One Night - Das Geheimnis - Jodi Ellen Malpas - E-Book
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One Night - Das Geheimnis E-Book

Jodi Ellen Malpas

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Beschreibung

Er ist reich und gefährlich attraktiv. Er hat ihr ein Leben voller Leidenschaft gezeigt, das ihr den Verstand und das Herz geraubt hat. Livy ist klar, dass es kein Zurück mehr gibt: Sie ist Miller Hart rettungslos verfallen, egal, was er ist und was er getan hat. Doch seine Welt ist düsterer, als sie ahnt – und die Beziehung der beiden lockt einen Gegner an, der ihr Glück ein für alle Mal zerstören könnte. Es kommen Dinge über Miller ans Licht, die Livy in ihren Grundfesten erschüttern. Und auch Miller selbst muss sich fragen, ob er seine große Liebe nicht loslassen muss, um sie vor sich selbst zu retten ...

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Buch

Er ist reich und gefährlich attraktiv. Er wollte nur eine einzige Nacht mit ihr verbringen – stattdessen hat er ihr ein Leben voller Leidenschaft gezeigt, das ihr den Verstand und das Herz geraubt hat. Livy ist klar, dass es kein Zurück mehr gibt: Sie ist Miller Hart rettungslos verfallen, egal was er ist und was er getan hat, und sie möchte seine Rettung sein. Doch seine Welt ist düsterer, als Livy ahnt – und die Beziehung der beiden lockt einen Gegner an, der ihr Glück ein für alle Mal zerstören könnte. Es kommen Dinge über Miller ans Licht, die sie in ihren Grundfesten erschüttern. Und auch Miller kann nicht von Livy lassen. Sie weckt Gefühle in ihm, wie er sie noch nie empfunden hat. Schließlich muss er sich aber fragen, ob er seine große Liebe nicht loslassen muss, um sie vor seiner Vergangenheit, seinen Feinden und sich selbst zu retten …Weitere Informationen zu Jodi Ellen Malpas sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.

Jodi Ellen Malpas

One Night

Das Geheimnis

Roman

Aus dem Englischenvon Nicole Hölsken

Die englische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel »One Night. Denied« bei Orion, an imprint of The Orion Publishing Group Ltd, London.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Deutsche Erstveröffentlichung September 2017

Copyright © der Originalausgabe 2014 by Jodi Ellen Malpas

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Redaktion: Antje Steinhäuser

MR · Herstellung: kw

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-21045-8V004www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Für Nan, Großtante Doll und Großtante Phyllis. Viel von euch dreien steckt in Olivias Nan. Wir vermissen euch. xxx

Prolog

William Anderson legte das Handy bedächtig und nachdenklich auf den Tisch und lehnte sich auf seinem Bürosessel zurück. Er führte die Fingerspitzen vor dem Mund zusammen, als er wieder und wieder das zehnminütige Gespräch rekapitulierte, das er gerade geführt hatte. Es war zum Verrücktwerden. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, und brauchte jetzt als Erstes einen Drink. Einen großen. Er ging zu seinem Getränkeschrank hinüber und zog den altmodischen Deckel im Globusstil nach oben. Er machte sich nicht die Mühe, darüber nachzudenken, nach welchem Malt-Whiskey ihm der Sinn stand. Hauptsache Alkohol. Er füllte das Whiskeyglas randvoll mit Bourbon, trank erst die erste Hälfte und kippte dann sofort den Rest hinterher. Ihm war heiß, und er war verschwitzt. Der normalerweise so beherrschte Mann war von den heutigen Enthüllungen vollkommen überwältigt worden, und jetzt sah er nichts anderes als wunderschöne, saphirblaue Augen vor sich. Er sah sie ständig vor sich, sie quälten ihn, erinnerten ihn an sein Versagen. Er zerrte an seiner Krawatte und öffnete den obersten Hemdenknopf in der Hoffnung, dann wieder mehr Luft zu bekommen. Aber vergeblich! Die Kehle schnürte sich ihm zu. Die Vergangenheit suchte ihn wieder heim. Er hatte sich so sehr bemüht, keine Gefühle zu entwickeln, stets neutral zu bleiben. Und jetzt geschah es von Neuem.

In seiner Welt musste er stets einen kühlen Kopf bewahren, um objektive Entscheidungen treffen zu können – und normalerweise fiel ihm das leicht. Normalerweise. William gestaltete seine Welt nach seinen Vorstellungen – weil die Menschen auf ihn hörten, ihn respektierten. Jetzt hatte er jedoch das Gefühl, dass die Kontrolle ihm entglitt, und das gefiel ihm gar nicht. Insbesondere, wenn es um sie ging.

»Ich bin zu alt für derartigen Mist«, grummelte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Nachdem er einen weiteren ordentlichen Bourbon zu sich genommen hatte, ließ er den Kopf in den Nacken sinken und starrte an die Decke. Sie hatte ihn schon einmal aus der Bahn geworfen, und jetzt ließ er zu, dass sie das wieder mit ihm machte.

Er war ein Narr. Aber mittlerweile war auch noch Miller Hart Teil dieses komplizierten Gefüges, und das ließ ihm keine Wahl mehr. Genauso wenig wie seine Moralvorstellungen … oder seine Liebe zu dieser Frau.

Kapitel 1

Mein Schicksal wurde von einem anderen bestimmt. Meine ganzen Bemühungen, meine Vorsicht und die Schutzschilde, die ich so mühevoll aufgerichtet hatte, wurden an dem Tag niedergerissen, da ich Miller Hart kennenlernte. Schnell wurde mir klar, dass ich mich gerade jetzt eigentlich auf meine wichtigen Überlebensstrategien hätte besinnen müssen, dass ich meine äußerlich so ruhige Fassade bewahren und wachsam hätte bleiben müssen. Denn dieser Mann würde unzweifelhaft eine schwere Prüfung für mich sein. Und das war er. Ist es noch. Noch nie hatte ich mich einem Mann anvertraut, mich ihm ganz und gar hingegeben. Doch bei ihm tat ich es, und jetzt wünsche ich mir von ganzem Herzen, es ungeschehen machen zu können. Die Angst, dass er mich wegen meiner Vergangenheit verlassen würde, war eigentlich Zeitverschwendung. Das hätte die geringste meiner Sorgen sein sollen.

Miller Hart ist ein Edel-Callboy. Er sprach von »Escort-Boy«, aber man kann es nicht aufhübschen, indem man einen weniger tabuisierten Begriff benutzt.

Miller Hart verkauft seinen Körper.

Miller Hart erniedrigt sich.

Hiller Hart ist das männliche Gegenstück zu meiner Mutter. Ich liebe einen Mann, den ich nicht haben kann. Er gab mir das Gefühl, lebendig zu sein, nachdem ich viel zu lange nur existiert hatte, aber dieses berauschende Gefühl hat er mir wieder genommen, und jetzt herrscht nichts als Trostlosigkeit in meinem Innern. Ich fühle mich noch viel lebloser als vor den Zusammentreffen mit diesem Mann.

Noch schlimmer als das demütigende Bewusstsein, sich geirrt zu haben, ist der lähmende Schmerz, der alles andere ausblendet. Die beiden vergangenen Wochen vergingen quälend langsam, und den Rest meines Lebens habe ich schließlich noch vor mir. Am liebsten würde ich die Augen schließen und nie wieder öffnen.

Immer wieder spiele ich im Geiste diese Nacht im Hotel durch – die Fesseln, die mir Miller um die Handgelenke legte, seinen kalten, unbeteiligten Gesichtsausdruck, als er mich geschickt zum Höhepunkt führte, der Ausdruck nackter Qual auf seinem Gesicht, als ihm klar wurde, wie weh er mir damit getan hatte. Natürlich musste ich flüchten.

Mir war nur nicht klar, dass ich einem viel größeren Problem direkt in die Arme laufen würde. William. Ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor er mich findet. Ich sah die Überraschung auf seinem Gesicht, als ich ihm über den Weg lief, und ich sah auch, dass er Miller wiedererkannte. William Anderson und Miller Hart kennen einander, und William wird wissen wollen, was ich mit Miller zu schaffen habe, und – bei Gott – was ich in diesem Hotel zu suchen hatte. Durch diese Befürchtung waren die letzten zwei Wochen die Hölle. Ständig blickte ich über die Schulter, weil er jeden Augenblick hinter mir auftauchen konnte.

***

Nachdem ich mich in die Dusche geschleppt und danach wahllos irgendetwas übergeworfen habe, trotte ich die Treppe hinunter, wo ich Nan vor der Waschmaschine knien sehe. Ich schlüpfe leise auf einen Stuhl am Tisch, aber Nan scheint in den letzten Tagen eine besondere Antenne für mich zu haben. Sie registriert jede Bewegung, jeden Atemzug, jede Träne, egal ob sie im gleichen Zimmer ist wie ich oder nicht. Sie ist fürsorglich, aber auch verwirrt, mitfühlend und gleichzeitig ermutigend. Es scheint momentan ihr Lebensziel zu sein, mir die positiven Seiten meiner Zusammentreffen mit Miller Hart vor Augen zu führen, aber ich sehe nichts als das drohende Elend und spüre nichts als anhaltenden Schmerz. Jemanden wie ihn wird es nie wieder geben. Kein Mann wird jemals wieder solche Empfindungen in mir wecken können, sodass ich mich beschützt, geliebt und sicher fühle.

