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4 junge Frauen, 4 Lovestorys, 2 Autorinnen: Lorena Schäfers und Valentina Fasts Must-have-Romance des Jahres!
Die 18-jährige Quinn ist ihrem Traum, Journalistin zu werden, so nah wie noch nie. Sie hat nicht nur einen Ausbildungsplatz im berühmten Trinity Media House ergattert, sondern auch ein Zimmer in der schönsten WG Londons. Schnell wird ihr neuer Alltag jedoch zu einer echten Herausforderung: Quinn landet in der Redaktion eines Gossipmagazins, und ihre Chefin macht ihr von Anfang an das Leben schwer. Nachdem sie unbeabsichtigt eine Falschmeldung über Popstar Milo Bricks veröffentlicht und seine Fans gegen die Redaktion schießen, muss Quinn es wieder ausbaden. Doch als sie gezwungen ist, den wahren Milo für weitere Interviews näher kennenzulernen, verdreht er ihr plötzlich ganz schön den Kopf ...
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Seitenzahl: 425
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Über das Buch
Weitere Titel von Lorena Schäfer
Titel
Impressum
Widmung
Quinns Playlist
QUINN
QUINN
QUINN
MILO
QUINN
QUINN
MILO
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QUINN
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MILO
QUINN
MILO
QUINN
Danksagung
Feedback
Cover
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Impressum
Inhaltsbeginn
4 junge Frauen, 4 Lovestorys, 2 Autorinnen: Lorena Schäfers und Valentina Fasts Must-have-Romance des Jahres! Die 18-jährige Quinn ist ihrem Traum, Journalistin zu werden, so nah wie noch nie. Sie hat nicht nur einen Ausbildungsplatz im berühmten Trinity Media House ergattert, sondern auch ein Zimmer in der schönsten WG Londons. Schnell wird ihr neuer Alltag jedoch zu einer echten Herausforderung: Quinn landet in der Redaktion eines Gossipmagazins, und ihre Chefin macht ihr von Anfang an das Leben schwer. Nachdem sie unbeabsichtigt eine Falschmeldung über Popstar Milo Bricks veröffentlicht und seine Fans gegen die Redaktion schießen, muss Quinn es wieder ausbaden. Doch als sie gezwungen ist, den wahren Milo für weitere Interviews näher kennenzulernen, verdreht er ihr plötzlich ganz schön den Kopf ...
Lorena Schäfer, geboren 1988, veröffentlichte ihre erste Geschichte bereits mit elf Jahren in der örtlichen Bücherei und bekommt seitdem vomErzählen nicht genug. Während ihres Studiums hat sie einige Monate in Australien gelebt, und ein Teil ihres Herzens ist für immer dort geblieben. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie zehn Jahre beim Film und Fernsehen in ihrer Wahlheimat München, bis sie ihren ersten Roman veröffentlichte. Sie liebt Serienmarathons, lange Waldspaziergänge und verreist so oft es geht in die Ferne. Bei ONE schreibt sie einfühlsame Romancegeschichten fürs Herz.
Valentina Fast wurde 1989 geboren und lebt heute im schönen Münsterland. Beruflich dreht sich bei ihr alles um Zahlen, weshalb sie sich in ihrer Freizeit zum Ausgleich dem Schreiben widmet. Ihre Leidenschaft dafür begann mit den Gruselgeschichten in einer Teenie-Zeitschrift und verrückten Ideen, die erst Ruhe gaben, wenn sie diese aufschrieb. Für ONE schreibt sie großartige YA-Geschichten, die ihre Leser:innen begeistern.
The stars we reach – Emerald Bay 1
The waves we catch – Emerald Bay 2
The dreams we chase – Emerald Bay 3
Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Lorena Schäfer wird vertreten durch die Agentur Härle
Copyright ® 2025 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln, Deutschland
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Die Verwendung des Werkes oder Teilen davon zum Training künstlicher Intelligenz-Technologien oder -Systeme ist untersagt.
Textredaktion: Annika Grave
Umschlaggestaltung: Cigdem Bilge unter Verwendung von Illustrationen von fjordwind (Elena Dembianny)
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-8378-1
Sie finden uns im Internet unter one-verlag.de
Bitte beachten Sie auch luebbe.de
Für Anni,
die mit ihrer Idee und ihrer Leidenschaft echte Girlhood möglich gemacht hat
So Long, London – Taylor Swift
Too Sweet – Hozier
Autumn Comes – David Gramberg, Mary Lou
BIRDS OF A FEATHER – Billie Eilish
Can’t Pretend – Tom Odell
Fly – Anna Graves
Slow It Down – Benson Boone
Love Again – Dua Lipa
Evermore – Hollow Coves
i am not who i was – Chance Peña
Warwick Avenue – Duffy
Walls – Louis Tomlinson
Why Why Why – Shawn Mendes
Bitter Sweet Symphony – The Verve
Need the Sun to Break – James Bay
Unwritten – Natasha Bedingfield
»Quinn Haywood, die neue Auszubildende«, sage ich mit lauter Stimme, während ich die Anzeige an der Bushaltestelle Willow Square ein weiteres Mal prüfe. Die Minutenanzahl springt von zwei auf eins. Erleichtert atme ich aus.
»Das klingt viel zu ernst«, protestiert Cole in meinem Ohr, und ich konzentriere mich wieder auf unser Gespräch. »Du willst dich professionell anhören, nicht, als würdest du ihnen gleich eine verpassen.«
Ich strecke ihm die Zunge raus, obwohl er mich natürlich nicht sehen kann. »Quinn Haywood, die neue Auszubildende«, versuche ich es in einem fröhlichen Ton und schreite neben der Bushaltestelle auf und ab, damit mir etwas wärmer wird. Es ist Anfang September, und obwohl die Sonne scheint, ist es an diesem Morgen bereits ziemlich kühl.
»Viel besser«, lobt mich mein bester Freund und gibt ein lautes Gähnen von sich.
Cole und ich sind die letzten sieben Jahre jeden Morgen um diese Zeit zusammen zur Schule gegangen. Doch jetzt bin ich hier, mitten in London, und er ist nach Edinburgh gezogen, um dort Medizin zu studieren. Obwohl ich in diesem Moment nirgendwo anders sein möchte, vermisse ich ihn sehr.
»O Gott, ich bin so aufgeregt«, gestehe ich, als der Bus schließlich heranrollt. Ein roter doppelstöckiger Bus, so, wie es sich gehört.
»Du wirst sie umhauen.«
Ich hoffe wirklich, Cole behält recht. Bei Trinity Media, dem größten Medienunternehmen Großbritanniens zu starten, ist das Beste, was mir je passiert ist. Mein persönlicher Jackpot, die größte Chance meines Lebens, ein Gefühl wie Erste-Reihe-Taylor-Swift-Tickets oder ein lebenslanger Vorrat an Büchern ... eben fast zu schön, um wahr zu sein! Aber es ist wahr – ich gehöre jetzt wirklich hierher und starte meine Zukunft in London.
Ich steige hinter einem älteren Herrn in den vollen Bus und halte mich in der Mitte an einer der Schlaufen fest. Alles fühlt sich fremd und doch vertraut an. Ich habe mir so viele Filme, Reels und Fotos angesehen, dass ich schon genau wusste, wie London aussieht, als ich noch daheim in Spilsby gelebt habe. Spilsby ist das komplette Gegenteil von London: klein, langweilig – und der einzige Pub schließt jeden Abend um zweiundzwanzig Uhr.
Als sich der Bus wieder in Bewegung setzt, werde ich mit einem Ruck nach hinten geworfen. Der Typ neben mir balanciert seinen Coffee-to-go-Becher zum Glück gekonnt an mir vorbei, und ich lächle ihn dankbar an. Ein brauner Fleck auf meinem sorgfältig ausgewählten Outfit wäre das Letzte, was ich an meinem ersten Tag brauche. Jeans, weiße New-Balance-Sneaker und mein neuer beiger Blazer sollen sagen: Ich bin gleichzeitig cool, professionell und arbeite hart.
