Orthopädie für Hausärzte - Sandra Krüger - E-Book

Orthopädie für Hausärzte E-Book

Sandra Krüger

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Beschreibung

Neben den klassischen internistischen und psychischen Erkrankungen sind Erkrankungen des Bewegungsapparats die häufigsten Konsultationen beim Hausarzt (20-30%). Die hausärztliche Kompetenz bei der Behandlung orthopädischer Störungen, insbesondere der Schmerztherapie, steht und fällt aber mit den Fertigkeiten zur Analyse des Patientenproblems, also bei der Anamnese und der klinischen Untersuchung. Nicht immer ist eine Überweisung an den Spezialisten notwendig, viele diagnostische Methoden und therapeutische Behandlungen sind auch in der Hausarztpraxis gut umzusetzen. Das Buch gibt aber auch klare Empfehlungen, wann eine Überweisung an den Spezialisten angezeigt ist. Neu in der 2. Auflage: Durchgehend didaktische Hervorhebungen wie: Tipps für die Befundinterpretation Empfehlungen für die Patientenkommunikation/-information Hilfe für die Therapieentscheidung Orientierungshilfen bei schwierigen Differenzialdiagnosen

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Seitenzahl: 544

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Sandra Krüger

Orthopädie für Hausärzte

Anamnese, Diagnostik und konkrete Therapieoptionen

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Orthopädie für Hausärzte

Sandra Krüger

Programmbereich Medizin

Dr. Sandra Krüger

Eigerstrasse 59

13089 Berlin

[email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe AG

Lektorat Medizin

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel: +41 31 300 45 00

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Bearbeitung: Dr. med. vet. Anja Becker, Riemerling (b. München)

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: iStock/AlexRaths

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag, Bern

© 2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95875-0)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75875-6)

ISBN 978-3-456-85875-3

http://doi.org/10.1024/85875-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort zur 1. und 2. Auflage

Vorwort

1 Allgemeines

1.1 Die Bedeutung des Hausarztes

1.2 Stellung und Bedeutung der Orthopädie in der Allgemeinmedizin

1.3 Leitsätze

1.3.1 Diagnostik

1.3.2 Therapie

1.3.3 Physiologie

1.3.4 Schmerz

1.4 Leitlinien

2 Orthopädische Notfälle

2.1 Orthopädische Notfallsituationen

2.1.1 Akute Epiphyseolysis capitis femoris (Juvenile Epiphysenlösung)

2.1.2 Eitrige Arthritis beim Säugling

2.1.3 Osteomyelitis im Kleinkindesalter

2.1.4 Schädigung des N. ischiadicus

2.1.5 Rückenmarkskompressionssyndrome

2.1.6 Cauda-equina-Syndrom

2.1.7 Phlegmone (Sehnenscheidenphlegmone)

2.1.8 Periphere Embolie (Arterieller Verschluss)

2.1.9 Thromboembolie

2.2 Posttraumatische Notfallsituationen

2.2.1 Schenkelhalsfraktur bei Kindern

2.2.2 Frakturen und Luxationen mit Kompressionen von Nerven und Gefäßen, Druck auf die Haut von innen

2.2.3 Instabile Wirbelkörperfraktur

2.2.4 Offene Fraktur

2.2.5 Tibiafraktur mit Dislokation und drohendem Hautschaden

2.3 Dringend erforderliche Diagnosestellung

2.3.1 Kongenitale Hüftgelenksluxation

2.3.2 Kongenitaler Klumpfuß

2.3.3 Septische Arthritis, Osteomyelitis, tuberkulöse Arthritis

2.3.4 Infantile Zerebralparese (Morbus Little)

2.3.5 Morbus Perthes

2.3.6 Juvenile Hüftkopfepiphysenlösung

3 Erkrankungen und Verletzungen der oberen Extremitäten

3.1 Schulter

3.1.1 Schulterdiagnostik

3.1.2 Schultergelenksluxation

3.1.3 Omarthrose

3.1.4 Arthritis im Schultergelenk

3.1.5 Fraktur im Schultergelenk

3.1.6 Akromioklavikulargelenksluxation

3.1.7 Akromioklavikulargelenksarthrose

3.1.8 Frozen Shoulder (Schultersteife)

3.1.9 Impingement-Syndrom

3.1.10 Rotatorenmanschettenläsion

3.1.11 Klavikulafraktur

3.1.12 Schulterblattknarren

3.1.13 Periarthropathia humeroscapularis

3.1.14 Tendinosis calcarea

3.1.15 Bursitis subacromialis

3.2 Oberarm und Ellbogen

3.2.1 Ellbogendiagnostik

3.2.2 Ellbogenfraktur

3.2.3 Ellbogenluxation

3.2.4 Bizepssehnenruptur

3.2.5 Epicondylitis radialis und ulnaris

3.2.6 Bursitis olecrani

3.3 Unterarm und Handgelenk

3.3.1 Handgelenksdiagnostik

3.3.2 Radiusfraktur loco classico

3.3.3 Handgelenksdistorsion

3.3.4 Handgelenksarthrose

3.3.5 Karpaltunnelsyndrom

3.3.6 Ganglion („Überbein“)

3.3.7 Loge-de-Guyon-Syndrom

3.3.8 Hygrom

3.3.9 Tendovaginitis crepitans und Peritenonitis

3.4 Hand

3.4.1 Fingerpolyarthrose

3.4.2 Rheumatoide Arthritis (Chronische Polyarthritis)

3.4.3 Raynaud-Phänomen

3.4.4 Tenovaginitis stenosans der Fingerbeugesehnen (Schnellender Finger)

3.4.5 Morbus Dupuytren (Dupuytren’sche Kontraktur)

3.4.6 Sehnenscheidenentzündung

3.4.7 Tendovaginitis stenosans de Quervain

3.4.8 Panaritium

3.4.9 Paronychie (Nagelfalzinfektion)

3.4.10 Schwielenabszess

3.4.11 Osteomyelitis der Finger

3.4.12 Lunatumnekrose (Kienböck’sche Krankheit)

3.4.13 Skaphoidfraktur

4 Erkrankungen und Verletzungen des Achsenskeletts

4.1 Wirbelsäule

4.1.1 Wirbelsäulendiagnostik

4.1.2 Rückenschmerzen

4.1.3 Zervikalgie

4.1.4 Zervikozephalgie

4.1.5 Zervikobrachialgie

4.1.6 Zervikale Myelopathie

4.1.7 Thorakalsyndrom (BWS-Syndrom)

4.1.8 Lumbalgie

4.1.9 Lumboischialgie

4.2  Thorax

4.2.1 Rippenfraktur/-prellung

4.2.2 Interkostalneuralgie

4.2.3 Tietze-Syndrom (Chondroosteopathia costalis, Chondropathia tuberosa)

4.2.4 Engpasssyndrom/​Thoracic-Outlet-Syndrom

4.3 Sakrum und Becken

4.3.1 Beckenfraktur

4.3.2 Steißbeinfraktur/-prellung

4.3.3 Kokzygodynie

5 Erkrankungen und Verletzungen der unteren Extremitäten

5.1 Hüfte

5.1.1 Diagnostik des Hüftgelenks

5.1.2 Koxarthrose

5.1.3 Femurkopfnekrose

5.1.4 Schenkelhalsfraktur

5.1.5 Pertrochantere Fraktur

5.1.6 Impingement-Syndrom (Femoroazetabuläres Impingement)

5.1.7 Musculus-piriformis-Syndrom

5.1.8 Bursitis trochanterica

5.1.9 Schnellende Hüfte

5.1.10 Meralgia paraesthetica

5.2 Oberschenkel

5.2.1 Myositis ossificans (des M. quadriceps)

5.2.2 Quadrizepssehnenruptur

5.2.3 Adduktorenverletzung/Adduktorenzerrung

5.3 Knie

5.3.1 Kniediagnostik

5.3.2 Gonarthrose (Kniegelenksarthrose)

5.3.3 Kontusionen/Distorsionen des Kniegelenks

5.3.4 Persistierender Gelenkerguss

5.3.5 Meniskusläsion

5.3.6 Meniskusganglien

5.3.7 Baker-Zyste (Poplitealzyste)

5.3.8 Patellaspitzensyndrom (Jumper’s Knee)

5.3.9 Patellaluxation

5.3.10 Chondropathia patellae (Jogger’s Knee)

5.3.11 Patella bipartita

5.3.12 Bursitis praepatellaris

5.3.13 Verletzung der Kniegelenkbänder

5.3.14 Achsenfehlstellung (Genu varum und Genu valgum)

5.4 Unterschenkel

5.4.1 Achillodynie

5.4.2 Achillessehnenruptur

5.4.3 Unterschenkelfraktur

5.4.4 Tibiakopffraktur

5.5 Sprunggelenk

5.5.1 Diagnostik des oberen Sprunggelenks

5.5.2 Sprunggelenksdistorsion

5.5.3 Knöchelbruch

5.6 Fuß

5.6.1 Fußdiagnostik

5.6.2 Fersensporn (Plantare Fasziitis)

5.6.3 Haglund-Exostose

5.6.4 Pathologische Fraktur – Ermüdungsfraktur/Marschfraktur

5.6.5 Sinus-tarsi-Syndrom

5.6.6 Metatarsalgie

5.6.7 Dorsale Fußgeschwulst (Fußhöcker)

5.6.8 Senk-Spreizfuß

5.6.9 Knickfuß

5.6.10 Gicht (Hyperurikämie)

5.6.11 Hallux valgus

5.6.12 Hallux rigidus

5.6.13 Schnellende Großzehe

5.6.14 Hammer- und Krallenzehen

5.6.15 Clavus („Hühnerauge“)

5.6.16 Plantare Warze (Dornwarze, Verruca plantaris)

5.6.17 Morton-Neuralgie

5.6.18 Morbus Ledderhose

5.6.19 Diabetisches Fußsyndrom

6 Generalisierte Erkrankungen und Verletzungen

6.1 Schmerz

6.2 Adipositas

6.3 Osteoporose

6.4 Fibromyalgie

6.5 Deformitäten

6.6 Lähmungen

6.7 Steife Gelenke

6.8 Kontraktur

6.9 Myofaszialer Triggerpunkt

6.10 Arthrose

6.11 Rheuma

6.12 Rheumatoide Arthritis

6.13 Psoriasis-Arthritis (Arthritis psoriatica)

6.14 Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)

