Oktoberrevolution. Aufstand gegen den Krieg 1917-1922 - Stefan Bollinger - E-Book

Oktoberrevolution. Aufstand gegen den Krieg 1917-1922 E-Book

Stefan Bollinger

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Beschreibung

Im Oktober 1917 wurde die bürgerliche russische Regierung gestürzt. »Frieden" und »Brot" hießen die Losungen. Die neuen Kräfte beendeten den Krieg und leiteten den Aufbau einer gänzlich anderen Gesellschaft ein, was weitere Revolutionen nach sich zog: 1921 die Wende zu einer Neuen Ökonomischen Politik, die Beendigung des Bürgerkrieges und die Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 1922. Die russischen Revolutionen werden heute als Teil einer revolutionären Welle im Gefolge des Ersten Weltkrieges gesehen und als Signal zur Ablösung des Kapitalismus. Der Historiker und Politikwissenschaftler Bollinger beschäftigt sich mit deren unterschiedlichen Auswirkungen bis in die Gegenwart. Er geht der Frage nach, ob der heutige globale Kapitalismus »revolutionär perfektioniert" oder nach dem Muster von 1917 überwunden werden sollte.

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ISBN E-Book 978-3-360-51043-3

ISBN Print 978-3-360-01882-3

© 2017 edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlinunter Verwendung eines Motivs von picture alliance/Heritage Images

Die Bücher der edition ost und des Verlags Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel.com

Über das Buch

Bis vor wenigen Jahren sprach man von der GroßenSozialistischen Oktoberrevolution, die das feudale Zarenjoch und die bourgeoisen Fesseln abwarf und das Tor zu einer neuen Epoche aufstieß. Inzwischen ist Sachlichkeit in der Beurteilung dieses Vorgangs eingetreten, nicht zuletzt dadurch, dass dieses Tor sich augenscheinlich wieder geschlossen hat und die Frage nach dem Warum? nur scheinbar beantwortet ist.

Mit heutigem Wissen, aber auch mit der notwendigen Kompetenz hat Stefan Bollinger die gesellschaftspolitischen Vorgänge von 1917 neuerlich untersucht und Schlüsse gezogen. In seine Analyse bezieht er die Rezeption der russischen Revolution durch die heutige Linke mit ein und findet, dass nicht nur sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Denn aus der Geschichte, auch aus dieser von 1917, lässt sich allemal etwas lernen.

Über den Autor

Stefan Bollinger, Jahrgang 1954, Studium der Philosophie, Politikwissenschaften und Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Hochschuldozent, seit 1990 in der Erwachsenenbildung tätig, Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, Mitglied der Leibniz-Sozietät und der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Partei Die Linke, ehrenamtlicher Stellvertretender Vorsitzender Helle Panke e.V. und Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin.

Dr. sc. Stefan Bollinger arbeitet zur Geschichte der DDR und der BRD, zur osteuropäischen Geschichte und zu den Zusammenhängen von Ideologie- und Politikgeschichte.

In der edition ost erschienen von ihm zuletzt »Weltbrand, ›Urkatastrophe‹ und linke Scheidewege. Fragen an den ›Großen Krieg‹« (2014) und »Meinst du, die Russen wollen Krieg? Über deutsche Hysterie und deren Ursachen« (2016).

Inhalt

I. Eine kleine Revolutionsgeschichte

Krieg und Revolution

Eine Revolution auf dem Seziertisch

Kriegsverlängerer

Frieden, Brot, Freiheit und Land – die bolschewistische Geheimformel

Warum und wie es begann – eine Vorgeschichte

Mit einer Friedensbotschaft in die Weltgeschichte

Ein Weltsystem zerbricht

II. Revolution – Epoche – Erbe – Tradition

Revolutionsgeschichte staatsmännisch – die Große Russländische Revolution 1917–1922

Die letzte Wache

1917 – 1945 – 1968 – 1989 – 2007ff.

Die Selbstthermidorisierung der Revolution

Halbasiatische Barbarei und die Reife für den Sozialismus

Oktoberrevolution, Geschichtspolitik und Utopien

Sozialismus einst und morgen

III. »Revolution« – die Karriere eines Begriffs nach dem Ende des Ostblocks

Eine Annäherung

Eine seltsame Renaissance

Blaupause Oktoberrevolution

Revolutionen in feindlicher Umwelt

Die Tücke der 3. Revolution

Alte Menschenrechte und neue Technologien

Nebenprodukt oder Masterplan?

Neue Kampfformen

»Revolutionen« zur Perfektionierung des globalen Kapitalismus

Nachdenkliches

Eckdaten zur Orientierung

Sieg der bolschewistischen Revolution in Russland – Lenin fordert Frieden. – London, 8. November. Reuter erhielt ein Telegramm der amtlichen Petersburger Telegraphenagentur, die in den Händen der Maximalisten1 ist, in dem es heißt, dass die Maximalisten die Stadt in ihrer Gewalt haben und die Minister verhafteten. Der Leiter der Bewegung, Lenin, verlangte sofortigen Waffenstillstand und Frieden.

Wolff’sches Telegraphen-Bureau, 8. November 19172

Die russische Revolution ist das gewaltigste Faktum des Weltkrieges […]. Der gewaltige Umfang, den die Revolution in Russland angenommen hat, die tiefgehende Wirkung, womit sie alle Klassenverhältnisse erschüttert, sämtliche sozialen und wirtschaftlichen Probleme aufgerollt, sich folgerichtig vom ersten Stadium der bürgerlichen Republik voranbewegt hat – wobei der Sturz des Zarismus nur eine knappe Episode, beinahe eine Lappalie geblieben ist –, all dies zeigt auf flacher Hand, dass die Befreiung Russlands nicht das Werk des Krieges und der militärischen Niederlage des Zarismus war, nicht das Verdienst ›deutscher Bajonette in deutschen Fäusten‹ […], sondern dass sie im eigenen Lande tiefe Wurzeln hatte und innerlich vollkommen reif war. Das Kriegsabenteuer des deutschen Imperialismus unter dem ideologischen Schilde der deutschen Sozialdemokratie hat die Revolution in Russland nicht herbeigeführt, sondern nur für eine Zeitlang, anfänglich – nach ihrer ersten steigenden Sturmflut in den Jahren 1911–1913 – unterbrochen und dann – nach ihrem Ausbruch – ihr die schwierigsten, abnormalsten Bedingungen geschaffen.

Rosa Luxemburg, September–Oktober 19183

1 D.h. der Bolschewiki.

2 Amtliche Kriegs-Depeschen. Nach Berichten des Wolff’sches Telegraphen-Bureaus, Berlin 1918, S. 2500.

3 Rosa Luxemburg: Zur russischen Revolution. In: dies.: Gesammelte Werke. Bd. 4. Berlin 1974 (im Weiteren LuxW), S. 332. Hier und für alle weiteren Texte und Zitate gilt: Die Schreibweise wurde stillschweigend der neuen deutschen Rechtschreibung angeglichen, offensichtliche Druckfehler korrigiert, Namen in der Regel in der der Umgangssprache angeglichenen Duden-Transkription wiedergegeben. Die Datumsangaben erfolgen in der heute gebräuchlichen gregorianischen Berechnung. Der julianische Kalender wurde in Sowjetrussland letztmalig am 31. Januar 1918 angewandt, auf ihn folgte der 14. Februar 1918.

