Operation Allah - Ahmad Mansour - E-Book

Operation Allah E-Book

Ahmad Mansour

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Beschreibung

»Das Schlimmste für den radikalen Islam wäre ein europäisch geprägter Islam mit demokratischen Werten. Deshalb brauchen wir genau den.« Der Bestseller-Autor und Experte in Sachen Radikalisierung und Extremismus Ahmad Mansour legt seinen Plan für einen wirksamen Kampf gegen Islamismus in Deutschland vor. Für Ahmad Mansour, Autor des Bestsellers »Generation Allah«, ist der Islam in Deutschland eine Konsequenz einer vielfältigen Gesellschaft, die weder zelebriert noch verteufelt werden sollte. Doch wir müssen genau hinsehen: Es gibt Islamisten, die etwa politische wie wissenschaftliche Institutionen unterwandern und dabei vorgeben, sich für Integration einzusetzen. Doch sie wollen unsere Gesellschaft umformen. Es sind falsche Freunde. Der Islamismusexperte Ahmad Mansour zeigt die Versäumnisse der Politik auf und fordert von ihr, endlich zu handeln und entschieden für die Werte unserer Gesellschaft einzutreten: mit konkreten Maßnahmen, die vom Wohnungsbau bis zur Schulpolitik reichen. »Operation Allah« ist ein engagiertes und mutiges Plädoyer für eine säkulare Zukunft.

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Ahmad Mansour

Operation Allah

Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will

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Inhalt

Widmung[Unterwanderung. Eine Vorbemerkung]Prolog Vom Brückenbauer zum KrawallmacherWarum es so schwierig ist, von Islamismus und Unterwanderung zu sprechenWovon sprechen wir hier eigentlich?Wie alles begannUrsprünge des politischen IslamAhmadDie islamistische MethodeDie Bedeutung der OpferrolleIdentität und Politik: Wer sind wir eigentlich?Die Basis aller IslamistenMalikDas Versagen des WestensWas uns die Geschichte lehrtWarum die Linken ein Geschenk für den politischen Islam sindDie Rolle der LiberalenDie Zukunft muss säkular seinHerausforderungen für die Demokratie ergeben Forderungen an die PolitikPrämisse 1:Eine sachliche, differenzierte, tabufreie und lösungsorientierte Debatte über den politischen Islam und Extremismus generell.Prämisse 2: Einigung der demokratischen Gesellschaft auf ihre gemeinsamen Werte.Prämisse 3: Errichtung eines Zentrums für wehrhafte Demokratie und gegen Extremismus.Prämisse 4: Erweiterte Demokratieklausel für alle öffentlich finanzierten oder geförderten Organisationen, Vereine und Stiftungen in der Präventionsarbeit.Forderung 1: MoscheesteuerForderung 2: Bildung ist die beste Impfung gegen Extremismus.Forderung 3: Europäische Solidarität

Dieses Buch möchte ich den Personenschützern des LKA Berlin widmen, die mich in den letzten sechs Jahren überallhin begleitet und mich geschützt haben. Durch ihren Schutz gaben sie mir den Mut, trotz Bedrohungen kritisch zu bleiben und dieses Buch schreiben zu können.

Unterwanderung: Ich weiß, dieses Wort löst Emotionen aus – vor allem Angst, die eigene Identität zu verlieren. Was passiert also in Zeiten der schnellen Empörung, wenn ein Buch die Formulierung »Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will« im Titel trägt?

Die einen lesen nur die Worte »Islam« und »unterwandern« und fühlen sich sofort in ihrem Eindruck bestätigt, von allen Muslimen gehe per se Gefahr aus. Sie haben eine diffuse Angst vor einer Islamisierung des Abendlandes, davor, dass sich dieses Land zu einem komplett muslimischen Staat entwickelt, dass alle Frauen Kopftuch tragen müssen und Moscheen wie Pilze aus dem Boden sprießen. Damit lässt sich viel Hass säen, aber auch politische Macht schaffen, siehe AfD.