6.15 Bursitis

6.16 Osteitis/Osteomyelitis

6.17 Infektion

6.18 Ansatztendinitis (Insertionstendopathie, -tendinose)

6.19 Tumoren

6.19.1 Enchondrom/Chondrom

6.19.2 Osteoid-Osteom

6.19.3 Osteochondrom

6.19.4 Aneurysmatische Knochenzyste

6.19.5 Knochenmetastasen

6.19.6 Multiples Myelom (Plasmozytom oder Plasmazellmyelom)

6.19.7 Riesenzelltumor

6.19.8 Chordom

6.19.9 Osteosarkom

6.19.10 Chondrosarkom

6.19.11 Ewing-Sarkom

6.19.12 Hämangiom

6.20 Morbus Forestier (Diffuse idiopathische Skeletthyperostose)

6.21 Muskelzerrung/Muskel(faser-)riss

6.22 Sehnenruptur

6.23 Luxation und Bandverletzung

6.24 Pathologische Fraktur

6.25 Verkalkungen

6.26 Myositis ossificans

6.27 Chondrokalzinose (Pseudogicht)

6.28 Gicht (Arthritis urica)

6.29 Venöse Thromboembolie

6.30 Komplexe regionale Schmerzsyndrome, Sudeck-Syndrom, Algodystrophie

7 Kinderorthopädie

7.1 Normale Entwicklung und Normvarianten

7.1.1 Wachstumsschmerzen

7.1.2 Skelettreife

7.1.3 Beinachsen im Kindesalter

7.1.4 Coxa valga

7.1.5 Torsionsprobleme an den unteren Extremitäten

7.1.6 Torsionsvarianten am Schenkelhals (Coxa antetorta, Coxa retrotorta)

7.1.7 Fußgewölbe

7.2 Kongenitale Störungen

7.2.1 Angeborener Klumpfuß

7.2.2 Coxa vara

7.2.3 Kongenitale Hüftgelenksdysplasie

7.2.4 Scheibenmeniskus (Meniscus discoides)

7.2.5 Schnellender Daumen (Tendovaginitis stenosans)

7.2.6 Kielbrust (Pectus carinatum)

7.2.7 Trichterbrust (Pectus excavatum, Pectus infundibiliforme)

7.2.8 Kongenitale und sekundäre Wirbelfehlbildungen

7.2.9 Muskeldystrophie

7.2.10 Osteogenesis imperfecta (Osteopsathyrosis, angeborene Knochenbrüchigkeit, Glasknochenkrankheit)

7.3 Orthopädische Erkrankungen

7.3.1 Bakterielle Arthritis (Säuglingskoxitis)

7.3.2 Osteomyelitis im Kindesalter

7.3.3 Juvenile Osteochondrose (Aseptische Knochennekrose)

7.3.4 Skoliose

7.3.5 Morbus Scheuermann (Juvenile Kyphose)

7.3.6 Coxitis fugax (Hüftschnupfen)

7.3.7 Juvenile Epiphysenlösung

7.3.8 Morbus Perthes (Juvenile Hüftkopfnekrose)

7.3.9 Morbus Osgood-Schlatter

7.3.10 Osteochondrosis dissecans

7.3.11 Plattfuß

7.4 Frakturbehandlung

7.4.1 Fehlstellungen und Wachstum

7.4.2 Grünholzfraktur

7.4.3 Epiphysenfraktur

7.4.4 Ellbogenfraktur

7.4.5 Schenkelhalsfraktur

8 Neuroorthopädie

8.1 Nervenengpasssyndrom

8.2 Multiple Sklerose

8.3 Neurogene Arthropathie

9 Orthopädie und Psyche – Psychosomatik in der Orthopädie

9.1 Schmerzwahrnehmung

9.2 Konversion

9.3 Somatoforme Störung

9.4 Posttraumatische Belastungsstörung

9.5 Therapie psychosomatischer Störungen

10 Sportmedizin

10.1 Prävention als Ziel der Sportmedizin

10.2 Leistenschmerz

10.3 Syndrom des thorakolumbalen Übergangs (Maigne-Syndrom)

11 Musikermedizin

12 Diagnostik

12.1 Anamnese

12.2 Körperliche Untersuchung

12.2.1 Inspektion (Beobachtung)

12.2.2 Palpation

12.2.3 Messung der Bewegungsausmaße

12.2.4 Weitere Messungen

12.2.5 Muskelprüfung

12.2.6 Auskultation

12.2.7 Neurologische Untersuchung

12.2.8 Angiologische Untersuchung

12.3 Bildgebende Verfahren

12.3.1 Röntgen

12.3.2 Durchleuchtung und interventionelle Radiologie

12.3.3 Tomografie

12.3.4 Kontrastmitteluntersuchungen

12.3.5 Sonografie (Ultraschall)

12.3.6 Magnetresonanztomografie

12.3.7 Computertomografie

12.3.8 Nuklearmedizin (Szintigrafie, SPECT, PET)

12.3.9 Osteodensitometrie

12.4 Invasive Verfahren

12.4.1 Gelenkpunktion

12.4.2 Gewebebiopsie

12.4.3 Arthroskopie

12.4.4 Phlebografie

12.4.5 Diagnostische Anwendung von Lokalanästhetika

12.5 Laboruntersuchungen

12.5.1 Entzündung

12.5.2 Osteoporose

12.5.3 Rheuma

12.5.4 Hämostaseologische Parameter

12.6 Diagnostik nach anatomischen Gebieten

12.6.1 Schultergelenk

12.6.2 Ellbogengelenk

12.6.3 Handgelenk

12.6.4 Halswirbelsäule

12.6.5 Lendenwirbelsäule

12.6.6 Hüftgelenk

12.6.7 Kniegelenk

12.6.8 Oberes Sprunggelenk und Fuß

13 Therapien

13.1 Medikamente

13.1.1 Analgetika

13.1.2 Nicht steroidale Antirheumatika

13.1.3 Muskelrelaxanzien

13.1.4 Schmerzmodulatoren

13.1.5 Kortikosteroide

13.1.6 Antibiotika

13.1.7 Disease-modifying antirheumatic Drugs

13.1.8 Biologika

13.2 Fixierende Verbände

13.2.1 Tapeverband (Taping)

13.2.2  Flossing

13.3 Infiltrationstherapie

13.3.1 Lokale Injektion

13.3.2 Intraartikuläre Infiltration

13.3.3 Triggerpunktinfiltration

13.3.4 Quaddeln

13.3.5 Periradikuläre Therapie

13.3.6 Facettengelenksinfiltration

13.3.7 Epidurale Infiltration

13.4 Physiotherapie

13.5 Krankengymnastik (Bewegungstherapie, Heilgymnastik)

13.5.1 Medizinische Trainingstherapie/Krankengymnastik am Gerät

13.5.2 Muskeltraining

13.5.3 Gehschule

13.5.4 Lockerungsgymnastik

13.5.5 Haltungsgymnastik

13.5.6 Rückenschule

13.5.7 Bewegungsbad

13.5.8 Nordic Walking

13.5.9 Pilates

13.5.10 Propriozeptive sensomotorische Fazilitation („Kurzer Fuß nach Janda“)

13.6 Ergotherapie

13.7 Massage

13.8 Entspannungstraining

13.9 Physikalische Therapie

13.10 Manuelle Medizin

13.11 Osteopathie

13.12 Traditionelle Chinesische Medizin

13.13 Akupunktur

13.14 Stoßwellentherapie

13.15 Röntgenbestrahlung

13.16 Radiosynoviorthese

13.17 Hilfsmittel

13.17.1 Maßeinlagen

13.17.2 Orthopädische Schuhzurichtung

13.17.3 Orthopädische Schuhe

13.17.4 Bandagen

13.17.5 Orthesen

13.17.6 Prothesen

13.17.7 Gehhilfen

13.17.8 Spezielle Hilfsmittel

13.18 Operative Verfahren

14 Nachbehandlung

14.1 Nachbehandlung kindlicher Fraktur

14.2 Nachbehandlung nach Hüftgelenksoperation

14.2.1 Hüftgelenksarthroskopie

14.2.2 Hüftgelenkstotalendoprothese

14.3 Nachbehandlung nach Kniegelenksoperation

14.3.1 Meniskusteilentfernung

14.3.2 Meniskusnaht

14.3.3 Vordere Kreuzbandplastik

14.3.4 Vordere Kreuzbandplastik mit Meniskusnaht

14.3.5 Hintere Kreuzbandplastik

14.3.6 Operative Versorgung bei Patellareluxation

14.3.7 Knorpeltransplantation

14.3.8 Kniegelenksendoprothese

14.4 Nachbehandlung nach Achillessehnennaht

14.5 Nachbehandlung nach Schulteroperationen

14.5.1 Schulterinstabilität – Stabilisierung mittels Anker/Naht

14.5.2 Subakromiale Dekompression und Akromioklavikulargelenkresektion

14.5.3 Rotatorenmanschettenrekonstruktion

14.5.4 Anatomische Schultergelenksprothese

14.5.5 Inverse Schultergelenksprothese nach Grammont

14.6 Nachbehandlung nach Amputation

14.7 Vermeidbare postoperative Komplikationen

14.7.1 Wundheilungsstörung

14.7.2 Hämatom, Nachblutungen

14.7.3 Zirkulationsstörungen

14.7.4 Thromboembolie

14.7.5 Knochennekrose und Pseudarthrose

14.7.6 Wachstumsstörung und Fehlstellungen

14.7.7  Infektionen

15 Medizinische Rehabilitation

15.1 Grundlagen

15.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

15.3 Biopsychosoziales Modell

15.4 Sozialmedizinische Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitationsmaßname

15.4.1 Reha-Bedürftigkeit

15.4.2 Reha-Fähigkeit

15.4.3 Positive Reha-Prognose

15.4.4 Verfahren nach § 51 SGB V und § 145 SGB III

15.5 Reha-Nachsorge

15.6 Reha-Sport und Funktionstraining

15.7 Stufenweise Wiedereingliederung

Schlusswort: Rückblende und Visionen

Abkürzungsverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|15|Geleitwort zur 1. und 2. Auflage

Wussten Sie, dass beim ersten Arztbesuch junger Menschen orthopädische Krankheiten an erster Stelle stehen?

Statistiken zufolge machen Unfalltraumata, Verletzungsfolgen, degenerative Krankheiten von Gelenken (Arthrosen), Rückenbeschwerden und die sogenannten rheumatischen Krankheiten einen Hauptanteil aller behandlungsbedürftigen Beschwerden aus, also auch einen großen Teil derer, wegen denen ein Hausarzt aufgesucht wird. Sicher kommen einige dieser Patienten früher oder später in die Behandlung eines orthopädischen Chirurgen; zunächst brauchen sie alle aber einen mit orthopädischen Problemen vertrauten Arzt. Mithilfe dieses Buches gehören auch Sie zu dieser privilegierten Gruppe.

Und tatsächlich können Sie, kann jeder Allgemeinarzt, der sich dafür interessiert, viele dieser Patienten selbst beraten – und auch selbst behandeln, ohne sie gleich zum Orthopäden oder gar direkt zum Radiologen überweisen zu müssen. Wie soll das in einer Allgemeinpraxis möglich sein? Ohne viele teure Apparate? Dieses Buch zeigt es Ihnen.

Was braucht es dazu an Investitionen? Erstaunlich wenig: Nebst dem üblichen Labor genügt ein einfacher Röntgenapparat, mit dem sich konventionelle Extremitätenröntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen lassen. Mithilfe eines einfachen Hand-, Arm-, Fuß-, Knie- oder Beinröntgenbildes können Sie, mit einiger Kenntnis und Erfahrung auf diesem Gebiet, einen großen Teil Ihrer Patienten professionell untersuchen, oft mit dem Ergebnis eindeutiger kausaler Diagnosen oder aber mit Arbeitsdiagnosen. Konventionelle Röntgenbilder sind dank ihres einzigartig hohen Auflösungsvermögens eine unschätzbare Hilfe in der Orthopädie. Der Hausarzt, der sie zu lesen versteht, hat die Nase vorn. Sollten Ihre Patienten Angst vor dem Röntgen haben, können Sie sie mit gutem Gewissen beruhigen: Bei den niedrigen Dosen für Extremitätenröntgenbilder wurden nie Schäden nachgewiesen.

Diagnostik

Die erste diagnostische „Triage“ ist wegweisend. Sie liegt immer beim Hausarzt. In diesem Buch finden Sie praktische Hinweise dazu. Schon das erste Kapitel liefert das Wichtigste: Hinweise zum Umgang mit Notfällen, kritischen Situationen, Alarmzeichen, Fallgruben. In der Orthopädie sind echte Notfälle selten. Diese aber muss man kennen, ebenso wie die heiklen Situationen, die zu übersehen schwerwiegende Folgen für die Betroffenen hätten. Dazu gehören einige typische orthopädische Störungen im vorpubertären Wachstumsalter, die auch der Hausarzt kennen muss.

