Öffentliche Religionspädagogik - Bernhard Grümme - E-Book

Öffentliche Religionspädagogik E-Book

Bernhard Grümme

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Beschreibung

Religionspädagogik muss sich der Herausforderung stellen, inmitten sich stets verändernder kontextueller Bedingungen religiöses Lernen zu reflektieren und vor sich und anderen auszuweisen. Andernfalls würde sie entweder ihre diakonische Subjektorientierung einbüßen und sich mehr oder weniger ins private, gar kirchliche Ghetto zurückziehen oder sie würde ihre Tradition und subjektbezogene Wahrheit verlieren. Wegen dieser Komplexität und Vieldimensionalität der Anforderungen, Ansprüche und Profilierungen befindet sich eine Öffentliche Religionspädagogik, die die "Zeichen der Zeit" achtet, immer auf der Suche. Dieser Band beschreibt die Suche der Religionspädagogik nach ihrer wissenschaftstheoretischen Grundlegung, nach einer ihr und dem Kontext angemessenen Hermeneutik, nach ihrem bildungstheoretischen Profil, nach angemessenen Lern- und Lehrwegen sowie nach ihren Subjekten.

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Religionspädagogik innovativ

 

Herausgegeben von

Rita Burrichter

Bernhard Grümme

Hans Mendl

Manfred L. Pirner

Martin Rothgangel

Thomas Schlag

Band 9

 

Die Reihe „Religionspädagogik innovativ“ umfasst sowohl Lehr-, Studien- und Arbeitsbücher als auch besonders qualifizierte Forschungsarbeiten. Sie versteht sich als Forum für die Vernetzung von religionspädagogischer Theorie und religionsunterrichtlicher Praxis,bezieht konfessions- und religionsübergreifende sowie internationale Perspektiven ein und berücksichtigt die unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung. „Religionspädagogik innovativ“ greift zentrale Entwicklungen im gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bereich sowie im wissenschaftstheoretischen Selbstverständnis der Religionspädagogik der jüngsten Zeit auf und setzt Akzente für eine zukunftsfähige religionspädagogische Forschung und Lehre.

Bernhard Grümme

Öffentliche Religionspädagogik

Religiöse Bildung in pluralen Lebenswelten

Verlag W. Kohlhammer

 

 

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Satz: wiskom e.K., Friedrichshafen