Andere wiederum werden mir vorwerfen, ich bediene Vorurteile, mache den Islam schlecht, ziehe alle Muslime in Mitleidenschaft, bediene rechte bis rechtsradikale Argumente und treibe die Islamophobie voran.

Beide Seiten muss ich enttäuschen. Beide Betrachtungsweisen sind falsch. Es geht in diesem Buch nicht um den Islam und die Muslime, sondern um eine bestimmte Gruppe von Islamisten mit einer klaren Ideologie, die auch bei vielen Muslimen selbst sehr umstritten ist. Genauso wenig geht es hier darum, radikale Ansichten zu bestätigen. Es geht darum, ein existierendes Problem aufzuzeigen, eines, mit dem wir uns beschäftigen und es auch als das benennen sollten, was es ist, bevor es wächst und so groß wird, dass es nur noch schwer zu bewältigen ist.

Wir brauchen die Bereitschaft und den Mut, uns aus unseren Echokammern und Informations- und Denkblasen herauszutrauen, Dinge komplex und ausgewogen zu betrachten und Dinge mit aller Offenheit anzusprechen, ohne uns in Debatten über Begriffe und Moralansprüche zu verlieren. Es geht um Inhalte und darum, die demokratischen Werte dieser Gesellschaft gegen jeden zu verteidigen, der sie nicht respektieren oder gar abschaffen möchte. Wir müssen reden. Und zwar richtig. Ohne Beschönigung, ohne falsche Toleranz und ohne Panikmache.

PrologVom Brückenbauer zum Krawallmacher

Als ich nach Deutschland kam, fand ich ein Land vor, das mir Sicherheit gab. Ich sah kaum Soldaten auf der Straße, keine Waffen. Ich musste nicht vor jedem Gebäude meinen Ausweis zeigen, meine Taschen wurden nicht durchsucht. Ich musste bei Restaurantbesuchen nicht immer wieder nach Taschen Ausschau halten, die zu niemandem gehörten. Es konnte mir egal sein, wenn sich jemand komisch verhielt.

Als ich nach Deutschland kam, fand ich auch ein Land vor, das mir Freiheit gab. Die Freiheit, selbstbestimmt zu leben. Ich konnte freitagmittags in die Moschee gehen und beten und am gleichen Abend im Studentenwohnheim eine Party feiern. Ich konnte mich verlieben, Hand in Hand mit meiner Freundin durch die Straßen gehen, ohne Angst zu haben, jemand könne uns dabei erwischen. Ich konnte frei mit meiner Religion umgehen, die mir in meiner alten Heimat mindestens mit jedem der fünf täglichen Rufe des Muezzins in Erinnerung gerufen worden war. Ich konnte mich mit Freunden treffen, ohne den Druck, ja kein Gebet zu verpassen. Ob ich fastete, betete oder Alkohol trank: All das war auf einmal privat. Ich war weit weg von sozialen Zwängen, von religiöser oder kultureller Kontrolle. Was ich dachte, was ich machte, was ich glaubte, war einzig und allein für mich relevant. Es war ein Gefühl, das ich kaum kannte.

Die Grundlage meiner Freiheit war die Demokratie. Das hört sich vielleicht an wie eine Binsenweisheit, doch für mich war diese Erkenntnis eine Erleuchtung. Man darf nicht unterschätzen, wie sehr die Demokratie dabei hilft, sich als Individuum zu entfalten, einen Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu entwickeln und sich mündig zu fühlen.

Meine Gedanken, meine Zeit, mein Verhalten gehörten nur mir. Mein Geld, meine Liebe, meine Freunde: nur mir. Ich entdeckte die Lust am Hinterfragen von Sachverhalten und am kritischen Denken. Ich sagte, was ich dachte. Ich tat, was ich wollte. All das werden Menschen, die in demokratischen Verhältnissen aufgewachsen sind, kaum verstehen. Für sie ist all das selbstverständlich. Für jemanden, der in einer patriarchalischen Familie groß geworden ist, in einer von Tradition, Kultur und Religion bestimmten Gesellschaft, die jegliches Anderssein verachtet, ist es das nicht. Und so kommt es, dass viele Migranten mich in diesem Fall besser verstehen werden als viele meiner deutschen Freunde.