Im Folgenden konzentriert sich das Buch auf die orthopädische Diagnostik in der Allgemeinpraxis – inklusive Hilfe zur Interpretation der eigenen Röntgenbilder. Da der Hausarzt bei der Diagnostik orthopädischer Patienten eine zentrale Rolle spielt, liegt das Hauptaugenmerk des Buches auf der Kunst der Diagnosestellung. |16|Nach bewährter Grundregel der Diagnostik gehen wir Ärzte von einer Hypothese, einer „Arbeitsdiagnose“, aus. Bei der Planung der weiteren Untersuchungen spielt der Hausarzt erneut die entscheidende Rolle als Drehscheibe. Auch nach der ersten Triage behält er das weitere Prozedere in seiner Hand. Er ist nahe an seinen Patienten, kennt sie oft schon ein Leben lang und kann rasch entscheiden: Wie weiter? Ist es ein Notfall? Welche Dringlichkeit? Abwarten? Abklären? Wie und wann? Und wann ist es Zeit für eine Überweisung an den Fachorthopäden? Was ist, wenn sich mit den getroffenen Maßnahmen keine Besserung einstellt? Wann ist es Zeit für weitere Abklärungen? Die kritischen Fälle zu erkennen, ist eine der anspruchsvolleren Aufgaben des Hausarztes.

Des Weiteren wird in diesem Buch die Bedeutung der bildgebenden Verfahren (MRT, CT etc.) bei der Diagnostik von Verletzungen und Krankheiten des muskuloskelettalen Systems thematisiert, ihr Anwendungsbereich und ihre Gefahren werden kritisch beleuchtet. Dass die Bilder nur im Zusammenhang mit Anamnese und allen anderen Befunden verwertbar sind, gilt nach wie vor. Der Allgemeinarzt kennt seine Patienten gut und kann die weitere Abklärung organisieren, ohne einem starren, theoretischen Algorithmus folgen zu müssen. Krügers Buch ist ein Wegweiser durch diese Planung.

Therapie

Als Hausarzt können Sie Ihre Patienten professionell begleiten, mit kompetenter und doch einfühlsamer Beratung – und immer auch mit einer breiten Palette von Behandlungen: Eine symptomatische Therapie ist in den meisten Fällen erwünscht, notwendig und auch wirksam. Die Patienten sind Ihnen dafür dankbar. Kommt schließlich eine spezifische orthopädische Therapie infrage, haben Sie als Hausarzt immer noch manchen Pfeil im Köcher: einfache lokale Applikationen bei unspezifischen Glieder- und Rückenschmerzen, Physiotherapie, kleine, aber wirksame orthopädische Hilfen, etwa für Zehenprobleme, Schuheinlagen, Stützen, Bandagen, Schienen, Gehhilfen, das ganze Arsenal der Orthopädietechnik.

Gelenkoperationen und Osteosynthesen gehören heute zu den häufigsten und erfolgreichsten Operationen weltweit. Könnte eine solche Operation auch der Patientin, die Ihnen gerade im Sprechzimmer gegenübersitzt, helfen? Sie allein, als ihr Hausarzt, kennen ihre Nöte, ihre individuelle Situation. Welche Totalprothese ist die beste, die neueste? Diese unangebrachte Frage hören wir Orthopäden von vielen Patienten. Zwar ist der Gelenkersatz bei degenerativen Gelenkleiden eine der dankbarsten orthopädischen Operationen; entscheidend sind jedoch die richtige Indikation, der richtige Zeitpunkt und der richtige Operateur. Diesen kennt der Hausarzt, und mit ihm zusammen erarbeitet er die spezifische Indikation für diesen Patienten.

Dem Allgemeinarzt kommt eine zentrale Funktion bei der präoperativen Patienteninformation zu. Sie ist zu einem der wichtigsten Themen der orthopädischen Chirurgen überhaupt geworden (nicht zuletzt aus Angst vor Haftpflichtklagen). Vom Kleingedruckten in den obligaten Operationskonsensformularen verängstigte Patienten suchen Trost und Antworten auf ihre brennenden Fragen: Brauche ich eine Narkose? Ist das nicht schädlich für das Gedächtnis? Was aber, wenn ich wach bleibe und alles mitbekomme? Reicht auch eine lokale oder regionale Anästhesie? Die Aufklärung der Anästhesisten, so notwendig sie ist, kommt für die Patienten meist zu kurz vor der Operation, um sie in Ruhe verarbeiten zu können.

Was sie am meisten interessiert, ist das Drum und Dran vor und nach einer Wahloperation, die perioperativen Probleme: Wie lange muss ich im Spital bleiben? Wie lange dauert so eine Operation? Welche Vorabklärungen sind nötig? Wo und wie lange muss ich zur Reha? Wann kann ich wieder laufen? Wann wieder Tennis spielen? Wie lange schreiben Sie mich arbeitsunfähig? Statt Details zu einzelnen Operationen betont dieses Buch deshalb die begleitenden Abläufe, |17|vor, während und nach der Operation, all das eben, was die Patienten wissen möchten.

Und wenn die frisch Operierten sehr früh aus dem Spital nach Hause entlassen werden, hat der weiterbehandelnde Hausarzt eine weitere, immer größere und oft wenig dankbare Aufgabe, nämlich die postoperative Nachbehandlung und Nachkontrolle von Patienten mit künstlichen Gelenken, osteosynthetisierten Frakturen, Infektionen am Bewegungsapparat und deren Komplikationen. Auch dazu findet der Leser Rat in diesem Buch: Welche Belastung ist möglich? Welche Physiotherapie ist angebracht? Welches sind die häufigsten und welches die bedeutendsten postoperativen Komplikationen? Welche Alarmzeichen sind bei Infektionen, welche bei Blutungen unter Thromboseprophylaxe zu beachten? Welche Nachkontrollen müssen durchgeführt werden? In welchen Abständen? Müssen oder sollen Metallimplantate entfernt werden? Mit den definitiven Implantaten (Prothesen) häufen sich auch deren Spätkomplikationen (Lockerungen). Solche und weitere wichtige Aspekte werden in jedem einzelnen Kapitel aufgezeigt.

Information

Hausärzte und Orthopäden haben eines gemeinsam: Sie begleiten ihre Patienten ein Leben lang. Bei Kindern sind Schäden während der Entwicklung des knöchernen Skelettes heikel, bei Erwachsenen führen latente Schäden am Bewegungsapparat später zu degenerativem Verschleiß an Gelenken und am Skelett und damit zu Schmerzen und Invalidität. Vor allem Kinder, Jugendliche und ältere Menschen mit orthopädischen Problemen suchen beim Hausarzt Hilfe. Im mittleren Alter überwiegen Sport- und Arbeitsunfälle.

Einem großen Teil Ihrer Patientenschaft helfen praktische Ratschläge für das tägliche Leben, für eine angepasste Lebensweise, für die individuelle, berufliche Situation. Antworten auch auf Fragen im Zusammenhang mit der Therapie: Welche Physiotherapie ist die beste? Wie viel Kilogramm darf ich heben? Welche Bewegungen sind erlaubt, welche zu vermeiden? Muss der Gehstock links oder rechts geführt werden? Welches Schuhwerk ist geeignet? Lauter kleine, aber wichtige Dinge, die alle im Kompetenzbereich eines entsprechend ausgebildeten Allgemeinarztes liegen.

Bedeutet die Diagnose eine ernsthafte, schwere Krankheit, beginnt für die betroffenen Patienten die schwierigste Phase auf ihrem Leidensweg. Fast immer spielt sich diese in der Sprechstunde des Hausarztes ab. Mit der bangen Frage: Was bedeutet das für mich? Für meine Zukunft? Für mein Leben? Hier wartet die anspruchsvollste, aber auch dankbarste Aufgabe auf den Hausarzt. Seine Patienten vertrauen ihm. Hier suchen sie ein offenes Ohr, Verständnis, Rat und Trost. All das finden sie bei ihrem Hausarzt. Ihnen steht ein langer Gang durch die medizinischen Institutionen bevor. Wer sonst als der Hausarzt hat das Wissen, sie darin dauerhaft zu begleiten?

Andere Patienten kommen, weil Experten in der Gesundheitssendung im TV vom Vorabend eine brandneue Knieoperation angepriesen haben. Haben Sie, der Hausarzt, die Sendung auch gesehen? Wie finden Sie sich zurecht in der überquellenden Flut von Informationen aus Fachliteratur, aus Werbung, aus von Firmen gesponserten Symposien und anderen Fortbildungsveranstaltungen? Der Allgemeinpraktiker wird überschwemmt von medizinischer Fachliteratur und von Informationen aus dem Internet mit einem inflationären Angebot an hochwissenschaftlichen Papers aus der Forschung von Spezialisten – daneben aber auch von jeder Menge ungefilterter Werbung. Was fehlt, ist ein Destillat aus dieser Fülle von Informationen, eine zusammenfassende und qualitativ wertende Darstellung des „State of the Art“, des aktuellen Wissensstandes. Krügers Buch schließt diese Lücke.

Kein praktisch tätiger Arzt hat Zeit, ein Buch von A bis Z zu lesen. Im täglichen, oft hektischen Betrieb ist es nicht leicht, rasch die wesentlichen Informationen zu finden. Deshalb sehe ich als |18|Fachautor mit Freuden, wie gut sich dieses Buch als Nachschlagewerk darstellt: mit einem detaillierten Inhaltsverzeichnis, einem ausführlichen Schlagwortregister und zahlreichen Querverweisen.

Als Richtlinie für die ärztliche Praxis gilt der von den nationalen orthopädischen Fachgesellschaften mit ihren einzelnen Expertengruppen erarbeitete zurzeit geltende Konsens. „Evidence-based“ sollten diese neuen Erkenntnisse sein. Was methodisch für die Pharmakologie gilt, nämlich wissenschaftliche Statistik mit ihren strengen Regeln und großen Fallzahlen, stößt in der Orthopädie allerdings auf Schwierigkeiten. Der Orthopädie fehlen die für eine statistische Auswertung nötigen Patientenfallzahlen. Andererseits ist ihr Beobachtungshorizont ausgesprochen langfristig: Krankheiten und Verletzungen des Bewegungssystems führen oft erst nach Jahren und Jahrzehnten zu Spätschäden, zu Arthrosen, und damit zu chronischen Leiden und Invalidität. Was neue Operationen an Gelenken für Spätfolgen haben können, erkennen wir meist erst mithilfe von Langzeitkontrollen nach vielen Jahren. Einzelbeobachtungen sind deshalb ein wichtiges Element in der Evaluation neuer Methoden. Nur so können Katastrophen als Folge neuer, ungeeigneter Operationen, Techniken und Implantate frühzeitig erkannt werden. Folgerichtig stellt die Autorin in diesem Buch nicht das Neueste, sondern das Bewährte in den Vordergrund, also jene Operationen und Techniken, die den Test im Langzeitverlauf bestanden haben. Details sind oft auch unter Fachleuten umstritten. Sie bleiben Sache der Operateure.

Das vorliegende Buch fasst in jedem einzelnen Kapitel das Wesentliche zusammen: das, was im Fach Orthopädie heute gilt. Starre Regeln gibt es allerdings nicht. Die ärztliche Arbeit bleibt eine Kunst. Der „State of the Art“ ist der „Stand der Kunst“. Die Kunst spielt auch privat eine Rolle im Leben von Sandra Krüger. Sie spielt Violine in einem internationalen Ärzteorchester.

Ich wünsche der Autorin viel Erfolg mit ihrem famosen Buch und für ihr weiteres Wirken.

Zürich, im Juli 2013

Alfred M. Debrunner

|19|Vorwort

In Gesprächen mit Kollegen habe ich als Reaktion auf die erste Auflage von „Orthopädie für Hausärzte“ als Kritikpunkt herausgehört, dass nicht klar wurde, wann der Hausarzt die Behandlung selbst durchführen und wann er zum Spezialisten überweisen soll. Das ist ein sehr schwieriges Thema, zu dem ich in der zweiten Auflage nun versuche, deutlicher zu werden. Es lässt sich jedoch nicht immer eine klare Trennlinie zwischen der Arbeit des Hausarztes und des Spezialisten ziehen, viel häufiger gibt es große Überschneidungsbereiche. Und gerade darin sollten wir unser Potenzial der guten ineinandergreifenden Zusammenarbeit sehen. Es ist sicherlich auch von Allgemeinmediziner zu Allgemeinmediziner und Orthopäde zu Orthopäde unterschiedlich, je nach Kenntnissen, Fähigkeiten und Arbeitsweisen her, sodass sich eine Antwort sehr schwer pauschalisieren oder verallgemeinern lässt.