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-028921-5

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-028922-2

epub:    ISBN 978-3-17-028923-9

mobi:    ISBN 978-3-17-028924-6

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

Öffentliche Religionspädagogik. Religiöse Bildung in pluralen Lebenswelten

A

Wissenschaftstheoretische Grundlegungen

Hinführung

1. Denkformen als Bewährungsort für die Pluralitätsfähigkeit der Religionspädagogik

1.1 Pluralitätsfähigkeit als religionspädagogische Herausforderung

1.2 Denkformen

1.3 Zur Pluralitätsfähigkeit diverser religionspädagogischer Denkformen

1.3.1 Denkform der kultivierten Erfahrungslosigkeit

1.3.2 Denkform der Alterität

1.3.3 Denkform der Differenz in Identität

1.3.4 Denkform der Differenz aus Subjektivität

1.3.5 Denkform der Dialogizität

1.3.6 Denkform der alteritätstheoretischen Dialogizität

1.4 Ertrag − Desiderate

2. Leben und Denken vom Anderen her. Alteritätstheoretische Erfahrung

2.1 Berufsbiografischer Hintergrund

2.2 Aporien der Korrelationsdidaktik

2.3 Verarbeitetes Erleben. Profilierung des korrelationsdidaktischen Erfahrungsbegriffs

2.4 Suchbewegungen nach einer pluralitätsfähigen Religionsdidaktik

2.5 Konturen eines alteritätstheoretischen Erfahrungsbegriffs

2.6 Ausblick auf eine Alteritätstheoretische Didaktik

2.6.1 Subjekte: Kritische Subjektorientierung

2.6.2 Konzepte: alteritätstheoretische Radikalisierung der Korrelation

2.6.3 Didaktik: Für eine vulnerable Didaktik zwischen Aneignungs- und Vermittlungsparadigma

2.7 Judentum im Religionsunterricht als praktische Bewährungsprobe

2.7.1 Asymmetrie des Dialogs

2.7.2 Der Jude Jesus

2.7.3 Differenzkompetenz

2.8 Fazit

3. Zwischen Habermas und Luhmann: Wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Zuschnitt religiöser Bildung

3.1 Funktionale Differenzierung, oder: Die Moderne als bildungstheoretische Herausforderung

3.2 Bildung als Pluralitätsbewältigungspraxis?

3.2.1 Funktionale Ausdifferenzierung und Bildung

3.2.2 Menschliche Praxis als Begründungsfeld

3.3 Transversale Vernunft

3.4 Luhmanns Systemtheorie als religionspädagogische Basistheorie?

3.4.1 Ambitioniertes Programm: Systemtheorie als Verabschiedung einer handlungstheoretischen Perspektive

3.4.2 Religionspädagogische Rezeptionen

3.4.3 Systemtheorie und religionspädagogische Wissenschaftstheorie

3.5 Pluralität denken können. Zur bildungstheoretischen Relevanz einer alteritätstheoretisch angeschärften Theorie kommunikativer Vernunft

B

Kontextualisierung

Hinführung

1. „Wasse hier nich kriex, dat brauchsse au’ nich!“. Zum Ansatz einer Öffentlichen Religionspädagogik

1.1 Gegenwart der Religion

1.1.1 Öffentlichkeit

1.1.2 Öffentliche Religion und Zivilreligion

1.1.3 Bildung

1.2 Anforderungen an die Religionspädagogik

1.3 Bildungstheoretische Grundlegung

2. Es gibt nichts Harmloses mehr. Überlegungen zur politischen Dimension im Religionsunterricht

2.1 RU und Politik: Vorklärungen

2.1.1 Politikbegriff

2.1.2 Politische Bildung als Unterrichtsprinzip

2.1.3 Gründe für die politische Dimension des RU

2.1.3.1 Inhaltliches Profil

2.1.3.2 Ideologiekritisch-selbstreflexiv

2.1.3.3 Bildungstheoretisches Profil

2.1.3.4 Politisches Lernen − Soziales Lernen − Diakonisches Lernen

2.1.3.5 Zwischenergebnis

2.2 Bestandsaufnahme

2.3 Bildungstheoretische Grundlegung

2.3.1 Bildung im Kontext der Modernisierungsprozesse

2.3.2 Politische Dimensionen religiöser Bildung

2.4 Religionspädagogische Konzeptualisierung

2.5 Kontext − Schlüsselprobleme − Kompetenzen

2.6 Fazit und Ausblick

3. Religionsunterricht im Beschleunigungszwang. Beschleunigung der Lebenswelten als Herausforderung an eine erfahrungsbezogene Religionspädagogik

3.1 Beschleunigung und Moderne

3.2 Totale Beschleunigung. Die Wandlung der Zeitstrukturen in der Spätmoderne

3.3 Der RU als Entschleunigungsstrategie

3.4 Die Universalität der Beschleunigungslogik

3.5 Die Religionspädagogik in der Beschleunigungsfalle

3.6 Konturen einer beschleunigungssensiblen Religionspädagogik

3.6.1 Ansatzpunkt

3.6.2 Umrisse

4. Ethik als Herausforderung religiöser Bildung. Horizonte

4.1 Profil

4.2 Rezeption

4.3 Potenzial

5. Menschenrechtsbildung im katholischen Religionsunterricht

5.1 Menschenrechte und ihre Begründungen

5.2 Zur Bedeutung von Bildung

5.3 Parteiliche Gerechtigkeit

5.4 Gerechtigkeitslernen

5.5 Ausblick

C

Hermeneutik

Hinführung

1. Beziehung als Kategorie der Religionspädagogik

1.1 Beziehung als Grundkategorie einer dialogisch-kreativen Religionsdidaktik

1.2 Beziehungen als Ort der Gotteserfahrung

1.3 Gotthandeln in Beziehungen

2. „Nun seien Sie doch nett!“. ‚Barmherzigkeit‘ und ‚Gerechtigkeit‘ als theologische und religionspädagogische Herausforderungen

2.1 Gerechtigkeit − philosophisch

2.1.1 Annäherungen

2.1.2 Egalitaristische Konzepte

2.1.3 Non-egalitaristische Gerechtigkeitskonzepte: der Capability Approach

2.2 Biblische Gerechtigkeit − jüdisch-christliche Zugänge

2.3 Barmherzigkeit als Kern der Gerechtigkeit

2.4 Religionspädagogik

2.4.1 Barmherzigkeit als formaler Horizont

2.4.2 Barmherzigkeit als Unterrichtsinhalt

2.5 Fazit

3. Heiligsprechung des Trivialen? Überlegungen zur theologischen Hermeneutik populärer Kultur aus der Perspektive einer politisch sensiblen Theologie