I. Eine kleine Revolutionsgeschichte

Krieg und Revolution

»Die Revolution erwuchs unmittelbar aus dem Krieg, und der Krieg wurde allen Parteien und revolutionären Kräften zum Prüfstein«4, so brachte es der Bolschewik Lew Dawidowitsch (Leo) Trotzki auf den Punkt. Heer und Land lagen in der Agonie, ein Ausweg war nötig, und die Februarrevolution brachte ihn nicht. Im Gegenteil, es entfaltete sich ein erbärmliches Schauspiel. Noch einmal in den Worten Trotzkis: »Die intellektuellen Führer waren ›gegen den Krieg‹. Viele von ihnen hatten sich unter dem Zarismus für Anhänger des linken Flügels der Internationale gehalten und sich zu Zimmerwald5 bekannt. Doch änderte sich alles sofort, als sie sich in ›verantwortlichen‹ Stellungen befanden. In ihrer Lage bedeutete ein Festhalten am revolutionären Sozialismus auch einen Bruch mit der Bourgeoisie ihres eigenen und der alliierten Länder.« Genau dazu hatten sie weder Mut noch Einsicht. »Sie beschränkten sich auf Seufzer, Phrasen, heimliche Ermahnungen oder Aufrufe an die Adresse der alliierten Regierungen und beschritten doch genau denselben Pfad wie die liberale Bourgeoisie. Die Soldatenmassen in den Schützengräben konnten unmöglich den Schluss ziehen, dass der Krieg, in dem sie seit vierthalb Jahren befangen waren, seinen Charakter geändert habe, weil sich ein paar neue Menschen, die sich ›Sozialrevolutionäre‹ oder ›Menschewiki‹ nannten, an der Petrograder Regierung beteiligten.«6

Ein verhängnisvoller Irrtum, gleich dem, der 1914 die staatstragenden Linken auf allen Seiten, bei der Entente wie in den Mittelmächten, in das Lager, teilweise in die Regierungen ihrer bisherigen politischen Feinde brachte – denn: Das Vaterland ist in Gefahr! Verhängnisvoll im Jahre 1917 auch deshalb, weil die »neuen« politischen Akteure nicht verstanden, warum es zu den Unruhen kam, in deren Ergebnis eine »Palastrevolution« der bestehenden bürgerlichen Duma-Parteien möglich wurde. Von den Massen wurde diese mit riesigen demokratischen und Antikriegs-Erwartungen aufgeladen. Wer konnte sich den Erfolg des Umsturzes ans Revers heften? Für Lenin war klar: »Die Arbeiter und Soldaten haben die Revolution gemacht. Aber die Macht hat zunächst, wie das auch in anderen Revolutionen der Fall war, die Bourgeoisie an sich gerissen […]. Nicht die Reichsduma – die Duma der Gutsbesitzer und der Reichen –, sondern die aufständischen Arbeiter und Soldaten haben den Zaren gestürzt. Aber die neue, die Provisorische Regierung wurde von der Reichsduma ernannt.«7

Das konnte beide Seiten mit Illusionen erfüllen und war die Grundlage für eine Entwicklung, die zwei Machtzentren gleichzeitig in Russland regieren ließ: die Provisorische Regierung aus meist bürgerlichen, seit Mai auch aus linken, nichtbolschewistischen Politikern einerseits und die spontan, aber schließlich systematisch in allen Teilen der Gesellschaft von der Basis gewählten Räte, die Sowjets der Arbeiter, Soldaten, Matrosen und Bauern mit vorherrschend linker, zunächst aber nur bedingt bolschewistischer Ausrichtung. In dieser Doppelherrschaft formierte sich eine nichtparlamentarische, sehr dynamische Macht von unten her. Mindestens 200000 Deputierte, gewählte Vertreter, arbeiteten in zunächst über 700, im Herbst fast 1500 Räten, berieten, fassten Beschlüsse und setzten sie als arbeitende Körperschaften selbst um.

Nikolaj Nikolajewitsch Suchanow, Menschewik,

1917 Mitglied des Exekutivkomitees des Petrograder Sowjets,

zur Doppelherrschaft:

Die Revolution hatte sich über die ganze Breite des russischen Landes ausgedehnt. Aus allen Gegenden kamen zu Hunderten und Tausenden Nachrichten über den Umsturz, der sich blitzartig, leicht und schmerzlos vollzogen und die unterdrückten, notleidenden Volksmassen zum Leben erweckt hatte. Telegramme meldeten die ›Anerkennung‹ und den ›Anschluss‹ von Truppen (gemeinsam mit dem Offizierskorps), von Arbeitern, Bauern, Beamten, vom Bürgertum und überhaupt von Menschen aller Farben und Schattierungen […]. Natürlich teilte sich die Bevölkerung in zwei Lager. Das eine zog es zum Marienpalais, das andere zum Taurischen [d.h. entweder zum Sitz der Provisorischen Regierung oder zum Sitz der Sowjets – St. B.]. Die Mitte – die kleinbürgerlichen Schichten – zögerte, entschied sich jedoch nach und nach und bezog ihre Stellungen. Freilich war das zunächst nicht leicht, denn die sichtbare Oberfläche war ruhig und ungetrübt.

Im Handumdrehen hatten sich überall Sowjets konstituiert. Ihre Bildung entsprang zwangsläufig keinerlei Plan, und ihre Tätigkeit zeichnete sich nicht durch besondere Weisheit aus. Aber sie waren existente Organisationen, Stützpunkte der Demokratie und der Revolution […]. Die Gewerkschaften schossen wie Pilze aus der Erde, alle Parteien und politischen Gruppen, einschließlich der mikroskopischsten und unnützesten, stürzten sich Hals über Kopf in die Arbeit und entfalteten schon eine derartige Energie, dass die Bourgeoisie betreten diese wilde Jagd betrachtete und mit der Zeit immer offener ihrer Besorgnis Ausdruck gab […].

Aus: Nikolaj Nikolajewitsch Suchanow: 1917. Tagebuch der russischen Revolution. München 1967, S. 211.