Ich ziehe mein Handy aus der Seitentasche des Blazers und wische den Anruf von Cole zur Seite, um noch einmal meine Verkehrsverbindung zu checken. Ich habe über eine Stunde für die Fahrt von zwanzig Minuten nach Soho eingerechnet. An meinem ersten Tag überlasse ich nichts dem Zufall.
»Also, wie war dein erster Abend?«, fragt Cole, während im Hintergrund die Toilettenspülung ertönt.
»Warst du gerade wirklich auf dem Klo?«, frage ich halb schockiert, halb belustigt.
»Wenn du darauf bestehst, weiterhin genau um diese Zeit mit mir zu sprechen, ist das Teil des Deals«, verteidigt er sich.
Ich seufze übertrieben. »Wir wissen eindeutig zu viel voneinander.«
»Stimmt nicht. Ich weiß noch nicht, wie dein erster Abend gestern war.«
Ich antworte ihm nicht, sondern horche.
»Quinn?«, fragt Cole nach einem Moment. »Bist du noch dran?«
»Ich höre keinen Wasserhahn«, sage ich spitz und ziehe herausfordernd eine Augenbraue nach oben, obwohl er mich nicht sehen kann.
»Du willst nur ablenken.« Coles Stimme klingt blechern, als das Wasser im Hintergrund rauscht. »Als angehender Arzt weiß ich um die Wichtigkeit von Hygiene, danke der Nachfrage.«
Ich versuche mir vorzustellen, wie Cole sich in einem Badezimmer fertig macht, das ich nicht kenne. Bestimmt wird er an der Uni lauter neue Menschen treffen, die noch nichts über ihn wissen und zu Recht beeindruckt von seinem Verstand sind. Doch für mich wird er immer der Junge sein, der morgens Cornflakes ohne Milch isst und sich in der sechsten Klasse zwölf Shortbreads auf einmal in den Mund gesteckt hat, um eine Wette zu gewinnen.
»Also, rück raus mit der Sprache«, unterbricht Cole meine Gedanken. »Warum hast du mir gestern keine Bilder mehr von deiner neuen WG geschickt, wie du es versprochen hast? War es etwa so eine Betrugsmasche und deine Kaution ist für eine dieser Bruchbuden draufgegangen?«
Mein Blick fällt auf die wunderschönen Hausfassaden von Hampstead, an denen wir gerade vorbeifahren. »Im Gegenteil. Es ist sogar noch schöner als auf den Bildern.«
»Wieso habe ich dann den Eindruck, dass du trotzdem nicht begeistert bist?«
Ich seufze. Als ich gestern mit meinen vollgepackten Koffern viel zu spät in meiner WG ankam, weil die Bahn irgendwo in den Midlands fast zwei Stunden gehalten hatte, war nur Pippa, die Tochter der Vermieter da.
»Die anderen beiden sind über das Wochenende nach Hause gefahren und kommen erst morgen wieder«, sagte sie und schaute dabei nicht einmal von ihrem Handy hoch. Ihr glänzender brauner Pferdeschwanz wippte, während sie nervös von einem aufs andere Bein trat. »Das hier ist dein Zimmer, nebenan ist das Bad. Ich muss jetzt los – ich bin schon viel zu spät dran, weil ich so lange auf die Schlüsselübergabe gewartet habe.«
»Tut mir echt leid«, erwiderte ich und war einen Moment später ganz allein in dem Stadthaus, das von da an mein Zuhause sein sollte. Anstatt es mir in Ruhe anzuschauen, bezog ich nur noch mein Bett und verkroch mich darin.
All das erzähle ich Cole, obwohl ich versuche, optimistisch an die Sache ranzugehen »Es ist aber nicht schlimm. Keine Ahnung, was ich mir vorgestellt habe.«
»Lügnerin.« Coles Stimme klingt sanft. »Wir wissen ganz genau, was du dir vorgestellt hast.«
Ich kaue auf der Innenseite meiner Wange herum. Letzte Woche erst wollte ich verzweifelt meine Suche nach einem bezahlbaren Zimmer in London aufgeben, als ich das Inserat einer bewohnbaren Garage entdeckte (»Geräumig, inklusive mobilem Heizgerät, nur 699 £/Monat«), doch dann tauchte eine weitere Anzeige auf: »Zimmer in netter 4er WG/Hampstead kurzfristig zu vergeben! Wir sind viel mehr als Mitbewohnerinnen und verbringen gerne Zeit miteinander.« Der Preis war einigermaßen bezahlbar, die Bilder wunderschön. Mein Handy fiel mir vor Aufregung aus der Hand, als ich meine Unterlagen so schnell wie möglich abschickte.
»Du warst die Erste«, sagte Pippa, als wir uns ein paar Stunden später in einem Videocall trafen. Sie schwärmte von dem Haus und der WG, und ich konnte mein Glück kaum fassen, als sie mir direkt zusagte.
Die letzten Tage habe ich mir also vorgestellt, wie ich mit meinen neuen Mitbewohnerinnen zusammensitze, wir reden und gemeinsam lachen würden. Dass der Ort so etwas wie ein neues Zuhause für mich wird, wenn ich mein eigentliches Leben doch gerade nur verdrängen will. Aber gestern Abend habe ich mich einfach nur schrecklich einsam gefühlt.
»Ist auch egal«, sage ich zu Cole. »Wenn es mir nicht gefällt, suche ich mir etwas Neues. Das Wichtigste ist die Ausbildung.«
Ich sehe mich um. Irgendetwas ist komisch. Der Bus steht schon eine ganze Weile, doch ich war so in Gedanken, dass ich nicht richtig darauf geachtet habe. Ich recke mich, um nach vorne sehen zu können.
»Baustelle«, sagt der Typ mit dem To-go-Becher, und ich ziehe mir einen meiner Kopfhörer aus dem Ohr. »Wie jeden Morgen.«
»Wissen Sie, ob das lange dauert?«
»Nein, es ist jeden Tag wieder eine Überraschung, bei der man nicht weiß, wie sie endet«, scherzt er mit gequältem Gesichtsausdruck.
»Mist«, murmle ich und höre mit dem anderen Ohr, wie Cole nun eine Kaffeemaschine anmacht.
»Quinn?«, fragt er, doch ich öffne eilig Google Maps und gebe die Route zum Trinity Media House ein. »Achtundvierzig Minuten«, keuche ich, als eine tiefrote Linie erscheint. Wie kann das sein? Es sind doch nur wenige Meilen! So schaffe ich es auf keinen Fall pünktlich. Du hättest doch die Tube nehmen sollen, da kann es wenigstens keinen Stau geben. Du musst sofort aus diesem Bus und irgendwie weiterkommen!
»Ich muss auflegen«, sage ich nervös zu Cole. »Ich wünsch dir einen tollen ersten Tag an der Uni. Und merk dir jede Einzelheit für mich.«
»Zeig es ihnen!«, feuert mich Cole noch einmal an, und ich lege auf.
»Entschuldigung«, wiederhole ich mehrmals, als ich mich an den anderen Fahrgästen vorbei nach vorne zur Busfahrerin dränge. »Entschuldigung«, sage ich noch einmal.
Sie deutet auf das große Schild, das neben ihr hängt und jedes Kind auswendig kennt. Nicht mit dem Fahrer sprechen.
»Können Sie mich bitte hier rauslassen?«
Sie dreht ihren Kopf zu mir und sieht mich tadelnd an. »Die nächste Haltestelle kommt erst in zwei Straßen, Miss.«
Ich betrachte die Autos vor uns, die sich keinen Inch vorwärtsbewegen.
»Aber das kann noch ewig dauern.« Meine Stimme schraubt sich mit jedem Wort weiter nach oben.