3.1 Begriffsklärungen

3.2 Theologie und populäre Kultur

3.3 Konkretion: Fernsehreligion

3.4 Kritik

3.5 Klärungsbedarf: Lebenswelt − Kultur – Religion − Theologie

3.5.1 Lebenswelt

3.5.2 Kultur

3.5.3 Religionsbegriff

3.5.4 Theologiebegriff

3.6 Ausblick

D

Bildung

Hinführung

1. Profillos? Zum Ansatz einer religionspädagogischen Bildungstheorie

1.1 Bildung und Erziehung. Die Bestimmung des Unbestimmbaren

1.2 Säkulare Bildung – Religiöse Bildung

1.3 Konturen Religiöser Bildung

2. Bildungsgerechtigkeit: ein Desiderat religiöser Bildung in der Schule

2.1 Empirie

2.2 Bildungsgerechtigkeit. Begriffliche Klärungen

2.3 Religionspädagogische Perspektiven

3. Braucht Bildung ein Menschenbild? Der Beitrag christlich-theologischer Anthropologie zu Bildungsprozessen

3.1 Bildung und Menschenbilder. Der Ansatz einer Religionspädagogischen Anthropologie

3.2 Der Mensch als Geheimnis. Dimensionen christlich-theologischer Anthropologie

3.3 Orientierte Bildung. Perspektiven christlicher Anthropologie für Bildungsprozesse

3.4 Bildungstheroretische Perspektiven

E

Didaktik

Hinführung

1. Mystagogische Performanz. Der Religionsunterricht als Raum religiöser Praxis

1.1 Anliegen eines Performativen Religionsunterrichts

1.2 Konzepte

1.2.1 RU als Ort existentiell-spirituellen Probehandelns

1.2.2 RU als ästhetisch-gestalthafte Erschließung christlicher Religion

1.2.3 RU als Spiel einer leiblich-räumlichen Performance

1.3 Mystagogische Performanz. Annäherungen an einen Performativen RU im posttraditionalen Kontext

1.3.1 Unverzichtbarkeit von Performanz im RU

1.3.2 Unterscheidung von Katechese und RU

1.3.3 Probehandeln und Mystagogik

2. Nicht mehr als ein „Laberfach“ (Bernhard Dressler)? Argumentative Gesprächsmethoden im RU

2.1 RU und Sprache

2.2 Gesprächsformen und ihre Geschichte

2.3 Argumentative Gesprächsformen im RU. Analyse und Kritik

2.3.1 Die Plauderei als Propädeutik des argumentativen Gesprächs

2.3.2 Lehrgespräch

2.3.3 Schülergespräch

2.3.4 Diskussion

2.3.5 Dilemmadiskussion

2.3.6 Theologische Gespräche mit Kindern

2.3.7 Abduktive Argumentation

2.4 Konsequenzen für die Lehrerbildung und Desiderata

3. Erzählung als Königsweg für eine inklusive Religionspädagogik? Skizzen eines narratologischen Zugangs

3.1 Das Symbol und die Erfahrung

3.2 Die gefährlicher Metapher

3.3 Perspektiven für eine narratologische Sprachschule

F

Subjekte

Hinführung

1. Kindertheologie vor den Herausforderungen von Armut. Eine übersehene Dimension

1.1 Kindertheologie als Radikalisierung der Subjektorientierung

1.2 Kontextlosigkeit. Desiderate

1.3 Ressourcen

1.4 Konturen einer kritischen marginalitätssensiblen Kindertheologie

1.5 Didaktische Konsequenzen

2. Kinder im sensus fidei. Ein Versuch, ihren ekklesiologischen Ort zu bestimmen

2.1 Aspekte einer Theologie der Kindheit bei Karl Rahner

2.2 Kinder als Subjekte der Theologie.

2.3 Sensus fidei

2.4 Kleine Propheten. Zur Relevanz des sensus fidei

3. Kinder und Jugendliche als Theologen: Eine geheime Vereinnahmungsstrategie?

3.1 Ein ungeklärtes Verhältnis

3.2 Uneigentliche Theologie? Versuch einer Selbstlegitimation

3.3 Ein emphatischer Theologiebegriff? Theologie im Lichte der Tradition

3.4 Konstruktive Fortschreibungen

3.4.1 Religion als Fundament der Jugendtheologie

3.4.2 Ins Verhältnis setzen: Religion und Theologie