All dies ändert nichts an der Tatsache, dass es die ewiggestrigen Kreise waren, die in der Revolution die Macht an sich rissen, den Zaren zur Abdankung drängten und dem Volk nicht einhaltbare Versprechungen machten. Der ihnen sicher nicht abgeneigte, aber trotzdem realistisch denkende britische Kriegspremier David Lloyd George hat in seinen Memoiren eine wenig wohlwollende Charakteristik dieser Provisorischen Regierung abgegeben, sie hätte wohl auch von den Bolschewiki stammen können: »Die Männer, die der russischen Revolution anfangs die Richtung gaben, waren nicht die Bolschewiken, sondern missvergnügte Aristokraten und Bourgeois – Fürsten, Kaufleute und Advokaten. Dann folgten die Unruhen der halb verhungerten Arbeiter und die Meutereien der Soldaten und Matrosen. Aber sie hatten jahrelang ohne Murren ihr Elend ertragen. [Michail Wladimirowitsch] Rodsjanko, Präsident der Duma, Chef und Aushängeschild der Bewegung, war Kammerherr des Zaren. Er war Aristokrat und ein ziemlich bedeutender Großgrundbesitzer. Er war ferner Offizier bei den Gardekosaken. Fürst [Georgi Jewgenjewitsch] Lwow gehörte der gleichen Klasse an. [Pawel Nikolajewitsch] Miljukow war ein konservativer Rechtsanwalt und [Alexander Iwanowitsch] Gutschkow war Fabrikant. Sie alle gehörten den besitzenden Klassen an. Sie waren der Monarchie treu ergeben, aber sie entstammten jener russischen Intelligenz, die seit den Tagen Alexanders I. für eine konstitutionelle Monarchie an Stelle einer absoluten eingetreten war. In ihrer grundlegenden Haltung gegenüber sozialen und ökonomischen Fragen waren sie konservativer als meine Kollegen im Kriegskabinett, die Führer der disraelischen8 Tories.«9

Entscheidend war: Das Land wurde durch eine breite Massenbewegung umgewälzt. Das Volk erhob sich im Februar und März spontan gegen Zar, Polizei, Ochrana10, gegen die etablierten Strukturen. Ende Februar berichteten Korrespondenten aus Petrograd11: »Vor den unzureichend gefüllten Bäckerläden rottete sich der im höchsten Grade aufgebrachte Pöbel zusammen. Aber, daran erinnere ich mich sehr gut, unter diesen Störenfrieden befanden sich Leute, die sich mit einer solchen, aus der keineswegs verzweifelten Lage nicht erklärbaren Heftigkeit aufführten, als ob es ihre Parole sei, sich einen bequemen Vorwand zunutze zu machen. Geschäfte wurden geplündert, Scharen von Menschen, die rote Fahnen schwenkten, waren plötzlich auf der Straße zu sehen. Sie manövrierten überall in gleicher Weise, befolgten überall dieselbe Taktik, die darin bestand, den ihnen entgegengeschickten Hundertschaften der Kosaken zuzujauchzen. Die Kavalleristen, die ganz stolz waren, sich zu rehabilitieren und ihren Ruf als Henker des Volkes zu verlieren, den sie immer gehabt hatten, antworteten lächelnd: ›Nein, wir werden nicht auf unsere Brüder schießen.‹ Sie bewiesen übrigens eine Woche später die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungsänderung, als sie sich auf die Polizisten und Gendarmen stürzten […]. Dann schwoll alles an, als ob ein unsichtbarer Regisseur geschickt die Intensität dieser Unruhen eingerichtet und gesteigert hätte.

Russische Parteien 1917 (Auswahl)12

Gründung

Mitglieder 1917

Stimmen z. Konstituante

Verbot

Partei der Sozialrevolutionäre

1901

Darunter: Rechte

1917

400000

17492000

1923

Darunter: Linke Sozialdemokratische

1917

80000

451000

1920

Arbeiterpartei

1898

Darunter: Bolschewiki

1903

350000

10661000

Darunter: Menschewiki

1903

193000

1144000

1926

Konstitutionell-Demokratische Partei

1905

60000

2088000

1920

Bund des 17. Oktober

1905

(1906) 75000

1915

Bund des Russischen Volkes

1905

(1907) 400000

1917

Anarcho-Syndikalisten

1906

1926

Volkssoz. Arbeitspartei

1917

10500

1917

Sozialrev. Maximalisten

1906

3000

1920

Partei der Volkssozialisten

1906

10000

345000

1918

Partei der russ. Nationalisten

1908

50000

1918

Partei der Progressisten

1912

1918

Anarchisten-Kommunisten

1917

1922

Am 25. Februar wurde der Generalstreik ausgerufen. Lange, düstere Kolonnen zogen vorbei und schrien: ›Brot!‹«13 Mit der hier unterstellten Organisation war es wohl nicht weit her, Arbeiterfrauen waren diejenigen, die am lautesten nach Brot riefen, sie hätten auch Hunger skandieren können – und meinten doch alle nur eines: »Frieden«! Überhaupt spielten in der russischen revolutionären Bewegung die Frauen, die ihre Männer unterstützten, die im Kriegsverlauf mehr und mehr deren Stellen in den Fabriken einnahmen, aber auch viele Intellektuelle und Organisierte eine entscheidende Rolle. So war es nicht ganz zufällig, dass die Aktionen zum Internationalen Frauentag in einen Aufruhr, eine Revolution umschlugen. Nicht zu vergessen ist, dass auch diese Revolution ihre hunderte Opfer forderte, zusammengeschossen von zarentreuen Einheiten. Aber der Triumph war da, wirkte befreiend.

Diese Massenbewegungen bestimmten das Jahr 1917, radikalisierten sich, konnten mehr und mehr von den Bolschewiki zu aktivem Handeln gegen Regierung, Krieg, kapitalistische Ordnung und für eine Macht der Sowjets mobilisiert werden. Aus der Massenbewegung erwuchsen die Bolschewiki als handlungs- und kampffähige Partei, formierten sich die Roten Garden, die im Oktober diese Massenbewegung wohl organisiert zum Sieg führten.

Eine Revolution auf dem Seziertisch

Die Russischen Revolutionen von 1917 bis 1922, die Februarrevolution 1917, die Oktoberrevolution 1917 und die Wende zur Neuen Ökonomischen Politik 1921 und schließlich die weitgehende Beendigung des Bürgerkrieges und vor allem die Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken am 30. Dezember 1922 sind heute umstritten wie eh und je. Die Charakterisierung als »Große Sozialistische Oktoberrevolution« ist mit dem Ende des Realsozialismus zu den Akten gelegt worden. Die Russischen Revolutionen werden heute als Teil einer revolutionären Welle im Gefolge des Ersten Weltkrieges gesehen. Die offizielle russische Geschichtspolitik und -wissenschaft hat sich inzwischen auf die »Große Russländische Revolution« als Oberbegriff geeinigt14, weil nicht nur Russen in Russland lebten und leben.