»Diese Baustelle legt den ganzen Norden lahm. Jeden Morgen dasselbe.«
Ich darf auf keinen Fall zu spät kommen. Das hier ist meine große Chance, und ich will einen guten Eindruck machen. Meine gesamte zukünftige Karriere hängt davon ab. Ich habe so hart dafür gearbeitet. Sofort muss ich an Mum und Dad denken, die mir von Anfang an geraten haben, diesen Traum an den Nagel zu hängen.
»Bitte«, flehe ich die Busfahrerin noch einmal an. »Meine Zukunft hängt von diesem Tag ab!«
Inzwischen hören uns die Menschen im vorderen Bereich des Busses interessiert zu.
Die Fahrerin atmet laut aus. »Ich darf die Türen nur im Notfall öffnen – Regeln sind Regeln.«
Soll ich einfach so tun, als ob ich in Ohnmacht falle? Nein, vielleicht ruft dann jemand einen Krankenwagen und ich kann erst recht nicht los. Außerdem wäre das eine wirkliche Straftat und supermies für mein Karma. Noch immer hat sich der Bus kein Stück weiterbewegt, während draußen die Fußgänger an uns vorbeilaufen. Diese Situation ist vollkommen bizarr! Aber so einfach gebe ich nicht auf. Ich muss es mit der Wahrheit versuchen.
»Jolene«, sage ich und hoffe, ich spreche den Namen auf dem Schild an ihrer Bluse richtig aus. »Haben Sie sich schon mal etwas so sehr gewünscht, weil Sie wussten, es würde Ihr Leben zum Besseren ändern?«
Jolene nickt zögerlich.
Inzwischen ist es still im Bus, und die Fahrgäste starren mich allesamt an.
»Und hätten Sie auch alles dafür getan, um dieses Ziel zu erreichen?«
Sie nickt wieder, und ich meine so etwas wie ein Grinsen um ihre Mundwinkel zu erkennen.
»Das hier ist ein Notfall. Ich könnte Ihnen etwas von meiner kranken Großmutter erzählen, oder dass ich mich übergeben muss, wenn ich nicht sofort frische Luft bekomme.« Ein Mädchen neben mir rückt ein Stück von mir weg. »Aber ich sage Ihnen die Wahrheit: Wenn ich an meinem ersten Tag zu spät zur Arbeit komme, werde ich bestimmt nie die Jahrgangsbeste. Bekomme keinen der wenigen Jobs, die es im Journalismus noch gibt, muss zurück zu meinen Eltern ziehen und in meinem Kinderzimmer wohnen, während ich den ganzen Tag Katzenvideos anschaue. Bitte tun Sie mir das nicht an!«
Ich weiß nicht, ob es an meiner flammenden Rede liegt, oder ob sie einfach nur will, dass ich endlich still bin – Jolene öffnet mit einem Quietschen die Tür.
»Danke, danke, danke«, sage ich und will schon die Treppe hinuntersteigen, als eine ältere Dame in der ersten Reihe fragt: »Wohin müssen Sie?«
Ich sehe auf mein Handy. »Tottenham Court Road.«
Sie nickt wissend. »Am besten nehmen Sie die Tube. Steigen Sie in die Northern Line.«
»Auf keinen Fall«, mischt sich ein Vater mit seinem Kind auf dem Schoß ein. »Da gab es heute Morgen Ausfälle, deswegen sitze ich hier drin.«
Verunsichert sehe ich zwischen den beiden hin und her.
»Die Chance, dass die Tube inzwischen fährt, ist groß, glauben Sie mir«, sagt die Dame bestimmt. »Ich lebe seit über dreißig Jahren hier.«
Der Vater schüttelt den Kopf und wirft mir einen warnenden Blick zu. Was soll ich nur tun?
In diesem Moment sehe ich jemanden auf einem Fahrrad vorbeifahren. Das ist es! Kurzerhand springe ich die Stufen hinunter aus dem Bus und laufe los. Trinity Media House, ich komme!
Ich habe keine Ahnung, wo ich gerade bin. Zum Glück gibt es Smartphones, sonst wäre ich komplett aufgeschmissen. Schnell lade ich mir eine App herunter, die Fahrräder und E-Scooter in ganz London vermietet. Nachdem ich meine Daten eingegeben habe, zeigt sie mir einen einzigen Scooter gleich an der nächsten Ecke an. Und ich habe nur noch fünfundzwanzig Minuten.
Ich renne an den stehenden und hupenden Autos vorbei und biege in die nächste Straße. Vor dem Schaufenster eines Juweliers steht der orangene E-Scooter. Erleichtert werde ich schon langsamer, als ich aus dem Augenwinkel sehe, wie eine große Frau in einem dunkelblauen Trenchcoat und hohen Pumps auf der anderen Straßenseite zielstrebig darauf zugeht. Ich beschleunige meine Schritte wieder und bin froh, dass ich mich heute Morgen für Sneaker entschieden habe. Die Trenchcoat-Frau bemerkt, dass wir dasselbe Ziel haben, und fängt an zu rennen. Ihr Mantel flattert dabei hinter ihr her wie der Umhang von Professor Snape. Ich sprinte ebenfalls los und öffne die App. Komm schon, Quinn! Die Trenchcoat-Frau streckt ihre Hand schon von Weitem nach dem E-Scooter aus, doch ich bin schneller und tippe auf mein Handy. Mit einem befriedigenden Pling wird der Roller freigeschaltet. Sie stoppt und sieht mich feindselig an.
»Sorry!«, rufe ich, als ich aufsteige, mein Handy in der Halterung fixiere und Gas gebe, »aber ich habe es wirklich eilig!« Es tut mir tatsächlich leid, doch das hier ist meine letzte Chance, es noch pünktlich zu schaffen. Der Wind rauscht mir durch die Haare, als ich durch die belebten Straßen sause. Aufgekratzt betrachte ich Häuser, Shops und Cafés und muss lächeln, als ich an einem großen Park vorbeifahre, in dem Leute joggen oder auf Picknickbänken ihren Kaffee trinken. Das muss der Regent’s Park sein. Kurz darauf tauchen hohe Bürogebäude und enge Straßen auf, und ich bin mitten im Stadtzentrum von London.
Vorsichtig schlängle ich mich um die vielen Autos und bin wahnsinnig erleichtert, als ich nur wenig später endlich am Ziel bin. Als ich jedoch die fünfzehn Pfund sehe, die die App abbucht, wird mir ganz anders. Ich muss mir dringend etwas überlegen, wenn ich mein Geld nicht nur für den Weg zur Arbeit ausgeben will.
Geld, denke ich betrübt, das ewig leidige Thema. Schon seit meiner Kindheit haben sich meine Eltern gewünscht, dass ich es einmal besser als sie habe und einen Beruf wähle, in dem ich viel verdiene. Ihrer Meinung nach hätte ich in Spilsby bleiben sollen, um bei der örtlichen Spedition einen sicheren Job zu bekommen. Allein der Gedanke daran schnürt mir meine Brust zu.
Ich betrachte das große Eingangsschild mit dem Logo von Trinity Media vor mir. Mitten in einer der teuersten Städte der Welt, um meinen Traum einer Journalistinnenkarriere zu verfolgen – ein Beruf, bei dem nicht klar ist, ob ich später eine sichere Anstellung bekomme oder davon leben kann. Doch ich möchte nichts anderes machen.
Mein Blick wandert über das gläserne Gebäude und ich zähle elf Stockwerke. Sofort wächst meine Aufregung. Das ist es. Genau hier wolltest du hin! Die erfolgreichsten Zeitungen, Websites, Fernsehsender, Filmproduktionen und Podcasts Großbritanniens mit riesigen Reichweiten entstehen in diesem Gebäude. Meine Ausbildung sieht vor, dass ich die ersten drei Monate in einer der Redaktionen arbeite, danach habe ich einen dreimonatigen Seminarblock in der Journalistenschule. Dieser Rhythmus wechselt sich ab, bis ich in zwei Jahren fertig bin.