Was jedoch Allgemeingültigkeit hat, ist, dass jeder das machen sollte, was er sich zutraut, wo er sicher ist, das Richtige zu tun – selbstverständlich immer unter kritischer Selbsteinschätzung. Sobald der kleinste Zweifel besteht, sollte nicht gescheut werden, direkt mit dem Spezialisten Kontakt aufzunehmen und gegebenenfalls das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch dann kann noch immer die Entscheidung getroffen werden, dass die Behandlung vom Allgemeinmediziner fortgeführt wird, vielleicht mit einem Rat oder klaren Instruktionen/(Nach-)Behandlungsschemata. Dieser Kontakt, die Brücke zwischen Allgemeinmediziner und Spezialist, ist das, was aufgebaut werden muss, wo keine Zurückhaltung oder falsche Bescheidenheit bestehen bleiben darf. Es ist sicher nicht so, dass einer den anderen durch seine Fragen stört, sondern vielmehr so, dass beide Seiten und vor allem noch dazu der Patient von einer guten Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Spezialist profitieren können. Man sollte lieber einmal mehr als einmal zu wenig fragen, lieber früher als als zu spät. Nur durch häufigen Kontakt, Rückmeldungen und Weitergeben von Informationen kann eine gute Zusammenarbeit funktionieren. Auf kurzen, direkten Wegen geht dies meist am besten.

Als einzig klare Regel gilt: Immer wenn man nicht mehr weiter weiß, sollte man zu einem Kollegen überweisen oder einen um Rat fragen, sei es zur weiteren Diagnostik, zur speziellen Therapie (insbesondere operativen Therapie), zur Nachsorge (insbesondere Rehabilitation) oder zur Beratung. Auch das Vorgehen sollte gemeinsam und im Interesse mit dem Patienten abgestimmt werden.

Die Leitsätze, die in der ersten Auflage nur als eigenständiges Kapitel vorangestellt waren, wurden nun zusätzlich den speziellen Kapiteln als Merksätze in Kästen hervorgehoben zugeordnet. Ebenfalls wurden Tipps für Patientenkommunikation/-information/-empfehlung, Tipps für die Befundinterpretation, Tipps für die Therapieentscheidung und Differenzialdiagnosen in Kästen herausgestellt. Damit sollen schnelle Problemlösungen bei aufgetauchten Fragen geschaffen werden. Mit zuverlässigen |20|und schnell auffindbaren Ratschlägen sollen dem Allgemeinmediziner Handlungsempfehlungen gereicht werden. Das Buch dient dazu, punktuell nachschlagen zu können.

Die zweite Auflage wurde um einige neue Kapitel erweitert: Sportmedizin, Musikermedizin, Schmerz, diabetisches Fußsyndrom, Leitlinien, Nachbehandlung und Rehabilitation. Die Sportmedizin ist das Bemühen, den Einfluss von Bewegung, Training und Sport sowie den von Bewegungsmangel auf den gesunden und kranken Menschen jeder Altersstufe zu analysieren und für Prävention, Therapie und Rehabilitation zu nutzen. Insbesondere den Hausärzten, die sich im Rahmen der Behandlung orthopädischer Patienten mit präventivmedizinischen, leistungsdiagnostischen, bewegungstherapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen befassen, wird dieses neue Kapitel eine Hilfestellung bieten.

Sandra Krüger

Berlin, Juni 2018

|21|1 Allgemeines

1.1 Die Bedeutung des Hausarztes

Die Vorteile des Hausarztes sind, dass er seine Patienten häufig seit Langem, manchmal schon seit der Kindheit, und oft auch ihre Familienangehörigen und die sozialen Strukturen kennt, in die der Patient gebettet ist. Das ist die Voraussetzung, dass sich eine vertraute Arzt-Patienten-Beziehung entwickeln kann. Damit ist dem Hausarzt eine ganzheitliche Beurteilung seiner Patienten, nicht nur physisch und psychisch, sondern auch im sozialen Kontext leichter möglich. Dies hat für ihn den Vorteil, dass er zum Experten über die Behandlung seiner Patienten wird, deren Besonderheiten er genau kennt. Er kann den Patienten einen auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichteten Behandlungsplan anbieten. Neben der Entwicklung eines Therapieplans – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Facharzt – obliegt es dem Hausarzt, den Patienten auch „sozial“ zu begleiten. Aus Verletzungen oder Erkrankungen können sich Folgen für die Berufs- und Erwerbsfähigkeit ergeben. Der Facharzt kann mittels durchgeführter diagnostischer, gegebenenfalls bildgebender Methoden, des Erkrankungsverlaufs und des Rehabilitationserfolgs prognostizieren, welchen Belastungen der Patient zukünftig noch gewachsen sein wird. Der Hausarzt sorgt dann dafür, dass die Reintegration bzw. soziale Absicherung des Patienten in Gang gebracht wird. Unabhängig davon wird die Behandlung und Rehabilitation in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Orthopäden fortgesetzt.

In den deutschsprachigen Ländern hat der Hausarzt zum Glück nicht allein die Funktion eines „gatekeepers“ oder „Patientenverteilers“. Er ist die erste Ansprechperson bezüglich gesundheitlicher Fragen und nimmt durch seine Qualifikation eine zentrale Rolle im Gesundheitssystem ein. Seine Fähigkeiten erlauben eine breite, umfassende Behandlung vieler Patienten mit unterschiedlichsten Erkrankungen. Der Allgemeinmediziner ist sozusagen Fachmann auf allen Gebieten der Medizin, verfügt er noch einzig über so allumfassendes Wissen. Trotzdem werden Sie sich manchmal die Frage stellen, wie ein bestimmter Patient weiterbehandelt werden kann. Das Buch kann Ihnen helfen, dass Sie Ihre Patienten nicht bei den ersten Schwierigkeiten zum Fachspezialisten überweisen müssen.

In diesem Buch finden Sie wertvolle Informationen, die Ihnen helfen, sich als Hausarzt für die Betreuung orthopädischer Patienten gut zu rüsten, und hilfreiche Empfehlungen, die Ihnen aufzeigen, in welchen Fällen Sie Fachärzte zur Behandlung hinzuziehen sollten. Das soll nicht heißen, dass Sie bisher alles falsch gemacht haben. Aber die Orthopädie ist wie die gesamte Medizin und auch andere Bereiche des Lebens einem ständigen Wandel unterworfen. Aktuelle Informationsbedürfnisse und -wünsche werden hoffentlich, soweit es dem Medium Buch möglich ist, erfüllt.

|22|Als Hausarzt können Sie sehr vieles tun, was Ihnen Ihre Patienten danken werden! Nur in der fachübergreifenden Zusammenarbeit ist eine optimale Versorgung Ihrer Patienten möglich. Der Facharzt für Orthopädie muss nicht zwingend regelmäßig den Gonarthrosepatienten sehen, der keine akuten Probleme hat. Ein solcher Patient wäre in der hausärztlichen Versorgung besser aufgehoben. So hat der Orthopäde wiederum mehr freie Kapazitäten, Patienten zu betreuen, die den Hausarzt überfordern.

Aufgrund Ihrer Ausbildung und Ihres Wissens könnten Sie die meisten orthopädischen Patienten autark behandeln, jedoch profitieren die Patienten erst von einem zuverlässigen Netzwerk, einer intensiven Zusammenarbeit mit Orthopäden und Ärzten anderer Fachrichtungen (z. B. Rheumatologen, Neurologen, Pädiatern) in Praxen und Krankenhäusern sowie von der Kooperation mit anderen Berufsgruppen (z. B. Sozialarbeitern, Therapeuten, Psychologen). Der Hausarzt steht als Generalunternehmer für den Patienten im Zentrum dieses Netzwerkes, das es herauszubilden, weiterzuentwickeln, zu pflegen und zu fördern gilt.

Welche Spezialisten auch immer hinzugezogen werden, der Hausarzt bleibt der direkte Ansprechpartner für den Patienten und Lotse entlang aller Behandlungswege. Sämtliche Untersuchungsergebnisse der Fachärzte sollten unmittelbar dem Hausarzt weitergeleitet werden. So hat er stets den Überblick über die diagnostischen Schritte und die therapeutischen Möglichkeiten. Orthopäden sind vielleicht sogar mehr als andere Fachrichtungen auf den Hausarzt und seine Zusammenarbeit und Unterstützung angewiesen, da die therapeutischen Bemühungen nur durch eine optimale Vor- und Nachbehandlung erfolgreich sein können.

1.2 Stellung und Bedeutung der Orthopädie in der Allgemeinmedizin

Beim ersten Arztbesuch junger Menschen stehen orthopädische Krankheiten an erster Stelle. Schmerzen, Überlastungserscheinungen und Verletzungen an den Extremitäten und am Achsenskelett gehören zu den häufigsten Ursachen, weshalb Patienten ihren Hausarzt aufsuchen (s. Abb. 1-1). Bei vielen davon kann dieser selbst beraten und diese behandeln. Unfallverletzungen, Verletzungsfolgen, degenerative Erkrankungen von Gelenken, Rückenbeschwerden und die sogenannten rheumatischen Krankheiten machen zahlenmäßig einen Hauptanteil aller behandlungsbedürftigen Krankheiten aus.

Abbildung 1-1: Gründe für den ersten Arztbesuch bei Männern zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr. Orthopädische Affektionen stehen an erster Stelle, vor allem anderen Erkrankungen (innere Medizin, Orthopädie, Dermatologie, andere). Wenn junge Männer (19 bis 30 Jahre) zum ersten Mal ärztliche Hilfe beanspruchen, handelt es sich vor allem um Sportverletzungen. Auch bei Frauen stehen orthopädische Probleme oben an, kurz nach den internistischen.

Die Mehrzahl dieser Patienten sucht früher oder später wegen ihrer Beschwerden einen Arzt, meist zuerst ihren Hausarzt, auf. Im vorgerückten Alter bleibt kaum jemand von degenerativen Erkrankungen am Bewegungsapparat und entsprechender Behinderung verschont. Mit der Zunahme des Anteils alter Menschen an der Bevölkerung steigt die Anzahl orthopädischer Patienten ständig. Die Orthopädie hat in |23|den letzten Jahrzehnten eine erhebliche Ausweitung erfahren. Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung lässt sich an der finanziellen Belastung der Unfall- und Invalidenversicherungen aus Schäden des Bewegungsapparates, also aus „orthopädischen“ Krankheiten erkennen. Die heutige Orthopädie kann ihren Patienten eine breite Palette an Behandlungsmöglichkeiten anbieten. In der Orthopädie geht es nicht um Lebensverlängerung, sondern vielmehr um die Verbesserung der Lebensqualität, der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit und um die Erhaltung der Selbstständigkeit, d. h. um Unabhängigkeit von fremder Hilfe. Diese Maßnahmen haben auch ökonomisch und volkswirtschaftlich einen positiven Effekt. Längst nicht alle orthopädischen Patienten brauchen eine spezifische Behandlung. Und von diesen braucht nur ein kleiner Teil eine Operation (man schätzt etwa 5 %). Was aber alle brauchen, ist eine kompetente Beratung und Betreuung. In der Orthopädie lässt sich die Diagnostik mit den einfachsten Methoden vorantreiben. Meist sind Anamnese, klinische Untersuchung, Röntgen oder Sonografie schon ausreichend, um eine Diagnose stellen und die entsprechende Therapie einleiten zu können. Die größte Bedeutung kommt in der Orthopädie dem Befragen (Zuhören), Beobachten sowie der visuellen und manuellen Befunderhebung zu.

