Osttiroler Alltagsleben 1870-1990 - Gertraud Zeindl - E-Book

Osttiroler Alltagsleben 1870-1990 E-Book

Gertraud Zeindl

2,2

Beschreibung

Heiteres, Bemerkenswertes und Bewegendes aus über 100 Jahren Osttirol! Ereignisse wie der Bau der Eisenbahnstrecke Franzensfeste - Villach oder die Eröffnung des Kalserbachkraftwerkes hatten ebenso Einfluss auf den Alltag der Bevölkerung wie der Besuch des Kaisers, die Kunst der Maler Defregger und Egger-Lienz, der Rodelsport, der wild gewordene Hund auf der Straße oder die familiäre Tragödie von nebenan - ein unverzichtbares Panoptikum.

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HAYMONverlag

Gertraud Zeindl

OsttirolerAlltagsleben1870–1990

Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge 56

Wir danken dem Osttiroler Boten für die Möglichkeit der kostenfreien Nutzung von Texten.

© 2014HAYMON verlagInnsbruck-Wienwww.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-3607-8

Umschlag- und Buchgestaltung, Satz:

hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Grafische Nachbearbeitung der Abbildungen: Benno Monz

Abbildungen: Wenn nicht anders angegeben, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck

Umschlag: Bibliothek Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (vordere Seite), Lukas Morscher (kleines Bild vordere Seite), Familie Zeindl (Rückseite)

S. 12, 16, 30, 42, 60, 71, 96, 98, 102, 110, 113, 118, 129, 136, 145, 147, 151, 175, 176, 179, 180, 205, 213: Bibliothek Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

S. 104–105, 106, 108–109: Tiroler Landesarchiv

S. 11, 15, 17, 23, 27, 28, 34, 38, 45, 47, 51, 54, 57, 65, 66, 72, 74, 77, 79, 83, 85, 86, 88, 90, 91, 95, 97, 99, 124, 130, 135, 141, 154, 156, 159, 172, 177, 181, 182, 184, 197, 218, 229: Kurt Klieber

S. 14, 22, 32, 36, 46, 93, 107, 168, 195, 224, 240, 255: Lukas Morscher

S. 231, 232, 234: Familie Stefan Sorko

S. 19: Harald Stadler

S. 18, 21, 25, 34, 68, 183, 217, 226, 250, 252: Familie Zeindl

Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle InhaberInnen von Bildrechten ausfindig gemacht werden. Für entsprechende Hinweise ist die Autorin dankbar.

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

Inhalt

VORWORTE

Einleitung

1870

1871

1872

1873

1874

1875

1876

1877

1878

1879

1880

1881

1882

1883

1884

1885

1886

1887

1888

1889

1890

1891

1892

1893

1894

1895

1896

1897

1898

1899

1900

1901

1902

1903

1904

1905

1906

1907

1908

1909

1910

1911

1912

1913

1914

1915

1916

1917

1918

1919

1920

1921

1922

1923

1924

1925

1926

1927

1928

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

1938

1939

1940

1941

1942

1943

1944

1945

1946

1947

1948

1949

1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

1961

1962

1964

1965

1966

1967

1968

1969

1970

1971

1972

1974

1975

1977

1982

1983

1985

1986

1987

1988

1989

1991

Zum Autor

VORWORT

Herwig van Staa

Tiroler Landtagspräsident

Zeitreisen

Die Besiedlung Osttirols geht bis weit in das 7. Jahrtausend vor Christus zurück, eine erste Blütezeit erlebte das Land während der Machtübernahme durch die Römer, wie die Ausgrabungen in Aguntum im heutigen Dölsach eindrucksvoll unter Beweis stellen. Unter Maximilian I. kam Osttirol, das lange Zeit Teil der Grafschaft Görz war, im Jahr 1500 zu Tirol. Die größte Zäsur in der Geschichte Osttirols stellt wohl die Abtrennung Südtirols an Italien im Jahr 1919 dar: Der Bezirk Lienz als der bei Tirol verbliebene Teil des ehemaligen Südtirol erhielt dadurch seine endgültigen Grenzen, und Osttirol fand sich plötzlich – vom Rest des Landes abgekapselt – in einer völligen Randlage wieder. Erst 76 Jahre später brachte der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und das damit verbundene Fallen der Grenzen zu Italien wieder eine Erleichterung. Im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino arbeiten seitdem die ehemaligen Länder des „alten“ Tirol wieder freundschaftlich und eng zusammen. Osttirol ist es gelungen, diese neuen Entwicklungen und auch die zusätzlichen Fördermöglichkeiten der EU erfolgreich für sich zu nutzen. Zahlreiche Betriebsansiedelungen, gerade aus Südtirol, sprechen eine deutliche Sprache.

Ein herzliches Dankeschön möchte ich an dieser Stelle an die Autorin dieser profunden Einblicke in die Osttiroler Geschichte und Zeitgeschichte, der Historikerin und Kunsthistorikerin Gertraud Zeindl, richten. Sie schließt mit diesem liebevoll und detailgenau recherchierten Werk an die Buchreihe Innsbrucker bzw. Tiroler Alltagsleben an, für die ihr Kollege, der Leiter des Innsbrucker Stadtarchives Lukas Morscher, verantwortlich zeichnet.

Innsbruck, Mai 2014

Gertraud Zeindl

Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck

Einleitung

Zeitungen bieten eine Fülle verschiedener Zugänge zur Geschichte, zur Vergangenheit an. Als historische Quellen verwendet, eignen sie sich, um die Wirkung der Printmedien auf die Gesellschaft zu untersuchen. Daneben, und das ist der Sinn und das Ziel dieses Buches, lässt sich mithilfe der verschiedenen Zeitungen ein wunderbares Panoptikum einer Region, eines Landesteiles, darstellen. Und so kann die regionale Geschichte in ihrer Vielfalt neu aufleben. Es geht dabei nicht darum, dem Anspruch der Vollständigkeit zu genügen, da die regionale Berichterstattung den lokalen Bedürfnissen ihrer Zeit folgte und dies im Buch auch vermittelt werden soll.

