Painted Promises (Golden Hearts, Band 3) - Marina Neumeier - E-Book
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Painted Promises (Golden Hearts, Band 3) E-Book

Marina Neumeier

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Beschreibung

Er hat einen Traum. Sie ist seine Rivalin. Mustergültiger Auktionshauserbe bei Tag, Sprayer bei Nacht – damit stößt Luis Herzog vor allem bei seinen Eltern auf Unverständnis. In einer öffentlichen Ausschreibung der Stadt München sieht er endlich die Chance, sich zu beweisen. Dabei gerät er immer wieder mit Malerin Minnie aneinander, die ebenfalls wenig mit seiner Graffiti-Kunst anfangen kann. Doch weil die Jury sich nicht entscheiden kann, bekommen beide ein Angebot: Sie sollen ihre gegensätzlichen Stilrichtungen vereinen und ein gemeinsames Projekt gestalten. Notgedrungen müssen Luis und Minnie zusammenarbeiten. Und dabei erkennen, dass hinter dem hitzigen Schlagabtausch vielleicht mehr steckt als bloßer Konkurrenzkampf. Gegensätze ziehen sich an Im abschließenden Band ihrer New-Adult-Reihe in der Münchner High Society bringt Marina Neumeier mit Graffiti und Malerei nicht nur zwei Kunstrichtungen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sondern macht auch zwei leidenschaftliche Enemies to Lovers.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 535

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für alle, deren Standards ebenfalls durch men written by women ruiniert worden sind. Es tut mir leid, dass ich dazu beitrage, uns alle noch mehr delulu zu machen, aber wir geben nicht auf! Unsere persönlichen Bookboys existieren irgendwo dort draußen, bereit, ein eigenes Happy End in der Realität zu schreiben!

Inhalt

Playlist

PrologMünchen, 2017 – Acht Jahre zuvor

1LUISHochmut kommt vor …

2MINNIEDer Fluch des …

3LUISLiebe Kindel, unsere …

4MINNIE»Kunst kann nicht …

5LUISHat noch jemand …

6MINNIE»Die Kunst ist …

7LUISGespottet: Unsere liebste …

8MINNIE»Das Gelingen ist …

9LUISAlte Liebe rostet …

10MINNIE»Es hat doch …

11MINNIE»Die Kunst ist …

12LUISNa, haben wir …

13MINNIE»Des Künstlers Gefühl …

14MINNIE»Welche Geduld, welche …

15LUISEskapade der Woche: …

16MINNIE»Nadie se conoce …

17LUISHach, Schickeria, wir …

18MINNIE»Und glauben Sie, …

19MINNIE»Wie eine mächtige …

20MINNIE»Ich möchte Bündigeres, …

21LUISOh là là, …

22MINNIE»Wenn die Vernunft …

23LUISDie Anzeichen verdichten …

24MINNIE»Es ist nicht …

25MINNIE»Wir arbeiten im …

26LUISCouple Alert! WIR …

27MINNIE»Ernst ist das …

28LUISWow, wow, wow, …

29MINNIE»Das Beste, was …

EpilogZwei Monate späterMINNIEWisst ihr, liebe …

Danksagung

Triggerwarnung

 

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr auf der letzten Seite eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für die gesamte Geschichte!

Wir wünschen euch das bestmögliche Lesevergnügen.

Eure Marina und euer Loewe Intense-Team

Playlist

Nightcall – Kavinsky

Tears For Fun – Griff

Art Deco – Lana del Rey

trouble – Camylio

The Enemy – Andrew Belle

Sweet Oblivion – David Kushner

Bad Liar – Imagine Dragons

God Needs The Devil – Jonah Kagen

I Knew You Were Trouble (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Lost in the Fire (feat. The Weeknd) – Gesaffelstein, The Weeknd

But Daddy I Love Him – Taylor Swift

high, high, high – Camylio

Major Tom (… völlig losgelöst) – Peter Schilling

Moon – Austin Giorgio

Prolog

München, 2017 – Acht Jahre zuvor

»Mach schneller, Casper, ich glaub, ich habe was gehört.« Meine Stimme wird durch das Bandana gedämpft, das ich mir über Mund und Nase gebunden habe, und das metallische Klackern einer energisch geschüttelten Sprühdose scheppert unnatürlich laut in meinen Ohren.