Die meisten der Patienten, die den Hausarzt wegen orthopädischer Probleme aufsuchen, können Sie selbst effizient behandeln! Dazu benötigen Sie Wissen, das praktikabel und somit in der Praxis umsetzbar ist. Mit diesem Wissen ist nicht das detaillierte Fachwissen des Spezialisten gemeint, auch nicht das über außergewöhnliche Raritäten, die auch der Orthopäde nur einmal im Jahr sieht und nicht die neuesten Modeerscheinung aus Diagnostik und Therapie, deren Langzeiteffekt noch niemand absehen kann. Nützlich für den Hausarzt sind praktisch brauchbare Informationen über häufig auftretende Probleme. Orthopädisches Wissen wurde dazu ausgewählt und zusammengefasst mit konsequenter Ausrichtung auf den Praxisgebrauch. Dem Hausarzt soll evidenzbasiertes und auf die Ansuchen des Patienten zugeschnittenes, für die Praxis entscheidendes Wissen vermittelt werden.

1.3 Leitsätze

Die Leitsätze beinhalten Merksprüche, „Dos“ und „Don’ts“ aus Diagnostik und Therapie. Beim Erkennen von „Red Flags“ können sie eine Hilfe sein. Sie berichten in aller Kürze vorab über interessante Zusammenhänge aus der Physiologie und der Schmerzbehandlung. Sie erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1.3.1 Diagnostik

„Don’t touch the patient – state first what you see.” (William Osler)

Beobachtungist die Untersuchungsmethode, die gerade in der Orthopädie in kürzester Zeit am meisten Informationen liefert! Diese Chance sollten Sie unbedingt nutzen.

Klagt ein Kind über Schmerzen im Knie, vergiss die Untersuchung der Hüfte nie!

Bei Schmerzen im Kniegelenk oder Oberschenkelbereich bei Kindern und Jugendlichen muss immer auch das Hüftgelenk untersucht werden (s. Kap. 2.3.5, S. 39 und Kap. 2.3.6, S. 41). Gerade bei Kindern können Hüftschmerzen auch auf das Knie projiziert werden. Das lässt sich mit dem Verlauf des N. obturatorius erklären. Hat das Kind bei der Untersuchung Schmerzen oder ist die Beweglichkeit eingeschränkt, sollten Sie die Diagnostik vorantreiben, gegebenenfalls mit einem bildgebenden Verfahren. Sie sollten immer beide Knie untersuchen, um einen Ver|24|gleich zu haben. Auch Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule können sich als Knieschmerzen äußern.

Müssen wir tatsächlich immer alles machen, was technisch möglich ist?

Hier ist die Antwort ein ganz klares Nein! Wir müssen immer auch die Grenzen, Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen von den angewandten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im Auge behalten. Ein Lipom als Tastbefund muss nicht zwangsläufig mittels Kernspintomografie gesichert werden. Der Elektromyografie sollten die Muskelfunktionstests vorangestellt werden. Unter Umständen kann man so auf die apparative Diagnostik sogar verzichten.

Nur solche diagnostischen Mittel einsetzen, die vom verordnenden Arzt auch gedeutet werden können und eine Konsequenz für die Therapie nach sich ziehen!

Apparative Untersuchungen sind aus der heutigen Medizin kaum mehr wegzudenken. Sie sollten aber nicht wahllos (allein, weil es möglich ist, sie durchzuführen), sondern immer aufgrund einer sorgfältigen Überlegung und mit gezielter Indikationsstellung eingesetzt werden, besonders dann, wenn sie für den Patienten belastend oder gar schädigend sind. In jedem Fall sollten Sie vor der Verordnung die Belastung für den Patienten und ein eventuelles Risiko in Betracht ziehen. Zusätzlich muss die Bedeutung für die Behandlung und für die Zukunft des Patienten feststehen. Es sollten keine Untersuchungen weder aus reinem Absicherungsbedürfnis des Arztes noch aus dem des Patienten erfolgen. Jeder Arzt sollte nur die technischen Mittel einsetzen, die sinnvoll sind, und sie anschließend auch mit dem Patienten auswerten, besprechen und ihm eine entsprechende Therapie daraus ableiten. Bei der Anforderung oder Durchführung von bildgebenden Verfahren, besonders beim Magnetresonanztomogramm (MRT), sind möglichst präzise Fragestellungen und ausreichende klinische Angaben dringend notwendig, da die Untersuchungstechnik und Strategie im MRT wesentlich davon abhängt. Es ist wie beim Orakel von Delphi: Je genauer die Frage, desto präziser die Antwort! Es darf keinesfalls eine bildgebende Untersuchung veranlasst werden, ohne dass die Anamnese bekannt ist und der Patient körperlich untersucht wurde. Erst dann kann schon eine Verdachts- oder Arbeitsdiagnose benannt und konkrete Fragen an die diagnostische Untersuchungsmethode gestellt werden. Nur so ist der Einsatz von Bildgebung sinnvoll. Sie kann nicht die ersten beiden Schritte der Stufendiagnostik ersetzen.

Klinisch unbedeutsame Wirbelfehlbildungen bedürfen keiner Therapie!

Wirbelfehlbildungen können andere, ernstere pathologische Prozesse vortäuschen wie Spaltbildungen, z. B. Frakturen. Sehr viele dieser Fehlbildungen sind harmlose Zufallsbefunde und bedürfen keiner Therapie (s. Kap. 7.2.8, S. 138). Die Träger solcher Anomalien sind gesund und sollten nicht mit klinisch belanglosen Röntgendiagnosen geängstigt und zu Rückenleidenden abgestempelt werden. Es ist wichtig, die Röntgenanatomie und Bedeutung der Fehlbildungen zu kennen und Diagnosen nicht allein nach Röntgenbildern zu stellen.

Degenerative Veränderungen zeigen oft nur eine geringe Korrelation mit den klinischen Symptomen!

Degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, den Gelenken und anderen Strukturen des Stütz- und Bewegungsapparates treten im Laufe des Lebens bei nahezu allen Menschen auf und nehmen mit dem Alter zu (s. Abb. 4-1, S. 77). Sie korrelieren mit dem Lebensalter, nicht aber mit Symptomen wie Schmerzen. Daher darf eine Entscheidung für eine spezifische Therapie nicht anhand einer Bildgebung erfolgen, sondern aufgrund der klinischen |25|Symptome des Patienten. Bei 48 % klinisch stummer Bandscheibenprotrusionen werden aufgrund der Bilder fälschlicherweise Diagnosen gestellt.

Unentdeckte Fremdkörper können durch Ultraschall sichtbar werden!

Häufig werden Fremdkörper bei der initialen Untersuchung übersehen. Auch wenn eine Röntgenuntersuchung durchgeführt wird, werden zum Beispiel Holz- oder Kunststoffsplitter nicht dargestellt. Hier kann die sonografische Bildgebung eine große Hilfe sein.

1.3.2 Therapie

Dem Patienten mit seinen besonderen Problemen und individuellen Bedürfnissen in seiner persönlichen Situation helfen!

Wird lediglich ein Fall oder eine Diagnose behandelt? Der größte Teil der orthopädischen Operationen sind „Wahloperationen“, also nicht dringlich. Deshalb hat der Orthopäde immer Zeit und Möglichkeit, bei der Wahl der Therapie die individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Beruf, persönliche Situation, aber auch Charakter und psychische Reaktion des Patienten auf sein Leiden zu berücksichtigen.

„Decision is more important than incision.“ (Robert Salter)

Diese Aussage von Robert Salter gilt heute angesichts der zunehmenden operativen Möglichkeiten mehr denn je. Entscheiden (die Indikation) ist wichtiger als Schneiden (die Operation). Der Operateur muss die Indikation für eine Operation stellen oder umgekehrt, derjenige, der die Indikation stellt, sollte auch selbst operieren. Damit übernimmt er die gesamte Verantwortung. Ebenso gilt, dass nicht für jeden Patienten jede Operationsmethode geeignet ist. Der Patient muss das Ausmaß des Eingriffes und seine Folgen verstehen und für die erforderliche Nachbehandlung bereit sein.

In der Schmerztherapie gilt: Opiate ja bitte, Benzodiazepine nein danke!

Benzodiazepine sollten in der Schmerztherapie nicht und in Kombination mit Opiaten schon gar nicht eingesetzt werden. Opiate allein können allerdings durchaus verabreicht werden.

Die Therapieentscheidung hängt von der Anamnesedauer und der subjektiven Beeinträchtigung ab!

Dazu das Beispiel der Frage nach Indikation einer Knietotalendoprothese: Es gibt Patienten, die seit Jahren über Schmerzen in den Kniegelenken klagen und zunehmend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Dadurch ist ihre Lebensqualität deutlich herabgesetzt. Selbst wenn das Röntgenbild noch keine groteske Deformität zeigt, sollte die Indikation zum Knieprothesenersatz zugunsten des Patienten baldmöglichst gestellt werden, sofern klar ist, dass die Schmerzen durch die Gonarthrose verursacht werden und keine andere Pathologie dahintersteht. Dahingegen gibt es auch Patienten, die im Röntgenbild keinen Gelenkspalt mehr haben, wo Knochen direkt auf Knochen steht, die aber laufen können und auch nicht extrem schmerzgeplagt sind. Sie haben noch eine ausreichend gute Lebensqualität. Es sollte nicht eine „Schönheitsoperation“ des Röntgenbildes erfolgen, denn stets werden Patienten und nicht Röntgenbilder operiert! Prophylaktische Operationen in der Orthopädie haben schon viel Unheil angerichtet. Deshalb müssen Sie vor jeder Operation eine exakte Diagnose und eine klare Indikation stellen (s. Abb. 1-2).

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Abbildung 1-2: Abwägen der Operationsindikation. Nur wenn alle Argumente auf die Waage gelegt werden und sich eindeutig die rechte Seite senkt, sollte operiert werden.

Die Ausnahme ist die Epiphyseolysis capitis femoris, bei der das scheinbar gesunde Hüftgelenk ebenfalls operiert werden sollte, da es auch nach Jahren noch zu Dislokationen kommen kann (s. Kap. 2.1.1, S. 31 und Kap. 7.3.7, S. 191).

Den Erfolg einer operativen Therapie macht zu einem Drittel die Operation und zu zwei Dritteln die Nachbehandlung aus!

Bei der Nachbehandlung eines operativ versorgten Patienten sollten Sie sich immer an das durch den Operateur vorgegebene Versorgungsschema halten. Eine gute Zusammenarbeit vom Operateur im Netzwerk mit Nachbehandlern und Physiotherapeuten ist von entscheidender Bedeutung.

Bei liegenden Endoprothesen darf keine Infiltration in das Gelenk erfolgen!

Zum einen ist dies zu beherzigen, weil oft ein niedriges bakterielles Inokulum ausreicht, um eine Infektion zu erzeugen, zum anderen, weil es sich nicht selten um atypische Erreger handelt – häufig sind es niedrig virulente Keime der Hautflora. Außerdem ist eine Ausheilung der Infektion ohne Entfernung des Implantats in vielen Fällen nicht möglich. Einig ist man sich in der Literatur, dass nach intraartikulärer Steroidinjektion die Infektrate um das 25-Fache ansteigt. Auf Kunstgelenken können sich Keime leicht festsetzen, es entsteht ein sogenannter Biofilm. Daher reicht bei Implantaten bereits eine kleine Menge von 100 Bakterien aus, um eine Infektion zu provozieren. Das Risiko einer Infektion ist daher bei implantiertem Material (Prothesen, Osteosynthesematerial) um ein Vielfaches höher als bei einer normalen Gelenkpunktion.

Lokale Infiltration von Kortison birgt die Gefahr einer weiteren Sehnenschädigung bis hin zur -ruptur!