Mit den heutigen Erfahrungen sind jene Thesen nicht nur sowjetischer Wissenschaftler zu verwerfen, die der russischen Revolution von 1917 zu übermenschlicher Dimension verhalfen und alle Ereignisse der Welt an ihr messen wollten. Allerdings waren bereits die Zeitgenossen beeindruckt. Der bereits zitierte Lloyd George, wahrlich kein Linker, hielt diese Revolution für »ein so gewaltiges Faktum der Weltgeschichte, dass eine genauere Kenntnis ihrer Ursprünge für jeden Beobachter großer Menschheitsbewegungen stets von Interesse sein muss«.15 Ohne die Russischen Revolutionen hätte es all die Revolutionen gegen den Krieg und für nationale und soziale Selbstbestimmung insbesondere zwischen 1918 und 1923 nicht gegeben. Ohne den Sowjetstaat als ersten sich sozialistisch verstehenden Staat, ohne Wirken seiner Kommunisten und die Wechselwirkung mit einer radikalisierten, verzweifelten, kämpferischen radikalen Linken hätte es keine Systemkonfrontation und keinen Wettbewerb der Gesellschaftssysteme gegeben. Auch das viel beschworene »sozialdemokratische Jahrhundert« (Ralf Dahrendorf) hätte wohl nicht das Licht der Welt erblickt, die Lage der arbeitenden Menschen deutlich verbessert und über mehrere Jahrzehnte den Kapitalismus gezähmt.

Nach dem Untergang des Realsozialismus und der Sowjetunion könnten die Wissenschaft und die Politik die Ereignisse von 1917 mit ihren Folgen weit nüchterner betrachten. Heute kann unbefangener von der Permanenz der Russischen Revolutionen gesprochen, können die Tücken einer Revolution in einem rückständigen Land beschrieben und die Leistungen und Grenzen jener politischen Kräfte herausgestellt werden, die gegen den Zarismus kämpften, aber nicht mit den Bolschewiki einverstanden waren.

Lenin zu den Merkmalen einer »revolutionären Situation«:

Das Grundgesetz der Revolution, das durch alle Revolutionen und insbesondere durch alle drei russischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts bestätigt worden ist, besteht in Folgendem: Zur Revolution genügt es nicht, dass sich die ausgebeuteten und unterdrückten Massen der Unmöglichkeit, in der alten Weise weiterzuleben, bewusst werden und eine Änderung fordern; zur Revolution ist es notwendig, dass die Ausbeuter nicht mehr in der alten Weise leben und regieren können. Erst dann, wenn die ›Unterschichten‹ das Alte nicht mehr wollen und die ›Oberschichten‹ in der alten Weise nicht mehr können, erst dann kann die Revolution siegen.

Mit anderen Worten kann man diese Wahrheit so ausdrücken: Die Revolution ist unmöglich ohne eine gesamtnationale (Ausgebeutete wie Ausbeuter erfassende) Krise. Folglich ist zur Revolution notwendig: erstens, dass die Mehrheit der Arbeiter (oder jedenfalls die Mehrheit der klassenbewussten, denkenden, politisch aktiven Arbeiter) die Notwendigkeit des Umsturzes völlig begreift und bereit ist, seinetwegen in den Tod zu gehen; zweitens, dass die herrschenden Klassen eine Regierungskrise durchmachen, die sogar die rückständigsten Massen in die Politik hineinzieht (das Merkmal einer jeden wirklichen Revolution ist die schnelle Verzehnfachung, ja Verhundertfachung der Zahl der zum politischen Kampf fähigen Vertreter der werktätigen und ausgebeuteten Masse, die bis dahin apathisch war), die Regierung kraftlos macht und es den Revolutionären ermöglicht, diese Regierung schnell zu stürzen.

Wladimir Iljitsch Lenin: Der »linke Radikalismus«, die Kinderkrankheit im Kommunismus. In: LW Bd. 31, S. 71/72.

Alle drei Umbrüche sind Bestandteil eines revolutionären Prozesses und doch in ihren Zielen, Ergebnissen, Erwartungen und Folgen zu unterscheiden. Sie sind Teil eines revolutionären Umbruchprozesses in Russland, der sich in der gescheiterten Revolution von 1905 bis 1907 erstmals manifestierte, der in den Auseinandersetzungen des Jahres 1917 seinen Höhepunkt fand und dessen realsozialistische Orientierung mit dem Übergang zur Neuen Ökonomischen Politik als Antwort auf die tiefe Gesellschaftskrise Sowjetrusslands zementiert wurde. Dieser Prozess fand mit der Bildung der Union Sozialistischer Sowjetrepubliken im Dezember 1922 und der langsamen Beendigungen der letzten Ausläufer des Bürgerkriegs in den östlichen asiatischen Regionen bis zum Beginn des nächsten Jahrzehntes seinen Abschluss.

Die Wirkungen des Umbruchs, beginnend in Petrograd im Oktober 1917 des alten Kalenders, beschränkten sich nicht nur auf das auch schon damals geografisch größte Land der Welt, ein Sechstel der Erde: »Die Russische oder genauer: die bolschewistische Revolution vom Oktober 1917 war bereit, der Welt dieses Signal [zur Ablösung des Kapitalismus – St.B.] zu geben«, wie der marxistische Historiker Eric Hobsbawm betont. »Deshalb war sie für dieses Jahrhundert ein ebenso zentrales Ereignis, wie es die Französische Revolution von 1789 für das 19. Jahrhundert gewesen war.«16 In der Tat hatten die beiden russischen Revolutionen von 1917 unmittelbare Folgen. Bei den Entente-Verbündeten, insbesondere in Frankreich, wie bei den Mittelmächten prägten Meutereien, Aufstände, Widerstandsaktionen gegen den Krieg das Jahr 1917. Es wurde nunmehr nicht mehr nur gemault, an Küchentischen und in Wirtshaushinterstuben diskutiert, es wurden auch Flugblätter verfasst und böse Feldpostbriefe geschrieben. An der Heimatfront regte sich offener Widerstand, Frauen protestierten nicht mehr nur in den Brotschlangen, Munitionsarbeiter streikten, Soldaten der französischen Armee und ihrer in Frankreich kämpfenden russischen Verbündeten meuterten und mussten mit Gewalt und Massenexekutionen zur Räson gebracht werden. In der deutschen Hochseeflotte wurde aufbegehrt. Im Januar 1918 erschütterten große Streiks gegen den Krieg Berlin und Wien, im Februar hissten Matrosen der k.u.k.-Marine in Cattaro die roten Fahnen des Aufstandes.