Was für eine Ironie! Mein ganzes Leben habe ich meine Mutter verachtet, weil sie mich wegen eines Lebens voller Männer, Lust und Luxusgeschenke verlassen hat.

Und dann entpuppt Hart sich als Escort-Boy. Er verkauft seinen Körper, nimmt Geld, um Frauen Lust zu bereiten. Jedes Mal, wenn er mir sein Ding gab, wenn er mich so zärtlich in seinen Armen hielt, wollte er nur den Geschmack eines weiteren Zusammentreffens mit einer anderen Frau vertreiben. Warum hat ausgerechnet er – von allen Männern dieser Welt – mein Herz so ganz und gar erobert?

»Möchtest du mich heute zum Montagsclub begleiten?«, fragt Nan beiläufig, während ich ein paar Cornflakes herunterwürge.

»Nein, ich bleibe zu Hause.« Ich tauche meinen Löffel in die Schale und schiebe mir noch ein paar Cornflakes in den Mund. »Hast du gestern Abend beim Bingo gewonnen?«

Nan schnaubt ein paarmal, dann knallt sie die Tür der Waschmaschine zu. Anschließend gibt sie Waschmittel in die Waschmittelschublade. »Klar, zum Teufel! Eigentlich eine verdammte Zeitverschwendung.«

»Warum gehst du dann immer hin?«, frage ich und rühre in meinen Cornflakes herum.

»Weil ich diesen Bingosaal rocke.« Sie zwinkert, schenkt mir ein leichtes Lächeln, und ich bitte sie im Geiste, mir ihre aufmunternden Worte zu ersparen. Aber umsonst. »Ich habe Jahre damit zugebracht, den Tod deines Großvaters zu betrauern, Olivia.« Ihre Worte erstaunen mich etwas. Als Letztes hätte ich erwartet, dass sie auf meinen Großvater zu sprechen kommt. Ich rühre langsamer. »Nach dem Verlust meines Lebenspartners habe ich die Weltmeere vollgeheult.« Sie versucht, meinen Verlust zu relativieren, und ich frage mich, ob sie es erbärmlich findet, dass ich so tief betrübt wegen eines Mannes bin, den ich erst so kurze Zeit kenne. »Ich hatte das Gefühl, nicht weiterleben zu können.«

»Das weiß ich noch«, erwidere ich leise. Und ich erinnere mich auch noch, wie nahe ich dran war, Nans Kummer auch noch zu steigern. Sie war noch nicht ganz über das Verschwinden meiner Mutter hinweg, bevor sie auf so grausame Weise mit dem vorzeitigen Tod ihres geliebten Jim konfrontiert wurde.

»Aber jetzt lebe ich wieder.« Sie nickt bekräftigend. »Vielleicht fühlt es sich für dich jetzt nicht so an, aber du wirst sehen, dass das Leben weitergeht.« Sie geht in den Flur, und ich denke über ihre Worte nach, habe ein schlechtes Gewissen, weil ich jemanden betrauere, den ich kaum hatte, und sogar noch mehr, weil sie mein Erlebnis mit dem Verlust ihres Mannes vergleicht, nur damit ich mich besser fühle.

Ich bin tief in Gedanken versunken, lasse im Geiste jedes einzelne Zusammentreffen mit ihm Revue passieren, jeden Kuss, jedes Wort. Mein erschöpftes Gehirn scheint wild entschlossen zu sein, mich zu quälen, aber es ist meine eigene blöde Schuld. Ich habe ja drum gebeten. Das Wort Hoffnungslosigkeit hat jetzt eine ganz neue Bedeutung.

Mein Handy summt, und ich weiche auf meinem Stuhl zurück. Das Geräusch reißt mich aus meinen Tagträumen, und mein Elend trifft mich erneut mit voller Wucht. Ich will eigentlich mit niemandem reden oder schreiben, am wenigsten mit dem Mann, der für meinen Herzschmerz verantwortlich ist. Als ich seinen Namen auf dem Display aufleuchten sehe, lasse ich meinen Löffel in die Schale fallen und starre verdutzt den Bildschirm an. Mein Herz rast. Vor lauter Panik schnürt sich mir die Kehle zu, und ich lehne mich weit auf meinem Stuhl zurück, um so viel Abstand wie möglich zwischen mir und dem Handy zu schaffen. Aber allzu weit schaffe ich es nicht, denn meine Muskeln sind plötzlich ganz schwach und versagen mir den Dienst. Außer meinen Erinnerungen funktioniert gar nichts mehr, und die quälen mich zu Tode. Im Schnelldurchlauf sehe ich jeden Augenblick vor mir, den ich mit Miller Hart verbracht habe. Tränen der Verzweiflung treten mir in die Augen. Es ist nicht klug, seine Nachricht zu öffnen. Natürlich nicht. Ich bin aber im Augenblick nun mal nicht besonders klug. War ich nicht mehr, seit ich Miller Hart kennengelernt habe.

Ich nehme also das Handy und öffne die Nachricht.

Wie geht es dir? Miller Hart x

Stirnrunzelnd betrachte ich das Display und lese die Nachricht noch einmal, frage mich, ob er glaubt, dass ich ihn bereits vergessen habe. Miller Hart? Wie es mir geht? Was glaubt er denn? Dass ich Freudentänze aufführe, weil ich mir ein paar kostenlose Runden mit Miller Hart, dem berühmtesten Escort-Boy Londons, verschafft habe? Nein, nicht kostenlos. Weit davon entfernt. Meine Zeit und meine Erfahrungen mit diesem Mann kommen mich teuer zu stehen. Ich bin weit davon entfernt, das alles verarbeitet zu haben. Die Fragen in meinem Kopf überschlagen sich; ich muss den Knoten entwirren und meine Gedanken ordnen, um das alles zu verstehen. Allein schon die Tatsache, dass der einzige Mann, dem ich mich voll und ganz geöffnet habe, plötzlich fort ist, ist schon schlimm genug. Aber auszuloten, warum und wie, das ist eine Aufgabe, der ich jetzt noch nicht gewachsen bin.

Wie es mir geht? »Beschissen!«, schreie ich mein Handy an und drücke so oft auf Löschen, dass mir der Daumen wehtut. Vor unbändiger Wut schleudere ich mein Handy durch die Küche und zucke bei dem Krachen, mit dem es gegen die Wandfliesen prallt und in tausend Stücke zersplittert, nicht mal zusammen. Mein Atem geht stoßweise, und über mein wütendes Keuchen hinweg höre ich kaum die eiligen Schritte auf der Treppe.

»Was um Himmels willen …?«, erklingt Nans erschrockene Stimme hinter mir, aber ich drehe mich nicht um, um ihr bestürztes altes Gesicht anzusehen. »Olivia?«

Ich stehe abrupt auf, schiebe den Stuhl nach hinten, und das Quietschen der Stuhlbeine auf dem Holzboden hallt laut in unserer alten Küche wider. »Ich muss gehen.« Ich schaue meine Großmutter nicht an, stürme hinaus, renne den Flur entlang und zerre meine Jacke und meine Tasche von der Garderobe.

»Olivia!«

Hinter mir erklingen ihre Schritte, als ich die Haustür aufreiße und George fast umrenne. »Guten Mor… Oh!« Ich haste an ihm vorbei und sehe so gerade noch, dass sein sonst so fröhliches Gesicht ganz erschrocken dreinblickt, bevor ich den Weg hinabsprinte.

***

Ich weiß, dass ich fehl am Platze wirke, als ich im Eingang des Fitnessstudios stehe, offensichtlich zögernd und etwas überfordert. Diese ganzen Maschinen sehen wie Raumschiffe aus, übersäht mit Hunderten von Knöpfen und Hebeln, und ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich sie bedienen soll. Meine einstündige Einführung vergangene Woche hat mich zwar hervorragend abgelenkt, aber die Informationen und Anweisungen entfielen mir sofort wieder, als ich das exklusive Fitnessstudio verließ. Ich schaue mich um, fummele an meinem Ring herum, entdecke Unmengen von Männern und Frauen, die sich auf den Laufbändern schinden, mit vollem Karacho in die Pedale treten und auf riesigen Geräten Gewichte pumpen. Sie scheinen alle genau zu wissen, was sie tun.

Ich versuche, unauffällig zu wirken, und gehe zum Wasserspender hinüber, um einen Becher Eiswasser zu trinken. Ich verschwende meine Zeit mit Zögern, statt beim Training Wut und Stress abzubauen. Ich entdecke in der äußersten Ecke einen Sandsack und niemanden sonst in fünf Meter Entfernung. Also beschließe ich, es damit zu versuchen. Wenigstens hat er weder Knöpfe noch Hebel.