»Scheiß dich nicht ein, Luis. Um diese Zeit kommt hier niemand vorbei.« Die Augen konzentriert über dem Rand seiner eigenen Gesichtsverhüllung zusammengekniffen, beugt sich mein bester Freund weiter vor. »Wann hörst du endlich auf, so ein Schisser zu sein?«

Sobald wir aufhören, uns nachts auf Fahrzeughöfe der Stadt zu schleichen und Busse zu besprühen, denke ich mir, sage es aber nicht laut. Casper hält mich ohnehin für ein Weichei, weil ich nie die Nerven behalte und meine Angst nicht ablegen kann, wenn wir so was wie heute abziehen. Ich will es nicht noch schlimmer machen und riskieren, dass er endgültig die Nase voll von mir hat. Meine ewige Vorsicht nervt ihn zu Tode.

Casper dagegen ist mühelos cool in allem, was er tut. Bricht Regeln mit einem Grinsen, schert sich nicht um die Konsequenzen und gehört eigentlich in die Liga Menschen, die niemals mit jemandem befreundet wären, der so lame ist wie ich. Und doch ist er seit Jahren mein bester Freund.

Im Grunde weiß ich, warum. Nur wegen der einen Sache, die wir gemeinsam haben und die uns zusammenschweißt: das Sprayen. Auch wenn wir dahin gehend unterschiedliche Ambitionen haben. Ich träume von großen Wandbildern oder Ausstellungen meiner Arbeiten, Casper dagegen jagt hauptsächlich dem Nervenkitzel und Fame auf der Straße hinterher. Verbotsschilder sind seine Eintrittskarten und Vandalismus die Luft, die er atmet. Wir entstammen der gleichen, vermögenden und hoch angesehenen Münchner Bubble. Beide zu Tode gelangweilt von der piekfeinen Konformität, in die sich Söhne aus bestem Hause einfügen sollen, um den Erwartungen gerecht zu werden. Erwartungen sind alles, das ist mir schon lange klar. Während ich den Drang, nicht bei meinen Eltern anzuecken, nicht ablegen kann, ist Casper unverhohlene Provokation. So mutig, so exzessiv, so durch und durch rebellisch, wie ich Muttersöhnchen es nie sein könnte. Aber er zieht mich mit und ich gehe in seinem Windschatten auf. Bekomme gerade genug von der strahlenden Aura ab, die ihn umgibt, um spannender zu glänzen. Auch wenn das, wie heute Nacht, bedeutet, für ihn der Checker zu sein und Schmiere zu stehen, damit er ein planloses Writing auf einen Bus der MVG sprühen kann. Zumindest sieht alles, was ich von seinem aktuellen Werk erkenne, ziemlich verschmiert aus. Was Casper an Skills mit der Dose fehlt, macht er durch seine Waghalsigkeit wieder wett und ich bin nicht hier, um zu judgen. Er arbeitet konstant an sich, will immer besser werden und es ist beschissen, dass ich mich ihm insgeheim künstlerisch und technisch überlegen fühle. Graffiti ist nicht gleich Graffiti und mit seinen Aktionen könnte ich trotz meines zeichnerischen Talents sowieso nicht mithalten. Was sind hübsche Farbverläufe und detailreiche Bilder, wenn Casper sich mit seinen riskanten Pieces an U-Bahnhöfen und Brücken schrittweise einen legendären Ruf in der Szene aufbaut? Und das mit sechzehn. Sein Sprayer-Pseudonym Hazard kommt nicht von ungefähr.

Angespannt lasse ich meinen Blick über den Fahrzeughof schweifen. Über etliche Reihen von Linienbussen, die hier für die Nacht oder zu Wartungszwecken geparkt sind. In die schattendunklen Schluchten zwischen den Fahrzeugen, in denen ich ständig das Licht einer Taschenlampe zu sehen glaube. Ein rasches, fernes Aufblitzen, als würde jemand durch die Reihen wandern, um auf dem gesamten Gelände nach dem Rechten zu schauen.

