend: und Alle sahen erstaunt auf Loki und hielten inne.

Das hatte er gewollt, sich Gehör zu schaffen.

Lächelnd streichelte er nun mit der Hand liebkosend die Feuersäule: die versank sofort wieder in den Erdboden.

Loki aber sprach: »War ich der Arge, den Viele mich schelten, der an Unheil sich freut – behaglich blieb’ ich jetzt liegen, wo behaglich ich lag: und sah zu, wie ihr wieder einmal, ihr dummen Riesen und ihr tagblinden Götter, euch die Knochen zerschlagt.

Aber ihr dauert mich, ihr, glänzend an Gliedern und wuchtig an Waffen, doch winzig an Witz. – Und da der grübelnde Ase, der Weiseste Aller,« – er beugte das Haupt vor Odhin voll Ehrfurcht, wie es schien: aber Baldur glaubte doch einen Zug des Hohns um den feinen Mund des Feuergottes spielen zu sehn – »noch nicht seinen bessern Gedanken gefunden, so vernehmt einstweilen, was Loki euch räth: vielleicht ist es »doch schlauer als Schädelspalten.«

»Loki lügt«, sprach mißtrauisch Hrim, der Reif-Riese. »Man weiß nie, mit wem er es hält, mit wem er es gut meint, mit Riesen oder Asen.«

»Nur mit Einem«, fiel Baldur ein, »meint er es gut: aber gerade deßhalb meint er es mit diesem Einen am Allerschlimmsten: mit sich selber! Loki, mein armer Bruder: am elendesten ist in allen Welten, wer nur sich selbst liebt.«

Und zärtlich legte er den Arm um Nanna’s Nacken, seines Weibes: und voll liebender Ehrfurcht blickte er hinauf zu Odhin, seinem Vater.