Ich wandere hinüber, greife nach den Boxhandschuhen, die an der Wand daneben hängen. Ich schiebe meine Hände hinein, versuche, wie ein Profi auszusehen, als ob ich jeden Morgen herkäme und den Tag mit ein paar schweißtreibenden Übungen begänne. Nachdem ich den Klettverschluss geschlossen habe, versetze ich dem Sandsack einen kleinen Stoß. Ich bin überrascht, wie schwer er ist. Mein schwacher Schlag hat ihn kaum in Schwingung versetzt. Ich ziehe den Arm zurück und schlage härter zu, runzele die Stirn, als der riesige Sack nur sacht hin und her schaukelt. Wahrscheinlich ist er voller Felsbrocken, also stähle ich meinen schwachen Arm und schlage mit aller Kraft zu. Ich grunze dabei, und der Sack ruckt diesmal beträchtlich, bewegt sich von mir fort, scheint mitten in der Luft anzuhalten, bevor er zu mir zurückschwingt. Schnell. Ich gerate in Panik und ziehe die Faust zurück, dann strecke ich den Arm aus, um das Ding festzuhalten und nicht von ihm zu Boden gerissen zu werden. Schmerzhaft durchzuckt es meinen Arm, als der Sack gegen meinen Handschuh schlägt, aber er schwingt wieder in die andere Richtung. Ich lächele und spreize ein wenig die Beine, wappne mich für seine Rückkehr, dann schlage ich wieder hart zu, und er segelt davon.

Mir tut jetzt schon der Arm weh, und plötzlich geht mir auf, dass ich schließlich zwei behandschuhte Hände habe, also bearbeite ich ihn jetzt mit der linken Faust, lächele breiter. Das Gefühl des Sacks an meinen Fäusten tut mir gut. Mir bricht der Schweiß aus, meine Füße bewegen sich, und meine Arme finden ihren Rhythmus. Meine eigenen befriedigten Rufe feuern mich an, und der Sandsack ist plötzlich mehr als nur ein Sack. Ich schlage ihn zu Brei, und ich genieße jeden Augenblick.

Ich weiß nicht, wie lange ich dort trainiere, aber als ich schließlich aufhöre und mir eine Atempause gönne, bin ich schweißgebadet, meine Knöchel sind wund, und mein Atem geht stoßweise. Ich fange den Sack auf und lasse ihn ausschwingen, dann schaue ich mich vorsichtig im Studio um, frage mich, ob mein Ausbruch bemerkt wurde. Aber niemand starrt mich an. Keiner hat es mitbekommen, alle konzentrieren sich ausschließlich auf ihren eigenen zermürbenden Work-out. Ich lächele in mich hinein und nehme mir einen Becher mit Wasser und ein Handtuch aus dem Regal an der Wand, wische mir die feuchte Stirn ab und verlasse die große Trainingshalle mit einigermaßen beschwingtem Schritt. Zum ersten Mal seit Wochen fühle ich mich dem vor mir liegenden Tag gewachsen.

Ich mache mich auf den Weg zu den Umkleideräumen, nippe an meinem Wasser, habe das Gefühl, dass Stress und Leid mir ausgetrieben wurden. Dieses Gefühl der Erleichterung ist neu, und ich kann dem Drang zurückzukehren und noch eine Stunde auf das Ding einzudreschen kaum widerstehen. Aber ich bin jetzt schon spät dran, also beeile ich mich. Aber nach dieser Form des Work-outs könnte ich echt süchtig werden. Morgen früh komme ich wieder her, vielleicht sogar heute noch mal, nach der Arbeit. Und ich werde auf diesen Sack einprügeln, bis keine Spur von Miller Hart und dem Schmerz, den er mir bereitet hat, mehr in mir ist.

Ich gehe an zahllosen Türen mit Glasfenstern vorüber und spähe in jeden Raum hinein. Hinter einer entdecke ich ein paar Dutzend Leute, die in die Pedale treten, als hinge ihr Leben davon ab. Hinter der nächsten machen ein paar Frauen alle möglichen seltsamen Verrenkungen, und hinter einer dritten rennen Männer wie wild hin und her und lassen sich immer mal wieder auf die Matten plumpsen, um mehrere Push-ups oder Sit-ups zu absolvieren. Wahrscheinlich sind das die Kurse, von der die Leiterin gesprochen hat. Vielleicht probiere ich ja sogar mal ein oder zwei aus. Oder vielleicht sogar alle.

Als ich an der letzten Tür vor der Damenumkleide vorbeilaufe, fällt mir etwas ins Auge, und ich bleibe stehen. Ich kehre zurück und sehe durch die Glasscheibe einen Sandsack, der demjenigen, mit dem ich gerade gekämpft habe, ziemlich ähnlich ist. Er schwingt von einem Deckenhaken, aber es ist niemand zu sehen, der ihn in Bewegung versetzt hat. Ich runzele die Stirn und mache noch einen Schritt auf die Tür zu, lasse die Augen mit dem Sack von links nach rechts wandern. Dann keuche ich und springe zurück, als ein Mann sichtbar wird, mit bloßer Brust und barfuß. Mein vorher schon hämmerndes Herz explodiert förmlich vor Schreck. Der Wasserbecher und das Handtuch fallen zu Boden. Mir wird schwindelig.

Er trägt wieder diese Shorts, diejenigen, die er immer anzog, wenn er erreichen wollte, dass ich mich wohler fühlte. Ich zittere, aber obwohl ich so schockiert bin, schaue ich wieder hin, um mich zu vergewissern, dass es keine Halluzination war. War es nicht. Er ist da, sein muskulöser Körper zieht mich in seinen Bann. Mit roher Gewalt attackiert er den von der Decke herabhängenden Sack, als ob es um sein Leben ginge, bestraft ihn mit kräftigen Schlägen und noch kräftigeren Tritten. Seine athletischen Beine bewegen sich im Einklang mit seinen muskulösen Armen, geschickt weicht sein Körper dem Sack aus, als er wieder auf ihn zukommt. Er sieht aus wie ein Profi. Wie ein Kämpfer.

Ich bin wie erstarrt, während ich beobachte, wie Miller sich mit Leichtigkeit um den Sack herum bewegt, die Fäuste in Bandagen, die Arme und Beine kontrolliert und sicher, während sie den Sack mit harten Schlägen und Tritten bearbeiten. Beim Klang seiner wütenden Schreie und seiner Schläge läuft es mir ungewohnt kalt den Rücken runter. Wen mag er wohl vor sich sehen?

Meine Gedanken überschlagen sich, ich bin voller Fragen, während ich heimlich beobachte, wie der kultivierte, gesittete Teilzeitgentleman dort wütet wie ein Berserker. Das Temperament, vor dem er mich gewarnt hat, ist offensichtlich und präsent. Aber dann weiche ich einen Schritt zurück, als er mit einem Mal den Sack mit beiden Händen festhält und die Stirn auf das Leder legt. Sein Körper passt sich den sanften Schwingungen des Sacks an. Sein Rücken ist schweißnass, und er ist atemlos. Mit einem Mal strafft er die Schultern. Er will sich umdrehen. Alles in Zeitlupe. Ich bleibe wie angewurzelt stehen, als seine Brust, die vor Schweiß schimmert, in mein Blickfeld kommt. Langsam wandern meine Augen seinen Oberkörper hinauf, ich kann jetzt sein Profil sehen. Er weiß, dass er beobachtet wird. Ich stoße die Luft aus, die ich die ganze Zeit angehalten habe, sprinte blitzschnell den Flur entlang und stürze durch die Tür in die Umkleidekabine. Mein erschöpftes Herz bittet mich inständig, ihm eine Pause zu gönnen.

»Alles klar?«

Ich schaue zur Dusche hinüber und entdecke eine Frau, die sich ein Handtuch umgeschlungen hat und einen Turban auf dem nassen Haar trägt. Sie sieht mich aus aufgerissenen Augen an. »Alles klar«, keuche ich und merke, dass ich mich gegen die Tür presse. Ich kann nicht mehr rot werden, denn mein Gesicht glüht bereits brennend heiß.

Sie lächelt etwas skeptisch und setzt ihren Weg fort, sodass ich meinen Spind finden und meinen Kulturbeutel rausholen kann. Nachdem ich fünf Minuten lang mit den Armaturen gekämpft habe, will das Wasser immer noch nicht kälter werden. Also muss ich mich damit abfinden und mache mich daran, meine zerzauste, verschwitzte Mähne zu waschen und meinen schweißfeuchten Körper einzuseifen. Die Entspannung von Körper und Geist ist von seinem Anblick vertrieben worden. Ständig habe ich jetzt dieses Bild vor Augen. Es gibt Hunderte von Fitnessstudios in London. Warum habe ich mich nur ausgerechnet für dieses hier entschieden?

Aber ich habe keine Zeit mehr zu verlieren, kann mich nicht mit Nachdenken aufhalten oder die allmählich als angenehm empfundene Wirkung des heißen Wassers genießen, das jetzt meine vom Sport erschöpften Muskeln massiert, statt mir die ohnehin schon heiße Haut zu verbrennen. Ich muss zur Arbeit. Ich brauche zehn Minuten, um mich abzutrocknen, mir das Haar zu föhnen und mich anzuziehen. Dann schleiche ich mich mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern aus dem Studio, wappne mich, gleich seine Stimme hinter mir herrufen zu hören oder jene Berührung zu spüren, die mein Innerstes stets in Brand setzt. Aber ich entkomme ungesehen und renne zur U-Bahn. Meine Augen sind dankbar, dass sie noch einmal einen Blick auf Miller Harts perfekten Körper werfen durften. Aber mein Gehirn sieht das ganz anders.

Kapitel 2

Als der Mittagsandrang in dem Bistro, in dem ich arbeite, sich langsam legt, stürzt sich Sylvie wie ein Wolf auf mich. »Erzähl es mir«, sagt sie und lässt sich auf das Sofa neben mich plumpsen.