Die mittelbaren Folgen vor allem der Oktoberrevolution waren weit radikaler. Noch einmal Hobsbawm: »Die Oktoberrevolution hatte jedoch ein sehr viel stärkeres und globaleres Echo als ihre Vorgängerin. Zwar ist mittlerweile deutlich geworden, dass die Ideen der Französischen Revolution die des Bolschewismus überlebt haben, aber die faktischen Auswirkungen von 1917 waren bei weitem größer und anhaltender als die von 1789. Die Oktoberrevolution brachte die gewaltigste Revolutionsbewegung der modernen Geschichte hervor. Ihre Ausdehnung über die Welt ist seit dem Siegeszug des Islam in seinem ersten Jahrhundert ohne Parallele geblieben. Bereits dreißig bis vierzig Jahre nach Lenins Ankunft am Finnlandbahnhof von Petrograd befand sich ein Drittel der Menschheit unter der Herrschaft von Regimen, die unmittelbar aus den ›Zehn Tagen, die die Welt erschütterten‹ (Reed, 1919) und Lenins organisatorischem Modell, der Kommunistischen Partei, hervorgegangen waren. Die meisten dieser Regime traten der Sowjetunion in einer zweiten Revolutionswelle bei, die in der zweiten Phase des langen Weltkriegs von 1914–1945 anschwoll.«17 Sie erreichten in den sich sozialistisch orientierenden nationalen Befreiungsrevolutionen in China, Vietnam, Korea und Kuba die größte globale Ausdehnung eines neuen Machtblocks unter sowjetischer Führung zumindest zeitweilig; ganz abgesehen von den nationalen Befreiungsbewegungen und Nationalstaatsbildungen im Zuge der letztlich auch durch den Roten Oktober entscheidend angestoßenen Entkolonialisierungsbewegung.

*

Hier soll nicht eine umfassende Abhandlung über diesen gewaltigsten Umbruch der russischen Geschichte und einen entscheidenden, in seinen Folgen weitreichenden, selbst unsere Gegenwart noch berührenden Bruch entwickelt werden. Die Bibliotheken sind voll von persönlichen Erinnerungen der Beteiligten18. Aus ihnen sticht besonders die Dokumentarreportage des US-amerikanischen Journalisten John Reed »Ten Days that Shook the World« hervor, ein immer noch aussagefähiges historisches Dokument.19 In den Zeiten des Realsozialismus haben sowjetische wie DDR-Autoren begeisterte, in ihrer Materialfülle oft auch heute noch lesenswerte Darstellungen zur »Großen Sozialistischen Oktoberrevolution« und ihrer Vorgeschichte verfasst.20 Aber in der Regel kanonisierten sie den Weg der russischen Bolschewiki als den allgemeingültigen und grundlegenden Zugang zu jeder sozialistischen Revolution.

Die eher tastenden Positionen Lenins zu allgemeinen Gesetzmäßigkeiten stilisierten sie zu »allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus«21, deren Einhaltung eigentlich zwingend für die Zugehörigkeit zum von der Sowjetunion geführten sozialistischen Lager und auf jeden Fall verbindlich für einen als »Marxismus-Leninismus« zementierten ideologischen Rückhalt sein sollte. (In der Praxis blieb es allerdings bei den Kernfragen der politischen wie ideologischen Macht und ihrer Absicherung. Die konkrete Umsetzung konnte letztlich jedes Land mehr oder minder frei gestalten, solange die Macht der kommunistischen Partei und das Bündnis mit der Sowjetunion garantiert blieben.)

Lenin war seinerzeit weit bescheidener, obwohl er durchaus »einigen Grundzügen« der russischen Revolution »internationale Geltung« oder »historisch(e) Unvermeidlichkeit im internationalen Maßstab« zusprach. Das Ringen um die Macht, die Errichtung der Diktatur des Proletariats, die Führungsrolle einer kommunistischen Partei waren für ihn unverzichtbare Attribute jeder sozialistischen Revolution. Aber er schränkte sofort ein: »Natürlich wäre es ein großer Fehler, diese Wahrheit zu übertreiben und sie auf mehr als einige Grundzüge unserer Revolution auszudehnen.

Ebenso wäre es verfehlt, außer Acht zu lassen, dass nach dem Sieg der proletarischen Revolution, sei es auch nur in einem der fortgeschrittenen Länder, aller Wahrscheinlichkeit nach ein jäher Umschwung eintreten, dass nämlich Russland bald danach nicht mehr ein vorbildliches, sondern wieder ein (im ›sowjetischen‹ und im sozialistischen Sinne) rückständiges Land sein wird.«22

Dieser dialektische Blick ging den Nachfolgern Lenins verloren. Sie verabsolutierten ihren Entwicklungsweg, der sich weit von Lenins Intentionen, vor allem auch seinen späten selbstkritischen Einschätzungen entfernte. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Lenins und Trotzkis Erwartungen an die internationale Arbeiterbewegung, ihnen zu Hilfe zu eilen und in ihren eigenen Ländern mit den jeweiligen Führungen »russisch« zu reden, scheiterten. Wer sich alsbald zum Aufbau des Sozialismus in einem Land, nämlich der Sowjetunion, entscheiden musste, der konnte leicht in den Glauben fallen, dass es nicht anders geht. Jeder gute Kommunist, der in dieser Welt kämpfte, verfolgt wurde, litt, konnte und musste sich an diesem sowjetischen Modell aufrichten und es zur Grundlage seiner Politik machen. Die konkreten Umstände der dann siegreichen prosozialistischen Umbrüche vor allem im Gefolge der Vernichtung des Faschismus konnten dies nur begünstigen.

Rosa Luxemburg zur geschichtlichen Verantwortung der deutschen und internationalen Arbeiterklasse gegenüber der Revolution in Russland, in: Spartacus, Nr. 8 vom Januar 1918, Zeitschrift der Spartakusgruppe.

Wenn sich jedoch so Dinge und Wirkungen in ihr Gegenteil verkehren, so ist die Schuld keineswegs in erster Linie auf Seiten der Russen zu suchen. Sie waren von vornherein in der fatalen Lage, zwischen zwei Trachten Prügel wählen zu müssen: entweder der Entente Vorspanndienste zu leisten oder dem deutschen Imperialismus. Das erstere erheischte aber die Fortsetzung des Krieges, das zweite – den Friedensschluss.

Was Wunder, dass sie schließlich das letztere wählten!

Die ganze Rechnung des russischen Friedenskampfes beruhte nämlich auf der stillschweigenden Voraussetzung, dass die Revolution in Russland das Signal zur revolutionären Erhebung des Proletariats im Westen: in Frankreich, England und Italien, vor allem aber in Deutschland, werden sollte. In diesem Falle allein, dann aber unzweifelhaft, wäre die russische Revolution der Anfang zum allgemeinen Frieden geworden. Dies blieb bis jetzt aus. Die russische Revolution ist, abgesehen von einigen tapferen Anstrengungen des italienischen Proletariats, von den Proletariern aller Länder im Stich gelassen worden. Die Klassenpolitik des Proletariats, von Hause aus und in ihrem Kernwesen international wie sie ist, kann aber nur international verwirklicht werden. Bleibt sie nur auf ein Land beschränkt, während die Arbeiterschaft anderer Länder bürgerliche Politik treibt, dann wird auch die Aktion des revolutionären Vortrupps in ihren weiteren Folgen auf den Kopf gestellt. Und so ist auch die einzige bisherige internationale Wirkung der russischen Revolution: eine gewaltige Machtstärkung des deutschen Imperialismus und eine allgemeine Verschärfung des Weltkriegs. Die Schuld an diesem tragischen geschichtlichen Quidproquo [lat. für ›dies für das‹, d.h. eine Person, die etwas gibt, soll dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten – St.B.] fällt in erster Linie auf das deutsche Proletariat. Auf ihm ruht die Hauptverantwortung vor der Geschichte für die ungeheuren Blutströme, die nunmehr vergossen werden, wie für die sozialen und politischen Folgen einer möglichen Niederringung der Weststaaten durch den triumphierenden deutschen Imperialismus. Denn nur die standhafte Kadaverhaltung des deutschen Proletariats hat die russischen Revolutionäre dazu gedrängt, mit dem deutschen Imperialismus, als der einzigen herrschenden Macht in Deutschland, einen Frieden zu schließen. Und nur dieselbe Kadaverhaltung hat es dem deutschen Imperialismus ermöglicht, die russische Revolution für sich auszunützen.