3.5 Topographie und Semantik. Perspektiven auf eine kinder- und jugendtheologische Topographie

4. Verschenktes Potenzial? Religionspädagogik und alte Menschen

4.1 Faktoren und Gründe

4.2 Kirchliche Erwachsenenbildung

4.3 Erwachsenenbildung und Altenbildung

4.4 Ein bleibendes Desiderat

Abschluss: Religionspädagogik in den Transformationsprozessen der Moderne. Ein Blick zurück nach vorn

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Personenregister

Öffentliche Religionspädagogik. Religiöse Bildung in pluralen Lebenswelten

Religionspädagogik lässt sich als der anspruchsvolle Versuch verstehen, inmitten sich stets verändernder kontextueller Bedingungen religiöses Lernen zu reflektieren, zu orientieren und vor sich und anderen auszuweisen. Die Frequenzen der Veränderungen haben sich freilich inmitten der Beschleunigung der Lebenswelten und der ineinander greifenden, zunehmend unüberschaubaren Prozesse der Pluralisierung und Säkularisierung von Religion dramatisch zugespitzt. Wenn sie „pünktlich“ (Rudolf Englert) sein will, wenn sie also im Dienste der religiösen Bildung und Mündigkeit der Subjekte in den jeweiligen Kontexten stehen will, dann findet sich die Religionspädagogik unter eine besondere, höchst brisante Spannung gestellt. Als „Religionspädagogik in der Transformationskrise“ (JRP 30 2014) muss sie inmitten der „Flüchtigen Moderne“ (Zygmunt Baumann) Schritt halten und doch zugleich Stand gewinnen wollen, muss auf der Höhe der Zeit sein, die „Zeichen der Zeit“ (Gaudium et Spes 4) dechiffrieren und als produktive Herausforderung annehmen und doch zugleich ihre bestimmte Orientierungsleistung, ihre Botschaft, ihre Wahrheit zur Geltung bringen. Andernfalls würde sie entweder ihre diakonische Subjektorientierung einbüßen und sich mehr oder weniger ins Private, gar ins kirchliche Ghetto zurückziehen. Oder sie würde ihre Tradition und subjektbezogene Wahrheit verlieren. Im ersten Fall würde sie zwar ihrer eigenen Plausibilitäten gewiss und im Spiegel ihres eigenen Sprachspiels auskunftsfähig sein. Sie würde aber den heterogenen und pluralen religiösen Lebenswelten und damit den Subjekten nicht entsprechen. Das stete Ringen um Verständigung und Identität, um Kommunikabilität und Wahrheit gerät damit unter den gegenwärtigen Bedingungen zur zentralen Aufgabe – und ist damit wiederum ein von ihr produktiv wie kritisch zu bearbeitendes Zeichen der Zeit. Eine solche Religionspädagogik kann nicht statisch in einer abgeschlossenen, streng hermeneutischen Begriffslogik angelegt werden, in die keine Erfahrungen mehr hineindringen. Sie befindet sich stets im Vollzug zwischen diesen spannungsvoll zu vernetzenden Aspekten. Wegen dieser Komplexität und Vieldimensionalität der Anforderungen, Ansprüche, Profilierungen befindet sich eine Religionspädagogik, die die „Zeichen der Zeit“ achtet, immer in Bewegung. Sie selbst muss sich neu einschreiben in diese Prozesse, sich neu zur Sprache bringen. Insofern können Texte, ob bereits entlegen veröffentlicht und dann radikal auf die hier verfolgte Themenstellung hin überarbeitet oder überhaupt neu verfasst, in veränderten Kontexten neue Relevanz bekommen. Einen solchen Kontext will dieses Buch herstellen. Es eröffnet Konstellationen, bahnt den Weg für vielfältige Suchbewegungen. Doch welche sollen dies sein?