In den vielen Jahren, die ich nun schon in Deutschland lebe, haben sich diese Freiheit und die Grundsätze der Demokratie zum Schwerpunkt meiner Arbeit entwickelt. Ich nutze sie. Ich bringe anderen ihren Wert bei. Ich verteidige sie. Unter allen Umständen. Doch das wird von Jahr zu Jahr schwieriger.

Es hat sich etwas verändert.

Ein Beispiel: Im November 2021 veröffentlichte ein Mann auf seiner Facebook-Seite einen langen Kommentar zu einem meiner Texte, in dem ich die Antirassismusdebatte kritisiert hatte. In dem Kommentar schrieb dieser Mann, ich sei ein Lügner, ein Schleimer, ein Opportunist, ein »Gehilfe der deutschen Rechtsextremisten«, der immer wieder mit verschiedenen Methoden versuche, Rassismus, Islamophobie und Menschenfeindlichkeit in Deutschland zu relativieren, zu verharmlosen und davon abzulenken. Er beschuldigte mich der Opfer-Täter-Umkehr. Außerdem schrieb er über mich: »Das Einzige, was er sich, wie die meisten deutschen Rassisten, nicht erlaubt, ist der offene Antisemitismus, weil er weiß, er würde es sich gänzlich verscherzen damit.« Der gesamte Post war noch länger. Der Inhalt blieb in etwa der gleiche.

Ein Facebook-Kommentar, in dem ich persönlich angesprochen werde, ist nicht ungewöhnlich. Ich bekomme jeden Tag Nachrichten, Kritiken und Kommentare, aber auch Bedrohungen und Beschimpfungen. Manche von ihnen machen mich traurig, andere machen mir Angst. Und wieder andere bringen mich zum Nachdenken, liefern mir Denkanstöße, zeigen mir Alternativen auf und helfen mir, meine Einstellungen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Diese Entwicklung findet auch statt im Gespräch mit Freunden, mit meiner Frau und in vielen Workshops und Diskussionen in Schulen, Gefängnissen und Veranstaltungen.

Kritik ist gut und wichtig, wenn sie denn konstruktiv ist, was dieser Facebook-Kommentar nicht mal ansatzweise war. Wahrscheinlich hätte ich ihn deshalb sogar komplett beiseitegelegt, wenn ich nicht herausgefunden hätte, dass der Verfasser dieses Kommentars der Integrationsbeauftragte des Landkreises München war. Also eigentlich ein Partner, ein Kollege, der das gleiche Ziel wie ich haben sollte: die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte, die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten.

Es hat sich etwas verändert.

Oder wie ist es sonst dazu gekommen, dass Menschen verstärkt das Gefühl haben, mich als unmündigen, nützlichen Idioten irgendwelcher Mächte, als Lügner oder als Gehilfen der Rechtsextremisten in Deutschland zu bezeichnen? Wann habe ich in meinem Leben mit Rechtsextremen kooperiert? Einladungen von ihnen angenommen oder für sie Werbung gemacht? Wer ist der Lügner bei der Behauptung, ich sei ihr Gehilfe? Laut meinen Unterlagen, die ich sehr genau kenne, bin ich vor allem Gehilfe von MIND prevention, meiner Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention. Wir bieten Workshops in Schulen, Asylunterkünften, Gefängnissen und Willkommensklassen an, um pädagogische Dialogplattformen durch Rollenspiele zu schaffen. Und um ehrlich zu sein, empfinde ich die Diskussionen in Gefängnissen mit Straftätern und Kriminellen mittlerweile als angenehmer, konstruktiver, zielorientierter und toleranter als viele andere Diskussionen. So wie zum Beispiel eine Podiumsdiskussion während der Islamkonferenz im November 2018, an die ich mich nicht gern erinnere – dabei hatte alles so vielversprechend begonnen.