Um diese bunte Auswahl an Geschichten über das vergangene Osttirol zusammenzustellen, war die Lektüre verschiedener regionaler Wochen- und Tageszeitungen notwendig. Den Anfang hat hierbei der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ gemacht, der für die ersten sieben Jahre des Buches tonangebend ist. Der Bote erschien damals als Tageszeitung und verlautbarte neben amtlichen Mitteilungen auch Nachrichten aus dem Inund Ausland. Über die damaligen Bezirksgerichte Windisch-Matrei, Lienz und Sillian berichtete diese Tageszeitung regelmäßig und veröffentlichte Schilderungen von Bewohnern der genannten drei Gerichte. Somit erhielten hier auch Osttiroler eine Plattform, ihrer Meinung Gehör zu verschaffen.

Ab dem Jahre 1878 bis 1885 stammen die Geschichten aus der liberalen Wochenzeitung aus Bruneck, dem „Pustertaler Boten“. Für die darauffolgenden dreißig Jahre (1886–1915) sind die Artikel der „Lienzer Zeitung“ maßgebend. Dieses Osttiroler Wochenblatt erschien am 17. Jänner 1886 das erste Mal und setzte sich von Anfang an das Ziel, „die Interessen der Bewohnerschaft des östlichen Tirols, der Bevölkerung des Drau- und Rienz-Thales mit den Nebenthälern in den Hohen Tauern und Dolomiten zu vertreten, Wünschen und Bestrebungen der Bevölkerung und ihrer Stellung gegenüber den mannigfachen Tagesfragen Ausdruck zu geben und eine getreue Chronik der Ereignisse zu sein.“ Am 29. Mai 1915 musste die Wochenzeitung aber vorübergehend die Produktion einstellen. Schlussendlich setzte ihr Erscheinen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges aus, da mit der Kriegserklärung Italiens das letzte Personal aus der Zeitungsdruckerei einrücken musste. 1919 versuchte man, die Zeitungsherstellung erneut aufzunehmen, musste das Vorhaben aber noch im selben Jahr wieder aufgeben. Die „Innsbrucker Nachrichten“ berichten über physische wie technische Probleme, die den Drucker der Zeitung, „Buchdruckbesitzer J.G. Mahler“, zur Einstellung zwangen. Ein Ersatz fand sich in den „Lienzer Nachrichten“, die von 1911 bis zum 10. März 1938 erschienen. Im Oktober 1938 setzte die „Lienzer Zeitung“ ihre Berichterstattung fort. Diese ursprünglich liberale Wochenzeitung entpuppte sich nun, 1938, als nationalsozialistisches Wochen- und Propagandablatt. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die „Lienzer Zeitung“ endgültig in ihrem Erscheinen eingestellt. Am 10. Jänner 1946 ging dann der erste Osttiroler Bote in der Buchdruckerei J.G. Mahler in Druck. Diese Wochenzeitung präsentierte sich als „eine neue Heimatzeitung, die vorläufig noch in einem kriegsbedingten, unscheinbaren Gewandl zunächst alle 14 Tage von der Bezirkskammer für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft ausgeschickt wird, um der Ernährungssicherung und Kulturförderung in Osttirol zu dienen“. Von 1946 bis 1991, dem zeitlichen Ende dieser Rundreise durch Osttirol, bietet der Osttiroler Bote kontinuierliche Berichterstattung.

Der bearbeitete zeitliche Rahmen deckt die Jahre zwischen 1870 und 1991 ab. Somit wird hier ein historischer Bogen gespannt von der Eröffnung der Pustertal- und Drautalbahn 1871 über das Jahrhunderthochwasser des 19. Jahrhunderts 1882, den beginnenden Fremdenverkehr, technische Fortschritte und Neuerungen zur Jahrhundertwende – vom elektrischen Strom, dem ersten Automobil bis hin zum Telefon –, dann über die beiden verheerenden Weltkriege 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945, die Nachkriegszeit mit ihrer Lebensmittelnot, ihren heimkehrenden Soldaten sowie dem Wiederaufbau, den wirtschaftlichen Aufschwung in den 1960er-Jahren, den beiden Katastrophenjahren 1965 und 1966 bis hin zur Eröffnung des Nationalparks Hohe Tauern 1991.

Diese Zeitreise durch die Osttiroler Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts erfolgt anhand von Zeitungsberichten, Anekdoten sowie Bildmaterial. Die Auswahl der einzelnen Berichte und Geschichten folgt nur punktuell der österreichischen Ereignisgeschichte, da diese nicht immer wunschgemäß in den oben angeführten regionalen Zeitungen präsentiert und dargestellt wurde. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl war zudem, jede Osttiroler Gemeinde zumindest mit einer Schilderung zu präsentieren. Aber auch die Abwechslung von historisch interessanten, lustigen und tragischen Berichten sollte gewahrt sein.

Begleitet werden die nach den Originalzeitungsausgaben zitierten Geschichten durch Abbildungen, die das historische Bild ergänzen, erweitern und/oder erst schaffen. Hier wurde auf Bildbestände folgender Archive und Bibliotheken wie auch Privatpersonen zurückgegriffen: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Tiroler Landesarchiv, Familie Stefan Sorko, Kurt Klieber, Harald Stadler sowie auf die private Fotosammlung meiner Mutter, die als gebürtige Osttirolerin einige ihrer Kindheitsfotos zur Verfügung gestellt hat. Jedem Einzelnen sei an dieser Stelle gedankt.

Bedanken möchte ich mich auch beim Haymon Verlag, ohne dessen Initiative dieses Buch nicht entstanden wäre. Bei meiner Lektorin Dorothea Zanon, der manch undankbare Arbeit wie zum Beispiel das Kürzen meines viel zu lang geratenen Manuskriptes oblag. Bei Lukas Morscher, der mit seiner Alltagsleben-Reihe diese Publikation erst möglich gemacht hat. Bei meinem Bruder Michael Zeindl, der in seiner Freizeit die digitalen Bilder in Form brachte. Auch bei meiner Schwester Ingrid Bubestinger und meinem Lebenspartner Alexander Plaikner, die durch ihre „Nachlese“ mir die Sicherheit und dem Buch den letzten Schliff gaben.

Widmen möchte ich dieses Buch all jenen, die Osttirol mit all seinen Facetten schätzen und über die vergangenen Geschichten schmunzeln, lachen, vielleicht weinen oder einfach interessiert und kritisch lesen möchten.