Kortikosteroide, auch in ihrer wasserlöslichen Form, sind für eine Infiltration in die Sehne absolut kontraindiziert (s. Kap. 3.4.4, S. 72). Eine Kortikoidinjektion ist allenfalls bei einer Bursitis möglich, wenn die intrabursale Applikation sicher ist. Kristalline Suspensionen zu injizieren sollte immer vermieden werden. Kortisoninjektionen in die Sehne bergen die Gefahr einer Sehnenruptur. Um dies zu vermeiden, sollte jede Infiltration sicher paratendinös erfolgen. Bei Sehnenkontakt mit der Injektionsnadel (fühlbares Reiben bei Bewegung – Beugen und Strecken – des korrespondierenden Gelenks) muss die Kanüle vor Injektion ein wenig zurückgezogen werden.

Eine versehentlich intravenöse Injektion eines Lokalanästhetikums ist lebensbedrohlich!

Vor Verabreichung einer Infiltrationsinjektion mit einem Lokalanästhetikum sollte wie bei jeder anderen Injektion auch unbedingt aspiriert werden, um eine intravenöse Kanülenlage auszuschließen.

Passive physikalische Therapien sollten Sie mit Vorsicht verordnen. Aktiv statt passiv!

Passive physikalische Therapiemaßnahmen sind bei Patienten sehr beliebt, da sie sich dabei „verwöhnen“ lassen. Die Massage ist den meisten Patienten am willkommensten. Der Nachteil |27|von allein passiven Maßnahmen ist, dass der Patient nicht in die Eigenverantwortung genommen wird, nicht aktiviert wird, selbstständig zu seiner Gesundung beizutragen. Passive Therapien sollten daher zum Beispiel bei der Behandlung akuter Rückenschmerzen immer nur als Ergänzung aktiv fordernder Therapien eingesetzt werden. Die Rückenschule hat das Ziel der Verhaltensänderung, dabei wird der Patient aktiv miteinbezogen. Auch die medizinische Trainingstherapie erfordert die aktive Mitwirkung des Patienten (s. Abb. 1-3) Ziel ist die schnelle und möglichst dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit. Sollen die Beschwerden vollständig beseitigt werden, müssen auch Lifestyleänderungen vorgenommen werden.

Abbildung 1-3: Aktives Muskeltraining gegen Widerstand. Das ist das Prinzip, auf das Skiabfahrtsmeister Russi für die Rehabilitation seines havarierten Kniegelenks vertraut. Die Motivation spielt bei der Heilgymnastik die Hauptrolle. Sie obliegt dem Therapierenden. Nicht immer hat er es so leicht mit dem Patienten und so schwer mit dem Widerstand des Quadrizeps wie die Therapeutin hier.

Die Schmerzgrenze ist wohl das wichtigste Kriterium zur Beurteilung dessen, was in der Physiotherapie nützlich oder schädlich ist!

Es gibt Patienten (auch Physiotherapeuten und sogar Ärzte), die überzeugt sind, dass Heilgymnastik schmerzhaft sein müsse, um wirksam zu sein. Die Mehrheit in jeder dieser drei Gruppen ist anderer Ansicht. Für sie ist die Schmerzgrenze in der Heilgymnastik ein einfacher, vernünftiger und zweckmäßiger Anhaltspunkt, eine brauchbare und bewährte Richtschnur.

Bei Kindern ist Physiotherapie eher schädlich als nützlich!

Gesunde Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Kinder haben keine Probleme. Sie bewegen sich so viel sie können, beachten spontan die Schmerzgrenze und brauchen deshalb nach Unfällen und Operationen keine besondere Krankengymnastik. Sie nutzen die verheilten, nicht mehr schmerzenden Glieder und Gelenke von selbst in natürlicher Weise und stellen somit die normale Funktion rasch wieder her. Zum Beispiel braucht der kindliche Ellbogen manchmal Wochen bis Monate, bis er nach einer Fraktur wieder voll beweglich wird. Nur selten bleiben aber Bewegungseinschränkungen permanent. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Es gibt natürlich auch bei Kindern Indikationen zur Physiotherapie. Bei einer Skoliose zum Beispiel sind gezielte physiotherapeutische Übungen sehr nützlich.

Ein Patient im Gips hat immer recht!

Bei jeglichen Beschwerden vonseiten des Patienten muss der Gips korrigiert bzw. gewechselt werden. Nach Gipsanlage müssen kurz- und auch langfristig regelmäßig Gipskontrollen durchgeführt werden (s. Kap. 3.3.2, S. 64). Dabei wird überprüft, ob der Gips immer noch adäquat angebracht und funktionstüchtig ist und ob der Patient sich darin „wohlfühlt“ und keine Druck|28|belastung oder Einengung empfindet oder gar Schmerzen leidet. Druckstellen im Gips (s. Abb. 1-4) können Sie vermeiden, wenn Sie darauf in der ersten Zeit kurz nach dem Anlegen des Gipses achten.

Abbildung 1-4: Druckstellen, Dekubitalulzera, Ödeme, Infektionen und Hautnekrosen durch Gripsdruck. Das sind sehr unangenehme, langwierige Komplikationen, die irreparable Schäden hinterlassen können. Sie sind vermeidbar durch sorgfältige Gipstechnik (richtige Polsterung der gefährdeten Stellen, kein Fingerdruck und keine Falten, während der Gips erhärtet; Fußgips bis zu den Zehen, damit keine Schwellung auf dem Fußrücken entsteht) und genaue Kontrolle in den ersten Stunden und Tagen. Wenn der Gips drückt, muss er sofort geöffnet und die Haut darunter inspiziert werden.

Orthopädische Bandagen sollten Sie nur nach sinnvoller Indikationsstellung und Instruktion des Patienten anwenden!

Bandagen sollten nur so lange getragen werden, wie entsprechende körperliche Defizite bzw. Überlastungen und Gefährdungen vorliegen. Das Prinzip der funktionellen Therapie lautet: Eine Immobilisierung, wenn überhaupt, sollte nur so kurz wie nötig und eine Mobilisierung so früh und intensiv wie möglich stattfinden. Der Einsatz von Bandagen setzt immer einen verlässlichen, aktiv mitarbeitenden Patienten voraus. Passive Stützbandagen sollten nicht dauernd, sondern dürfen nur zeitweise getragen werden, weil sonst die Muskulatur erschlafft. Übungen zur Stärkung der Muskulatur sollte der Patient zudem unbedingt regelmäßig durchführen. Sonst besteht immer die Gefahr, dass er sich in einen Teufelskreis begibt, dem er schlecht wieder entrinnen kann und der sich auf die Bandagenanwendung nachteilig auswirkt.

Die Ruhestellung im Verband macht die Schulter krank!

Bei Schulterschmerzen aufgrund degenerativer oder entzündlicher Veränderungen der Weichteile der Schulter sollte das Schultergelenk geschont werden. Es darf dennoch nicht komplett ruhiggestellt werden, da die Gefahr besteht, dass das Schultergelenk einsteift. Zuvor müssen natürlich Frakturen in diesem Bereich ausgeschlossen werden. Auch die Schultergelenksluxation (s. Kap. 3.1.2, S. 52) ist eine Ausnahme von der Regel. Hiernach ist eine kurzzeitige Ruhigstellung bzw. ein „beginnendes Einsteifen“ therapeutisch erwünscht, damit die überdehnten bzw. gerissenen Kapselfasern oder Bänder vernarben können.

Die Amputation ist nicht das Ende, sondern ein Beginn!

Eine Amputation ist der erste Schritt zur Rehabilitation. Schon vor einer Amputationsoperation müssen die Prothesenversorgung und Rehabilitation geplant und vorbereitet werden. Außerdem benötigen die Patienten psychologische Unterstützung: Sie sollten eine möglichst positive Einstellung zur Amputation und auf ein sinnvolles, lebenswertes Leben danach erreichen.

1.3.3 Physiologie

Die Bänder dienen quasi als Sinnesorgane!

Bänder (auch Kreuzbänder) haben Propriozeptoren: Die Banddehnung wird registriert und ans ZNS gemeldet. Über einen Reflexbogen wird das Gelenk muskulär stabilisiert und geschützt. |29|Die stabilisierende Funktion der Bänder beruht höchstwahrscheinlich nicht allein auf ihrer Reißfestigkeit, sondern wesentlich auf der Steuerung der Muskelreaktionen über das Feedback ihrer propriozeptiven Meldungen ans ZNS. Eine rein mechanistische Sicht ist wohl zu einfach.

1.3.4 Schmerz

Nicht jeder Gelenkschmerz ist Arthrose!

Oft stecken verkürzte Muskeln hinter vermeintlichen Arthroseschmerzen, Ruheschmerzen in Gelenken, Schmerzen im Lumbal- oder auch Nackenbereich, die sich unter Bewegung bessern. Mit einfachen Dehnübungen können dann schnell gute Erfolge erzielt werden. Die Muskeldehnung nach Janda ist eine effektive Behandlungsform. Der Dehnungsschmerz muss so gering wie möglich gehalten werden, um keine Gegenspannung zu erzeugen, die den Effekt aufheben könnte. Bestehen die Symptome schon seit mehreren Jahren, ist einmaliges Dehnen nicht ausreichend, sondern der Patient muss die Übungen regelmäßig durchführen.

Bei der Suche nach den Schmerzursachen sollte man über den Tellerrand hinausschauen!

Schmerzursachen können auch außerhalb des anatomischen Gebietes, in dem sie vom Patienten lokalisiert werden, liegen (Head’sche Zonen). Internistische Erkrankungen sowie Veränderungen benachbarter bzw. weiter entfernter anatomischer Regionen sollten ausgeschlossen werden.

1.4 Leitlinien

Therapieleitlinien geben Auskunft, welche Maßnahmen bei bestimmten Erkrankungen eingeleitet werden sollen. Sie beruhen auf wissenschaftlichen Studien und Expertenwissen. Anhand der Leitlinie kann eine optimierte effektive Behandlung durchgeführt werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, auch unter der Abkürzung AWMF bekannt, koordiniert die Entwicklung von Leitlinien, die von den einzelnen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften erarbeitet werden. Die Ergebnisse daraus sind Leitlinien sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie zu den verschiedensten medizinischen Themengebieten. Sie sind vollständig im Internet unter http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html1 zugänglich.

Die Leitlinien der AWMF werden drei verschiedenen Klassen zugeordnet, die den Entwicklungsstufen entsprechen. S1-Leitlinien wurden von einer Expertengruppe entwickelt, sie gelten als Handlungsempfehlungen. Zur Entstehung einer S2-Leitlinie wurde ein formaler Konsens gefunden, gegebenenfalls wurde auch eine formale „Evidenz“-Recherche durchgeführt. S3-Leitlinien haben die höchste Entwicklungsstufe, sie beruhen auf Logik-, Entscheidungs- und „Outcome“-Analysen. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) ist ein gemeinsames Kompetenzzentrum von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. Die operative Durchführung und Koordination des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL), das eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und AWMF zur Qualitätsförderung in der Medizin ist, erfolgt durch das ÄZQ. Die Nationalen VersorgungsLeitlinien finden sich im Internet unter http://www.leitlinien.de/nvl2. Sie erfüllen die methodischen Ansprüche der S3-Leitlinien.

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Letzter Aufruf: 14.05.2018

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Letzter Aufruf: 14.05.2018

|31|2 Orthopädische Notfälle

Zum Glück gibt es in der Orthopädie, lässt man die Unfallchirurgie außer Acht, nur sehr wenige echte Notfälle. Umso wichtiger ist es, diese zu erkennen und adäquat zu therapieren. Neben den Notfällen finden sich auch andere Diagnosen, bei denen schnelles Handeln erforderlich ist, da sonst die Prognose verschlechtert wird. Dazu zählen die orthopädischen Erkrankungen, die rechtzeitig erkannt und behandelt werden müssen, um das günstige Therapiezeitfenster nicht zu verpassen. In Tabelle 2-1 sind Notfallsituationen aufgelistet, bei denen man möglicherweise ein orthopädisches Problem vermutet.

Tabelle 2-1: Differenzialdiagnostisch auch an nicht orthopädische Notfälle denken, wenn sich ein Patient mit Symptomen vorstellt, die primär an ein orthopädisches Leiden denken lassen.