Ein letztes Mal atme ich tief ein und versuche, diesen besonderen Moment in mir aufzusaugen. Gleichzeitig ignoriere ich das ängstliche Gefühl, das sich in meinem Magen ausbreitet. Das hier wird großartig, und du wirst Mum und Dad beweisen, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast.
Ich schaue auf mein Handy. Nur noch zehn Minuten! Schnell steige ich die Treppen nach oben und laufe durch eine große Drehtür. Die Eingangshalle von Trinity Media ist riesig. An den Wänden hängen Plakate von den neuesten Shows, auf großen Monitoren läuft das Liveprogramm aus dem Fernsehen, und Menschen eilen durch Drehkreuze zu den Aufzügen. Ich gehe zu einem halbkreisförmigen Empfangstresen, hinter dem gleich drei Leute sitzen.
»Guten Morgen«, begrüßt mich eine Dame in einem schwarzen Blazer.
»Guten Morgen«, erwidere ich. »Ich bin Quinn Haywood, die neue Auszubildende.« Meine Stimme ist fest, aber nicht zu laut. Cole wäre stolz auf mich.
»Ah ja, einen kleinen Moment.« Die Empfangsdame kramt auf dem Tisch vor sich.
»Ich soll mich bei Mr Rowe melden«, füge ich hinzu. Ich habe meinen zukünftigen Chef natürlich schon gegoogelt. Auf dem kleinen Bild unter seinen Artikeln sieht er ernst, aber nett aus. Er ist für die Rubrik Aktuelles beim London Herald, einer der Tageszeitungen, zuständig, also genau den Bereich, den ich mir gewünscht habe. Ich möchte alles darüber lernen: wie man Reportagen über wirklich wichtige Themen aufbereitet, wie man Texte so formuliert, dass man damit eine große Leserschaft erreicht. Und das sind nur ein paar der Gründe, warum ich Journalistin werden will.
Die Empfangsdame greift nach dem Telefonhörer vor sich und tippt eine Nummer ein. »Mr Rowe? Die letzte Auszubildende ist nun auch da.« Sie legt wieder auf und lächelt mich an. »Er kommt sofort.«
Ich bin wohl die Letzte, aber ich habe es noch pünktlich geschafft. Das ist das Wichtigste!
»Hier ist dein Ausweis, den du im Gebäude bitte immer tragen musst, und das ist die Chipkarte, mit der du durch das Drehkreuz, in den Aufzug und durch die Türen kommst.« Die Empfangsdame reicht mir beides. »Ich wünsche dir einen tollen ersten Tag.«
»Danke«, erwidere ich glücklich und nehme beides an mich. Ich habe einen offiziellen Ausweis!
Einen Moment später steht auch schon Mr Rowe neben mir. »Quinn Haywood. Dann sind wir ja vollzählig.« Er macht einen Haken auf der Liste vor sich. »Gerade noch rechtzeitig.«
Ich streiche mir die Haare zurück und hoffe, dass sie nicht allzu zerzaust nach meiner rasanten Fahrt aussehen. »Ja, ich hatte leider etwas Ärger mit dem Bus.«
Zum Glück lächelt mich Mr Rowe verständnisvoll an. »Man gewöhnt sich daran und hat die Abkürzungen nach kurzer Zeit raus.« Er führt mich zu den Drehkreuzen hinter dem Empfang, und ich folge ihm. »Wir müssen uns beeilen. Ich bin Alastair Rowe, seit sechsundzwanzig Jahren bei Trinity Media und kenne dieses Unternehmen in- und auswendig.«
»Ich bin so froh, Ihnen zugeteilt zu sein«, sage ich und versuche mit seinen schnellen Schritten mitzuhalten. »Aktuelles ist genau der Bereich, den ich mir gewünscht habe.«
»Mir zugeteilt?« Mr Rowe lacht und tritt durch das Drehkreuz. »Nein, ich bin heute nur für die Ankunft der Neuen zuständig. Du arbeitest im vierten Stock.«
»Oh«, entfährt es mir. Ich habe fest damit gerechnet, in seiner Abteilung zu sein, da in meiner Willkommensmail für den ersten Tag stand, dass ich mich bei ihm melden soll.
Ich halte meine Chipkarte vor den Scanner am Drehkreuz und trete durch, als es piepst. Mr Rowe wartet bereits vor den Aufzügen. »Du wirst bei Celebritain starten. Die morgendliche Redaktionskonferenz startet in fünf Minuten. Vierter Stock, dann gleich rechts in den großen Konferenzraum. Deine Betreuerin ist Fiona Barton. Heute Nachmittag findet noch einmal ein Empfang für die neuen Auszubildenden in der Cafeteria hier im Erdgeschoss statt. Du findest alle Infos in deinen E-Mails. Einen guten Start!« Er lächelt mich noch einmal an und geht zurück zum Empfang.
Überrumpelt schaue ich ihm hinterher und versuche, alle Informationen zu verarbeiten. Ich starte ausgerechnet bei Celebritain? Mein Hochgefühl von eben verwandelt sich in tiefe Enttäuschung. Das Klatschmagazin berichtet über den neuesten Promi-Gossip und ist so ziemlich die letzte Abteilung, in der ich arbeiten möchte.
Doch ich habe jetzt keine Zeit, in Selbstmitleid zu versinken. Ich drücke auf den Knopf des Aufzugs und werfe einen Blick auf mein Handy. Nur noch vier Minuten. »Komm schon, komm schon«, wiederhole ich ungeduldig. Die Anzeige bleibt auf der zweiten Etage stehen und bewegt sich kein Stück weiter nach unten. So kurz vor dem Ziel kann ich auf keinen Fall scheitern! Egal ob Wunschabteilung oder nicht, ich muss pünktlich ankommen. Doch der Aufzug rührt sich immer noch nicht.
Hektisch sehe ich mich um, entdecke das Notausgangszeichen, und laufe, ohne weiter zu zögern, darauf zu. Eine große Tür führt in ein gläserneres Treppenhaus, das nach Zitronenputzmittel riecht. So schnell ich kann, renne ich die Stufen nach oben. Vier Stockwerke werde ich doch wohl schaffen! Nach kurzer Zeit bin ich völlig außer Atem, und als ich im vierten Stock angekommen bin, werfe ich einen letzten prüfenden Blick in die Scheibe der Glastür. Meine Haare sind ziemlich zerzaust, aber mein roter Lippenstift hat hervorragend gehalten.
Schnaufend öffne ich die Tür mit meiner Karte und stehe in einem langen Gang. Da ich die Treppe genommen habe, stimmt die Wegbeschreibung von Mr Rowe nicht mehr! Und ich bin bestimmt schon zu spät! Ich eile den Gang entlang und stehe in einem Großraumbüro, das allerdings komplett leer ist. Vermutlich sind alle anderen bereits in der Konferenz. Ich renne den Gang zurück, entdecke den Aufzug und laufe daran vorbei zu einem großen gläsernen Raum, in dem ein Dutzend Menschen sitzen.
Ich atme tief durch, dann gehe ich hinein und habe in der nächsten Sekunde alle Augenpaare auf mich gerichtet. Die meisten meiner neuen Kollegen mustern mich mit Neugier und Interesse, doch ich ernte auch kritische Blicke. »Hi, ich bin Quinn Haywood, die neue Auszubildende«, wiederhole ich meinen Satz erneut und fühle mich immer sicherer damit. »Ich soll mich bei Fiona Barton melden.«
Einige nicken mir zu, und ein Mann mit rotem Haar und Bart sagt: »Hi Quinn, ich bin Oscar. Fiona ist noch nicht da, aber sobald sie hier ist, startet die Konferenz. Wir treffen uns jeden Morgen um neun, um aktuelle Themen zu verteilen.«
Ich nicke und lächle ihn dankbar an. Gerade noch geschafft. Dann setze ich mich auf einen freien Stuhl am Ende des Tischs, schäle mich aus meinem Blazer und versuche, nicht allzu laut zu schnaufen. Ich muss dringend an meiner Fitness arbeiten. Oder morgen noch früher losgehen.