1870

10. FEBRUAR

Sillian

Am 2. l. M. fanden zwei Tilliacher Bauern früh am Morgen auf dem Heimwege eine kleine Viertelstunde außerhalb der Wieserhöfe, Gemeinde Kartitsch, einen von Kälte bereits erstarrten Mann, welcher noch am Leben, jedoch schon unvermögend war, sich zu bewegen. Obgleich die zwei Bauern aus Tilliach in diesem Unglücklichen einen bekannten Standeskollegen erkannten, ließen sie ihn liegen und gingen ihren Weg weiter. In den Wieserhöfen meldeten dieselben jedoch, daß sich das s. g. Hainzl dem Tode nahe auf dem Wege gegen die Maregge befinde. Während nun die zwei Tilliacher, welche wahrscheinlich ihrem Humanitätsgefühle vollkommen Genüge geleistet zu haben glaubten, den Heimweg weiter verfolgten, machten sich zwei Männer von der Wiese auf, um den Erfrierenden mittelst eines Schlittens zu holen und in der warmen Stube wieder zu beleben. In der Stube angelangt verschied derselbe freilich wider Erwarten seiner Retter allsogleich. Möchten doch die Bewohner einer Gegend, in welcher der Winter nahezu ¾ Jahre andauert und die Kälte nicht selten 20° R. erreicht, unterrichtet werden, welche Belebungsversuche bei Erfrierenden anzuwenden sind. Vielleicht dürfte das neue Lesebuch für Volksschulen nebst diesem Unterricht noch verschiedenes Nützliche enthalten. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 32, S. 160

Winterlandschaft.

1871

Jedes Jahr wurde der Geburtstag von Kaiser Franz Joseph am 18. August in der Lienzer Pfarrkirche mit einem Gottesdienst gefeiert.

21. AUGUST

Lienz

Der Geburtstag Sr. Majestät unsers allergnädigsten Kaisers Franz Joseph I. wurde heute in der St. Andrä Pfarrkirche durch ein solennes Hochamt gefeiert. Die Hauptmomente der heiligen Handlung verkündeten Pöllersalven und der schöne harmonische Klang der Glocken trug mit metallener Zunge den Ambrosianischen Lobgesang zum Schlusse durch die Lüfte. […] Sämmtliche Beamte der k.k. Bezirkshauptmannschaft und des k.k. Bezirksgerichtes, von den Chefs bis zum letzten Diener, das Personal des Forst- und Steueramtes, die k.k. Finanzwache, das Gendarmerie-Postenkommando, alle im Staats- und Festkleide, sowie die Schuljugend und viele andere aus den verschiedensten Ständen waren anwesend, um an diesem Feste des Reiches Theil zu nehmen. Nur der Magistrat und sein ganzes nicht unbedeutendes Dienstpersonale glänzte durch seine vollständige Abwesenheit, wenn überhaupt Taktlosigkeit noch einen Glanz hat. – Es dürfte an der Zeit sein, den Magistrat darauf aufmerksam zu machen, daß es sich bei derlei feierlichen Anlässen nicht so fast um so eklatante Schaustellung der eigenen individuellen Gefühle und Gesinnungen, als vielmehr um die Wahrung der Würde und der Interessen der ihm anvertrauten Stadtgemeinde handelt. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 190, S. 1316

13. NOVEMBER

Bruneck

Die Pusterthaler Bahn ist seit dem 5. November sozusagen fertig. Das schnaubende Dampfroß durchzog an diesem Tage das erstemal die ganze Strecke von Franzensfeste bis Villach. Es war der Kommissionszug, welcher den Herrn Gerneral-Direktor v. Bontou, den Herrn Bau-Direktor Prenninger und mehrere andere Herren Ingenieure der k.k. priv. Südbahngesellschaft und den Herrn Bauunternehmer Baurath v. Hügel brachte. Nachdem die Maschine hier mit Wasser versorgt war, fuhr der Zug, welcher um 11 Uhr Vormittags eintraf, nach Lienz weiter und traf, trotz, daß er Verspätung hatte und wegen einer zufälligen Erdabrutschung bei Olang eine Verzögerung erlitt, Abends 8 Uhr in Villach ein. Montag traf der zweite Zug von Villach hierauf ein, welcher diverse Einrichtungen brachte und Mittwoch Mittag 12 Uhr rasselte der höchst imposante Belastungszug zur Erprobung der Brücken in den Bahnhof ein. Dieser Zug bestand aus 6 der größten Lokomotiven mit den Kohlenwagen, wovon drei geheitzt waren, einer langen Reihe von Material-Wagen mit Schienen schwer beladen und einigen andern Waggons. Die Brücken auf dieser Bau-Strecke bestanden die Erprobung mit vorzüglichem Erfolge. Die großartige Eisenbrücke bei Percha wich der ungeheuren Last nur 8 Linien, welche sich nach der Befreiung wieder ergänzten; die Rienzbrücke bei Bruneck hatte eine Einsenkung von nur 3 ½ Linien. Heute finden die Brückenproben zu Vintl, Mühlbach und Franzensfeste statt, welche letztere die wichtigste auf der ganzen Strecke ist. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 260, S. 1808

Bauarbeiten an der Bahnlinie Lienz–Franzensfeste bei der Lienzer Klause 1871.

27. NOVEMBER

Lienz

[…] Die gegenwärtigen Verkehrs- und Postverhältnisse im Pusterthale, und namentlich in Lienz, sind wirklich unerträglich; wie man hört soll der Verkehr bis Ende dieses Monats endlich doch geregelt werden, was jedenfalls sehr wünschenswerth wäre. Gegenwärtig kommt ein Zug um 12 Uhr Nachts von Villach und der andere um 2 Uhr früh von Bruneck nach Lienz, und selbst diese Züge haben in den Zwischenstationen häufig ¼ bis ½ Stunden langen Aufenthalt und im Ganzen 2 bis 3 Stunden Verspätung; wie angenehm für Passagiere! Zeitungen und Briefe kommen sehr unregelmäßig und heute z.B. hat die Poststation Lienz den Briefbeutel für Bruneck erhalten, und so geht es fort; heute fehlt dies, morgen was Anderes. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 272, S. 1896

30. NOVEMBER

Lienz

Vorgestern Nachts hat sich in der Gemeinde Nußdorf ein höchst bedauerliches Unglück ereignet. Drei Bauernburschen kamen zum Tocknighof zu den Mägden ans Fenster; der Bauer aber, der wohl etwas zu viel Schlaftrunk zu sich genommen haben mochte, begnügte sich nicht, die Burschen zu verjagen, sondern schoß ihnen mit seiner Flinte nach, und traf leider einen der drei in den Kopf, daß er beinahe augenblicklich todt blieb. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 275, S. 1918

Das „Fensterln“ oder das „Gasslgehen“, wie es in Osttirol auch genannt wurde, nahm nicht immer so einen romantischen Verlauf, wie hier am Bild zu sehen.