»Lina hat gesagt, sie geht auf ein Date mit mir, wenn ich ihr ein Beweisselfie von der Aktion schicke«, sagt Casper und hockt sich hin, um an Details neben dem Kotflügel des Vorderreifens zu arbeiten. Klicker-klicker-klicker-klicker. Das Schütteln der Dose klingt weiterhin unfassbar laut in der Stille der Nacht. Verräterisch laut.

Lina. Hinter ihr ist Casper schon ewig her, aber bisher hat sich die Prinzessin unseres Jahrgangs nie so richtig breitschlagen lassen, ihm ihre Gunst zu gewähren. Um sie zu beeindrucken, hat er sich zu immer extremeren Stunts hinreißen lassen. Anscheinend zahlen sich seine Bemühungen endlich aus.

»Weißt du, was der Hammer wäre?« Casper wirft mir einen kurzen Blick über die Schulter zu und an seinen zusammengekniffenen Augen erkenne ich, dass er mich angrinst. »Wenn du ein Porträt von ihr sprühen würdest, an eine krasse Stelle. An der Schule vielleicht.«

Die Aufmerksamkeit wieder wachsam auf das Gelände ringsum gerichtet, ziehe ich die Brauen hoch. »Und was soll das bringen? Ich will nichts von ihr.«

Mein bester Freund schnalzt mit der Zunge. »Natürlich nicht, Einstein. Wir setzen mein Tag darunter, damit sie denkt, dass es von mir ist.«

Okay? Ein seltsames, schweres Gefühl gesellt sich zu dem Unwohlsein, das in meinem Magen rumort, seit wir das Gelände über den Zaun betreten haben. Ich helfe meinem Kumpel, wo ich kann, stelle keine Fragen und mache jeden Scheiß mit – ob ich Schiss habe oder nicht –, aber dass er eine Arbeit von mir als seine ausgeben möchte? Um bei einem Mädchen Eindruck zu schinden? Das fühlt sich falsch an. Und natürlich habe ich nicht die Eier, um ihm das ins Gesicht zu sagen. Am Ende wendet er sich von mir ab und wer bin ich ohne Casper? Ein einsamer Niemand. Seit sie letztes Jahr ihren Abschluss gemacht hat, ist nicht einmal mehr meine große Schwester Lilli auf der Schule, mit der ich abhängen könnte, sollte Casper mich fallen lassen. Sie und ihre Freunde sind inzwischen an der Uni und können mich nicht mehr auffangen. Ohne meinen besten Freund habe ich niemanden. Deshalb gebe ich ein vages, zustimmendes Geräusch von mir und weiß, dass ich nicht widersprechen werde, sollte er diesen Plan ein weiteres Mal erwähnen. Lina auf eine Wand sprühen … Das könnte ich hinkriegen. Porträts von echten Menschen haben mich nie besonders interessiert, ich bevorzuge Dinge, die rein meiner Vorstellung entspringen und …

Da sind Stimmen. Erschrocken drehe ich mich um, in die Richtung, aus der ich definitiv knirschende Schritte und Männerstimmen gehört habe.

»Cas, pack zusammen, es kommt jemand!« Ich bücke mich, um ein paar seiner herumliegenden Dosen aufzuheben und sie in meinen Rucksack zu stecken, aber Casper tritt mir mit dem Fuß die Hand weg.

»Ich hau nicht ab, bevor ich fertig bin! Nur Loser bringen ein Piece nicht zu Ende.« Farbnebel zerstäubt sich in der Luft, als er mit schneller werdenden Bewegungen sprüht. Schüttelt, sprüht, schüttelt. Während ich unter Strom stehe, weil ich es hier keine Sekunde länger aushalte. Man wird uns erwischen. Meine Eltern werden erfahren, was ich abziehe, wenn ich nachts aus dem Haus schleiche. Dass ich Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung begehe, wenn sie denken, dass ich brav im Bett liege. Und Casper … Ich weiß, wie brutal sein Vater hinter der Saubermannfassade ist. Wie er ausflippen und die Kontrolle verlieren kann. Wenn ich mir vorstelle, was er tun würde, sollte sein Sohn von der Polizei nach Hause gebracht werden, rebelliert mein Magen.