Ich höre, wie sich einige meiner neuen Kollegen über das Wochenende unterhalten, bis jemand laut sagt: »Sie kommt!«
Sofort verstummen die Gespräche, und ich höre das Klackern von Stöckelschuhen näher kommen.
»Ich muss mich für die Verspätung entschuldigen. Chaos mit der Tube, und dann hat mir so eine unverschämte Göre auch noch den einzig verfügbaren E-Scooter vor der Nase weggenommen, obwohl ich ihn eindeutig früher gesehen habe. Ich musste den größten Teil der Strecke laufen, könnt ihr euch das vorstellen?«
Oh. Shit. Vor uns steht die Frau mit dem blauen Trenchcoat, und sie sieht noch verärgerter aus als vorhin. Hab ich echt meiner neuen Chefin den E-Scooter weggeschnappt? Das darf einfach nicht wahr sein! Ich lasse mich tiefer in den Stuhl sinken und hoffe, dass sie mich nicht direkt erkennt.
»Also«, sagt sie energisch und setzt sich ans Kopfende. »Da ihr die letzten fünf Minuten sicherlich gut genutzt habt, um Ideen für die Schlagzeile auf dem Titelblatt dieser Woche zu sammeln, könnt ihr sie mir bestimmt schon präsentieren.«
Niemand antwortet. Meine neuen Kollegen und Kolleginnen schauen in die Laptops und Notizbücher vor sich oder senken den Kopf.
Oscar räuspert sich schließlich und sagt: »Wir könnten die Bilder des Poloturniers auf Windsor Castle am Samstag verwenden. Prinz William fest im Sattel. Wie ihm die Liebe zum Sport Kraft für seine royalen Aufgaben gibt.«
Fiona macht einen gelangweilten Gesichtsausdruck. »So etwas Ähnliches hatten wir bereits letztes Jahr.«
»Zendaya und Tom Holland sind auf der Suche nach einem neuen Haus in London«, schlägt eine Kollegin mit blondem Pagenschnitt vor.
»Haben wir aktuelle Bilder?«, fragt Fiona.
»Wenn wir einen Fotografen darauf ansetzen, bestimmt innerhalb der nächsten zwei Tage.«
»Mhhh. Sonst noch Ideen?«, fragt Fiona in die Runde, und ich lehne mich ein bisschen weiter nach hinten. Über kurz oder lang werde ich mich ihr vorstellen müssen. Mein Herz klopft wie wild. Vielleicht lacht sie ja einfach über die Geschichte? Fiona Barton sieht allerdings nicht so aus, als wäre groß mit ihr zu spaßen. Im Raum ist es wieder mucksmäuschenstill.
»Die Themen sind langweilig und ohne jede Würze«, sagt sie mit lauter Stimme. »Wir brauchen etwas, das online genauso gut funktioniert wie im Magazin. Ihr kennt die neuesten Zahlen – wir müssen dringend die jüngere Generation erreichen.« Sie runzelt die Stirn. »Apropos jünger – sollte heute nicht eine neue Auszubildende starten?«
Alle Köpfe im Raum drehen sich zu mir, und mein Mund wird ganz trocken. Als Fiona mich entdeckt und realisiert, dass wir uns heute Morgen schon einmal begegnet sind, wirft sie mir einen vernichtenden Blick zu. Soll ich mich vorstellen? Oder lieber nichts sagen?
»Das ist Quinn«, kommt mir Oscar zu Hilfe, und ich bin ihm unendlich dankbar, da sich mein Mund offenbar dazu entschieden hat, keine Worte herauszubringen. Das Ganze hier fühlt sich an wie in einem schlechten Albtraum. Ich wollte doch nur einen guten Eindruck machen!
»Wir kennen uns bereits.« Fionas Stimme ist eiskalt. »Kommen Sie nach dem Meeting in mein Büro.«
Die anderen sehen mich überrascht an, und ich spüre, wie ich rot anlaufe und meine Wangen ganz warm werden.
Ich nicke stumm. So etwas ist mir noch nie passiert! Im Gegenteil – Worte sind meine große Stärke, deswegen wollte ich unter anderem Journalistin werden. Doch das hier wirft mich komplett aus der Bahn.
Fiona fängt an, Umsatzergebnisse auf dem großen Bildschirm an der Wand zu präsentieren, aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren. Stattdessen denke ich nur daran, was sie gleich zu mir sagen wird. Was, wenn sie mich deswegen sogar feuert? Darf sie das?
Als das Meeting vorbei ist, geht Fiona schnellen Schrittes aus dem Konferenzraum. Ich greife nach meinen Sachen und dränge mich zwischen den anderen durch. Mit etwas Abstand folge ich ihr den Gang entlang zu einem großen Eckbüro. Sie legt ihre Sachen auf einem weißen Ledersofa ab, setzt sich an ihren großen Schreibtisch, klappt ihren Laptop auf und beginnt zu tippen. Hat sie mich überhaupt bemerkt?
Unbeholfen stehe ich im Türrahmen. Was soll ich tun? Wenn ich sie aus ihren Gedanken hole, könnte sie genervt sein, wenn ich nur hier stehen bleibe, denkt sie bestimmt, ich bin zu zögerlich.
»Haben Sie schon einmal einen Text transkribiert?«, fragt Fiona in diesem Moment, lehnt sich in ihrem Bürostuhl zurück und sieht mich an.
»Ja«, antworte ich und trete mutig vor ihren Schreibtisch.
»Ich schicke Ihnen gleich eine Aufnahme für einen Text, den ich heute Morgen auf dem Weg hierher diktiert habe. Sie werden ihn für mich abtippen.« Sie schlägt die Beine übereinander. »Die Aufnahme wird schwierig zu verstehen sein, da ich tragischerweise durch den Londoner Verkehr laufen musste, anstatt sie in meinem Büro aufzunehmen, aber Sie werden sich sicherlich zu helfen wissen.«
Meine Wangen brennen. »Ich-«, setze ich an, doch Fiona unterbricht mich: »Bis vierzehn Uhr muss der Text bei Stan Whitley vom Lektorat sein, damit er morgen früh online geht. Fragen?« Sie sieht mich mit bohrendem Blick an, und ich schüttle schnell den Kopf. Fragen habe ich keine, aber ich muss unbedingt noch etwas loswerden.
»Hören Sie, das mit heute Morgen-«
Doch Fiona hebt stoppend eine Hand und greift mit der anderen zu ihrem Handy. »Ich muss dringend telefonieren.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe und gehe hinaus. Das war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, ist aber trotzdem eine Katastrophe. Wenn mich meine Chefin schon am ersten Tag nicht leiden kann, werde ich keine gute Bewertung erhalten.
Während ich den Gang entlanglaufe, atme ich tief durch und versuche es positiv zu sehen. Ich wurde nicht rausgeschmissen und habe sogar eine Aufgabe bekommen. Und ich werde sie perfekt machen!
Da wäre nur noch die Frage, wie. Ich habe keine Ahnung, in welchem der vielen Büros ich überhaupt sitze. Da höre ich das Geklapper von Geschirr und biege um die Ecke. Oscar steht in der Küche und lässt gerade Kaffee aus einer großen Maschine in eine Tasse laufen.
»Hey, Quinn.« Er hebt die Hand.
Erleichtert winke ich zurück.
»Möchtest du auch einen?«, fragt er und nimmt die Kaffeetasse.
»Nein, danke«, erwidere ich.