1872

Die Osttiroler Gemeinden und ihre Lehrpersonen protestierten schon seit 1870 gegen die vom Tiroler Landtag eingeführte Schulordnung. Die Protestaktionen gestalteten sich hierbei vielfältig.

11. MÄRZ

Pusterthal

Hr. Schulinspektor Murr hat in seinem Bezirk theilweise die sehr nöthigen Schulvisitationen vorgenommen; er ist zwar nicht auf derartige Beleidigungen gestoßen, wie andere Bezirks-Inspektoren in frühern Jahren, doch muß ich von einem Ereignisse berichten, welches ihm bei der heurigen Visitation passiert ist. Der Hr. Schulinspektor wanderte jüngst in ein Thal, welches am Eingange eine mit einer alten Ritterburg gekrönte Felsenkuppe zeigt. Die Ringmauern der Burg sind mit Schußscharten und Wachtthürmen versehen, gleichsam um jedem Freunde des Unterrichts, der da kommen dürfte, Trotz zu bieten. Angekommen in einer der Gemeinden dieses Thales, begann er seine Funktion, und fand in der Schule zwar den Gemeindevorsteher, aber nicht die Schulkinder. Ueber die Frage des Hrn. Inspektors, wo denn die Schulkinder seien, gab Hr. Gemeindevorsteher zur Antwort: es bin ja nur ich vorgeladen – und nicht die Schulkinder. Ich bin nun erschienen und habe dem ämtlichen Auftrage Folge geleistet, somit meiner aufhabenden Pflicht entsprochen. […]Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 59, S. 402

1873

1. MAI

Kartitsch

Die in Kartitsch und Tilliach durch eine von Sterzing kommende Zigeunerbande eingeschleppten schwarzen Blattern haben in diesem Hochthale schnelle Verbreitung gefunden. Gestern erkrankten in Kartitsch allein 19 Individuen und sind im ganzen Thale bei 90 Erkrankungsfälle bekannt. Mehrere sind der Krankheit erlegen. Vorkehrungen zur Behandlung der Kranken sind durch den Herrn k.k. Bezirkshauptmann eingeleitet. Ob das Drauthal von dieser Krankheit verschont bleiben wird, muß bezweifelt werden, da zur Uebertragung des Krankheitsstoffes bei dem regen Verkehr der Bevölkerung von Kartitsch und Tilliach mit den Bewohnern des Hauptthales Gelegenheit genug geboten ist, und der gleichgiltige Unterpusterthaler nicht leicht zu Vorsichtsmaßregeln für seine Person zu vermögen ist. Die im Frühjahre von Gemeinde zu Gemeinde stattfindenden üblichen Kreuz- oder Bittgänge, bei welchen zur Rast und Erfrischung in Bauernhäusern Einquartierung genommen wird, und die vielen Märkte sind ebenfalls nicht geeignet den Herd der Krankheit zu begränzen. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 99, S. 666

Um die Grenze gegen Kärnten wegen Epidemien aber auch Viehseuchen zu bewachen, wurden in Untertilliach im 19. Jahrhundert immer wieder militärische Wachen stationiert.

26. MAI

Von der Ostgrenze Tirols

Der rühmlichst bekannte Maler Franz Defregger befindet sich gegenwärtig in seiner Pfarrgemeinde Dölsach, welche ihn auch in Anbetracht seiner eminenten, ja unerhörten Fortschritte auf dem Gebiete der Kunst und aus Anlaß der hochherzigen Spende eines kostbaren Altarblattes für diese Pfarrkirche zum Ehrenmitglied ernannt hatte. Der gefeierte Künstler wird noch einige Tage hier verweilen und dann zur Weltausstellung nach Wien gehen. Man kann sich denken, mit welchen Gefühlen dieser edle Mann von seinen vielen hier wohnenden Verwandten, Verehrern und Freunden begrüßt und namentlich zu seiner Genesung beglückwünscht worden ist. Gewiß wird ihm diese Theilnahme und Verehrung in den weitesten Kreisen gezollt; weiß man ja nicht, was man bei diesem Charakter mehr bewundern soll: den Künstler oder den Menschen. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 119, S. 828

14. JULI

Lienz

Gestern Abends 6 Uhr ist Se. kais. Hoheit Kronprinz Rudolf dahier angekommen. Höchstderselbe wurde am Bahnhofe von Se. Exzellenz dem Herrn Statthalter Grafen Taaffe, dann dem k.k. Bezirks Commissär Grafen Taxis und den k.k. Herren Beamten, sowie auch dem Herrn Bürgermeister Karl Sartori und die Herren Magistratsräthe und Gemeindeausschußmitglieder ehrfurchtsvollst erwartet und begrüßt. Auch eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich eingefunden. Der Bahnhof resp. das Stations-Gebäude war festlich geziert, und als der Hofzug hielt und Se. kais. Hoheit aus dem Waggon stieg, ertönte die österr. Volkshymne, vorgetragen durch die städt. Musikbanda. Se. kais. Hoheit fuhren sodann in der prachtvollen Equipage des Herrn Emil Unterhuber durch den hübsch dekorierten untern Stadtplatz, in das Absteigequartier zur Post, allwo die für Höchstselben bestimmten Appartements auf das geschmackvollste decoriert waren. Um halb 8 Uhr brachte die städt. Musik Se. kais. Hoheit noch ein gelungenes Ständchen. Heute 7 Uhr verließ der Kronprinz wieder unsere Stadt und fuhr nach Dölsach, von dort ging es zu Pferd über den äußerst schlechten Weg nach Iselsberg und Winklan; von Winklan werden sich Se. kais. Hoheit nach hl. Blut und zu den Pasterzen-Gletschern begeben, und am Montag wieder nach Lienz zurückkehren, und von hier nach Villach sich begeben. Se. Exzellenz der Herr Statthalter begleitete den Kronprinzen bis Dölsach, kehrte von dort zurück, und fuhr nach Windisch-Matrei. Zehn doppelspännige Equipagen und mehrere Einspänner zur Fahrt vom Bahnhofe bis zur Post, sowie von hier nach Dölsach, wurden von den hiesigen Bürgern beigestellt. In Dölsach und dann wieder auf der Höhe des Iselsberges wurde Se. kais. Hoheit durch die sehr gute Dölsacher Musik überrascht. In Lienz war auch die städtische freiwillige Feuerwehr ausgerückt, und hielt während der Nacht Bereitschaft. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 159, S. 1105

Defreggers Geburtshaus bei Dölsach.