Da ist zunächst die Suche nach ihrer wissenschaftstheoretischen Grundlegung. Religionspädagogik ist nicht Anwendungswissenschaft der Theologie, sie ist nicht das Vehikel zur Realitätsgewinnung einer systemisch in sich verschlossenen, lebensweltlich wie geschichtlich entfremdeten Theologie, sie ist nicht Rezeptur für die Vermittlung religiösen Basiswissens in den eskalierenden Anmutungen zunehmender Entkirchlichung und Säkularisierung. Religionspädagogik steht im Dienst der Subjektwerdung der Menschen. Insofern muss die Sorge um die innere, kontextsensible Verschränkung von Identität und Kommunikabilität grundlagentheoretisch basiert werden. Wie aber soll dies sinnvoll möglich sein, ohne die zuvorkommende und überschießende Wucht des Anderen in seiner Würde, seiner Freiheit, seiner je spezifischen Situation zu achten? Darum wird auf diesem Feld ein alteritätstheoretisches Fundament grundgelegt. Dies ist Gegenstand von Teil A.

Inmitten ihres jeweiligen Kontextes entwickelt die Religionspädagogik ihre Kategorien – und artikuliert sich kritisch wie produktiv in diesen hinein. Doch wie soll sie sich positionieren? Inwiefern ist ihr der Charakter einer öffentlichen Religionspädagogik aufgegeben, die wesentlich neben ästhetischen, kognitiven, pragmatischen ebenso eine politische Dimension umfasst? Von daher ist ihr eine Suchbewegung nach ihrer angemessenen Kontextualisierung abverlangt. Dies ist Gegenstand von Teil B.

Als eine solche Öffentliche Religionspädagogik muss sie verstehen und verständlich sein, sie muss wahrnehmen, urteilen, muss handlungsfähig und ausdrucksfähig, muss in die kulturellen, pädagogischen, theologischen wie politischen Diskurse hinein diskursfähig sein. Dies zu klären bringt die Religionspädagogik in die Suche nach einer ihr und dem Kontext angemessenen Hermeneutik. Dies ist Gegenstand von Teil C.

Doch wie lässt sich ihr Telos, ihre Ausrichtung, ihre Substanz unter den Rahmenbedingungen der vielfältigen Diskurse und Kontexte konzipieren? Wie lässt sich religiöse Bildung denken? Eine geisteswissenschaftliche Pädagogik hat unter den Bedingungen spätmoderner Pluralisierungen und Ökonomisierungen ihre vorbehaltlose Plausibilität verloren. Was können religiöse Bildungskonzepte sein, die anschlussfähig und auskunftsfähig zugleich sind? Religionspädagogik, die sich alteritätstheoretisch verankert und sich als politisch dimensionierte Theorie religiöser Bildung versteht, hat hier Legitimationsbedarf. Darum muss sie sich in einer weiteren Suchbewegung um ihr bildungstheoretisches Profil bemühen. Dies ist Gegenstand von Teil D.

Schulische Aspekte werden für die Religionspädagogik immer wichtiger, avanciert doch der RU in der Schule zu dem prominenten Ort, an dem Heranwachsende gegenwärtig überhaupt noch mit verfasster Religion in Kontakt kommen. Darum ist die Religionspädagogik gefordert, sich auf dem Feld der Religionsdidaktik zu artikulieren, dieses zu sichten und sich hier zu profilieren. Teil E hat dies zum Gegenstand.

Die bislang genannten Suchbewegungen haben bei all ihren spezifischen Akzentuierungen eines gemeinsam: sie wollen eine Religionspädagogik vorantreiben, die im Dienste der Bildung der Menschen steht. Diese kann emphatisch als „Menschwerdung des Menschen im Horizont der einen Menschheit“ (Helmut Peukert) verstanden werden. So gesehen war eigentlich immer schon von jenem Bemühen implizit die Rede, die gleichwohl eben wegen ihres integralen Ranges nun auch ihrerseits explizit zur religionspädagogischen Suchbewegung werden muss: zur Suche nach einem angemessenen Verständnis der religionspädagogischen Subjekte.