Er grinst. »Aha, jemand, der noch nicht süchtig nach Koffein ist. Glaub mir, in spätestens drei Monaten sieht das anders aus.«
»Kannst du mir helfen?«, platzt es aus mir heraus. »Ich habe keine Ahnung, wo ich sitze.«
Er lächelt. »Na klar. Du bekommst sogar die komplette Führung.« Er nimmt seinen Kaffee und läuft voraus. »Die Küche kennst du hiermit bereits. Gegenüber sind die Toiletten.«
Wir gehen zusammen in das Großraumbüro, in dem ich heute Morgen schon stand, doch nun ist es voll besetzt. »Wir sitzen nach Ressorts aufgeteilt«, erklärt Oscar und deutet nacheinander auf die Schreibtische. »Stars, Royals, Lifestyle, Beauty & Fashion.«
»In welchem Ressort arbeitest du?«, frage ich.
»Stars«, antwortet er und geht weiter. Am Ende des Büros bleibt er stehen. »Hier sitzt du. Deine vorläufigen Passwörter liegen schon bereit.«
»Danke«, sage ich erleichtert.
»Finde dich am besten einfach erst mal zurecht. Und vergiss nicht, ein Bild und Text von dir im Intranet hochzuladen. Sie werden dann unter deinen zukünftigen Texten erscheinen. Falls du etwas brauchst, kannst du dich an jeden hier wenden. Aber wenn du Fiona bereits kennst, wird sie dir ja viel erzählt haben.« Er zwinkert mir zu und geht wieder, ehe ich ihm sagen kann, dass ich Fiona nicht kenne und sie der letzte Mensch sein wird, der mir hier irgendetwas erklärt.
Erschöpft lasse ich mich in meinen Stuhl fallen und stelle meine Tasche neben mir ab. Der Schreibtisch mir gegenüber ist übersät mit Papierstapeln, Stiften, Nagellackfläschchen und benutzten Tassen, doch es sitzt niemand daran.
Ich klappe den Laptop vor mir auf und gebe das Passwort ein, das auf einem Zettel daneben liegt. Alle Programme sind bereits eingerichtet, und ich öffne meine Mails. Fiona hat mir vor einer Minute die Audiodatei zugesendet.
Ich ziehe meinen Blazer aus, stecke meine Kopfhörer in den Laptop und drücke auf Play. Nach einem kurzen Rauschen ertönt Fionas Stimme zwar dumpf, aber gut genug, um sie zu verstehen. »Milo Bricks«, diktiert sie schnaufend, »Warum der Shootingstar gerade erst richtig loslegt.«
Schnell drücke ich auf Pause und fange an zu tippen. Auch wenn ich mich nicht sonderlich für die Promiwelt interessiere, kenne ich den Popstar natürlich. Er ist der Newcomer Großbritanniens, hat im letzten Jahr die Charts gestürmt und jeden wichtigen Award abgeräumt. Ich tippe Fionas Aufnahme über sein kommendes Album, das gespannt erwartet wird, Wort für Wort ab, auch wenn ihre Stimme zum Schluss kaum mehr zu verstehen ist. Gerade als ich die Aufnahme stoppen will, weil nur noch eine Krankenwagensirene zu hören ist, ertönt Fionas Stimme wieder: »Talent hin oder her – in den letzten Wochen ist er vor allem durch seine ausschweifenden Partys und sein arrogantes Auftreten aufgefallen. Ein enger Vertrauter, der nicht genannt werden will, berichtet sogar von schlimmen Drogenproblemen. Seine Fanbase ist bestürzt über sein Verhalten und in großer Sorge. Ist ihm sein Ruhm innerhalb kürzester Zeit so zu Kopf gestiegen? Wird er untergehen, bevor er überhaupt richtig durchstarten konnte?« Dann stoppt die Datei, und ich spiele sie noch einmal von vorne ab. Dass Milo Bricks solche Probleme hat, habe ich bisher gar nicht mitbekommen. Und zeigt nur wieder, dass ich absolut keine Ahnung von Promis habe und nicht hierher gehöre.
Schließlich lese ich mir meine Abschrift noch einmal in Ruhe durch und vergewissere mich, dass keine Schreibfehler darin sind. Für einen Moment überlege ich, ihr den Text noch einmal zu schicken, damit sie ihn überprüfen kann, doch ihre Anweisung war klar: Ich soll einfach nur abtippen, was sie diktiert hat. Ansonsten wird sie denken, dass ich keine eigenen Entscheidungen treffen kann. Mit einem Klick schicke ich die Mail an Stan Whitley.
Dann lade ich, wie Oscar es gesagt hat, einen kleinen Text über mich und ein Foto von mir ins Intranet. Cole hat es geschossen, als ich mich für die Ausbildung beworben habe. »Mit dem Bild müssen sie dich einfach nehmen«, meinte er überzeugt.
Ich seufze. Als ich damals für die Kamera lächelte, habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als hier im Trinity Media Tower zu sitzen. Und ich habe es tatsächlich geschafft. Trotzdem macht sich Enttäuschung in mir breit. Das Letzte, was ich mir für meine Ausbildung gewünscht habe, ist Texte über irgendwelche Promis zu schreiben. Glitzer, Glamour und andere Oberflächlichkeiten. Wieso sollte man so ein Leben führen wollen?
»Noch einmal volle Konzentration! Den Kopf bitte ein Stück weiter nach oben, Milo!«
Ich versuche meine Kiefermuskeln zu lockern, doch verkrampfe dadurch noch mehr. Nach fast zwei Stunden Fotoshooting bekomme ich einfach kein natürliches Lächeln mehr zustande.
»Ich denke, das reicht«, rettet mich Megan und tritt vor den hellen Scheinwerfer. »Bestimmt sind bereits großartige Bilder dabei.« Sie lächelt dem Fotografen freundlich, aber bestimmt zu, und er nickt.
Erleichtert atme ich aus und möchte am liebsten sofort verschwinden. Inzwischen bin ich seit elf Stunden auf den Beinen, und mein Kopf schmerzt so sehr, dass ich auf der Stelle ins Bett fallen könnte.
»Milo?« Die Beleuchterin des Sets kommt auf mich zu. »Würdest du ein Video für meinen Sohn aufnehmen? Er ist dein allergrößter Fan.«
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Natürlich.« Der Gedanke an einen Jungen, dem ich eine Freude bereiten kann, schlägt meinen Drang, zu verneinen. Ich sage ein paar Worte in ihre Handykamera und winke, dann unterschreibe ich Autogramme für weitere Leute am Set, bis Megan mich schließlich wegzieht. Zusammen gehen wir aus dem Fotostudio in die Garderobe, und ich lasse mich erschöpft auf das Wildledersofa fallen.
Megan hält mir eine Wasserflasche hin. Ich nehme einen großen Schluck – Widerstand ist sowieso zwecklos.
Megan ist Artist-Managerin in einer in der Musikszene hoch angesehenen Agentur und kümmert sich um meine Termine, meine Tour, die Presse und alles, was sonst noch so ansteht. Als ich meinen ersten Vertrag bei meinem Plattenlabel Eastbound Records unterschrieben habe, hat sie mich ebenfalls unter ihre Fittiche genommen. Inzwischen ist sie für mich eher so etwas wie eine große Schwester. Sie achtet auf mich und hält ihre Meinung nicht zurück. Wie ein sicherer Anker im stürmischen Wasser meines öffentlichen Lebens.
»Alles klar?«, fragt sie besorgt.
Ich nicke. Die ständige Müdigkeit ist inzwischen mein täglicher Begleiter.
»Und bei dir?«
»Dan hat mich gestern Nacht viel zu lange wach gehalten, weil er mir Videos von Minitraktoren gezeigt hat.« Sie gähnt ausgiebig und fährt sich durch ihre kurzen schwarzen Haare. Während Megan tagsüber die aufregendsten Events plant und die Musikszene von London in- und auswendig kennt, schlüpft sie abends in ihre Gummistiefel und renoviert zusammen mit ihrem Mann Dan einen kleinen Hof in Surrey.