Das Hotel Post am Kaiser-Josef-Platz in Lienz erfuhr anlässlich des hohen Besuches von Kronprinz Rudolf eine bauliche Erweiterung um 17 modern ausgestattete neue Fremdenzimmer.

1874

Zwei Bergsteiger am Gipfelkreuz des Großglockners, um 1880.

5. OKTOBER

Lienz

Den Glockner bestiegen zu haben, ist nun bald nichts Außerordentliches mehr, da derselbe heuer selbst von mehreren Damen erstiegen wurde, doch dürfte es als eine außerordentliche touristische Leistung anerkannt werden, in einem Zeitraume von 4 Tagen zweimal die Parthie auf die Spitze des Großglockner gemacht zu haben. Dieser touristischen Leistung kann sich Herr Viktor Pfaff, Doctorand der Pharmacie von Lienz, rühmen, der die Spitze des Großglockners am 1. Sept. d. J. in Begleitung des Barons und der Baronesse von der Pfordten (Sohn und Tochter des ehemal. Bayerischen Minister-Präsidenten) von der Stüdl-Hütte aus mit 4 Kalser Führern in 3 ½ Stunden erreichte. Nach 1 ½ sündigem Aufenthalte erfolgte der Abstieg über die Adlers-Ruhe, das Leiter-Kees und Katzensteig nach Heiligenblut. Nach kurzer Rast schloß sich Herr Pfaff gleich wieder einer Glockner-Parthie an, und erreichte mit dem Herrn Rittmeister Eichenauer und dessen Frau Gemahlin unter Führung der Heiligenblutner Führer am 3. Sept. um 8 Uhr Morgens zum zweitenmale die Spitze des Großglockner und kam am 4. Sept. wieder glücklich nach Lienz. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 226, S. 1711

29. DEZEMBER

Aus Osttirol

Nach längerer, bedenklicher Witterung fing es am 20. d. M. an zu schneien; es schneite durch zwei Tage fast ununterbrochen, wodurch die schon vorhandene Schneedecke noch um 1 ½–2 Schuh erhöht wurde. Im Nachbarlande Kärnten war der Schneefall noch viel bedeutender, als in Tirol. Nachdem der Schneefall aufgehört, stellte sich ein heftiger Wind ein, der arge Verwehungen anrichtete. In Folge dessen kommen die Eisenbahnzüge aus Kärnten seit einigen Tagen um viele Stunden zu spät, manche können gar nicht mehr weiter. Die Straßen waren natürlich vollkommen unpassierbar. Der Schneepflug, der – wie gewöhnlich zu spät – von Lienz abgeführt wurde, konnte trotz aller Anstrengungen von Menschen und Pferden nicht bis zur Tiroler-Gränze gebracht werden. Die uneröffnete Strecke wird also ausgeschaufelt werden müssen, und es ist einleuchtend, daß die Kosten dieser Arbeit weit höher zu stehen kommen, als die eines zweimaligen Schneepflugführens betragen haben würden. Wie man hört, besteht die strikte Vorschrift, den Schneepflug erst bei Vorhandensein einer gewissen Höhe neugefallenen Schnees zu führen, durch welche Vorschrift die Wegmeister gebunden sind. Bei Normierung derselben scheint man nicht daran gedacht zu haben, daß es sehr leicht möglich sei, daß der Schnee an einem Tage noch nicht die zur Schneepflugführung berechtigende Höhe hat, während er dann am andern Tage durch den die Nacht hindurch gefallenen Schnee so angewachsen ist, daß der Pflug nur mit bedeutend größeren Kräften geführt werden kann, welche Kräfte dann auch noch hart aufgebracht werden können, indem viele Pferdebesitzer zu dieser höchst anstrengenden Arbeit ihre Pferde gar nicht hergeben. Es wäre nach der Ansicht Vieler empfehlenswerther, den Wegmeistern in diesem Betreffe einige Unabhängigkeit zu gewähren. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 296, S. 2243

Lienz unter einer dicken Schneedecke, Ende des 19. Jahrhunderts.

1875

14. JÄNNER

St. Jakob in Defereggen

Am 6. v. Mts. wurde in Mariahilf zu St. Jakob eine Strickschule eröffnet, wozu Mädchen aus der Werktags- und Wiederholungsschule freien Zutritt haben und unentgeldlich instruiert werden, da die Kosten aus Vereins-Mitteln bestritten werden. Die Theilnahme beweist, daß den Eltern diese Eröffnung sehr erwünscht war, und besonders zeigen die Kinder eine sehr große Freude und großen Fleiß. Möge dieser nicht wieder erlöschen. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 10, S. 62

4. MÄRZ

Nächst Sillian

ereignete sich am 24. v. M. ein Unglücksfall auf der Eisenbahn. Der Kondukteur Franz Burgstaller trat bei Ausübung seines Dienstes aus einem Coupé auf das Trittbrett, wobei er ausrutschte, da das Brett eisig war. Derselbe kam unter die Räder des Zuges; Kopf und Füße wurden ihm vom Rumpfe getrennt und der Brustkorb zerquetscht. Da derselbe Protestant war, so sollte er auf Anordnung des Herrn Seelsorgers in einem Winkel des Friedhofes zu Sillian außer der Reihe der Gräber anderer Christenmenschen begraben werden. Aber siehe da, diese wenig christliche Anordnung stieß auf Opposition im Friedhofe selbst. Beim Graben der Grube kam man nämlich auf eine Mauer, die ein tieferes Graben so erschwerte, daß nichts anderes übrig blieb, als den Protestanten in eine Reihe mit den übrigen Todten zu betten. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 51, S. 346

Im 19. Jahrhundert war Stricken weitgehend Frauensache. Später hatte das Stricken hauptsächlich praktische Gründe, vor allem in Not- und Kriegszeiten.

1876

Die Matreier Törlhütte mit Blick auf die Schobergruppe, um 1880.