»Gibt nichts zu erzählen.«

»Livy, bei aller Liebe! Du hast den ganzen Morgen ausgesehen wie eine Bulldogge, die auf einer Wespe herumkaut.«

Ich werfe ihr einen wütenden Seitenblick zu und sehe, dass sie ungeduldig die leuchtend pinkfarbenen Lippen zusammenpresst. »Wie bitte?«

»Du wirkst total angepisst.«

»Er hat mir geschrieben«, grummele ich. Den Rest erzähle ich ihr nicht. »Er hat mich gefragt, wie es mir geht.«

Sie schnaubt und nimmt sich meine Coladose, schlürft geräuschvoll. »Dieser arrogante Idiot.«

Unwillkürlich springe ich auf. »Er ist kein Idiot!«, verteidige ich ihn. Doch dann halte ich den Mund und setze mich wieder hin, als ich Sylvies wissenden Blick sehe. »Er ist kein Idiot, und er ist auch nicht arrogant«, sage ich jetzt ruhiger. Er war liebevoll, aufmerksam und rücksichtsvoll … wenn er nicht gerade ein arroganter Idiot war … oder Londons berühmtester Escort-Boy. Seufzend lasse ich den Kopf hängen. Mich mit einem Callboy einzulassen war wirklich Pech. Aber gleich auf zwei reinzufallen? Da hat mir das Schicksal wirklich übelst mitgespielt.

Sylvie streckt die Hand aus und tätschelt mein Knie. »Ich hoffe, du hast ihn nicht mit einer Antwort beglückt.«

»Ich hätte nicht gekonnt, selbst wenn ich gewollt hätte. Was nicht der Fall ist«, sage ich und stehe wieder auf.

»Warum nicht?«

»Mein Handy ist kaputt.« Ich lasse Sylvie mit gerunzelter Stirn und ohne jede weitere Erklärung auf der Couch zurück.

Ich habe ihr lediglich berichtet, dass ich mich wegen einer anderen Frau von Miller Hart getrennt habe. So war es leichter. Ich kann ihr unmöglich die Wahrheit sagen.

Als ich in die Küche komme, lachen Del und Paul gerade wie Hyänen, beide mit einem höllisch scharfen Messer in der einen und einer Gurke in der anderen Hand. »Was ist so lustig?«, frage ich, und beide hören sofort auf zu kichern. Mit mitleidigen Mienen betrachten sie meine kümmerliche Gestalt und mein Gesicht, das meinen momentanen Zustand widerspiegelt: Ich bin immer noch kalkweiß. Ich bleibe ruhig stehen und lasse zu, dass sie mich mustern und ihre Schlüsse ziehen.

Del sagt als Erster wieder etwas, deutet mit dem Messer auf mich und zwingt sich offensichtlich zu einem Lächeln. »Livy kann die Richterin spielen. Sie wird fair urteilen.«

»Worüber?«, frage ich und weiche vor der scharfen Klinge zurück.

Paul schiebt Dels Hand mit einem Zungenschnalzen nach unten und lächelt ebenfalls. »Wir haben einen Gurken-schneide-Wettbewerb. Unser dummer Boss glaubt, dass er mich schlagen kann.«

Unwillkürlich muss ich lachen. Paul und Del zucken erschrocken zusammen. Ich habe Paul schon mal eine Gurke zerkleinern sehen, oder zumindest habe ich versucht zuzuschauen. Seine Handbewegungen sind so schnell, dass sie ein paar Sekunden lang gar nicht erkennbar sind, und schon liegt das Gemüse ordentlich ausgebreitet vor ihm, jedes Stück in der perfekten Größe. »Na dann viel Glück!«

Del lächelt mich strahlend an. »Ich brauche kein Glück, Livy, Süße.« Er stellt sich mit gespreizten Beinen hin und legt seine Gurke aufs Schneidebrett. »Sag los.«

Paul verdreht die Augen und macht einen Schritt zurück, eine kluge Entscheidung, wenn man bedenkt, wie Del sein Messer hält. »Kannst du die Zeit stoppen?«, fragt er und reicht mir eine Stoppuhr.

»Funktioniert die ganz normal?« Ich nehme sie und drücke auf den Reset-Knopf.

»Jep«, antwortet Del und konzentriert sich auf seine Gurke. »Er hat mich bei Paprika, Zwiebeln und Salat geschlagen, aber bei der Gurke bin ich der Star.«

»Los!«, schreit Paul, und ich drücke sofort auf die Stoppuhr, als Del sich über die arme Gurke hermacht und wild auf sie einhackt.

»Fertig!«, ruft er und sieht zu mir hinüber. Ihm steht der Schweiß auf der Stirn. »Wie lange hab ich gebraucht?«

Ich schaue auf die Uhr. »Zehn Sekunden.«

»Ha!« Er springt in die Luft, und Paul nimmt ihm schnell das Messer ab. »Das musst du erst mal überbieten, Chefkoch!«

»Kleinigkeit«, behauptet Paul, bezieht vor dem Schneidebrett Stellung und kratzt die Reste der zerfledderten ersten Gurke ab, bevor er seine eigene drauflegt. »Sag los.«

Ich setze den Timer zurück, gerade rechtzeitig für Dels »Los!«.

Paul widmet sich, wie erwartet, gewandt und kontrolliert der Gurke, ganz im Gegensatz zu Dels schwerfälligem Massaker. »Fertig«, erklärt er ruhig, kein Schweiß, keine beschleunigte Atmung, was bei seinem Übergewicht ein Wunder ist.

Ich schaue auf die Stoppuhr und muss innerlich lächeln. »Sechs Sekunden.«

»Das gibt’s ja nicht!«, schreit Del, marschiert zu mir hinüber und reißt mir die Uhr aus der Hand. »Du hast bestimmt Mist gebaut.«

»Hab ich nicht!« Jetzt lache ich wirklich. »Und außerdem hat Paul sie geschnitten, du hast sie zerhackt.«

Er schnappt nach Luft, und Paul stimmt in mein Gelächter mit ein, zwinkert mir liebevoll zu. »Jetzt habe ich also bei der Paprika, der Zwiebel, dem Salat und der Gurke gewonnen.« Paul nimmt den Marker und malt einen dicken Strich auf ein Zutatenbild mit einer Gurke an der Wand.

»Bullshit«, grummelt Del. »Wenn dein Thunfischsandwich nicht wäre, wärest du jetzt Geschichte, Meister.« Dels schlechte Laune lässt uns nur noch lauter lachen. Wir glucksen weiter, als unser Boss davonstapft. »Mach das wieder sauber!«, schreit er uns noch zu.

»Jungs«, sage ich nachdenklich.

Paul lächelt liebevoll. »Tut gut, dich mal wieder lachen zu sehen, Schatz.« Er reibt mir zärtlich den Arm, ohne allzu viel Aufhebens darum zu machen. Dann trollt er sich und rüttelt an einer Pfanne, in der irgendetwas vor sich hin brutzelt. Ich beobachte, wie er fröhlich vor sich hin pfeift, und bemerke, dass meine überschäumende Wut von vorhin sich gelegt hat. Ablenkung. Ich brauche Ablenkung.

***

Der Nachmittag dauert endlos, was kein gutes Omen ist. Ich soll mit Paul zusammen das Bistro abschließen, denn Sylvie ist früher gegangen, um in ihrer Stammkneipe einen der vorderen Plätze zu ergattern, da heute Abend ihre Lieblingsband dort spielt. Sie hat mich eine geschlagene halbe Stunde nicht in Ruhe gelassen, wollte mich unbedingt überreden mitzukommen, aber anscheinend handelt es sich um eine Heavy-Metal-Band, und mir dröhnt der Kopf jetzt schon genug.

Paul reibt mir freundlich die Schulter. Der große Mann fühlt sich in der Gegenwart gefühlsduseliger Frauen offensichtlich nicht wohl. Dann macht er sich auf den Weg zur U-Bahn, und ich gehe in die andere Richtung.

»Baby!«, höre ich Gregorys besorgte Stimme hinter mir und drehe mich um. Er joggt in seiner Combat-Hose und dem T-Shirt auf mich zu, ist vollkommen schlammverschmiert und schmutzig.

»Hey.« Am liebsten würde ich mich irgendwo verkriechen, um die aufmunternden Worte, die er jetzt sicher für mich parat hat, nicht hören zu müssen.

Er holt mich ein, und wir gehen zusammen zur Bushaltestelle. »Ich habe bestimmt eine Million Mal versucht, dich zu erreichen, Livy«, sagt er ebenso besorgt wie verärgert.

»Mein Handy ist kaputt.«

»Wie ist das denn passiert?«

»Spielt keine Rolle. Alles klar bei dir?«

»Nein.« Er blickt stirnrunzelnd auf mich herunter. »Ich mache mir Sorgen um dich.«

»Musst du nicht«, murmele ich, verrate aber ansonsten nichts. Genau wie Sylvie weiß er nichts von Escort-Boys und Hotelzimmern, und das sollte er auch nicht. Mein bester Freund hasst Miller jetzt schon. Es besteht keine Veranlassung, ihm noch mehr Munition zu liefern. »Mir geht es gut.«

»Schwanzlutscher!«, stößt er hervor.