Damals hatte das Landeskriminalamt Berlin entschieden, mich mit Personenschützern zu begleiten. Das ist eigentlich immer der Fall, wenn eine Veranstaltung mit mir öffentlich angekündigt und für die Allgemeinheit zugänglich ist. Im Fall von Hamed Abdel-Samad und Seyran Ateş, die ebenfalls eingeladen waren, entschied das LKA das Gleiche. Die Begleitung durch Personenschützer liegt nicht in unserer Hand, sondern ist das Ergebnis einer professionellen Bewertung unserer Sicherheit in einer bestimmten Situation. Was es nicht ist: eine Zurschaustellung unserer Wichtigkeit. Sie können mir glauben, es wäre mir lieber, auf Personenschützer verzichten zu können, denn diese Begleitung schränkt ein. Spontanität oder Intimität sind kaum möglich. Zudem ist das Ganze mit viel Arbeit verbunden, um alle logistischen Anforderungen zu erfüllen.

Nichtsdestotrotz war die Konferenz eine wirkliche Bereicherung. Viele, die in den Jahren zuvor in die Islamdebatte involviert gewesen waren, trafen aufeinander: Islamwissenschaftler, Pädagogen, Professoren, Verbandsvertreter, Journalisten, liberale Muslime und viele mehr. Endlich konnte ich persönlich mit Menschen sprechen, die ich bis dato nur aus den sozialen Medien oder Zeitungsartikeln gekannt hatte. Das brachte uns einander näher, manches Missverständnis klärte sich. Ich war stolz, dabei sein zu dürfen, und hoffnungsvoll, dass sich die Debatten jetzt anders entwickeln und neue Dialogplattformen entstehen würden.

Doch diese Hoffnung endete am zweiten Tag, als sich eine Vertreterin eines muslimischen Verbands während einer Diskussion meldete und sich darüber beschwerte, dass sich so viele LKA-Beamte im Saal aufhalten würden. Sie fragte uns: »Stelle ich eine Gefahr für Sie dar?« Die Situation bezeichnete sie als Theater, als etwas, das sie persönlich verletze.

Ich erschrak, als ich sah, dass die Hälfte der Menschen im Saal ihr leidenschaftlich applaudierten. Wir versuchten, uns zu erklären. Das sei nicht unsere Entscheidung. Wir würden hier nicht vor den Teilnehmern beschützt werden. Der Personenschutz sei in Situationen wie diesen einfach notwendig. Der Staatssekretär mischte sich ein, versuchte zu vermitteln. Es half nichts. Letztendlich war nicht die Tatsache das Problem, dass wir seit Jahren Personenschutz brauchten, weil wir bedroht wurden, sondern die Tatsache, dass sich Menschen dadurch gestört fühlten.

Auf dem Weg nach Hause dachte ich viel nach. War das wirklich alles Theater gewesen? War es auch Theater, als mich ein Mann beim Friseur erkannte und wütend wurde, mich anschrie, ich sei ein »Islamhasser« und »eine zionistische Schlampe« und mit einem Messer auf mich zukam? War es Theater, als ein arabischer Supermarktinhaber mich aus seinem Laden schmiss mit der Begründung, er wolle Verrätern nichts verkaufen? Oder als ein Mann bei einem Marktbesuch mit meiner Tochter meinte, er müsse hier und jetzt und sehr laut mit mir meine angeblich islamfeindlichen Einstellungen diskutieren? War der Taxifahrer Theater, der mich erkannt und daraufhin für den Rest der Fahrt Dschihad-Lieder abgespielt hatte?