1. AUGUST

Windisch-Matrei

Der Fremden-Verkehr nimmt hier immer mehr zu, und das schöne Iselthal ist von Touristen und Sommerfrischler sehr stark besucht. In den Monat Juli sind mehr als 200 Parteien hier angekommen. Der Touristenwelt diene zur angenehmen Nachricht, daß durch besondere Mühe und Opferwilligkeit der Herrn H. Hammerl, Gasthofbesitzer und Handelsmann hier, am Matreier Thörl (schlecht Kalser Thörl) ein Unterkunftshaus im Bau begriffen ist und schon in diesem Monate fertig sein wird, dessen Eröffnung für den 20. August bestimmt worden ist. In kurzer Zeit wird ein Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten ausgegeben. Das Haus wird mit möglichstem Komfort, mit guter Küche und Schlafzimmer für 8 bis 10 Personen eingerichtet. Da das Matreier Thörl einen wunderschönen Aussichtspunkt bietet und dessen Besteigung sehr leicht ist und in 2 ½ Stunden leicht erreichbar ist, so werden wohl nicht die Touristen ermangeln, diese leichte Bergpartie zu machen und an den Eröffnungsfestlichkeiten theilnehmen. Für Damen sind auch bei Herrn Hammerl Reitgelegenheiten mit sehr bequemen Sätteln zu sehr mäßigem Preise zu haben. Vom Matreier Thörl hat man eine schöne Aussicht auf den Großglockner, Großvenediger, Schober-Gruppe, Kristallo-Spitze und viele andere Spitzen und Gletscher. Am besten zu besteigen ist er von Windisch-Matrei aus, und kann auch die Partie nach Kals und Heiligenblut zum Großglockner weiter geführt werden. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 174, S. 1301 f.

Feld bei St. Veit in Defereggen, um 1900.

10. AUGUST

Am vorigen Sonntag

verunglückte bei einem Scheibenschießen zu Feld in Defereggen der dortige Zieler. Irriger Weise sah er nach der Scheibe, und der schußbereite auf dem Stande stehende Schütze hatte plötzlich statt der Scheibe einen Menschen auf der Mücke. Er trug ab, aber in verständlicher Aufregung befangen, ging ihm beim Abtragen der Schuß los, die Kugel prallte an einem Steine ab und traf dennoch den Zieler so unglücklich, daß die Wade desselben förmlich zerfleischt wurde. Der dort als praktischer Arzt und guter Schütze wohlbekannte Dr. Rainer leistete allsogleich die nöthige Hilfe und er glaubt auf sichere Wiederherstellung des Verunglückten. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 182, S. 1358

27. NOVEMBER

St. Jakob in Defereggen. Schulzustände

Ist es an und für sich schon ein Uebelstand, daß unsere Landschulen eine so kurze Zeit, bekanntlich von Martini bis Georgi nur dauern, so daß der Unterricht, selbst wenn für das Gedeihen desselben von Seite des Lehrers und der Schüler die günstigsten Bedingungen vorhanden wären, nur auf das Allernothwendigste beschränkt werden kann, so gesellt sich uns heuer zu diesem Uebelstande ein neuer und jedenfalls noch größerer, nämlich der Mangel eines Lehrers. In Folge dessen mußte der Unterricht einer Schülerabtheilung einem Manne übertragen werden, der im Schulfache in jeder Beziehung ein Laie genannt werden muß. Diese Abtheilung ist die erste, wo die Anfangsgründe im Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt werden sollen und dieser Laie ist ein Bauer, der ungefähr vor 40 Jahren während der paar Winter, wo er die Ortsschule besuchte, sich die Lehrbefähigung erworben haben soll. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 272, S. 2037

1877

26. FEBRUAR

Pusterthal

Dem alle Jahre im Frühjahr stattfindenden Durchtrieb von ungarischem Steppenvieh der s. g. ungarischen Böcke schreibt man wenigstens in daigen Gegenden die Entstehung der besonders im verflossenen Jahre auf so vehemente Weise gewütheten Maul- und Klauenseuche zu, welche Krankheit zu einer Landesplage geworden und den Oekonomen so immensen Schaden durch Entwerthung seines Viehstandes zufügte und auf Verkehr und Viehhandel so störend rückwirkte. In nicht ferner Zeit wird jedenfalls auch heuer ein Durchtrieb benannter Viehgattung durch das Pusterthal stattfinden; wäre es daher nicht höchst zeitgemäß, denselben ganz zu verbieten, überhaupt bei Zeiten energische Vorschriften zur Hintanhaltung der Maulseuche zu erlassen. Besser dem Schaden bei Zeiten vorbeugen und wenn möglich zu verhüten trachten, als nachher denselben beklagen. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 46, S. 353

Amlach im Pustertal, nach 1900.

1878

25. JÄNNER

Lienz

Eine Kundmachung des hiesigen Stadtmagistrates bringt zur allgemeinen Kenntniß, daß die h. k.k. Postdirektion zu Innsbruck dem Stadtmagistrate die Bewilligung ertheilt hat, zur Bequemlichkeit des P.T. Publikums in Lienz zwei Briefsammel-Kästen aufstellen zu dürfen. Einer davon wird in der Schweizergasse am Hause des Kaufmannes Hrn. Ferd. Hölzl, der zweite in der Rosengasse am Hause des Kaufmannes Herrn Leo v. Hibler, anbebracht werden. Diese beiden Handlungen sind auch mit dem Verschleiße von Briefmarken und sonstigen postalischen Werthzeichen betraut. In diesen Briefkästen können nur gewöhnliche Brief und Korrespondenzen zur Aufgabe gelangen und werden die bezüglichen Correspondenzen regelmäßig täglich 3mal in geschloßenen Beuteln dem k.k. Postamte überbracht werden. Der Zeitpunkt, wann die Briefe und Korrespondenzkarten ausgehoben werden, ist an den Sammelkästen selbst ersichtlich gemacht. Es ist dies eine wohlthätige Neuerung welche einem längst gefühlten Bedürfnisse entspricht, und die wir schon vor 4 und 5 Jahren in diesem Blatte angeregt haben, dortmals aber ausgelacht wurden. Pustertaler Bote, Nr. 4, S. 13

Schweizergasse mit Blick auf das Freiheitskämpferdenkmal in Lienz.