Ich gehe nicht weiter darauf ein, sondern wechsele das Thema. »Hast du schon mit Benjamin gesprochen?«

Gregory holt tief und erschöpft Luft. »Kurz. Er ist ein Mal ans Handy gegangen, nur um mir zu sagen, dass ich mich von ihm fernhalten soll. Dein verdammter Kaffeehasser hat ihm totale Angst eingejagt.«

»Und wessen Schuld ist das? Du hast doch gesagt, du würdest dafür sorgen, dass mir an diesem Abend nichts passiert, aber dann hast du dich mit Benjamin davongeschlichen.«

»Ich weiß«, murmelt er. »Ich habe eben nicht nachgedacht, weißt du?«

»Allerdings«, bestätige ich und habe schon wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich so aggressiv reagiert habe.

»Und jetzt hat Ben sich total von mir zurückgezogen«, sagt er.

Ich schaue zu Gregory auf, und der Schmerz in seinen Augen gefällt mir gar nicht. Er verliebt sich in einen Mann, der vorgibt, jemand anders zu sein, als er tatsächlich ist … also fast wie Miller. Oder hat Letzterer mir sogar immer etwas vorgemacht? »Total?«, frage ich. »Ihr habt gar keinen Kontakt mehr?«

Gregory seufzt tief. »Er hat an diesem Samstagabend eine Frau mit nach Hause genommen und hat es sehr genossen, mir davon zu erzählen.«

»Oh«, keuche ich. »Das hast du bis jetzt ja noch gar nicht erzählt.«

Er zuckt die Achseln, überspielt es. »Hat wohl irgendwie mein Ego angekratzt«, sagt er und wendet mir ein betont gleichgültiges Gesicht zu. »Du bist ein bisschen rot im Gesicht.«

Immer noch? »Ich war heute Morgen im Fitnessstudio.« Ich greife mir an die Stirn. Mir war den ganzen Tag über ziemlich heiß.

»Echt?«, fragt er überrascht. »Das ist super. Was hast du gemacht?« Er fängt an, ein bisschen auf dem Bürgersteig herumzutänzeln. »Circuittraining? Yoga?« Er beugt sich hinab, eine total obszöne Stellung, und sieht grinsend zu mir auf. »Den ›Herabschauenden Hund‹?«

Unwillkürlich erwidere ich sein Lächeln und ziehe ihn wieder hoch. »Ich habe einen Sack mit Steinen zusammengeschlagen.«

»Steinen?« Er lacht. »Ich glaube, in diesen Ledersäcken ist nur Sand.«

»Hat sich aber wie Steine angefühlt«, knurre ich und betrachte meine Knöchel, auf denen sich eine Reihe roter Blasen gebildet haben.

»Meine Güte!« Gregory packt meine Hände. »Du hast aber ganz schön auf den Putz gehauen. Fühlst du dich jetzt wenigstens besser?«

»Ja«, bekenne ich. »Aber wie auch immer, lass dich von Ben nicht schikanieren.«

Er verschluckt sich vor Lachen. »Olivia, du verzeihst mir doch sicher, wenn ich nicht auf deinen Rat höre. Was ist mit dir? Hast du von deinem kaffeehassenden Arschloch schon was gehört?«

Ich widerstehe dem Drang, Miller schon wieder zu verteidigen oder Gregory von der Textnachricht und der Szene im Fitnessstudio zu berichten. Das würde sowieso nichts bringen, außer dass ich mir wieder einen Vortrag anhören müsste. »Nein«, lüge ich also. »Mein Handy ist Schrott, also kann mich niemand anrufen.« Plötzlich finde ich das richtig gut, insbesondere wenn Miller mir noch mal eine Textnachricht schicken will. »Bin da.« Ich deute auf die Bushaltestelle.

Gregory beugt sich herunter und küsst mich auf die Stirn, macht ein mitfühlendes Gesicht. »Ich fahre heute Abend zum Essen zu meinen Eltern. Willst du mitkommen?«

»Nein danke.« Gregorys Eltern sind wirklich nette Leute, aber ich müsste mich ziemlich anstrengen, um Konversation mit ihnen zu betreiben, und ich habe einfach keine Kapazitäten mehr dafür frei.

»Morgen dann?«, fragt er bittend. »Bitte, lass uns morgen mal wieder was zusammen unternehmen.«

»Gut, morgen.« Am nächsten Tag werde ich schon genügend Enthusiasmus für eine ausgewachsene Diskussion finden, zumindest solange das Gespräch sich um Gregorys gruseliges Liebesleben rankt und nicht um meines.

Sein glückliches Lächeln lässt mich ebenfalls grinsen. »Ich hol dich ab, Baby.« Er zerzaust mir das Haar und joggt davon, lässt mich allein auf den Bus warten. Und als ob die Götter meine düstere Stimmung spüren, öffnen sie die Himmelsschleusen und lassen es auf mich herabschütten.

»Was soll das?«, rufe ich aus, winde mich aus meiner Jacke und halte sie mir über den Kopf. Typisch, dass ausgerechnet meine Bushaltestelle kein Dach hat! Und um das Maß vollzumachen: Die anderen Wartenden haben alle einen Schirm und schauen mich an, als hielten sie mich für dumm. Recht haben sie – und zwar nicht nur, weil ich keinen Schirm mit habe. »Scheiße!«, fluche ich und halte nach einem Türeingang Ausschau, in dem ich vor dem strömenden Regen Schutz suchen könnte.

Ich drehe mich um, kauere unter meiner Jacke, aber ich finde nirgends eine Unterstellmöglichkeit. Ich stoße einen tiefen, resignierten Seufzer aus und bleibe hoffnungslos im Regen stehen. Der Tag kann wohl kaum noch länger oder schlimmer werden.

Aber auch das ist ein Irrtum. Plötzlich spüre ich den Regen gar nicht mehr auf meiner Haut, und das laute Prasseln auf den Bordstein klingt nur noch gedämpft. Im Geiste höre ich nur noch Worte. Seine Worte.

Der schwarze Mercedes fährt langsamer und hält an der Bushaltestelle – Millers Mercedes. Einer plötzlichen Eingebung folgend, denn ich weiß, dass er sein vollkommenes Äußeres nicht dem Regen aussetzen wird, drehe ich mich um und jogge die Straße hinunter, meine durcheinanderwirbelnden Gedanken nur noch konfuser durch das Chaos der Londoner Rushhour.

»Livy!« Ich kann ihn über den prasselnden Regen hinweg kaum hören. »Livy, warte!«

An der Kreuzung angelangt muss ich anhalten, denn der Gegenverkehr hat Grün. Ich stehe mit den anderen Fußgängern, die allesamt Schirme dabeihaben, dort und warte darauf, hinübergehen zu können. Ich runzele die Stirn, als die Menschen zu beiden Seiten zurückspringen, aber als mir klar wird, wieso, ist es auch schon zu spät. Ein großer, breiter Truck rauscht vorbei, direkt durch eine Pfütze am Straßenrand, sodass ein halber Ozean über mich hinwegschwappt.

»Nein!« Ich lasse mit einem entsetzten Keuchen die Jacke fallen, als das eiskalte Wasser mich bis auf die Haut durchnässt. »Scheiße!« Die Ampel schaltet um, und alle anderen überqueren die Straße. Ich stehe wie ein begossener Pudel am Straßenrand, zitternd und mit Tränen in den Augen.

»Livy.« Millers Stimme ist leiser, aber ich weiß nicht, ob das daher kommt, dass er weit weg ist oder dass der Regen ihn übertönt. Seine warme Berührung an meinem nassen Arm zeigt mir, dass Letzteres der Fall ist. Ich bin überrascht, dass er aus dem Auto ausgestiegen ist, denn das grässliche Wetter könnte seinen teuren Anzug ruinieren.

Ich schüttele ihn ab. »Lass mich in Ruhe.« Ich beuge mich runter, um meine durchweichte Jacke vom Boden aufzuheben, kämpfe gegen den immer größer werdenden Kloß in meinem Hals an und gegen die vertrauten Funken, die seine Berührung auf meiner kalten, nassen Haut in meinem Innern fliegen lässt.

»Olivia.«

»Woher kennst du William Anderson?«, platze ich heraus und schaue ihn an. Er steht sicher und trocken unter einem riesigen Golfschirm. Meine Frage überrascht mich selbst, und Miller offensichtlich ebenfalls, denn er weicht ein kleines Stück zurück. Es gibt so viele Fragen, die ich ihm stellen müsste, doch mein Gehirn hat sich nur auf diese hier eingeschossen.

»Das spielt keine Rolle.« Er tut das Ganze ab, wodurch ich nur noch beharrlicher werde.

»Da bin ich anderer Ansicht«, stoße ich hervor. Er wusste es die ganze Zeit. Ich habe vielleicht nur Williams Vornamen genannt, als ich ihm das Herz ausgeschüttet habe und mir alles über meine Mutter von der Seele geredet habe. Aber er wusste genau, wen ich meinte, und jetzt bin ich sicher, dass genau das der Hauptgrund für seine heftige Reaktion und seinen Schock war.