 

Warum fühlen sich Menschen dazu berufen, mir und anderen liberalen Muslimen mit blinder Skepsis zu begegnen, wie beispielsweise Politiker, die, ohne sich jemals mit unserer Arbeit beschäftigt zu haben, vor uns warnen? Oder muslimische Aktivisten, die kein Problem damit haben, mit Islamisten zusammenzuarbeiten, dann aber zu einer meiner Veranstaltungen kommen, um ihren Unmut über meine Thesen zu äußern? Ich wiederhole an dieser Stelle noch mal ganz deutlich: Ich wünsche mir eine Diskussion. Sie muss nur sachlich sein. Eine Veranstaltung ohne Austausch von Argumenten und ohne Widerspruch halte ich für eine verlorene Veranstaltung. Und es gibt viele Menschen, die – egal welche Religion sie haben – konstruktiv diskutieren. Doch ihnen geht es nicht darum. Es geht ihnen darum, dafür zu sorgen, dass die Veranstaltung gestoppt wird.

Es gibt aber auch Menschen, die bei meinen Veranstaltungen gar nichts sagen, nur um mir hinterher in den sozialen Medien vorzuwerfen, ich sei rassistisch oder islamfeindlich, ohne jeden Beleg, ohne jedes Argument – ähnlich wie jener Mann, der auf Facebook einen Kommentar über mich geschrieben hatte.

Wo ist die Bereitschaft, bei den Themen Migration, Integration, Islam und Rassismus auch kritische oder neue Perspektiven zu erlauben? Warum werden diese Perspektiven so schnell in die Ecke des Rechtsextremismus gerückt und als ausländer- oder islamfeindlich abgestempelt?

Habe ich mich verändert, obwohl meine Thesen und Beschäftigungsfelder noch immer die gleichen sind? Ich versuche sogar, sensibler zu formulieren als früher und noch mehr den Dialog zu suchen. Oder hat sich die Gesellschaft verändert? Denn ich bemerke eine massive Verschärfung der Reaktionen auf meine Worte.

Ein Grund dafür ist sicherlich die AfD. Sie war das Schlimmste, das meiner Arbeit passieren konnte. Sie hat den Diskurs in diesem Land derartig vergiftet, dass eine sachliche Auseinandersetzung mit »ihren« Themen, nicht mehr möglich erscheint. Wer auch nur ansatzweise die Positionen der AfD vertritt, ist verbrannt. Ich frage mich, wie ich damit umgehen soll, dass eine Partei die gleichen islamkritischen Einstellungen wie ich hat, sie jedoch diese Themen aus Hass bespricht und ich aus Liebe zur Freiheit und zur Demokratie. Ich versuche dabei nicht zu verallgemeinern. Ich benenne das Problem und biete Lösungen an. Die AfD hingegen will Panik machen, Hass verbreiten und vor allem: Sie hat kein Interesse an Lösungen. Die AfD ist kein Partner. Sie hat nicht die Absicht, einen liberalen demokratischen Islam zu schaffen oder die Integration zu verbessern. Sie will nicht, dass Rassismus abgebaut wird. Sie hat Interesse daran, Probleme bestehen zu lassen, genau wie Islamisten übrigens, um dadurch Panik und Angst zu verbreiten. Das ist die Nahrung, die sie braucht, um weiter am Leben zu bleiben und zu wachsen.

Andere Parteien kritisiere ich übrigens auch. Die Naivität beispielsweise, mit der SPD, Linke, Grüne und auch Teile der CDU mit dem Thema umgehen. Ihre Migrations- und Integrationspolitik, ihre unkritische Haltung zur Identitätspolitik und manchmal auch die Zusammenarbeit mit dem politischen Islam. Und ja, das sollte man auch kritisieren. Aber in jeder dieser Parteien gibt es Partner, die meine Haltungen teilen und fördern oder mit ihrer Politik die Lage verbessern wollen. Das kann man in keiner Weise von der AfD behaupten.