Geschwister mit ihrem kleinen Bruder im Kinderwagen.

12. JULI

Weil die Kinderwägen

nun so häufig im Brauche sind, können wir nicht umhin, folgenden ärztlichen Rath allen Eltern und den Kindsmägden einzuschärfen, die Aerzte behaupten nämlich, daß es nachtheilig sei, wenn die Kinderwägen in der Art vorwärts bewegt werden, daß die Kinder rückwärts fahren. Der Grund ist: Das Auge ist daran gewöhnt, bei der Fortbewegung sich den Gegenständen zu nähern; bei jener Unsitte des Fahrens aber geschieht das Gegentheil und dies soll auf die Entwicklung und Ernährung der noch so sehr zarten Augennerven und des großen Gehirnes störend wirken. Jene Kinderwärterinnen, die dies nicht einsehen, sollen es glauben zum Wohle der Kleinen, die ihrer Obhut anvertraut sind. Pustertaler Bote, Nr. 28, S. 110

1879

Der Tristacher See, als einziger Naturbadesee Osttirols, galt schon im 19. Jahrhundert als wichtiges Naherholungsgebiet für die Lienzer Bewohner und gewann zur Jahrhundertwende als touristische Attraktion an Bedeutung.

4. JULI

Der Tristacher-See

erfreut sich seit einigen Jahren eines ungemein zahlreichen Besuches von Seite Einheimischer und Fremder. Seit Herr Emil Unterhueber sich dort ein kleines reizendes Tusculum gegründet hat umgeben von hübschen Anlagen, die bis hinüber zu Quelle führen, welche ein so vorzügliches Trinkwasser bietet, seit dieser Zeit ist der Tristacher-See in seiner wilden Einsamkeit der beliebteste Ausflugspunkt der Lienzer geworden. Pustertaler Bote, Nr. 27, S. 106

1880

2. APRIL

Aus Sillian

wird uns mitgetheilt: Nachdem in ungemein kurzer Zeit das Schloß Heinfels nicht nur zur Aufnahme einer Tiroler-Jäger-Reserve-Compagnie, sondern auch zur Unterbringung eines Landsturm-Waffen-Depot vollkommen geeignet hergestellt war, konnte die hieher bestimmte Compagnie statt Ende März schon am 23. März hier einrücken. An diesem Tage traf die Reserve-Compagnie unter dem Kommando des Herrn Hauptmanns Panzl auch mit Bahn in Sillian ein, wo selbe am Bahnhofe von der Feuerwehrkapelle empfangen und mit klingendem Spiel bis zum Ende des Marktes gegen Panzendorf begleitet wurde. Im Schloße Heinfels begrüßten die Jäger Pöllerschüße. Offiziere und Mannschaft waren über den freundlichen Willkomm sichtlich erfreut und mit der neuen Heimath zufrieden. Wie unbestimmt verlautet, werden die Waffenübungen der Reservisten mit 1. Mai und 1. Oktober d. Js. hier stattfinden, eine Begünstigung die angenehm berührte und nicht übersehen werden kann. – Das Schloß Heinfels wurde im Jahre 1833 von der landesfürstlichen Verwaltung veräußert und von den Gemeinden des ehemaligen Gerichtes Heinfels erworben. Pustertaler Bote, Nr. 14, S. 54

Bis 1910 wurde Burg Heinfels als Kaserne genutzt, wodurch sie sehr in Mitleidenschaft geriet.

1881

Gasthof „zur Rose“ in der Rosengasse in Lienz, 1923.

8. APRIL

Lienz. Allerlei

Mit der Legung eines Trottoirs in unserem Städtchen wird es nun ernst. Bereits im vorigen Herbste wurde als erster Versuch längs dem Café Lercher am untern Stadtplatze ein solches aus Steinplatten, welche in der Nähe von Ainet im Iselthale leicht gewonnen werden, hergestellt. Dieser Anfang fand allseits unter der Bevölkerung Anklang, und man beschloß eine weitere Trottoirlegung vom Café Lercher längs der linksseitigen Häuserfront an der Aerarialstraße bis hinauf zum Durchlaß beim Gasthause „zur Rose“ (Rauter); es ist somit bei schlechtem Wetter eine trockene Passage geboten, die früher durch massenhaften Koth wenig einladend war. Die großen und kleinen behauenen Steinplatten liegen bereits am Johannisplatze angehäuft, und in Kürze wird unser Städtchen auch eine Strecke guten Trottoirs besitzen, das sich von Jahr zu Jahr durch die Fortsetzung in anderen Gassen erweitern dürfte – nachdem nunmehr endlich einmal ein Anfang gemacht wurde. Pustertaler Bote, Nr 14, S. 53

1. JULI

Dölsach

Seit kurzer Zeit sind auch wir hier so glücklich, eine neue, prächtige und richtige Thurmuhr zu besitzen. Hr. Wendelin Jäger, Thurmuhren-Fabrikant in Innsbruck, hat selbe aufgestellt. Das Werk zeigt auf 7 Blättern. Der Name genügt, und braucht weiters nichts bemerkt zu werden, als: „Das Werk lobt seinen Meister.“ Pustertaler Bote, Nr. 26, S. 102