Offenbar entgeht ihm meine wilde Entschlossenheit nicht, denn sein bis jetzt noch teilnahmsloses Gesicht blickt grimmiger drein. »Du kennst Anderson, und du kennst mich.« Um sein Kinn arbeitet es. Weil ich weiß, was sie beide tun. »Unsere Wege haben sich vor vielen Jahren einmal gekreuzt.«

Seine Stimme klingt bitter, und mir geht ein Licht auf. »Er mag dich nicht.«

»Und ich ihn auch nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil er seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen.«

Ich muss im Geiste lachen, weil ich genau seiner Meinung bin. Ich schaue zu Boden, sehe, wie die Regentropfen auf den Boden klatschen. Millers Bestätigung macht meine Angst nur noch größer. Ich mache mir was vor, wenn ich auch nur für einen Augenblick glaube, dass William wieder in der Versenkung verschwindet, ohne Nachforschungen über meine Verbindung zu Miller anzustellen. Ich kenne William Anderson: Er will immer alles ganz genau wissen. Aber ich habe keine Lust, Erklärungen abzugeben, am wenigsten dem Exzuhälter meiner Mutter. Und eigentlich bin ich ihm sowieso keine schuldig.

Millers braune Halbschuhe erscheinen in meinem Sichtfeld und reißen mich aus meinen sorgenvollen Gedanken. »Wie geht es dir, Olivia?«

Ich verweigere jeden Blickkontakt, und seine Frage macht mich noch wütender. »Was glaubst du denn, wie es mir geht, Miller?«

»Ich weiß es nicht. Deshalb habe ich ja versucht, dich zu erreichen.«

»Du hast echt keine Ahnung?« Ich schaue überrascht zu ihm auf. Seine perfekten Züge tun mir in den Augen weh, sodass ich sofort wieder die Lider senke. Ich darf ihn nicht zu lange ansehen, sonst kann ich ihn vielleicht nie wieder vergessen.

Zu spät.

»Na ja, eine kleine Ahnung schon«, murmelt er. »Ich habe dir doch gesagt, du musst mich so nehmen wie ich bin, Livy.«

»Aber ich wusste nicht, wer du bist«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und fixiere die tanzenden Regentropfen zu meinen Füßen, erbost, dass er sich mit so einer kümmerlichen Bemerkung herauswinden will. »Ich habe lediglich akzeptiert, dass du anders bist. Deine Perfektionsbesessenheit und deine verkrampften Manieren. Das kann verdammt nervig sein, aber ich habe es akzeptiert und fand es mittlerweile sogar liebenswert.« Ich hätte ein anderes Wort benutzen sollen – anziehend, charmant, nett –, aber nicht liebenswert.

»So schlimm bin ich doch gar nicht«, widerspricht er schwach.

»Doch!« Ich schaue nun doch zu ihm auf. Seine Miene ist ausdruckslos. Nichts Neues. »Schau doch hin!« Ich deute auf seinen trockenen, in einen perfekten Anzug gekleideten Körper. »Du stehst hier mit einem Schirm, der halb London vor dem Regen schützen könnte, nur damit deine perfekte Frisur und dein teurer Anzug nicht nass werden.«

Verdrossen betrachtet er erst seinen Anzug, dann mich. Dann pfeffert er den Schirm auf den Boden, und der Regen durchnässt ihn sofort völlig, seine Locken fallen ihm ins Gesicht, das Wasser läuft ihm die Wangen herab, und sein teurer Anzug klebt im Nu an ihm. »Jetzt glücklich?«

»Du meinst, du kannst das in Ordnung bringen, indem du dich ein bisschen nass regnen lässt? Du verdienst deinen Lebensunterhalt damit, Frauen zu ficken, Miller! Und du hast mich gefickt! Du hast mich zu einer von ihnen gemacht!« Ich taumele rückwärts, schwindelig vor Zorn und von den Erinnerungen an den Abend im Hotelzimmer.

Das Wasser, das sein Gesicht hinabläuft, glitzert. »Du musst nicht so grob werden, Olivia.«

Ich weiche zurück, versuche verzweifelt, mich wieder in den Griff zu kriegen. »Fick dich und deinen verqueren Moralkodex!«, schreie ich, und Millers Kiefermuskeln mahlen. »Hast du vergessen, was ich dir gesagt habe?«

»Wie könnte ich das je vergessen?« Jeder andere hätte sein Gesicht für vollkommen ausdruckslos gehalten, aber ich sehe das Zucken in seiner Wange, den Zorn in seinen Augen – Augen, die ich zu lesen weiß. Ich würde ja sagen, dass er recht hat, wenn er behauptet, emotional nicht verfügbar zu sein. Aber ich habe Gefühle mit ihm erlebt – unglaubliche Gefühle. Deshalb komme ich mir jetzt auch dermaßen verschaukelt vor.

Ich wische mir das triefende Haar aus dem Gesicht. »Als ich mich dir anvertraut habe, dir alles über meine Vergangenheit erzählt habe, warst du nicht so erschrocken, weil ich mich in diese Welt begeben habe oder wegen meiner Mutter. Du warst entsetzt, weil ich dein Leben beschrieben habe, mit dem Trinken und den reichen Menschen, mit Geschenken und Geld. Und. Weil. Du. William. Anderson. Kanntest.« Ich schaffe es tatsächlich, meine Gefühle im Zaum zu halten. Ich würde ihn am liebsten anschreien, und wenn er mir nicht bald vernünftig antwortet, tue ich das wahrscheinlich auch. Ich hätte das alles schon viel früher sagen sollen. Ich hätte ihn nicht verleiten sollen, mich zu ficken, hätte mich nicht in die Position dieser Frauen begeben sollen, um zu beweisen, dass ich recht habe – womit, kann ich eigentlich gar nicht sagen. »Warum hast du mich zum Dinner eingeladen?«

»Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.«

»Du kannst auch gar nichts mehr tun.«

»Warum bist du dann gekommen?«, fragt er.

Seine direkte Frage trifft mich unvermittelt. »Weil ich wütend auf dich war! Tolle Autos, Clubs und Luxusgüter sind nun mal keine Rechtfertigung!«, schreie ich. »Denn du hast mich dazu gebracht, mich in einen Mann zu verlieben, der du gar nicht bist!« Mir ist eiskalt, aber das ist nicht der Grund, warum ich zittere. Ich bin sauer – stocksauer.

»Du bist meine Gewohnheit, Olivia Taylor.« Diese Äußerung macht er ohne jedes Gefühl. »Du gehörst zu mir.«

»Ich gehöre zu dir?«, frage ich.

»Ja.« Er macht einen Schritt auf mich zu, und ich weiche zurück, will einen einigermaßen sicheren Abstand zwischen uns. Das ist ein ehrgeiziges Unterfangen, solange ich ihn immer noch ansehen kann.

»Du musst dich irren.« Ich recke das Kinn vor und bemühe mich mit aller Kraft, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Der Miller Hart, den ich kenne, interessiert sich vornehmlich für Besitz.«

»Nicht!« Er packt meinen Arm, aber ich reiße mich los.

»Du wolltest mit deinem geheimen Leben fortfahren und weiter eine Frau nach der anderen ficken, und du wolltest, dass ich zu Hause auf dich warte, damit du danach auch mich ficken kannst.« Im Geiste berichtige ich mich selbst. Er nannte es Anspannung loswerden, aber er kann es nennen, wie er will. Das Prinzip ist das gleiche.

Er hält mich mit seinem unerbittlichen Blick fest. »Ich habe dich nie gefickt, Livy. Ich habe dich immer nur angebetet.« Er macht erneut einen Schritt vor. »Ich habe immer nur Liebe mit dir gemacht.«

Ich hole tief Luft, um mich zu beruhigen. »Das in dem Hotelzimmer kann man ja wohl kaum als Liebemachen bezeichnen.«

Seine Augen schließen sich für einen Augenblick, und als er sie wieder öffnet, sind sie voller Qual. »Ich wusste nicht, was ich tat.«

»Du hast das getan, was Miller Hart am besten kann«, stoße ich hervor. Das Gift in meiner Stimme ist mir verhasst, und sein atemberaubendes Gesicht wirkt entsetzt. Viele Frauen würden vielleicht denken, dass es das war, was Londons berühmtester Escort-Boy am besten kann, aber ich weiß es besser. Und tief im Innern weiß Miller das ebenfalls.

Er mustert mich einen Augenblick lang, unausgesprochene Worte im Blick. In diesem Augenblick trifft mich die Erkenntnis. »Du hältst mich für eine Heuchlerin, was?«

»Nein.« Er schüttelt ganz leicht den Kopf … wenig überzeugend. »Ich akzeptiere, was du getan hast, als du weggelaufen bist und dich verkauft hast …« Er hält inne. Er kann nicht weiterreden. »Ich akzeptiere, warum du es getan hast. Ich finde es furchtbar. Und ich hasse Anderson deshalb sogar noch mehr. Aber ich akzeptiere es. Ich akzeptiere dich.«

Ich schäme mich in Grund und Boden und bin einen Augenblick lang nicht mehr ganz so entschlossen.

Er akzeptiert mich. Und er wünscht sich, dass auch ich ihn akzeptiere. Nimm mich, wie ich bin, Olivia.

Ich sollte es nicht tun. Ich kann es nicht.