Insofern macht diese Suchbewegung zweierlei klar: Eine öffentliche Religionspädagogik, die die „Zeichen der Zeit“ achtet, fokussiert wesentlich auf ihre Subjekte. Dies ist Gegenstand von Teil F. Zugleich aber wird die strikte Interdependenz der verschiedenen Suchbewegungen deutlich. Jede Suche setzt die anderen voraus, nimmt mehr oder weniger explizit auf diese Bezug, abstrahiert aber methodisch von diesen. Der Versuch etwa, die Subjekte angemessen religionspädagogisch in einem doppelt-einen Sinne zur Sprache zu bringen − als Objekte, die wahrgenommen und gewürdigt werden müssen, als Subjekte, die in einem sequentiellen Lernen buchstäblich religiös sprachfähig werden sollen und in ihrer Sprache zu hören sind −, setzt für den hier vertretenen Ansatz eine alteritätstheoretische, politisch-dimensionierte, öffentliche wie bildungsorientierte Religionspädagogik voraus. Andererseits ist ihr mit dem Index ihrer Kontextualität und ihrer Verwobenheit in die geschichtlich-gesellschaftlichen Prozesse der Charakter einer konstitutiven Unabgeschlossenheit eingeschrieben. Zu den hier versammelten Suchbewegungen können also unter veränderten Wahrnehmungen und gewandelten Kontexten weitere oder andere hinzukommen. So bleibt die Religionspädagogik ein offenes, ein brisantes Geschehen in den Transformationsprozessen der Moderne.

A         Wissenschaftstheoretische Grundlegungen

Hinführung

Wie ist Religionspädagogik anzulegen, wie zu denken, wie zu tun? Wie sind Theorie und Praxis aufeinander zu beziehen? Immer wichtiger wird dabei die Art und Weise, wie gedacht wird. Die Form des Denkens scheint die Inhalte zu beeinflussen, vielleicht sogar zu präfigurieren. Nur welche Form kann das sein? Wie ist diese anzulegen, damit sie den Zielvorstellungen und dem Design der Religionspädagogik als wissenschaftlicher Reflexion religiöser Bildungsprozesse in ihrem jeweiligen Kontext entspricht? Sie würde doch ihr eigenes verfehlen, würde sie aus einer Elfenbeinturmperspektive Kriterien entwickeln, die es dann nur noch deduktiv in religionspädagogischer Praxis zu verwirklichen gelte. Andererseits würde es den Bedarf der Praxis an theoretischen und konzeptionellen Orientierungsleistungen zu gering einschätzen, würde eine religionspädagogische Denkform sich nur gleichsam mimetisch an die Prozesse religionspädagogischer Praxis und lebensweltlicher Erfahrungen anschmiegen, würde sie diese also lediglich verdoppeln. Inwiefern müsste nicht die Religionspädagogik selbstkritisch Rechenschaft ablegen über die je vorgängig bereits verwendete Axiomatik und Begriffsmatrix, inwiefern müsste sie sich normativ um eine Denkform bemühen, die Pluralität und Einheit, Wahrheit und Geschichte, Identität und Verständigung unter den gegenwärtigen kontextuellen Bedingungen der Spätmoderne vermittelt? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen unternimmt der erste Text (stark überarbeitete Version von Grümme 2012, 158−170).

Doch was soll ein angemessener Erfahrungsbegriff sein? Er muss, wie noch zu zeigen sein wird, aus einer praktisch vollzogenen Innenperspektive heraus entwickelt werden, muss sich für die Konstitutionsbedingungen verantwortlicher Subjektivität ebenso geeignet zeigen wie für die grundlegenden Zusagen und Zumutungen von Alterität. Auf diesem komplexen Feld bewegt sich der zweite Text (stark überarbeitete Version von Grümme 2012, 119−132). Er macht überdies gleichsam performativ deutlich, wie sehr eine erfahrungstheoretische Grundierung ihrerseits auf lebensweltlichen wie berufsbiografischen Erfahrungen basiert.

Ganz wesentlich aber ist für die hier vertretene Religionspädagogik deren bildungstheoretische Profilierung. Diese aber ist aus mehreren Perspektiven heraus legitimationsbedürftig. Eine davon ist die der Wissenschaftstheorie. Der dritte Text unternimmt dies in der Auseinandersetzung mit verschiedenen sozialwissenschaftlichen, philosophischen und erziehungswissenschaftlichen Theorien.