 

Warum der Diskurs in den Bereichen Migration, Integration, Islam und Rassismus derart vergiftet ist, hat noch weitere Gründe. Einen davon habe ich schon genannt, und um ihn geht es in diesem Buch: der politische Islam. Er trägt zum Beispiel Mitverantwortung dafür, dass Menschen mit Migrationsgeschichte inzwischen pauschal als homogene religiöse Gruppe angesprochen und gedacht werden. Um sie zu erreichen, werden keine individuellen Maßnahmen entwickelt, die erst einmal nichts mit Religion zu tun haben, sondern es werden muslimische Verbände, Moscheen und religiöse Strukturen gefördert. Die Folge: Integrationsträger, zivilgesellschaftliche Organisationen, Integrationskurse und Dialogplattformen sind zum Teil von Akteuren des politischen Islam und ihren Sympathisanten durchzogen. Und so werden unter den Augen von Politik und Verwaltung viele Initiativen finanziert, die nicht im Sinne unserer demokratischen Grundprinzipien handeln und nicht das erreichen können, was sie erreichen sollen – im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv wirken. Projekte, in denen man zum Beispiel muslimische Jugendliche empowert, sind zu begrüßen. Bitte mehr davon. Projekte aber, in denen man muslimische Jugendliche in ihren religiösen Ansichten empowert, handeln nicht im Sinne der Demokratie und schaffen nur noch mehr Probleme.

Es geht mir hier nicht darum, Religiosität zu kriminalisieren. Es geht mir auch nicht darum, die Mitgestaltungswünsche religiöser Menschen abzulehnen. Es geht um die Einseitigkeit, mit der Menschen mit Migrationsgeschichte angesprochen werden. Und um die Naivität, mit der wir dem politischen Islam begegnen. Wer religiös sein will, ist frei, dies zu sein. Wer aber Einfluss nehmen will, um die Freiheit anderer zu unterdrücken, und das tut der politische Islam, handelt nicht demokratisch. Haben Sie sich schon mal gefragt, wie schwierig es für viele muslimische Frauen ist, hier und heute und in diesem Land selbstbestimmt zu leben? Einen Freund zu haben? Ihr Kopftuch abzulegen? Haben Sie sich schon mal gefragt, wie schwierig es an manchen Orten für Juden ist, sich frei zu bewegen? Oder für Islamkritiker? Wir waren da schon mal weiter.

Neben all diesen Entwicklungen ist noch etwas Weiteres, äußerst Kontraproduktives passiert: Uns ist die Streitkultur abhandengekommen. Die Ambiguitätstoleranz, die Fähigkeit also, Komplexität, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche auszuhalten, hat seit einigen Jahren massiv abgenommen. Ist das die Reaktion unserer Gesellschaft auf Rechtspopulismus? Auf die AfD? Hat man die Hoffnung, diese Partei bekämpfen zu können, indem man Themen, die sie für sich gekapert hat, nicht bearbeitet? Wo ist die Bereitschaft, sich darüber auszutauschen und die Feinde der Demokratie zu erkennen? Wo ist die Entschlossenheit, mit der man zu Recht dem Rechtsextremismus begegnet, wenn es um Islamismus geht?

Wo sind die Toleranz und der Respekt anderen Menschen gegenüber, die immer gefordert werden, die aber nicht für Meinungen zum Tragen kommt, die dem eigenen engen Weltbild nicht entsprechen? Harmonie in Blasen ist nicht das beste Ergebnis, das man in einer Demokratie haben kann.

Wer heute in der Politik Karriere machen möchte, vermeidet am besten alles, was kontrovers diskutiert werden könnte. Wir erziehen unsere Politiker im Moment dahingehend, dass sie bei den wichtigsten Themen unserer Gesellschaft keine Haltung mehr einnehmen, sondern sich in Relativierungen verlieren. Es sei denn, es geht um die AfD, da sind unsere Politiker leidenschaftlich. Wenn es aber um die Meinungsfreiheit, Integration oder den politischen Islam geht, sehe ich nur vereinzelt Menschen, die diese Themen öffentlich zu diskutieren wagen. Die große Masse der Abgeordneten beschäftigt sich damit nicht. Sind ja AfD-Themen. Wir bestrafen Menschen, die eine klare Haltung haben, und werfen ihnen Populismus vor.