»Salat aussäen beruhigt mich mehr als jedes Wellness-Treatment im Ritz«, beteuert sie immer wieder und sieht seit dem Kauf tatsächlich viel ausgeglichener aus.
Ich massiere meine Schläfen, während Megan mir den Ablauf der nächsten Stunden vorliest. »Um zwanzig Uhr findet das Abendessen mit den Werbevertretern der nächsten Tour im Savoy statt.«
Ich stöhne.
»Ich weiß.« Megan hebt die Hände. »Aber das gehört dazu. Wir wollen ihr Geld – sie wollen dich. Du kennst den Deal.«
»Das Anstrengendste sind nicht mal die wildfremden Menschen.«
»Sondern?«
»Sondern die Locations, in denen so etwas stattfindet. Das Savoy. Letztes Mal gab es Hummersüppchen an Pastinaken.« Ich ziehe mein T-Shirt über den Kopf. »Ich weiß nicht mal, was Pastinaken sind.«
»So etwas wie Karotten«, erklärt Megan. »Die Blätter kann man gut als Suppengrün verwenden. Dan hat auf dem Acker sogar-« Sie fängt meinen strafenden Blick auf. »Tut nichts zur Sache, verstanden.«
Ich stehe auf und gehe zur Kleiderstange, an der mehrere Outfits hängen.
»Wir können solche Veranstaltungen leider nicht in einem Pub in Islington machen«, sagt Megan.
»Da gäbe es wenigstens etwas Richtiges zu essen.« Seufzend ziehe ich ein Outfit nach dem anderen hervor.
»Diese Firmen zahlen extrem viel Geld und erwarten für ein Meeting einen gehobenen Standard, das weißt du doch. Hör zu, lass mich einfach meine Arbeit machen – du suchst dafür das Essen auf der Tour aus. Abgemacht?«
Ich grinse. »Abgemacht.«
Megan stöhnt. »Wir werden uns monatelang nur von Fish & Chips ernähren, oder?«
»Deal ist Deal«, erwidere ich leichthin und hebe fragend eine beige Hose mit einem weißen Leinenhemd nach oben.
»Gefällt mir gut«, stimmt Megan zu. »Ich warte draußen auf dich. Du hast zwanzig Minuten.«
Nachdem sie gegangen ist, ziehe ich meine restlichen Klamotten aus und streife meine Armbänder und Ringe ab. Als ich unter die Dusche trete, versuche ich für einen Moment nur bei mir zu sein. Nicht bereits beim heutigen Abend, nicht bei all den Menschen, die zu Recht etwas von mir benötigen, weil sie alle dazu beitragen, dass ich das tun kann, wovon ich immer geträumt habe.
Ich drehe das Wasser wärmer und beobachte, wie es an den grauen Steinfliesen hinunterläuft. Es ist das, was du immer wolltest. Gib ihnen jetzt einfach die Person, die sie haben wollen. Dann kann dir selbst nichts passieren.
*
Als ich kurze Zeit später mit Megan vor die Tür des Studios trete, werde ich von lauten Schreien begrüßt. Eine Gruppe Fans steht vor einer Absperrung, die die Security errichtet hat, und ruft meinen Namen.
»Keine Zeit für Autogramme«, ermahnt mich Megan, daher winke ich ihnen nur kurz zu, bevor ich hinter ihr in den schwarzen Van steige.
Lee sitzt bereits auf der Rückbank und hält mir die Hand hin. Ich schlage ein und lasse mich neben ihn fallen.
»Wie war dein Tag?«, fragt er.
»Anstrengend«, antworte ich.
Lee ist schon seit meiner Schulzeit mein bester Freund. Er war drei Klassen über mir, und wir haben zusammen Musik gemacht. Als ich bei Eastbound Records unter Vertrag genommen wurde, hat er seine Chance genutzt und hat angefangen dort zu arbeiten. Er betreut mich auf Seiten des Labels, koordiniert Verträge und ist dabei, seine Karriere immer weiter auszubauen. Wie der Großteil meines Teams kennt er mich aus der Zeit, in der ich noch nicht der Milo Bricks war, und ich vertraue ihm zu einhundert Prozent.
»Wir müssen seine Kräfte besser einteilen«, wendet Lee sich an Megan. »Die Promo geht gerade erst los, das Album erscheint in zehn Wochen. Es bringt niemandem etwas, wenn er bereits davor ausgebrannt ist.«
»Du rennst offene Türen bei mir ein«, erwidert Megan. »Nach dem Abendessen hat er erst einmal zwei Tage Pause.«
Ich kann es nicht leiden, wenn sie über mich reden, als wäre ich nicht anwesend.
»Ich schaff das schon«, beruhige ich Lee.
»Du weißt, wie wichtig die nächsten Wochen für uns sind«, erwidert er. »Es dürfen keine Fehler passieren, wenn wir das Album auf die Nummer eins kriegen wollen.« Lee sieht mich eindringlich an.
»Das ist mir klar«, sage ich und versuche, nicht allzu genervt zu klingen. Lee meint es nur gut und ist mindestens genauso aufgeregt wie ich. Das neue Album wird darüber entscheiden, ob ich nur eine Eintagsfliege in der Musikwelt war, oder ob ich mir eine lange Karriere aufbauen kann. Meine allerersten Songs habe ich einfach bei mir zuhause aufgenommen, doch dieses Mal haben viele wichtige Leute mit mir zusammengearbeitet und das Album produziert.
Der Van hält, und wir steigen am Hintereingang des Savoys aus. Vor ein paar Monaten habe ich aufgehört, bei Terminen offizielle Eingänge zu nutzen, da ich immer zu spät gekommen bin. Ich lasse mir eben gerne Zeit mit meinen Fans, schließlich verdanke ich ihnen alles. Und wenn sie mich nicht sehen, können sie auch nicht enttäuscht werden.
Als wir den Hauptraum des Restaurants betreten, bemerke ich, wie sich einige Menschen zu uns umdrehen und setze ein Lächeln auf. Die Handybilder, die mit Sicherheit gerade geschossen werden, sind spätestens morgen auf allen Social-Media-Kanälen zu finden.
Wir gehen unter den großen Kronleuchtern hindurch in ein Separee, in dem an einem großen Tisch bereits einige Leute sitzen. Als sie mich entdecken, fangen sie an zu flüstern.
»Guten Abend«, begrüßt Megan die Runde, als wir vor ihnen stehen. »Ich freue mich, Ihnen Milo Bricks vorstellen zu dürfen.«
Sie deutet auf einen der drei freien Stühle.
»Es ist schön, Sie alle kennenzulernen«, sage ich und nehme auf dem mittleren Stuhl mit Samtpolsterung Platz. Megan und Lee setzen sich links und rechts neben mich.
Eine Frau schräg gegenüber von mir starrt mich unverhohlen an, ein Herr im Anzug daneben nickt mir zu. Wäre das hier keine Firmenveranstaltung, sondern ein Fan-Event, würde ich vermutlich bereits Autogramme geben. Meine Fans zeigen mir genau, was sie erwarten, und meistens spüre ich, dass ihre Reaktionen einfach ehrlich sind. Bei so einem Meeting hingegen sind alle zugeknöpft.
Im Grunde gibt es drei Arten, wie Menschen auf mich reagieren. Nummer eins: Die, die ihr Glück kaum fassen können und mich oft auch umarmen und anfassen wollen. Nummer zwei: Die, die eingeschüchtert sind und mich nur aus der Ferne ansehen, aber nicht mit mir sprechen. Nummer drei: Die, die versuchen ihre Nervosität zu überspielen, indem sie übertrieben unbeeindruckt oder skeptisch sind.