Ich schaue mich um, ducke mich vorsichtshalber hinter die Motorhaube des Busses und höre, wie sie sich nähern, bevor ich sie sehe. Das charakteristische Rauschen eines Funkgeräts ertönt.

»Der Sicherheitsmann des Hofs hatte recht, hier sind welche. Zwei, soweit ich erkennen kann.«

Scheiße, scheiße, scheiße. Bullen. Mehr als einer. Mein rasendes Herz springt mir fast in die Kehle, so wild tobt es in meiner Brust. Der metallische Geschmack der Panik legt sich auf meine Zunge und lässt zu viel Speichel im Mund zusammenlaufen. Fuck.

»Wir müssen weg«, zische ich Casper zu. »Jetzt!«

Er wirft einen schnellen Blick hinter sich, macht aber keine Anstalten, seine Arbeit zu unterbrechen. Für ihn zählt nur, nicht unvollendeter Dinge zu gehen.

»Was macht ihr Wichser hier?«

Ich schrecke so heftig zusammen, dass mir kurz schwindelig wird, als plötzlich eine mir nicht unbekannte Stimme neben mir ertönt. Kein Sicherheitsmann, kein Bulle, sondern Bax, wie ich nach einer Schocksekunde erkenne. Er ist ein erfahrener Sprayer, schätzungsweise Anfang bis Mitte zwanzig, und sieht sich als unser Mentor. Wir begegnen uns immer wieder auf nächtlichen Touren und er hat Casper schon mehrmals die Leviten für sein unvorsichtiges Verhalten gelesen.

»Was willst du denn hier?«, faucht mein bester Freund.

»Bin eingestiegen, als ich das Blaulicht habe vorfahren sehen und wusste, dass ihr Vollpfosten was geplant habt. Komme ja gerade rechtzeitig. Ab dafür!«

Das muss er mir nicht zweimal sagen, doch Casper bleibt stur. »Ich muss fertig werden und das Selfie für Lina machen!« Unruhig schaut er sich um; die Stimmen der Polizisten kommen näher, aber wir haben noch eine Chance zu entwischen, wenn wir endlich gehen!

»Willst du wirklich für ’ne Chick ’ne Vorstrafe kassieren?« Bax klingt so schockiert, wie ich mich tief in meinem Innersten fühle. Casper kann so ein Sturkopf sein!

»Beeil dich«, dränge ich ihn, obwohl ich weiß, dass er in dieser Sekunde aufhören muss, falls er es wegschaffen will. Natürlich tut er das nicht. Er scheint mich nicht zu hören, sprüht verbissen weiter und mir bricht der kalte Schweiß aus. Die Loyalität zwingt mich dazu, an seiner Seite zu bleiben; der Schwur, den wir einander geleistet haben: immer zusammen. Bis zum bitteren Ende. Ganz egal, dass mich jeder Instinkt anschreit, endlich abzuhauen; mich nicht von ihm mit in den Abgrund reißen zu lassen, egal, was das für unsere Freundschaft bedeutet. Aber ohne Casper … Diesen Gedanken muss ich nicht zu Ende führen. Ich habe mehr Schiss vor einer Zukunft ohne Casper als vor einer möglichen Strafe.

»Hey, ihr da! Keine Bewegung!«

Mir gefriert das Blut in den Adern. Diese Redewendung habe ich bisher immer für ein rein sprachliches Bild gehalten, doch in diesem Moment erstarrt tatsächlich etwas in mir vor Panik zu Eis. Mein Herz rast wie verrückt, dabei scheinen sich meine Venen zu verschließen und alles in mir erstirbt vor Angst. Zwei dunkle Gestalten in Uniform, mit Taschenlampen ausgerüstet, sind in einiger Distanz – viel zu nah für meinen Geschmack – zwischen zwei Bussen hervorgetreten. Die Lichtkegel ihrer Lampen treffen Casper, der weiterhin neben dem Bus kauert und sprüht, als würde er es darauf anlegen, auf frischer Tat erwischt zu werden.