1882

7. OKTOBER

St. Jakob in Defereggen

Schon zu Ende der vorigen Woche herrschte unter der daigen Bevölkerung eine allgemeine Furcht, dass der lange ununterbrochen Regen Unglück bringen müsse, dass Wasseranschwellungen und Bergabrutschungen unausbleiblich sein müssten. Und leider bewahrheitete sich diese Furcht nur allzuschnell und in bitterster Weise. Die Bergfelder sind von Muren und Abrutschungen so zerstört, dass sie im eigentlichsten Sinne des Wortes ganz unkenntlich geworden sind. Am Obkircherberge allein, beispielsweise, sind nicht weniger als 47 Muren. Die Abrutschungen von den steilen Bergen überschütteten wieder die Felder auf der Ebene, so dass in der ganzen Gemeinde wohl kaum ein Besitzer mehr sein dürfte, der von diesem Unglücke nicht mehr oder minder getroffen worden ist. Zwei Häuser und vier Mühlen sind ein Raub des tosenden Elementes geworden. Zu all diesem Unglücke gesellten sich noch die Wildbäche und der Thalbach mit einer alles zerstörenden Wuth. Die Fractionen Rinderschinken, Bruggen und Pötsch besitzen nicht mehr einen grünen Fleck und sind heute noch auf die gefährlichste Weise bedroht. Der Thalbach erreichte eine Höhe, wie solche hier die ältesten Leute nicht denken können. Von 10 Brücken in der Gemeinde ist nur noch eine passierbar. Nach Hunderten von Gulden hat das Wasser zugerichtetes Brenn- und Mercantilholz mit fortgeschwemmt. Viele Häuser stehen tief, manche bis zum ersten Stocke und weiter verschüttet. Die Thalstraße ist von tobenden Gewässern fast durchgehends zerstört, durch lange Strecken fließt der Thalbach, wo früher die Straße gestanden, so dass an eine Herstellung noch lange nicht zu denken ist. Durch die Zerstörung der Straße ist die Bevölkerung von jedem Verkehr abgeschnitten und der Mangel an Lebensmitteln fängt jetzt schon an, sich in allen Schichten fühlbar zu machen. Die Rinnwerke der Mühlen sind zerstört, so dass mancher Bauer das wenige Korn, was er besitzt, oft stundenweit zu einer Mühle liefern muss. Korn bekommt man in der ganzen Gemeinde um keinen Preis, Victualien u. dgl. nur noch in geringer Quantität und zu erhöhten Preisen. Was die Grundbesitzer aus dem kargen Ernte-Ertrage im Schweiße ihres Angesichtes im Sommer hindurch der Erde abgearbeitet haben, geht jetzt vor ihren Augen zu Grund. Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 230, S. 1969

Mühle in St. Jakob in Defereggen.

14. DEZEMBER

Pusterthal

Die Arbeiten an der Wiederherstellung der Eisenbahnlinie schreiten trotz des eingetretenen Winters rasch vorwärts. Mit 6. ds. M. wurde der Zugsverkehr bis zur Station Welsberg ausgedehnt, und ist nun die Strecke Welsberg-Hof offen. Noch vor Weihnachten soll die großartige Unterbrechung zwischen Hof und Abfaltersbach behoben sein und mit der gleichzeitig angehofften Fertigstellung der Strecke von Bruneck nach Welsberg wäre dann die Pusterthaler Linie von Franzensfeste bis Abfaltersbach und von Lienz nach Villach offen. Die Strecke Abfaltersbach-Lienz, auf welcher die größten Verwüstungen stattgefunden haben, hofft man im Laufe des Monats Jänner fertig zu stehen, so dass dann der gesammte Verkehr auf allen unterbrochenen Linien aufgenommen würde. […]Der Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 286, S. 2464

Wiederaufbauarbeiten an der Eisenbahnlinie nach dem Jahrhunderthochwasser 1882 im Pustertal.

1883

Die Eisenbahn öffnete die Region für den Tourismus, war aber gleichzeitig auch immer wieder Ursache für schwere Unfälle und Bahnunglücke.

1. FEBRUAR

Lienz

Sang und klanglos wurde von hier aus am Samstag den 27. v. M. die Pusterthaler Bahn wieder eröffnet. Mit dem Aufgebote eines großen Menschen-Materiales und ungewöhnlicher Energie wurden die Reconstruktions-Arbeiten an der zerstörten Bahnstrecke, an vielen Stellen bei Tag und Nacht, betrieben. Herr Oberinspector Ackerl, der Chef der Bauleitung und seine tüchtigen Ingenieure, hatten sich ganz hervorragende Verdienste um die schnelle Fertigstellung der Bahnlinie erworben. Gilt es doch ganz enorme Terrainschwierigkeiten zu überwinden und man hatte außerdem mit einem großen Feind den Winter, mit Schnee und Kälte fast fortwährend zu kämpfen. Heute ist der Personen- und Güterverkehr wieder aufgenommen und die Bevölkerung des Thales athmet wieder auf, denn Handel und Wandel werden wieder normale Verhältnisse annehmen. Pustertaler Bote, Nr. 5

6. APRIL

Aus Lienz

wird dem T. B. gemeldet, daß in der Nacht des 1. April ein gewisser Leonhard Beheim dem 18jährigen Sohn der Wittwe Mayr am Rindermarkt auf offener Straße eine lebensgefährliche Schnittwunde am Unterleibe beigebracht hat. Beheim soll mit der genannten Frau ein Verhältniß unterhalten haben, was den jungen Mann veranlaßte, in erwähnter Nacht ersterem das Haus zu verweisen. Hierdurch entstand ein Streit, welcher sich bis auf die Straße fortpflanzte, wo die bedauerliche That vor sich ging. Die Verletzung des armen Burschen ist absolut tödtlich, da der Stich mit einer solchen Vehemenz geführt wurde, daß der Unterleib von einem Hüftknochen zum andern aufgeschlitzt und die Eingeweide theilweise zerschnitten wurden. Der Mörder wurde sofort in Haft genommen. Pustertaler Bote, Nr. 14

1884

Wenn man sich als Ehepaar in Lienz ablichten lassen wollte, wandte man sich an den Fotografen Georg Egger (1835 – 1907) in der Schweizergasse.

29. FEBRUAR

Pusterthal

Einen Unfall, der von höchster Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit bei Handhabung einer Feuerwaffe zeugt, meldet man aus Kartitsch. Eine Braut aus dem Vilgratenthale fuhr des Morgens in Begleitung anderer Hochzeitsgäste zur Trauung nach Kartitsch. Ein Bruder des Bräutigams stand rückwärts am Schlitten und feierte das Ereignis mit Pistolenschüssen. Wie es nun kam, daß ein Schuß den Kopf der Braut traf, ist nicht recht erklärlich, da er sich denselben doch nicht als Zielpunkt ausgewählt haben kann. Thatsache aber ist, daß die Braut eine Ladung, die allerdings glücklicher Weise nur aus Pulver und Papierpfropfen bestand, in das Hinterhaupt erhielt, wodurch die Haare total versengt, wie auch das Gesicht theilweise verbrannt und ein Auge gefährdet worden sein sollen. Die Trauung fand zwar am Nachmittag dennoch statt, doch soll die junge Frau nicht außer Gefahr sein. Eine traurige Hochzeit! Der unglückliche Schütze wird wohl wahrscheinlich von seiner Waffe künftig bei ähnlichen Feierlichkeiten keinen Gebrauch mehr machen. Pustertaler Bote, Nr. 9

21. MÄRZ

Aus Windischmatrei