Ich komme mit allen drei klar, denn ich weiß selbst, wie aufregend es ist, einem berühmten Menschen zu begegnen, der etwas tut, das einem wirklich wichtig ist. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich James Bay nach einem seiner Konzerte getroffen und dabei kein Wort herausgebracht. Dabei hätte ich ihm so gerne gesagt, dass er mein Vorbild ist und ich eines Tages genauso erfolgreich sein möchte. Ich wurde also selbst zur Kategorie zwei.
»Milo, das sind Anne Cleary und Milton Bartlett von Mobile One«, beginnt Megan mir die Gäste am Tisch vorzustellen, und ich lächle ihnen zu. Ich versuche, mir die Namen zu merken, doch der Tag war lang, mein Kopf schmerzt, und ich kneife abgelenkt die Augen zusammen. In ein paar Stunden kannst du dich endlich ausruhen. Reiß dich zusammen.
Megan rattert weiterhin Firmen und Namen herunter, und ich lächle und nicke. Eine Frau in einem knallroten engen Kleid zwinkert mir zu, als sie vorgestellt wird. Ich grinse zurück.
Es ist ein Spiel, das ich mitspiele. Sie alle erwarten Milo, den charmanten Musiker und Entertainer, und ich bin hier, um ihnen zu geben, was sie wollen. So lange, bis ich heute Nacht nach Hause auf mein Boot zurückkehre und wieder ich selbst sein kann.
Was für ein Tag! Ich sitze in der Tube und betrachte meine zerzauste Frisur in der Scheibe gegenüber. Bevor ich nach London gezogen bin, habe ich mir Curtain Bangs schneiden lassen. Was heute Morgen noch cool aussah, jetzt aber an die Strähnen eines Maltesers erinnert.
Nachdem ich das Transkript abgeschickt habe, war ich beim Empfang für die neuen Auszubildenden in der Cafeteria. Wir wurden von der Ausbildungsleiterin aus der Personalabteilung begrüßt, mit der ich auch mein Vorstellungsgespräch hatte. Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen habe, so schnell wie möglich neue Leute kennenzulernen, bin ich nicht mehr mit ihnen in den Pub am Ende der Straße gegangen. Sie waren alle so aufgeregt und glücklich über ihren ersten Tag. Und ich? Ich will nur noch nach Hause. Auch wenn ich die WG in Hampstead nicht wirklich so bezeichnen würde.
An der Euston-Station steige ich um und folge den vielen Menschen, die sich durch die schmalen Gänge der Londoner Tube schieben. Ich bin jetzt eine von ihnen. In diesem großen Pulk zu laufen, fühlt sich tröstlich und gleichzeitig furchtbar einsam an. Ich vermisse Cole. Und ich vermisse die langweiligen Straßen von Spilsby, obwohl ich doch so sehr nach London ziehen wollte. Aber jetzt, wo ich hier bin, ist alles auf einmal ziemlich überwältigend.
Als ich schließlich in Hampstead die Treppen aus der U-Bahn nach oben laufe, geht die Sonne bereits unter und taucht den Himmel über den Häusern rosa. Ich gehe über den aus Kopfstein gepflasterten Willow Square mit seiner riesigen Weide in der Mitte, deren Blätter sich bereits leicht verfärben. Der Herbst liegt in der Luft. Einige Kinder spielen auf dem Platz, und zwei ältere Herren mit Hut sitzen auf der Holzbank, die um den Baum gezimmert ist.
Ich biege in die Sackgasse am Ende des Willow Square und muss unwillkürlich lächeln. Schon als ich gestern hier angekommen bin, konnte ich kaum glauben, dass so etwas Schönes mitten in der Stadt existiert. Meine Straße besteht aus mehreren kleinen Reihenhäusern aus weiß gestrichenem Ziegel, eines hübscher als das andere. Vor einigen stehen Blumentöpfe mit großen Pflanzen. Während ein paar Straßen weiter der Londoner Stadtverkehr rumort, ist es hier still – nur das Zwitschern der Vögel und Klaviermusik aus einem der offen stehenden Fenster ist zu hören. Es kommt mir vor wie eine Oase inmitten der trubeligen Stadt, und nach diesem anstrengenden Tag bin ich froh, wieder hier zu sein. Meine Mitbewohnerinnen sind bestimmt beschäftigt. Ich werde einfach eins von den Fertignudelgerichten kochen, die Dad mir in den Koffer gelegt hat, auf meinem Zimmer essen und mit Cole telefonieren. Irgendwie werde mich hier schon einleben.
Die Nummer siebzehn ist das vorletzte Haus auf der rechten Seite. Die weiße Fassade wird größtenteils von Blauregen umrankt. Das Haus ist nicht mehr als fünf Meter breit, und man kann sich von außen nur schwer vorstellen, dass hier wirklich vier Menschen reinpassen sollen.
Heute stehen zwei Fahrräder unter dem Vordach neben der dunkelgrauen Eingangstür und ihrem goldenem Türknauf. Direkt daneben liegt eine Katze auf einer weißen Holzbank und räkelt sich.
Ich beuge mich zu ihr, um ihr über das getigerte Fell zu streicheln. Sie schnurrt und streckt ihre Pfoten von sich. »Du bist ja hübsch. Wer bist du denn?«, frage ich.
»Flynn«, antwortet eine tiefe Stimme neben mir. »Er sieht harmlos aus, kann aber eine ganz schöne Diva sein.«
Ich zucke zusammen und sehe mich um. Im Eingang des Hauses nebenan steht ein großer Typ mit schwarzbraunen Haaren und lächelt mich verschmitzt an. »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.«
Ich richte mich wieder auf und streiche mir meine Haare zurück.
»Henry, dein neuer Nachbar«, stellt er sich vor. »Du bist doch die Neue, oder?«
Ich nicke und hebe die Hand. »Quinn.«
»Schön dich kennenzulernen, Quinn.« Henry zeigt auf den Kater. »Flynn gehört zu Mr & Mrs Bates, sie wohnen unter mir.«
Flynn schnurrt, als würde er uns verstehen, und ich streiche ihm noch einmal sanft über den Kopf.
»Falls du in Zukunft irgendetwas brauchst, ich bin gleich nebenan, ganz oben.« Henry zwinkert mir zu, und ich muss grinsen. Ich habe so ein Gefühl, dass er seinen Charme häufiger spielen lässt.
In diesem Moment wird die Haustür aufgerissen. »Hier draußen versteckst du dich! Du bist Quinn, oder?« Eine junge Frau mit rotblonden Haaren steht vor mir. Sie ist mindestens einen Kopf kleiner als ich und hat ein zartrosa Kleid an.
Ich nicke. »Hi!«
»Hey, Gemma.« Henrys Stimme verändert sich unmerklich, aber ich nehme es trotzdem wahr. Mum sagt immer, dass man mir schon als Kind nie etwas vormachen konnte. Ich nenne es meinen Story-Sinn. Die besten Geschichten sind direkt vor unserer Nase.
»Oh, hi Henry. Ich hab dich gar nicht gesehen.« Gemma winkt ihm nur kurz zu, dann umarmt sie mich, und ich zucke überrumpelt zusammen. Sie lässt mich wieder los und tritt einen Schritt zurück. »Wir haben schon auf dich gewartet.«
»Wirklich?«, frage ich überrascht. Nach dem gestrigen Abend hatte ich erwartet, dass ich auch heute allein sein würde.
»Natürlich!« Gemma zieht mich sanft hinein.
»Bye«, werfe ich Henry noch zu und gehe hinter Gemma her.
Sie macht die Tür hinter mir zu und stemmt die Hände in die Hüften. »Dauert dein Arbeitstag immer so lange?«
»Hoffentlich nicht«, erwidere ich ehrlich, streife meine Sneakers ab und stelle sie auf die Fußmatte vor der Garderobe neben ein Paar weiße Chucks, das mit bunten Blumen bestickt ist.
»Gemma, nimm sie nicht ganz allein in Beschlag!«, ruft eine helle Stimme aus der offenen Küche, die direkt an den Eingang grenzt, und wir gehen hinein.