1.          Denkformen als Bewährungsort für die Pluralitätsfähigkeit der Religionspädagogik

1.1        Pluralitätsfähigkeit als religionspädagogische Herausforderung

„Diskurse über Mensch, Macht und Kultur verzweigen ich rhizomartig zu Diskursen über Diskurse über Mensch, Macht und Kultur. Und so entsteht ein endloses Wortgeflecht, das alle Kunstproduktionen überzieht wie der Schleim eines antlitzlosen Aliens, das viele Peripherien, aber kein Zentrum hat. Kein Wunder, nichts hat ein Antlitz, Netzwerke haben keine Physiognomie. Stattdessen sind sie offen. Du kannst dich über tausend und abertausend Konzeptknötchen und Reflexionsbrücken hinwegbewegen, nach dahin und dorthin, und am Ende wird es nur aus purer Erschöpfung zu Ende sein, aus Energieverlust oder Ekel über die Monotonie der Vielfalt, die, vielfach kodiert, nichts bedeutet“ (Strasser 2010, 40f.). Pluralität als Langeweile? Kunst nur noch als leeres Gerede, als inhaltsloses Geschwätz, wo diese doch nach dem Ende der Metaphysik als der verbliebene Ort von Transzendenz gegolten hatte? Diskurse haben in der Bewertung von Peter Strasser ihre sinnstiftende und semantisch gehaltvolle Orientierung verloren. Was bleibt ist ein nichtssagendes, ebenso affirmatives wie sehnsuchtsloses Kreisen um sich selbst, womit für Strasser die selbstdestruktiven Aspekte der Aufklärung herausgearbeitet sind, in denen diese ihre eigenen Postulate verspielt (Strasser 2010, 16). Anders jedoch als deren Verächter will er im Durchgang durch die Pluralisierungsprozesse der Moderne den Wahrheitsgehalt von Aufklärung zurückgewinnen. Denn nur um den Preis eines vormodernen Regresses und gewaltförmiger Operationen könne hinter jene Pluralisierungsphänomene wie Biografisierung, Deinstitutionalisierung, Enttraditionalisierung, Globalisierung und Ausfaltung divergierender Praxis- und Rationalitätsformen zurückgegangen werden, die mit dem Ende der „Großen Erzählungen“ selbst den Begriff von Wahrheit erfasst haben. Wie das eindrucksvolle Werk Charles Taylors zeigt, betrifft dies auch den Begriff der Moderne, insofern Taylor im Rückgang auf Shmuel Eisenstadt mit vervielfältigten, multiplen Modernitäten rechnet und doch universalisierbare Wahrheitsansprüche erhebt (Taylor 2009, 47).

Gleichwohl darf der Gewinn an emanzipatorischer Freiheit und Selbstbestimmung nicht negiert werden. Pluralisierung bedeutet im Wesentlichen immer auch die Freisetzung aus unausgewiesenen Entfremdungszusammenhängen. Verschiedenheit darf nicht je schon als Bedrohung, sondern darf als Bereicherung aufgefasst werden.

Wie man auch immer diese Pluralisierungsprozesse terminologisch fassen möchte − sei es als „Reflexive Modernisierung“, als „Zweite Moderne“, als „radikalisierte Moderne“, als „Postmoderne“: Es kommt darauf an, die enormen unhintergehbaren Freiheits- und Identitätsgewinne mit einem erhöhten Anspruch an die Subjekte zusammenzudenken, sich inmitten ihrer Unbehaustheit durch ungefragt gültige Sinn- und Orientierungszusammenhänge je neu verstehen und handlungsfähig werden zu müssen. Eine rein resignative wie defizitorientierte Hermeneutik des pluralistischen Gegenwartskontextes verbietet sich ebenso wie dessen euphorische Affirmation. Pluralität stellt Herausforderung wie Chance dar. Wie es um der Universalisierbarkeit von Wahrheit und Freiheit willen darauf ankäme, an der „Einheit der Vernunft in der Vielfalt ihrer Stimmen“ festzuhalten (Habermas 1992, 153), wie es identitätstheoretisch wichtig wäre, jenseits eines ungeschichtlich essentialistischen Identitätsbegriffs einerseits und der Absage an menschliche Identität im posthistoire andererseits an der Möglichkeit eines Identitätsbegriffs festzuhalten (Englert 2005, 14), wie es darauf ankäme, unter den Bedingungen der Posttraditionalität den semantischen Gehalt von Traditionen und deren Autorität nicht-traditionalistisch zu sichern (Englert 2007, 81−121), so wäre es nun auf einer grundlagentheoretischen Ebene entscheidend, Differenz und Einheit, Alterität und Identität, das Fremde und das Eigene denkerisch zu vermitteln. Eine ideologiekritische, für politisch-strukturelle Momente sensible Reflexion hätte freilich diese Pluralitätsfrage auf die Frage nach der Fremdheit der Anderen, nach den ausgeschlossenen, den leidenden Anderen und den wie verdeckt und verbrämt auch immer herrschenden Exklusionsmechanismen auszuweiten (G 2009).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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