Aus: Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Spartakusbriefe. Berlin 1958, S. 409 bzw. LuxW Bd. 4, S. 377/378.

Verständlicherweise wurde die russische Revolution vom Oktober 1917 zum Gegenstand einer kritischen Geschichtsbetrachtung. Die klügsten Werke wischten die Stalinschen Vereinfachungen und Verfälschungen beiseite. Zugleich stellten sie den Anspruch der russischen Revolutionäre und das welthistorische Gewicht dieser Revolution heraus. Diesen Historikern ging es um die Auseinandersetzung mit den Fehlentwicklungen, ohne Lenin zu vergöttern, aber ihn nüchtern als Realpolitiker der Revolution einordnend. Hier sind besonders die Arbeiten des immer wieder in der Sowjetunion ausgegrenzten Historikers Roy Alexandrowitsch Medwedew23 zu nennen. Zu diesen lesenswerten Studien gehören auch die des russischstämmigen US-Historikers Alexander Rabinowitch24, der in seiner kritischen, aber aufgeschlossenen Auseinandersetzung mit dem bolschewistischen Weg vor allem die breite soziale Fundierung der revolutionären Ereignisse 1917/18 herausarbeitet.

Mit der Perestroika und dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben sich gleichzeitig neue Zugänge zur jüngeren russischen und sowjetischen Geschichte eröffnet, die trotz mancher Beschränkungen und Kommerzialisierungen der russischen Archive die Forschungen zur Geschichte der Sowjetunion befördert haben. Dies hat sich in der noch-sowjetischen Diskussion in den Perestroika-Jahren widergespiegelt.25 Auch für DDR-sozialisierte Historiker und Politikwissenschaftler eröffnete der Zusammenbruch des Realsozialismus, verbunden mit dem Scheitern einer antistalinistischen Revolution zur Erneuerung des Sozialismus, neue Einsichten zur Führungsmacht, der die deutschen und osteuropäischen Kommunisten und ihre Staaten so lange nachgeeifert hatten. Und deren eingängige Losung »Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen« auch den Zwang zur Übernahme sowjetischer Vorgaben und vor allem eines kompletten Sozialismusmodells beinhaltete, was letztlich ins Desaster führte.26

Die neue Situation, der Zusammenbruch des Ostblocks, der Niedergang und die Implosion der erstarrten Ideologie hat bei vielen realsozialistisch sozialisierten Gesellschaftswissenschaftlern und Historikern zu Resignation und dem erzwungenen oder freiwilligen Rückzug aus Wissenschaft und Öffentlichkeit geführt. Nicht wenige haben dessen ungeachtet die Chance für einen kreativen Neuanfang, für ein Neubefragen der Geschichte, eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Entwicklungswege der Linken im 20. Jahrhundert genutzt. Einige versuchen, dies in aktuelle linke Diskussionsstränge einzubringen, weil sie der Ansicht sind, dass das Scheitern des Realsozialismus, der Niedergang der Sozialdemokratie und das Verpuffen des Anarchismus keine Leerstellen im Kampf für eine bessere, eine sozialistische Idee und Wirklichkeit hinterlassen sollten.

Es gibt aber auch einige, die in ihrer berechtigten Suche nach den tieferen Ursachen des Scheiterns des Realsozialismus und vor allem seiner stalinistischen Entstellung die Schuld bei jenen zu finden meinen, die diese Idee in die Welt setzten: Also bei Karl Marx und Friedrich Engels, erst recht bei jenem Politiker und jenem Ereignis, mit dem aus einem Traum Realität, aber eben auch in Teilen ein Albtraum werden sollte: Lenin, eingeschlossen die Bolschewiki und die Oktoberrevolution. Wolfgang Ruges Sentenz über Lenin, der Stalin die Knute in die Hand drückte27, steht dafür, die Lebensbilanz eines deutschen Kommunisten, der den Gulag erlebte und der Jahrzehnte Geschichtsschreibung in der DDR mitprägte. Zu diesen radikalen Abrechnern mit der Zäsur 1917 gehört auch der sowjetische Militärhistoriker Dmitri Antonowitsch Wolkogonow28, der als einer der ersten die geschlossenen Archive der sowjetischen Führung auswerten konnte und dessen Ergebnisse Steilvorlagen für eine totalitarismustheoretische Interpretation der Geschichte liefert.

Das trifft auch auf den Ideologiesekretär der KPdSU zu Perestroika-Zeiten, Alexander Nikolajewitsch Jakowlew, zu. Der schlug Bürgerkriegsgräuel, Stalinismus und Faschismus über einen Leisten. »Lenin, Stalin und Hitler – diese Troika der schlimmsten Verbrecher des Jahrhunderts schuf den Neokainismus. In Kains Jahrhundert wurde Russland ruiniert und sein tausendjähriges Entwicklungsmodell verworfen. Einst ein Land der Bauern, wandelte es sich zu einem Land der Lumpen, das heißt der groben und entwurzelten Menschen. Einst russisch-orthodox, wurde es atheistisch. Einst vorwärts eilend, begann es zurückzubleiben. Ihm wurde das tödliche Gift der Verlumpung ins Knochenmark gespritzt. Man verachtet es zu Recht, denn weshalb sollte man es respektieren? Wegen seiner Faulheit, seiner Trunksucht, seines Neides auf den Wohlstand seiner Nachbarn, wegen seiner Schnorrerei?«29

Wohlgemerkt, jeder Tote, gleich welcher Idee geopfert, ist einer zu viel. Unverhältnismäßigkeit, Maßlosigkeit, Gnadenlosigkeit und Pauschalverurteilungen sind Charakteristika einer von oben, von Josef Wissarionowitsch Stalin, seinen Politbürokollegen und von den Sicherheitschefs geforderten und angetriebenen Säuberungspolitik, charakteristisch auch der vorauseilende Gehorsam, das Denunziantentum von unten. Und dies vor allem in Zeiten, in der kein Bürgerkrieg solche Opfer verlangte. Die im Namen des Sozialismus erfolgten Morde – wie auch immer betitelt – wiegen gerade deshalb so schwer, weil die neue Ordnung mit einem humanen Anspruch in die Welt getreten war.