»Hazard!«, warnt Bax ein letztes Mal, doch mein bester Freund ist zu sehr damit beschäftigt, sein Tag unter das Piece zu setzen. Dann kramt er nach seinem Handy, die Schritte der Bullen werden schneller. Sie sind vielleicht noch zehn Meter von uns entfernt. »Fuck, ich kann dir nicht helfen, Mann.« Frustration schwingt in jedem von Bax’ Worten mit, dann werde ich am Kragen meines Hoodies gepackt und daran nach hinten gezogen.

»Hör auf, was machst du?« Ich will mich von ihm losreißen, aber sein Griff ist unnachgiebig. Er ist größer, älter und kräftiger als ich, was es ihm erlaubt, mich wie einen ungezogenen Welpen hinter sich herzuschleifen.

Bax keucht, beschleunigt seine Schritte und ich bin gezwungen, ihm stolpernd zu folgen. »Wenn der Arsch keinen Selbsterhaltungstrieb hat, von mir aus. Doch ich werde nicht dabei zusehen, wie er dich mitreißt. Es ist seine Entscheidung, zu bleiben, er hält die Dose. Ich kann nicht tatenlos danebenstehen, wenn zwei Rookies in einer Nacht gebustet werden.« Scheiße. Bax und sein verfluchter Moralkompass. Warum musste er ausgerechnet jetzt auftauchen?

»Ich will meinen Bro nicht im Stich lassen!«, protestiere ich verzweifelt. Ich kann Casper kaum noch sehen, so weit hat mich Bax schon in Richtung Zaun geschleift. Dorthin, wo man durch eine von Büschen versteckte Lücke im Maschendraht auf das Gelände gelangen kann. Vollkommen egal, dass ich den Polizisten nichts entgegensetzen könnte, weil sich Casper weigert zu gehen. Ich hätte … drauf scheißen und ihn direkt wegzerren sollen. Oder wenigstens als bester Freund bei ihm bleiben.

»Er hat dich zuerst im Stich gelassen, denn er war so hirnverbrannt und wollte nicht gehen. Glaub mir, der Junge weiß genau, dass du ohne ihn nie abgehauen wärst, und hat es in Kauf genommen, dass du mit ihm auffliegst. Manchmal muss man klug genug sein, eine Aktion abzubrechen, wenn die Bullen kommen. Du weißt, dass ich recht habe.«

Es ist mir egal, ob Bax recht hat oder nicht. Ob ich ihm später für sein Eingreifen dankbar sein werde oder nicht. Das Einzige, was zählt, ist der gellende Schrei meines besten Freundes, der über die leeren Busse hinweghallt und die gebrüllten Kommandos der Polizisten übertönt. »Dux, du feiges Schwein, das verzeihe ich dir niemals!«

Luis

@muenchner_kindel

Hochmut kommt vor dem Fall oder wie war das noch gleich, @lilli.herzog.art? Wir wünschen natürlich beste Genesung, müssen aber zugeben, dass wir uns Sorgen machen: Wer sorgt für skandalöse Unterhaltung und Schmacht-Sichtungen mit ihrem Boyfriend, wenn Lilli erst mal ans Bett gefesselt sein wird? Schickeria, ihr habt eine Aufgabe! Sorgt für Unterhaltung oder wir sehen uns aus Langeweile gezwungen, ein wenig tiefer in eurer dreckigen Wäsche zu wühlen 

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»Danke, danke, danke, dass du deinen Samstagabend für mich geopfert hast. Ich weiß, das hättest du nicht tun müssen.«

Während ich den Mercedes, den ich mir kurzerhand von meinem Mitbewohner Jules geliehen habe, in eine Parklücke am Straßenrand bugsiere, schnalze ich teils genervt, teils amüsiert mit der Zunge. So geht das schon seit Stunden. Offenbar haben sie meiner Schwester Lilli etwas Stärkeres als Ibuprofen gegeben, wenn sie einen solchen Unsinn redet.