Symptome

Differenzialdiagnose – Notfall

Hinweise

Rücken-/Flanken- oder Bauchschmerzen

Bauchaortenaneurysma

Bei entsprechendem Risikoprofil sollte immer an diese Diagnosen gedacht werden, besonders bei Therapieresistenz.

Rücken-/Schulter- oder Thoraxschmerzen

Myokardinfarkt

instabile Angina pectoris

Aortendissektion

Lungenarterienembolie

Myokarditis

Pneumonie

Waden-/Beinschmerzen

Beinvenenthrombose

Thromboembolie

Erysipel

2.1 Orthopädische Notfallsituationen

2.1.1 Akute Epiphyseolysis capitis femoris (Juvenile Epiphysenlösung)

Währenddes pubertären Wachstumsschubs kann es in der Wachstumsfuge zum Abgleiten der Hüftkopfepiphyse vom Schenkelhals kommen. Häufig erfolgt dies chronisch, selten akut und etwas weniger selten akut während des Verlaufs der chronischen Epiphyseolyse (s. Kap. 7.3.7, S. 191). Die akute Lyse stellt einen Notfall dar. Wenn im Verlauf der Erkrankung oder auch ohne vorherige Symptome unvermittelt stärkere Schmerzen auftreten, der Patient stürzt oder auch sonst plötzlich gehunfähig wird, ist wahrscheinlich der Kopf vollständig abgelöst und abgekippt (akute Epiphyseolyse). Diese Situation stellt einen Notfall dar. Die Hüfte ist dann schmerzhaft versteift in Außenrotation und Adduktion, das Bein ist verkürzt. Ziel der sofortigen operativen Therapie ist, ein weiteres Abrutschen zu verhindern und mittels Reposition die Dislokation zu beheben. Diese muss unter Schonung der Gefäße durchgeführt werden, damit das Gelenk nicht noch einem zusätzlichen Risiko der Hüftkopfnekrose ausgesetzt wird.

|32|2.1.2 Eitrige Arthritis beim Säugling

Das klinische Bild entspricht beim Säugling nicht immer der Schwere der Krankheit. Die allgemeinen Zeichen einer Infektionskrankheit und die angstbedingte Schonhaltung des Gelenks in einer Zwangsstellung müssen schon den Verdacht auf eine septische Arthritis erwecken. Die Diagnose muss sofort mittels Ultraschall und Gelenkpunktion gestellt werden, denn nur mit der früh, d. h. in den ersten Tagen begonnenen adäquaten Therapie kann ein solches Gelenk gerettet werden. Ohne Behandlung führt der Druck des eitrigen Ergusses in diesem Alter rasch zu einer Luxation und Zerstörung des Gelenks (z. B. am Hüftgelenk bei Coxitis; s. Kap. 7.3.1, S. 185). Die Zerstörung der Wachstumsfugen führt zu schwersten Deformitäten und Verkürzung der Extremität. Die sofortige arthroskopische Spülung, notfalls mittels Arthrotomie, kann zusammen mit der antibiotischen Behandlung nicht selten zur Ausheilung führen. Daher gehört die akute eitrige Gelenkentzündung im Säuglings- und Kleinkindesalter (s. Abb. 2-1) zu den Notfällen in der Orthopädie.

Abbildung 2-1: Coxitis beim Säugling. Der hämatogene Herd sitzt in der gut durchbluteten Spongiosa, meist in der Metaphyse, aber manchmal auch in der Epiphyse. Bricht er ins Gelenk durch, so entsteht ein eitriger Gelenkerguss, ein Empyem, dessen Druck die Kapsel ausweitet und den Kopf aus der Pfanne herausdrängt (Subluxation oder Luxation). Ohne Behandlung geht das Gelenk dadurch bald zugrunde. Empyem und Herd müssen daher rasch chirurgisch ausgeräumt werden.

2.1.3 Osteomyelitis im Kleinkindesalter

Jede Infektion im kindlichen Skelett muss schnell und definitiv ausheilen. Defektheilungen und Chronifizierungen müssen unbedingt vermieden werden. Dazu ist es notwendig, dass die Diagnose so früh wie möglich gestellt und adäquat interdisziplinär behandelt wird. Deshalb ist beim Kleinkind bei jeder lokalen Schwellung, Rötung und Schmerzangabe im Knochen oder bei Gelenkschmerz einhergehend mit Fieber eine akute Osteomyelitis auszuschließen (s. Kap. 7.3.2, S. 186). Eine adäquate Therapie der Osteomyelitis ist die parenterale Antibiotikagabe – anfangs ungezielt, später nach Antibiogramm. Zur Keimidentifizierung sollten drei Blutproben in dreißigminütigem Abstand abgenommen, Blutkulturen angelegt und untersucht werden. Unter Ultraschallkontrolle kann auch ein subperiostaler Abszess oder Gelenkerguss punktiert und auf Keime untersucht werden.

2.1.4 Schädigung des N. ischiadicus

Eine Schädigung des N. ischiadicus kann einerseits durch Kompression (Tumor, Skoliose) oder durch ein direktes Trauma, z. B. bei einer Hüftgelenksluxation und bei offenen Verletzungen, hervorgerufen werden. Es kann auch zur sogenannten Spritzenlähmung bei unsachgemäßer Intraglutäalinjektion – zu weit medial oder kaudal statt in den oberen äußeren Quadranten, senkrecht zur Oberfläche – kommen. Die Folgen der Nervenkompression sind eine Fußlähmung, sensibel und motorisch, woraus sich ein instabiler Hängefuß ergibt. Zusätzlich liegen trophische Störungen am Fuß vor. Die Gehfähigkeit bleibt erhalten.

|33|Patienten müssen mit einer Hängefußschiene versorgt werden (s. Abb. 2-2), außerdem müssen sie zur speziellen Fußhygiene zur Verhinderung von Ulzera und Infektionen angehalten werden.

Abbildung 2-2: Peroneus-Orthese/Heidelberger Winkel. „Hängefußschiene/Fußhebeschiene“ (Fußhebevorrichtung). Je nach notwendiger Kraft können Kunststoff- oder Metallfersenfedern verwendet werden, die auch im Serienschuh getragen werden können, oder es kommen Schienen zum Einsatz, die mit einer Einlage oder mit dem Schuh verbunden sind.

2.1.5 Rückenmarkskompressionssyndrome

Durch Rückenmarkskompression können Querschnittslähmungssymptome auftreten. Man unterscheidet Rückenmarkskompressionssyndrome traumatischer und nicht traumatischer Genese. Langsam oder subakut auftretende Querschnittssyndrome ohne Trauma sind in der Mehrzahl der Fälle durch extramedulläre, meist extradurale Rückenmarkskompression bedingt. Ursache sind vor allem Tumoren (s. Kap. 6.19, S. 159 ff.) oder deren Metastasen (s. Kap. 6.19.5, S. 162) in Wirbelkörpern oder im Wirbelkanal. Die Lähmungen können nach kürzerer oder längerer Zeit irreversibel werden. Mittels chirurgischer Dekompression (Laminektomie) in den ersten Stunden kann das Fortschreiten der Lähmung oft gestoppt oder rückgängig gemacht werden, allerdings nicht immer. Solche Fälle müssen deshalb als neurochirurgische Notfälle innerhalb von Stunden abgeklärt (evtl. mittels Myelografie; s. Kap. 12.3.4, S. 222) und operiert werden.

Bei jeder Wirbelkörperfraktur ist eine genaue neurologische Untersuchung wichtig, Ausfallerscheinungen weisen auf Rückenmarkskompression hin. Instabile Wirbelbrüche (s. Kap. 2.2.3, S. 36) sind, insbesondere wenn neurologische Komplikationen dazu kommen, schwere und heikle Verletzungen. Entsprechend anspruchsvoll und schwierig ist auch die Therapie. Da einheitliche Richtlinien fehlen, müssen die Indikationen für jeden einzelnen Fall sorgfältig abgewogen werden. Unfallopfer mit solchen schweren Verletzungen sollten notfallmäßig direkt in dafür spezialisierte Zentren transportiert werden, wo erfahrene Wirbelsäulenchirurgen und -orthopäden eine adäquate Behandlung durchführen können. Partielle Querschnittslähmungen sind meistens reversibel, wenn die Fraktur sofort vorsichtig reponiert wird (Längsextension im Bett). Operative Revisionen, Dekompressionen sind in seltenen Fällen notwendig. Die operative Stabilisierung einer instabilen Fraktur mit neurologischen Ausfallerscheinungen soll weitere Schäden vermeiden helfen und eine rasche Mobilisation ermöglichen.

2.1.6 Cauda-equina-Syndrom

Das Cauda-equina-Syndrom ist zwar selten, muss aber rasch erkannt werden, denn es liegt eine neurochirurgische Notfallsituation vor. Es entsteht zum Beispiel durch eine mediane Diskushernie (s. Kap. 4.1.9, S. 91), die die ganze Cauda equina noch im Duralsack komprimiert und zu Störungen vegetativer Funktionen, vor allem der Miktion, führt. Es kommt zu einer Blasenlähmung. Harnverhaltung bei Diskushernienkrankheit ist also ein alarmierendes Symptom. Nur sofortige chirurgische Beseitigung der |34|Kompression (innerhalb von Stunden) kann Dauerschäden verhindern. Nach Dekompression der Nervenwurzel ist eine Erholung möglich.

2.1.7 Phlegmone (Sehnenscheidenphlegmone)

Eine Phlegmone entsteht primär bei direkter Verletzung einer Sehnenscheide mit Kontamination oder sekundär durch Ausbreitung einer oberflächlichen Infektion. Die Sehnenscheidenphlegmone ist an der Druckdolenz im Verlauf der Beugesehnenscheiden und der Bewegungshemmung (der Finger steht in leichter Beugestellung) erkennbar. Sie geht einher mit Schwellung und Überwärmung. Nicht die größte Schwellung weist auf das Zentrum der Infektion hin, sondern es ist dort, wo der größte Druckschmerz auslösbar ist. Es besteht die Gefahr der Sehnennekrose und der Ausbreitung auf andere Sehnenscheiden. Vor allem die sogenannte V-Phlegmone ist gefürchtet (die Sehnenscheide von Daumen und Kleinfinger sind auf Höhe des Handgelenks miteinander verbunden). Außerdem kann sich die Infektion zu einer Sepsis ausbreiten. Deshalb muss die Diagnose frühzeitig gestellt und die adäquate Therapie sofort eingeleitet werden. Die Behandlung (Drainage, Débridement, Ruhigstellung) sollte stationär erfolgen.

2.1.8 Periphere Embolie (Arterieller Verschluss)

Bei Schmerzen in Beinen und Füßen müssen arterielle Durchblutungsstörungen differenzialdiagnostisch von orthopädischen Leiden und radikulären Ausstrahlungen (Ischiasschmerzen) abgegrenzt werden. Die Anamnese (Claudicatio intermittens), die Prüfung der Fußpulse (A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior) und die Lagerungsprobe nach Ratschow (Farbwechsel bei Hoch- und Tieflagerung) geben rasch wichtige Anhaltspunkte, die das weitere Vorgehen bestimmen.

2.1.9 Thromboembolie

Thrombosen und Lungenembolien sind auch heute noch gefürchtete und trotz großer Anstrengungen (medikamentöse und physiotherapeutische Prophylaxe) nicht vollständig beherrschbare Komplikationen (s. Kap. 6.29, S. 170 und Kap. 14.7.4, S. 278). Thrombosen, z.  B. nach Hüftoperationen, sind außerordentlich häufig und haben oft beträchtliche Beinödeme zur Folge, nicht selten auch Lungenembolien, die in einigen wenigen Fällen tödlich verlaufen. Fach- und situationsgerechte peri- und postoperative Thromboseprophylaxe ist daher unabdingbar. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen lässt sich diese schwere Komplikation jedoch nicht mit letzter Sicherheit verhindern.