Geschichtsschreibung und Politik können sich aber nicht auf das christliche Gebot »Du sollst nicht töten« herausreden, wenn sie es mit konkreten Auseinandersetzungen, Konflikten, Widersprüchen, mit Mord, Exzess, systematischem, industrialisierten Morden zu tun haben. Sie werden nach den Rahmenbedingungen, den Wechselwirkungen, den Alternativen ebenso zu fragen haben wie nach den Motiven von Befehlsgebern und Akteuren. Sie werden aber auch nach dem Handeln oder Nichthandeln der Opfer zu fragen haben wie auch derjenigen, die deren Verfolgung, vielleicht Ermordung mitleidlos oder mit versteckter Wut verfolgt haben oder auch mittrugen. Die russisch-sowjetische Geschichte ist reich an solchen Ereignissen, sie sind aber immer konkret. Und sie endeten nicht an den sowjetischen Grenzen. Über die Härten des Bürgerkrieges zu rechten ist das eine, über die gewaltsame Beschleunigung gesellschaftlicher Entwicklung, dem Voranpeitschen mit der Nagaika30, um Großmacht zu werden, etwas anderes.

Die russische wie sowjetische Geschichte geschah nicht voraussetzungslos. Zuschreibungen von dem ach so »goldenen Zeitalter« des von Zar, Bojar und Fabrikant ausgebeuteten Volkes, das sich schon vor den Bolschewiki gegen seine Peiniger erhob, desavouieren die Schreiber solcher Polemik. Sie schmäht ebenso jene Sowjetbürger, die Jahrzehnte des Aufbaus und der Verteidigung nicht zuletzt gegen den Faschismus meistern mussten. Sie mochten sich nicht immer auf der Höhe von Moral und Anstand bewegt haben, aber handelten doch als Menschen und lange als Bürger eines sich sozialistisch verstehenden Staates, mit dem sie sich identifizierten und dessen Krise und dessen Untergang sie nicht immer begriffen, geschweige denn gestalteten und beherrschten.

Zu diesen radikalen Abrechnern gehören auch jene einst eher am linken Rand der Studentenbewegung agierenden Wissenschaftler, die sich als frische Konvertiten in den Dienst der postmortalen Vernichtung des Sozialismus sowjetischer Prägung stellen und bei dieser Gelegenheit jede Utopie einer besseren Gesellschaft als Weg in Terror und Unterdrückung denunzieren wie Francois Furet31 oder Stéphane Courtois.32

Aber natürlich gab diese neue Situation auch Gelegenheit für ein Aufblühen der westlichen Forschungen zur russisch-sowjetischen Geschichte. Hier wirken einerseits Konjunkturritter wie Robert Service, die endlich eine umfassende Negation des totalitären kommunistischen Irrweges sehen und unisono alle Akteure von Lenin über Stalin bis Trotzki zu bösen, verbrecherischen Geistern der Weltgeschichte erklären.33 Es gibt aber glücklicherweise auch einen deutlichen Zuwachs an seriösen und differenzierten Darstellungen zu dieser Geschichte, die in ihrer politischen Ausrichtung zweifellos unterschiedlich ausfallen und sicher auch in mancher Hinsicht keinen Beitrag für eine wohlwollende Betrachtung von 1917 leisten. Aber die wichtigen Detailerkenntnisse zeigen verkannte Zusammenhänge auf.34 Hierzu gehören insbesondere die Arbeiten von angelsächsischen Historikern wie Richard Pipes35 und Orlando Figes36. Andere US-Forscher wie Stephen Cohen versuchen, mit viel Empathie in diese Vorgänge einzudringen.37

Aus dem deutschsprachigen Raum ist besonders auf die soliden und aussagefähigen Schriften von Manfred Hildermeier38, Dietrich Beyrau39 aber auch Andreas Kappeler40 zu verweisen. Schließlich liefern auch Untersuchungen zum Niedergang der Sowjetunion wie die von Reinhard Lauterbach41 wichtige Einsichten zu den hehren Zielen und deren tragischem Scheitern.

In diesem Buch greifen wir auf diese Erkenntnisse der wissenschaftlichen Diskussion zurück, wohl wissend, dass jede Geschichtserzählung interessengeleitet ist und unter dem Einfluss der politischen wie ideologischen Kämpfe und Wegweisungen ihrer Zeit steht.

Hobsbawm verweist darauf, dass »die Oktoberrevolution, umfassender und kompromissloser als die Französische Revolution in ihrer jakobinischen Zeit« war. Sie »hatte sich selbst mehr als ökumenischen denn als nationalen Prozess betrachtet. Sie war nicht dazu angetreten, Russland Freiheit und Sozialismus zu bringen, sondern der Welt zur proletarischen Revolution zu verhelfen. In den Köpfen von Lenin und seinen Genossen war der bolschewistische Sieg in Russland nur eine gewonnene Schlacht im weltweiten Feldzug des siegreichen Bolschewismus, und auch nur als solche zu rechtfertigen.«42

Unter dieser Prämisse muss nach den Fakten an den Knotenpunkten dieser Geschichte gefragt werden: Warum konnte eine bolschewistische Partei Massen begeistern? Wo stand die Arbeiterklasse in diesem bäuerlich geprägten Land, und warum konnte sie trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe, weniger als 18 Millionen in einem 165,7 Millionen-Land, historisch so wirksam werden?

Quantitative Entwicklung der russischen Arbeiterschaft 1860–191343

Jahr

Arbeiter (Mio.)

Index

1860

3,96

100

1897

9,16

231

1900

(nichtagrarische) 10,38

263

1913

17,80

450

Warum versagte die russische Bourgeoisie so kläglich? Schieden sich die Geister letztlich an der Frage des imperialistischen Krieges bis zum immer noch erhofften Sieg? Warum konnte eine eher kleine, halblegale Partei wie die Bolschewiki binnen weniger Wochen und Monate so stark werden, dass Lenin schon Anfang Juni 1917 auf dem 1. Sowjetkongress – entgegen den Vorbehalten der Provisorischen Regierung, dass es »in Russland keine politische Partei (gäbe), die sich bereit erklären würde, die gesamte Macht zu übernehmen« – versprechen konnte: »Doch! Keine einzige Partei kann das ablehnen, und unsere Partei lehnt das nicht ab: sie ist jeden Augenblick bereit, die gesamte Macht zu übernehmen […]. Sie können lachen, soviel Sie wollen, falls aber der Bürger Minister neben der Partei der Rechten auch uns diese Frage stellte, würde er die entsprechende Antwort erhalten.«44 Noch war der Beifall zurückhaltend, Heiterkeit, Stirnrunzeln, ablehnender Zorn dominierten nicht nur bei den nichtbolschewistischen Linken.