Nach einer Ewigkeit, in der ich im Geiste sämtliche Gründe durchgegangen bin, warum ich mich jetzt auf dem Absatz herumdrehen sollte, halte ich seinem Blick stand und sage in Abwandlung seiner eigenen Worte: »Ich will nicht, dass andere Frauen dich schmecken.«

Sein Körper sackt ein Stück in sich zusammen, als er resigniert ausatmet. »In diesem Gewerbe kann man nicht einfach kündigen.«

Die Worte treffen mich wie eine Gewehrkugel. Es gibt nichts mehr zu sagen. Also drehe ich mich um und gehe davon, lasse meinen perfekten Miller Hart, der auch im strömenden Regen noch perfekt aussieht, einfach stehen.

Kapitel 3

Die Woche ging quälend langsam vorüber. Ich habe meine Schichten im Bistro gearbeitet und Gregory gemieden, und ich bin nicht wieder ins Fitnessstudio gegangen. Ich will zwar, aber ich kann nicht riskieren, dort wieder auf Miller zu treffen. Jedes Mal wenn ich einen kleinen Schritt nach vorn gemacht habe, scheint er es zu spüren und taucht aus dem Nichts vor mir auf – vornehmlich in meinen Träumen, aber manchmal eben auch in Wirklichkeit –, sodass ich wieder am Anfang stehe.

Nan erscheint im Eingang zum Wohnzimmer und braucht ein paar Minuten, um das Bücherregal abzustauben. Dann schnappt sie mir die Fernbedienung aus der Hand. »Hey, ich gucke grade einen Film!« Ich habe überhaupt nicht hingesehen, aber selbst wenn mich der Dokumentarfilm über Flughunde total gefesselt und interessiert hätte, hätte Nan keinen Pfifferling darum gegeben.

»Halt den Mund und hilf mir beim Aussuchen.« Sie wirft die Fernbedienung auf die Couch neben mich und rennt in den Flur, um im Handumdrehen mit zwei Kleidern auf Bügeln zurückzukehren. »Ich kann mich einfach nicht entscheiden«, sagt sie und hält sich eines vor ihren Körper. Es ist blau mit leuchtend gelben Blumen. »Das hier« – dann hält sie sich das grüne Kleid vor – »oder dieses?«

Ich setze mich auf und lasse den Blick zwischen beiden hin- und herwandern. »Mir gefallen beide.«

Sie verdreht die marineblauen Augen. »Na, du bist ja eine tolle Hilfe!«

»Was hast du denn vor?«

»Tanzabend mit George am Freitag.«

Ich lächele. »Und du willst den Ballsaal rocken?«

»Zsst!« Sie schüttelt den Kopf und legt ein kleines Tänzchen aufs Parkett, sodass ich noch breiter lächeln muss. »Olivia, deine Großmutter rockt so ungefähr alles.«

»Stimmt«, gebe ich zu und mustere die Kleider erneut. »Das blaue.«

Das Lächeln auf ihrem Gesicht vertreibt etwas von der beständigen Kälte, die seit Tagen in meinem Herzen wohnt, und schickt einen kurzen warmen Sonnenstrahl hinein. »Finde ich auch.« Sie wirft das grüne zur Seite und hält sich das bevorzugte Kleid vor. »Das ist perfekt zum Tanzen.«

»Ein Tanzwettbewerb?«

»Nicht offiziell.«

»Also einfach nur zum Vergnügen?«

»Oh, Olivia, es geht nie nur ums Vergnügen.« Sie dreht sich um die eigene Achse und lässt ihr graues Haar durch die Luft wirbeln, als ginge es um Leben und Tod. »Du darfst mich Ginger nennen.«

Ich kichere. »Und George ist dein Fred?«

Sie seufzt entnervt. »Gott segne ihn, er bemüht sich, aber der Mann hat zwei linke Füße.«

»Nun mach mal halblang. Der arme Kerl ist Ende siebzig!«

»Ich bin ja auch kein junges Huhn mehr, aber ich kriege das mit dem Stoßen und Mahlen immer noch hin wie die besten von denen.«

Ich runzele die Stirn. »Stoßen und was?«

Sie beugt die Knie, geht leicht in die Hocke, dann stößt sie die alten Hüften nach vorn. »Stoßen«, sagt sie, dann wechselt sie die Bewegung und lässt die Hüften kreisen, »und Mahlen.«

»Nan!« Ich lache und sehe ihr zu. Mit listigem Gesichtsausdruck erhöht sie das Tempo, sodass ich auf der Couch in hilfloses Gekicher ausbreche und mir den schmerzenden Bauch halte. »Hör auf!«

»Ich könnte mich für Beyoncés nächstes Musikvideo bewerben. Glaubst du, ich würde auch das rocken?« Sie zwinkert mir zu und setzt sich neben mich, legt die Arme um mich. Ich kriege mich langsam wieder ein und seufze an ihrem Busen, freue mich über ihre feste Umarmung. »Nichts bereitet mir größeres Vergnügen, als deine schönen Augen funkeln zu sehen, wenn du lachst, mein liebster Schatz.«

Meine Belustigung weicht Anerkennung – Anerkennung für diese wundervolle alte Dame, die ich das Glück habe, Großmutter nennen zu können. Sie hat unermüdlich daran gearbeitet, das riesige Loch zu füllen, das meine Mutter gerissen hat, und hatte bis zu einem gewissen Punkt sogar Erfolg damit. Und nun wendet sie die gleiche Taktik an, weil ein anderer Mensch in meinem Leben fehlt. »Danke«, flüstere ich.

»Wofür?«

Ich zucke ganz leicht mit den Achseln. »Weil du du bist.«

»Eine neugierige alte Fledermaus?«

»Das hab ich doch nicht so gemeint!«

»Hast du wohl.« Sie lacht und löst mich von ihrer Brust, umfängt meine Wangen mit ihren faltigen Händen und drückt ihre Marshmallowlippen darauf. »Mein wunderschönes Mädchen. Besinn dich wieder auf dein freches Mundwerk, Olivia. Nicht zu viel, aber ein bisschen. Es wird dir gute Dienste leisten.«

Ich schürze die Lippen. Sie meint, nicht so viel wie meine Mutter.

»Liebes, pack das Leben an den Eiern und quetsch sie kräftig.«

Ich lache, und sie lacht ebenfalls, lässt sich auf dem Sofa zurückfallen und nimmt mich mit sich. »Ich versuch’s.«

»Und wo du schon mal dabei bist, kannst du auch gleich die Eier eines jeden Arschlochs quetschen, auf das du triffst.« Sie spricht es nicht direkt aus, aber ich weiß, wen sie meint. Wen auch sonst?

Das Festnetztelefon klingelt, und wir stehen beide auf.

»Ich geh schon ran«, sage ich, gebe Nan einen schnellen Kuss auf die Wange und laufe in den Flur, wo das drahtlose Telefon auf einem altmodischen Telefontischchen in der Basisstation liegt. Ist schon traurig, wie aufgeregt ich mit einem Mal bin, als die Festnetznummer des Cafés auf dem Display zu sehen ist. Ich hoffe, ich vermute richtig, warum sie anrufen. »Del!«, begrüße ich ihn mit fröhlicher, viel zu aufgekratzter Stimme.

»Hi, Livy.« Ich freue mich, seinen starken Cockney-Akzent zu hören. »Ich habe es erst auf deinem Handy versucht, aber die Leitung ist tot.«

»Ja, ist kaputt.« Ich brauche ziemlich bald ein neues Handy, aber eigentlich genieße ich die Abgeschiedenheit, in der man ohne Handy lebt.

»Oh, na gut. Also, ich weiß, du bist nicht allzu scharf drauf, abends zu arbeiten …«

»Ich mach’s!«, platze ich heraus und renne die Treppe hinauf. Ablenkung, Ablenkung, Ablenkung.

»Ach ja?«

»Willst du, dass ich für dich kellnere?« Ich stürze ins Badezimmer, bin deprimierenderweise sogar begeistert über diese perfekte Gelegenheit, meinen qualvollen Gedanken zu entkommen, nun da Nan mit ihren Mätzchen ihr Pulver verschossen hat.

»Ja, im Pavillon. Diese verdammten Leihkräfte sind dermaßen unzuverlässig.«

»Kein Prob…« Ich halte mitten im Satz inne und lasse mich gegen die Badezimmertür sinken, denn plötzlich kommt mir etwas in den Sinn, das meinen Plan, mir Ablenkung zu verschaffen, vereiteln könnte. »Darf ich fragen, was für ein Anlass es ist?«

Im Geiste sehe ich vor mir, wie Del die Stirn runzelt. »Äh, ja, die jährliche Gala für ein paar Richter und Anwälte.«

Ich entspanne mich wieder. Miller ist weder Richter noch Anwalt. Ich bin also in Sicherheit.

»Soll ich was Schwarzes anziehen?«, frage ich.

»Ja.« Er klingt verwirrt. »Um sieben fängt’s an.«

»Großartig. Bis dahin also.« Ich lege auf und begebe mich unter die Dusche.

***

Eilig laufe ich durch den Bediensteteneingang des Pavillon und treffe direkt auf Del und Sylvie, die bereits die Champagnergläser füllen. »Da bin ich!« Ich ziehe meine Jeansjacke aus und lasse die Tasche fallen. »Was soll ich tun?«

Del lächelt, dann sieht er zu Sylvie hinüber. Beide haben meine ungewöhnlich fröhliche Stimmung registriert. »Gieß weiter ein, Süße«, sagt er, reicht mir eine Flasche und überlässt mir und Sylvie das Feld.

»Alles klar?«, frage ich Sylvie und mache mich an die Arbeit.