2.2 Posttraumatische Notfallsituationen

2.2.1 Schenkelhalsfraktur bei Kindern

Jedekindliche Schenkelhalsfraktur stellt eine absolute Notfallsituation dar. Aufgrund der speziellen Durchblutungsverhältnisse am Schenkelhals und am Femurkopf besteht die Gefahr einer Femurkopf- und/oder Schenkelhalsnekrose. Nicht nur, dass im Falle der Fraktur primär Gefäße zerreißen können, es bildet sich auch ein intrakapsuläres Hämatom, das eine Kompression der erhaltenen Blutgefäße verursachen kann. Um dies zu vermeiden, muss jede kindliche Schenkelhalsfraktur möglichst schnell operativ versorgt werden. Nur so kann eine optimale Reposition und Stabilisation erreicht sowie das intrakapsuläre Hämatom entlastet werden. Eine |35|sofortige Gelenkpunktion, zur Beseitigung des Hämarthros, dient der Erhaltung der Zirkulation (s. Kap. 5.3.4, S. 114).

2.2.2 Frakturen und Luxationen mit Kompressionen von Nerven und Gefäßen, Druck auf die Haut von innen

Begleitverletzungen bei Frakturen sieht man nicht auf dem Röntgenbild. Manche davon haben aber schwerwiegendere Folgen als der Bruch selbst. Bei jedem Knochenbruch ist deshalb notwendig:

Prüfung der Funktion von Muskeln und Sehnen (s. Kap. 12.2.5, S. 220),

neurologische Untersuchung (s. Kap. 12.2.7, S. 220),

Kontrolle der peripheren Zirkulation (s. Kap. 12.2.8, S. 221).

Diese klinischen Untersuchungen nehmen nur zwei oder drei Minuten in Anspruch. Dem Patienten können sie aber unangenehme Spätfolgen ersparen.

Sehnen- und Muskelverletzungen

Bei geschlossenen Frakturen kommen funktionelle Ausfälle durch Sehnen- und Muskelverletzungen äußerst selten vor. Häufig sind hingegen Sehnendurchtrennungen bei offenen Verletzungen von Hand und Handgelenk. Von ihrer ersten Versorgung hängt oft die Funktionstüchtigkeit der Hand ab. Die Handchirurgie hat die Behandlung dieser Verletzungen, die zum Teil recht kompliziert und schwierig ist, in allen Einzelheiten ausgearbeitet.

Gefäßverletzungen

Bei jeder Fraktur wird routinemäßig der periphere Puls palpiert. Arterienverletzungen kommen fast nur bei offenen Frakturen vor. Gefäßchirurgische Maßnahmen können notwendig sein. Am besten wird die Fraktur in derselben Sitzung fixiert und damit eine Gefäßnaht ruhiggestellt. Die drohende ischämische Muskelkontraktur („Volkmann’sche Kontraktur“) bei Ellbogenfrakturen ist eine Notfallsituation (s. Abb. 3-7, S. 61).

Kompartmentsyndrom

Als Kompartmentsyndrom wird das Zusammenspiel mehrerer klinischer Zeichen und Symptome, die aus einer Druckerhöhung in einem vorgegebenen Raum resultieren, bezeichnet. Der erhöhte Druck schädigt die Gewebe in dem Kompartment durch verminderte Durchblutung. Die Hauptsymptome Schmerz („pain“), Blässe („pallor“), Parästhesien, Lähmung („paralysis“) und Pulslosigkeit, lassen sich leicht als fünf Ps merken. Schmerz ist gewöhnlich das erste Zeichen, Lähmung und Pulslosigkeit sind späte Zeichen. Der Schmerz steht meist in keiner Relation zu dem Schmerz, der vom Ausmaß der Verletzung zu erwarten wäre. Der beste klinische Test ist das passive Dehnen der Muskeln im Kompartment: Er fällt positiv aus, wenn Schmerzen auftreten.

Die häufigsten Ursachen eines Kompartmentsyndroms sind Frakturen, Weichteilverletzungen, arterielle Verletzungen, längere Extremitätenkompressionen und Verbrennungen. Ein Kompartmentsyndrom muss sofort ohne Zeitverlust operativ versorgt werden. Ein Kompartmentsyndrom durch Frakturen kommt dadurch zustande, dass es infolge von Druckanstieg im Frakturödem in einer durch Faszien abgeschlossenen Muskelloge zu einer Ischämie der Muskulatur kommt. Am bekanntesten ist das Tibialis-anterior-Syndrom. Kompartmentsyndrome kommen aber auch an anderen Stellen vor (Unterarm, Hand, Fuß). Die ersten Zeichen sind starke Schmerzen, druckdolente und vor allem auf Dehnung schmerzhafte Muskulatur, Funktionsausfall, späte Lähmung der peripheren Nerven im Kompartment und nach wenigen Stunden ischämische Nekrose der Muskulatur. Schließlich stellt sich eine fibröse |36|Umwandlung mit Kontraktur ein. Die Diagnose muss rasch gestellt werden, denn es handelt sich auch hier um eine Notfallsituation. Der Druck kann mit einfachen Geräten gemessen werden (Nadelpunktion, kommunizierende Röhrchen). Ein Kompartmentsyndrom muss sofort ohne Zeitverlust operativ versorgt werden (Spalten der Faszie, Offenlassen der Wunde und später sekundärer Schluss).

Nervenverletzungen

Bei geschlossenen Frakturen können Nervenläsionen durch Überdehnung entstehen. Gefährdet sind vor allem der N. radialis bei Humerusfrakturen und der N. tibialis bei tiefen Unterschenkelfrakturen. Bei rascher geschlossener Reposition erholt sich die Nervenleitung fast immer nach einiger Zeit von selbst. Primäre Nervenrevisionen sind daher kaum notwendig. Häufiger als die primären sind sekundäre iatrogene Nervenläsionen (hauptsächlich N. fibularis, N. ulnaris und N. radialis) im Verlauf der Frakturbehandlung (Drucklähmungen, Operationen) und gelegentlich bei Metallentfernungen, denn im Narbengewebe eingebettete Nerven sind schlecht sichtbar, unverschieblich und viel leichter zu verletzen als in normalem Gewebe mit bekannter Anatomie. Bei offenen Verletzungen, vor allem der Hand und des Vorderarms, spielen Nervenverletzungen eine große Rolle, weil die Funktion der Hand weitgehend von ihrer Sensibilität abhängt. Aber auch am Bein bestimmt eine Nervenverletzung die Prognose oft mehr als eine Fraktur.

2.2.3 Instabile Wirbelkörperfraktur

Entscheidend für die Therapie von Wirbelkörperfrakturen ist, ob die Stabilität der Wirbelsäule erhalten geblieben ist oder nicht. Im ersten Fall ist die Prognose im Allgemeinen gut und die Behandlung meist einfach. Bei fehlender Stabilität ist die Prognose unsicher und die Behandlung wesentlich heikler. Bei Abscherung der Bruchflächen, Drehverschiebung, Brüchen in den Wirbelbogen und Zerreißungen des Bandapparates wird ein Wirbelbruch instabil. Solche Brüche können sich weiter verschieben – mit der Gefahr einer Rückenmarkskompression und Querschnittslähmung (s. Kap. 2.1.5, S. 33). Instabile Wirbelbrüche sind mit den höheren Geschwindigkeiten und Energien im Verkehr, in der Arbeitswelt und beim Sport häufiger geworden. Sie müssen schon am Unfallort erkannt bzw. bereits vermutet werden, denn von der Erstbehandlung hängt das spätere Schicksal der Patienten ab. Notfall- und Rettungsteams sind entsprechend geschult: keine falsche, unnötige Bewegung, keine Drehung oder Aufsetzen sowie schonendste Lagerung für die Beförderung. Sie verfügen auch über die nötige Infrastruktur für einen möglichst schnellen Transfer (z. B. mittels Helikopter) in ein Zentrum für Wirbelsäulenverletzungen.

2.2.4 Offene Fraktur

Die schwerwiegendste Komplikation einer Fraktur ist die Infektion, die auf den Knochen übergreift, die traumatische Osteitis (s. Kap. 6.16, S. 158). Gefährdet sind in jedem Fall Knochen offener Brüche, vor allem jene, bei denen die Haut durch Kontusion von außen beschädigt und nicht nur durch ein Knochenfragment von innen her durchspießt wurde. Die Schwere einer offenen Fraktur hängt mehr von der Schädigung von Haut und Weichteilen ab als von der Größe der Wunde. Eine Durchspießung bei einem indirekten Bruch ist harmloser als eine stark gequetschte direkte Fraktur mit lädierter, aber noch geschlossener Hautdecke. Darunter verbirgt sich fast immer ein schwerer tiefer Weichteilschaden.

Für die Beurteilung ist die Art der Schädigung der Gewebe ausschlaggebend (Kontusion, Quetschung, Zerreißung, Zertrümmerung) sowie die Durchblutung. Stark geschädigtes und avaskuläres Gewebe stirbt ab und wird nekrotisch (Knochensequester, Muskel- und Hautnekrosen |37|usw.). Diese Schäden sind Folgen des erlittenen Traumas, das sich in der Bruchform ausdrückt. Die Infektionsgefahr hängt auch von der Kontamination (Schürfung, Grad der Verschmutzung) ab.

Die Behandlung der offenen Knochenbrüche hat in erster Linie zum Ziel, eine Infektion zu verhindern. Wenn immer möglich, wird die Fraktur bei der ersten Versorgung unter streng aseptischen Bedingungen in eine geschlossene verwandelt.

2.2.5 Tibiafraktur mit Dislokation und drohendem Hautschaden

Wegen seiner Exposition ist das Schienbein besonders gefährdet für Frakturen. Komplikationen entstehen vor allem bei Verletzungen der dünnen Hautdecke von außen oder von innen her durch die Bruchfragmente: Hautnekrosen und Infektionen (s. Kap. 6.17, S. 158) sind gefürchtete Komplikationen von Unterschenkelbrüchen.

2.3 Dringend erforderliche Diagnosestellung

2.3.1 Kongenitale Hüftgelenksluxation

Die angeborene Hüftgelenksluxation und -dysplasie (s. Kap. 7.2.3, S. 180) hat eine umso bessere Prognose, je eher sie diagnostiziert und behandelt wird. Routinemäßig sollte heute bei jedem Säugling mittels Ultraschalluntersuchung (s. Kap. 12.3.5, S. 222) in der 2. bis 4. Lebenswoche das Verhältnis zwischen Hüftkopf und Hüftpfanne und dem knorpeligen Pfannendach beurteilt werden (s. Abb. 7-5, S. 181). Bis dahin ist unbedingt ein prophylaktisches breites Wickeln zu empfehlen. Die anschließend notwendige Therapie wird, entsprechend dem Sonografieuntersuchungsbefund und dem Lebensalter des Kindes, gestaffelt von

keine weitere Behandlung,

Spreizhosenbehandlung,

Bandagen oder Apparaturen,

Abspreizschienen,

Laufschienen bis

vorübergehende Ruhigstellung im Gipsverband

reichen (s. Tab. 7-1, S. 181). Die operative Behandlung wird mit dem Ziel einer besseren Hüftkopfüberdachung und einer gleichmäßigeren Druckverteilung im Gelenk durchgeführt, um Folgeschäden der Fehlstellung mit Gelenkverformungen und -zerstörungen zu vermeiden. Die Behandlung dieser Erkrankung ist mit zunehmendem Alter des Kindes immer schwieriger und aufwendiger, daher ist die Behandlung im Säuglingsalter dringend erforderlich.

2.3.2 Kongenitaler Klumpfuß

Der kongenitale Klumpfuß (Abb. 2-3, s. Kap. 7.2.1, S. 180) wird auch als primärer idiopathischer Klumpfuß bezeichnet. Es liegt eine komplexe Fehlstellung mehrerer Fußwurzelgelenke