Kriegsverlängerer

Entscheidend war, dass beide Revolutionen des Jahres 1917 einen Bruch in die bisherige Logik des Krieges brachten, sie von Freund und Feind als Revolutionen für den Frieden und für eine andere Weltordnung verstanden wurden. Aber nur der Oktoberaufstand wollte dieses Versprechen einlösen.

Unmittelbar nach dem Sturz des Zaren hatte der Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten an die Werktätigen in allen Ländern zum Kampf gegen Imperialismus und Krieg, »an unsere Brüder, die Proletarier der österreichisch-deutschen Koalition, und vor allem an das deutsche Proletariat«, appelliert: »Seit den ersten Kriegstagen hat man euch die Überzeugung beizubringen gesucht, dass, indem ihr gegen das absolutistische Russland die Waffe erhebt, ihr die Kultur Europas gegen den asiatischen Despotismus verteidigt. Viele von euch sahen darin eine Rechtfertigung jener Unterstützung, die ihr dem Krieg zuteil werden ließet. Nunmehr gibt es auch diese Rechtfertigung nicht, denn das demokratische Russland kann Freiheit und Kultur nicht bedrohen. Wir werden selber standhaft unsere Freiheit vor allen reaktionären Anschlägen beschützen – mögen sie von innen kommen oder von außen. Die russische Revolution wird vor den Bajonetten der Eroberer nicht zurückweichen und nicht zulassen, dass ihre Errungenschaften von einer äußeren militärischen Macht zertreten werden. Und so fordern wir euch auf: Werft das Joch eurer absolutistischen Ordnung ebenso ab, wie das russische Volk die Selbstherrschaft des Zaren von sich abgeschüttelt hat. Weigert euch, als Mittel der Eroberung und der Gewalt in den Händen von Königen, Junkern und Bankmännern zu dienen, und mit vereinten Kräften werden wir dem furchtbaren Gemetzel ein Ende setzen, das die Menschheit mit Schmach bedeckt und die großen Tage der Geburt der russischen Freiheit verdüstert.«45

Verstanden wurde dies in den Schützengräben im Westen durchaus. Verbrüderungen russischer mit deutschen und k.u.k.-Soldaten führten in diesen Wochen zu einem regen Austausch über einen friedlichen Ausweg aus diesem Krieg. Aber der Aufruf der Sowjets blieb ebenso ambivalent wie das Verhalten der Gegner bei den Mittelmächten. Deren politische und militärische Führer beargwöhnten die Verbrüderungen, sie wollten kein Ende des Krieges. Auch die neuen Machthaber in Petrograd hatten sich nicht an die politische Spitze gesetzt, um den Forderungen der Arbeiterfrauen, der Arbeiter, Bauern, der Soldaten und Matrosen nach einem Ende von Hunger und Krieg nachzukommen. Der von den Sowjets erhoffte Frieden blieb insofern ein uneingelöster Traum. In den Korridoren der Macht waren die Rufe von der Straße, die düsteren Todesahnungen in den Schützengräben wie die fröhlichen Lieder der Verbrüderungen, die Schreie aus den brennenden Gutshöfen und das Pferdegetrappel der seit Monaten rebellierenden mittelasiatischen Völkerschaften wohl zu hören.

Rosa Luxemburg zu Februarrevolution, Krieg, Frieden und Kampf der internationalen Arbeiterklasse, in: Spartacus, Nr. 5 vom Mai 1917, Zeitschrift der Spartakusgruppe.

Mit dem Ausbruch der russischen Revolution ist der tote Punkt überwunden, auf den die geschichtliche Situation mit der Fortdauer des Weltkrieges und dem gleichzeitigen Versagen des proletarischen Klassenkampfes geraten war. In dem von Moderluft erfüllten Europa, worin man seit bald drei Jahren beinahe erstickte, ist gleichsam plötzlich ein Fenster aufgerissen worden, und ein frischer, belebender Luftstrom weht hinein, dem sich alles tief aufatmend zuwendet. […]

(K)einerlei diplomatische ›Verständigung‹ und keine Wilson-Botschaften, […] einzig und allein die revolutionäre Aktion des Proletariats (bietet) einen Ausweg aus der Sackgasse des Weltkrieges. Die Sieger von Tannenberg und Warschau [das heißt die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, die deutschen »Militärdiktatoren« – St.B.] erwarten jetzt zitternd von den russischen Proletariern, von der ›Straße‹ allein die eigene ›Befreiung‹ aus der würgenden Schlinge des Krieges!

Allerdings, das Proletariat eines einzelnen Landes vermag auch mit dem größten Heroismus diese Schlinge nicht zu lösen. Die russische Revolution wächst von selbst zu einem internationalen Problem an. Die russischen Arbeiter kommen nämlich mit ihren Friedensbestrebungen in schärfsten Konflikt nicht nur mit der eigenen Bourgeoisie, die sie schon zu bändigen verstehen, sondern auch mit der englischen, französischen und italienischen Bourgeoisie. Die knurrenden Äußerungen der bürgerlichen Presse der Ententeländer […] zeigen, dass die Kapitalisten des Westens, diese wackeren Kämpen der ›Demokratie‹ und der Rechte der ›kleinen Nationen‹, mit stündlich steigender zähneknirschender Wut auf die Fortschritte der proletarischen Revolution blicken, die der schönen Periode ungeteilter Herrschaft des Imperialismus in Europa ein Ziel gesetzt hat. Diese Kapitalisten der Entente bilden jetzt hinter der russischen Bourgeoisie, gegen die das russische Proletariat zum Kampfe um den Frieden aufsteht, die stärkste Rückendeckung. Sie können in jeder Weise: diplomatisch, finanziell, handelspolitisch den stärksten Druck auf Russland ausüben und tun es sicher schon jetzt. Liberale Revolution? Provisorische Regierung der Bourgeoisie? Schön! Sie wurden sofort offiziell anerkannt und begrüßt als Bürgschaften für eine militärische Ertüchtigung Russlands, als gehorsame Werkzeuge des internationalen Imperialismus. Aber keinen Schritt weiter! Kehrt die russische Revolution ihren proletarischen Kern hervor, wendet sie sich logisch gegen den Krieg und den Imperialismus, dann zeigen ihr die teueren Verbündeten sofort die Zähne und werden ihr in jeglicher Weise die Kandare anzulegen suchen. Daraus ergibt sich für das sozialistische Proletariat Englands, Frankreichs und Italiens jetzt die unabweisbare Pflicht, die Fahne der Rebellion gegen den Krieg durch nachdrückliche Massenaktionen im eigenen Hause, gegen die eigenen herrschenden Klassen, zu erheben, wollen sie nicht an dem russischen revolutionären Proletariat blanken Verrat üben, es im ungleichen Kampfe nicht nur mit der russischen Bourgeoisie, sondern auch mit derjenigen des Westens verbluten lassen.

Aus: Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Spartakusbriefe. Berlin 1958, S. 322–324 bzw. LuxW Bd. 4, S. 258/259.