Ihr schwarzer Bob schwingt hin und her, als sie lächelnd den Kopf schüttelt. »Du siehst … ganz munter aus.«

Ich kümmere mich nicht um ihre Bemerkung, lächele unbeirrt vor mich hin. »Das Leben geht weiter«, antworte ich hastig und wechsele das Thema. »Wie vielen reichen Pinkeln müssen wir denn heute Wasser und Brot reichen?«

»Etwa dreihundert. Der Empfang geht von acht bis neun, danach werden sie alle in den Ballsaal zum Dinner geschafft. Wir sind dann wieder gegen zehn dran, wenn sie fertig sind und die Band zu spielen anfängt.« Sie stellt die leere Champagnerflasche ab. »Fertig. Und los geht’s.«

Trotz meiner Begeisterung darüber, dass ich mich mit der Arbeit ablenken kann, fühle ich mich heute Abend nicht ganz wohl in meiner Haut. Ich gleite durch die Menge, serviere Kanapees und Champagner, aber ich fühle mich unbehaglich. Das gefällt mir nicht.

Als der Oberkellner zum Dinner ruft, leert sich der Raum in atemberaubender Geschwindigkeit. Hunderte von Servietten bleiben auf dem eleganten Marmorboden liegen. Diese vornehmen Akademiker haben den Raum total zugemüllt. Ich stelle das Tablett ab und wandere im Raum umher, sammele den Müll ein und stopfe ihn in einen schwarzen Müllsack, wobei ich sogar noch ein paar Überreste von Kanapees finde.

»Alles klar bei dir, Livy?«, fragt mich Del von der anderen Seite des Raumes.

»Klar. Was sind das doch für Ferkel!«, antworte ich und binde den vollen Müllsack zu. »Hast du was dagegen, wenn ich mal schnell auf die Toilette verschwinde?«

Er lacht und schüttelt den Kopf. »Was würdest du sagen, wenn ich mit Nein antworte?«

Die Frage haut mich um. »Willst du etwa Nein sagen?«

»Du meine Güte. Geh schon auf die verdammte Toilette, Frau!« Mein Boss verschwindet wieder in der Küche, und ich mache mich auf die Suche nach den Waschräumen.

Ich gehe eine Treppe hinauf, folge dem Schild zur Damentoilette, wandere einen langen Korridor entlang. Ich bewundere die Gemälde an den Wänden, allesamt von historischen Königen und Königinnen, angefangen bei Heinrich VIII. Ich bleibe stehen und betrachte den korpulenten, bärtigen älteren Mann und frage mich törichterweise, was Frauen wohl bewegt haben mochte, sich mit ihm einzulassen.

»Ist kein Miller Hart, stimmt’s?«

Ich wirbele herum und sehe mich Millers »Geschäftspartnerin« gegenüber. Cassie. Was zum Teufel hat sie hier zu suchen? Sie mustert das Bild nachdenklich, verschränkt die Arme über dem Bustier ihres atemberaubenden silbernen Kleides. Ihr glänzend schwarzes Haar fällt ihr auf die Schultern herab.

»Und er war vielleicht im Schlafzimmer recht umtriebig, aber nicht so sehr wie Miller.« Ihre hinterhältigen, schmerzhaften Worte stechen mir wie Nadeln mitten ins Herz. »Ist er wirklich so gut wie alle behaupten?« Mit hochmütiger Miene mustert sie mich einmal befriedigt von oben bis unten. Innerlich falle ich in mich zusammen, aber Gott sei Dank gelingt es mir, das nach außen zu verbergen.

»Das hängt davon ab, was genau alle behaupten«, erwidere ich und schaue ihr in die Augen. In puncto Selbstbewusstsein stehe ich ihr in nichts nach. Sie fragt, weil sie selbst es nicht weiß, und das verschafft mir viel zu viel Befriedigung.

»Dass er sehr gut ist.«

»Dann haben alle sehr recht.«

Sie kann ihren Schreck kaum verbergen, was mich noch selbstbewusster macht. »Verstehe«, sagt sie ruhig und nickt milde.

»Aber ich sage Ihnen noch etwas.« Ich mache einen Schritt auf sie zu, fühle mich ihr unvernünftigerweise sogar überlegen, weil ich weiß, dass ich ihn hatte und sie nicht. Sie hat gar keine Gelegenheit zu fragen, was ich ihr noch sagen will. Ich bin nämlich voll in Fahrt. »Bei der Liebe ist er sogar noch besser als beim Ficken mit Fesseln.«

Sie schnappt nach Luft, weicht vor mir zurück, und in diesem Augenblick geht mir auf, was für einen Ruf Miller haben muss. Mir wird übel. Trotzdem lässt mich mein freches Mundwerk nicht im Stich.

»Falls Sie vorhatten, mich zu schockieren, indem Sie mir von Millers Geschäften erzählen, dann sind Sie umsonst eine Bitch. Ich weiß es schon.«

»Ja«, antwortet sie langsam, nachdenklich.

»Sind wir fertig, oder wollen Sie mich auch über seine Regeln noch ins Bild setzen?«

Sie lacht überrascht auf. Schockiert. Meine forsche Art hat sie verblüfft. Darauf war sie nicht gefasst. Und das macht mich überheblich. »Ich glaube, wir sind fertig.«

»Gut«, blaffe ich selbstbewusst. Dann gehe ich auf die Toilette und breche zusammen, sobald die Tür der Kabine sich hinter mir schließt. Ich weiß gar nicht so genau, warum ich weine, wo ich doch so zufrieden mit mir selbst bin. Ich glaube, ich habe gerade durchaus ein paar Eier gequetscht, und Nan wäre so stolz auf mich … wenn ich es ihr erzählen könnte.

Nachdem ich eine halbe Ewigkeit damit zugebracht habe, mich wieder zusammenzureißen, kehre ich in die Küche zurück und räume erneut Champagnerflöten auf die Tabletts, um sie später den Gästen zu servieren, die ihre Mahlzeit beendet haben.

Cassie ist eine der Ersten, die den Raum betreten, und sie klebt förmlich an einem reiferen Mann, der bestimmt dreißig Jahre älter ist als sie. In diesem Augenblick trifft mich das Offensichtliche wie ein Tornado, sodass die Champagnerflöten auf meinem zitternden Tablett klirren. Auch sie ist eine Edelnutte!

»O mein Gott«, flüstere ich und beobachte, wie sie kichert und die Aufmerksamkeit, in der der Mann sie badet, aufsaugt wie ein Schwamm. Warum? Sie besitzt Anteile an einem exklusiven Nachtclub. Sie hat es doch gar nicht nötig, Geld oder Geschenke anzunehmen. Mir geht auf, dass ich noch gar nicht darüber nachgedacht habe, warum Miller sich in diese Welt begeben hat. Er besitzt das Ice. Er braucht das Geld definitiv auch nicht. Ich denke an unser Treffen in dem Restaurant zurück, und in meinem Kopf formt sich eine vage Erinnerung an seine Worte.

Genug, um einen exklusiven Club zu kaufen.

Ich zittere vor Neugier, und das ist mir verhasst. Meine Neugier hat mich schon viel zu tief in die Sache hineingeritten. Noch mehr, und ich ertrinke darin.

»Willst du hier noch länger herumstehen und vor dich hin träumen?« Sylvies Stimme holt mich in die Wirklichkeit zurück. Der Raum ist jetzt randvoll mit Gästen und vibriert vor fröhlichem Schwatzen. Ich lasse den Blick langsam über die makellos gekleideten Menschen schweifen. Ich frage mich, wie viele von ihnen Edelprostituierte sind. »Livy?«

Ich zucke zusammen und muss mein Tablett mit der freien Hand festhalten. »Sorry!«

»Was ist los?«, fragt Sylvie und schaut sich um. Ich weiß, dass sie Lunte gerochen hat wegen all der anderen Male, die ich während solcher Events ausgerastet bin.

»Nichts«, sage ich. »Ich gehe jetzt besser servieren.«

»Hey, ist das die Frau …« Sie verstummt und sieht mich an, ihre pinkfarbenen Lippen fest aufeinandergepresst, um den Rest der Frage nicht auszusprechen.

Ich antworte nicht, sondern lasse Sylvie stehen, verliere mich in der Menge und lasse sie ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Ich habe meinen Freunden weisgemacht, dass Cassie Millers Freundin ist, und ich hätte damit davonkommen können, wenn die Schlampe jetzt nicht in aller Öffentlichkeit mit einem anderen Mann herumstolzieren würde.

Kapitel 4

Auf meinem Nachhauseweg von der Arbeit am darauffolgenden Abend mache ich ein paar Umwege, um mir meine Lieblingswahrzeichen der Stadt anzusehen. Wie immer tut mir die Ablenkung gut, aber als ich bei einem Straßenverkäufer anhalte, um mir eine Flasche Wasser zu kaufen, katapultiert mich das Titelbild auf einer Zeitung geradewegs wieder in meine Ausgangsposition. Dieses Interview hat er vor Wochen gegeben! Warum wird es erst jetzt abgedruckt? Mein Herz pocht schneller, als ich das Foto des schönen Mannes betrachte, das die Titelseite ziert, und dann hämmert es erbarmungslos in meiner Brust, als ich die Überschrift lese.

Londons begehrtester Junggeselle eröffnet renommiertesten Club in London.