Wir brauchen eine Rückkehr zur Bereitschaft, Kontroversen zuzulassen. Der ganze Bereich um Integration, Prävention, Deradikalisierung und Islam ist so einseitig geworden, dass jede Abweichung von unkritischer Betrachtung ein Grund ist, sie zu diskreditieren. Schon allein meine These, Integration sei auch eine Bringschuld der Zugewanderten, ist häufig ein Grund, mich als Nazi zu bezeichnen. Die Position, für ein Neutralitätsgesetz zu sein, also das Tragen von Kopftüchern bei Lehrerinnen, Polizistinnen oder Richterinnen abzulehnen, wird als rassistisch und diskriminierend bezeichnet. In manchen Kreisen lehnt man sogar den Begriff Islamismus ab. Politisch korrekt solle man »religiös begründeter Extremismus« sagen. Doch selbst dieser Begriff ist inzwischen umstritten, weil angeblich die Gefahr besteht, man könne Extremismus mit Religion vermischen. Das Problem: Beim Islamismus ist genau das der Fall. Genauso ablehnend wird reagiert, wenn man religiöse Aspekte als Ursachen für Radikalisierung nennt.

Ob man über Rassismus, Islamismus, Integration, Gewalt unter Jugendlichen, Gewalt im Namen der Ehre oder Antisemitismus spricht, die einzige Ursache für Probleme bei diesen Themen scheint inzwischen die Mehrheitsgesellschaft zu sein. Und statt Muslime als mündige Menschen zu behandeln, die für ihr eigenes Handeln Verantwortung übernehmen können und müssen, statt solche Probleme auf unterschiedlichen Ebenen zu betrachten, werden sie als Opfer gesehen. Die These: Sie radikalisieren sich und sind antisemitisch, weil sie diskriminiert werden.

Solche Sichtweisen sind in den Postcolonial Studies und in der Identitätspolitik sehr verbreitet und haben natürlich ihre Berechtigung im Diskurs. Was allerdings nicht passieren darf, ist, dass der ganze Diskurs damit gekapert wird, so dass andere Sichtweisen nicht nur verhindert, sondern sogar bekämpft werden.

Doch heute hört man anscheinend lieber Menschen zu, die sagen, dass Integration wunderbar funktioniere. Man möchte nicht hinschauen, weil es unbequem ist. Man will glauben, wir hätten es geschafft. Man möchte Vielfalt als Bereicherung empfinden – und nur das. Dass es dabei auch Probleme gibt, die wir lösen müssen, stört die Harmonie. Und so werden diejenigen, die auf Probleme hinweisen, um sie zu lösen, nicht als Brückenbauer gesehen – sondern als Krawallmacher.

Warum es so schwierig ist, von Islamismus und Unterwanderung zu sprechen

Im Jahr 2016 wurde zum ersten Mal der European Islamophobia Report veröffentlicht. Laut Eigenbeschreibung bietet er »eine allgemeine Bewertung zur Islamophobie in Europa«. Seitdem erscheint er jedes Jahr und nimmt jeweils Bezug auf das Jahr zuvor. Im European Islamophobia Report 2017 steht im Abschnitt über Österreich zum ersten Mal mein Name.[1] Ich war fassungslos, als ich las, dass ich angeblich zu den lautstärksten islamophoben Stimmen in der Öffentlichkeit gehöre.

Ich war nicht der einzige liberale Muslim, der in diesen Reports als antimuslimisch und islamophob bezeichnet und auf die gleiche Stufe gestellt wurde wie Rechtsradikale, Rassisten und Menschen, die Gewalt auf Muslime ausüben. Auch Mouhanad Khorchide, Wissenschaftler und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Münster, oder Hamed Abdel-Samad und Necla Kelek wurden undifferenziert als islamophob bezeichnet.

Ein Jahr später, als das Projekt sogar durch Gelder der Europäischen Union unterstützt wurde, war die Ausdrucksweise zwar eine gemäßigte – das Wort »islamophob« wurde zumindest in unserem Zusammenhang nicht mehr verwendet –, dennoch wurde mir in diesem Islamophobia Report vorgeworfen, muslimische Stimmen systematisch aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

Aus Islamkritikern wurden Islamhasser gemacht. Das ist eine typische Reaktion von Akteuren des politischen Islam auf jegliche Kritik. Auch wenn diese noch so berechtigt und differenziert ist: Es wird daraus immer eine Phobie gemacht. Auseinandersetzung beendet, im Keim erstickt.

Was hatten wir getan, dass man uns Islamophobie vorwarf? Wir hatten öffentlich Kritik an religiösem Fundamentalismus, am politischen Islam und der dahinterstehenden Ideologie geäußert. Wir hatten über die Versuche von Islamisten gesprochen, demokratische Gesellschaften zu unterwandern. Wir hatten versucht, europäischen Muslimen eine liberale Perspektive anzubieten. War unsere Kritik angebracht und berechtigt? Ich meine: unbedingt. Ist der politische Islam ein Thema, das emotional aufgeladen ist, deshalb oft nicht sachlich betrachtet und dadurch zu einem Tabuthema wird? Leider ja. Sollten wir als Gesellschaft trotzdem offen darüber sprechen? Es führt kein Weg daran vorbei! Um all das geht es in diesem Buch.

Wovon sprechen wir hier eigentlich?

Zunächst ein paar Begriffsklärungen. Obwohl die Begriffe »Islamismus« und »politischer Islam« gleichgesetzt werden können, darf nicht der Fehler gemacht werden, dies mit den Begriffen »Islamismus« und »Islam« auch zu tun: Islamisten sind nicht gleich Muslime.

Muslime sind eine sehr heterogene Gruppe. Es gibt Sunniten, Schiiten, Aleviten, Ahmadis und viele weitere kleinere Gruppierungen. Es gibt unterschiedliche Ethnien, Kulturen, Herkunftsländer und Konfessionen. Es gibt liberale und konservative Muslime. Muslime, bei denen Religion eine große Rolle im Leben spielt wie etwa bei den Sufis, aber auch sogenannte Kulturmuslime, die den Islam nicht praktizieren, sich aber einer islamischen Kultur zugehörig fühlen.

Selbst der politische Islam ist kein einheitliches Phänomen. und die unterschiedlichen Strömungen sind nicht immer klar voneinander abgrenzbar. Zudem fehlt es an einer wissenschaftlichen Definition. Der Verfassungsschutz spricht beispielsweise von »legalistischem Islamismus«, wenn er den politischen Islam meint. Ich selbst fasse unter dem Begriff »politischer Islam« Ideologien zusammen, die Religion nicht nur spirituell verstehen und praktizieren, sondern ihr eine politische Dimension hinzufügen, indem sie einen Systemwechsel anstreben. Diese Ideologien sehen im Islam eine universale, gottgewollte Ordnung, die jeden, wirklich jeden Bereich des Lebens umfasst. Der Islam, so ihre Überzeugung, ist also nicht nur eine persönliche, privat religiöse Angelegenheit, sondern auch eine juristische und politische. Individualität, Pluralismus, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Säkularität, Volkssouveränität und viele andere Fortschritte, die demokratische Gesellschaften ausmachen, werden abgelehnt. Nur religiöse Gebote und heilige Texte entsprechen dem Willen Allahs, haben einen Absolutheitsanspruch gegenüber anderen gesellschaftlichen Modellen und stehen somit über jeder weltlichen, von Menschen gemachten Ordnung. Das Ziel ist eine Staats- und Gesellschaftsordnung, in der nach den Bestimmungen der religiösen Gesetze des Islam, der Scharia, regiert wird.

Die Fragen, bei denen sich islamistische Gruppierungen unterscheiden, sind: Wie wollen wir unsere Ziele erreichen? Und: Wie groß ist unsere Bereitschaft, bei bestimmten, nicht grundsätzlich religiösen und politischen Fragen, Reformgedanken zuzulassen?

Zu den wesentlichen Hauptrichtungen des politischen Islam, und auch hier gibt es keine einheitlichen, klar