»Ach nein?« Die Hand auf die Kopfstütze des Beifahrersitzes gelegt, schaue ich aus dem Heckfenster, denn so ganz traue ich den Bordkameras und Einparkhilfen von Autos nicht. Das Teil piept wie verrückt, obwohl definitiv mehr als genug Platz bis zur Stoßstange des Golfs hinter mir ist. »Je öfter du das sagst, Schwesterherz, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ich die meiste Zeit ein Arsch bin, für den es undenkbar ist, einen Samstagabend zu opfern.«

Ich hätte sogar ein Dinnerdate mit Zendaya in dem Moment verlassen, als mich meine Schwester weinend und mit schmerzverzerrter Stimme angerufen hat. Lilli ist in der Dusche ausgerutscht, hat sich den rechten Fuß verrenkt und ich war der Erste, den sie erreicht hat. Sie war völlig außer sich, weil sie allein in ihrer WG war und jemanden gebraucht hat, der sie ins Krankenhaus fährt, nachdem die Schmerzen immer schlimmer geworden sind. Also habe ich mir den Wagen geliehen, bin zu ihr nach Schwabing gerast und habe sie abgeholt, um sie in die Notaufnahme zu bringen. Ich würde das niemals laut zugeben, aber Lillis Anblick hat mich womöglich etwas in Panik versetzt. Sie ist meine Schwester, die ich mein Leben lang bewundert habe, die in jeder Situation die Ruhe bewahrt, und ich habe sie noch nie so fertig gesehen. Sie hat vor Schmerz gezittert, das Gesicht kalkweiß und angespannt. Trotzdem hatte sie es allein aus der Dusche geschafft, es hingekriegt, sich eine Jogginghose und ein Sweatshirt überzuziehen und an ihr Handy zu kommen, um mich anzurufen. Und jetzt entschuldigt sie sich ununterbrochen dafür, dass sie mir mit ihrem dreifach gebrochenen Mittelfuß angeblich den Abend verdorben hat.

Als ich mit der Parkposition zufrieden bin, werfe ich Lilli einen strengen Blick zu, um meinen Punkt zu unterstreichen.

Erschöpft reibt sie sich über die Stirn. »Ich fühle mich einfach schlecht, dass du sieben Stunden mit mir in der Klinik hocken musstest. Habe ich dir wirklich nicht den Abend vermiest und dich ein Date gekostet?«

Ein trockenes Lachen entwischt mir. »Ich date momentan nicht und selbst wenn, wäre ich sofort gekommen. Sis before Kiss.«

Lilli kichert über mein grottenschlechtes Wortspiel und fummelt am Gurt herum. »Keine Ahnung, ob mich das erleichtert oder traurig macht.«

Eilig steige ich aus und gehe zur Beifahrerseite, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Fürs Erste wurde Lillis rechter Fuß bis zum Schienbein in einen Gipsschuh gesteckt, nachdem sich herausgestellt hat, dass sie nicht operiert werden muss. Dafür wird sie für mindestens sechs bis acht Wochen auf Krücken unterwegs sein – und das Bein so gut es geht schonen müssen. Etwas sagt mir, dass das eine ziemliche Challenge für diesen Social Butterfly werden könnte. Kein Society Event in der Stadt ohne Lilli Herzog, so will es das Gesetz.

»Bloß weil du dein ganz persönliches Liebesmärchen lebst, heißt das nicht, dass der Rest von uns das plötzlich auch haben muss. Ich bin zufrieden, so, wie es gerade ist.« Mit einem Lächeln, das meiner Aussage die Schärfe nehmen soll, reiche ich Lilli meinen Arm und sie stützt sich auf mich. So schwer, dass ich sie letztlich mehr aus dem Auto hebe, darauf konzentriert, ihr rechtes Bein nicht zu berühren.

Lilli versucht, auf einem Fuß das Gleichgewicht zu halten. »Ich habe einfach das Gefühl, dass du ein bisschen Spaß in deinem Leben gebrauchen könntest. Du wirkst so gestresst … Argh.« Sie spricht den Satz nicht zu Ende und die wenige Farbe, die in den letzten Stunden in ihre Wangen zurückgekehrt ist, verflüchtigt sich, als ich sie stehend an meiner Seite halte. »Oh, fuck.«

Leider hatte das Krankenhaus keine Krücken für sie auf Lager – das Rezept steckt jetzt in der Gesäßtasche meiner Jeans und ich habe versprochen, gleich am Montag in ein Orthopädiegeschäft zu gehen, um ihr welche zu besorgen. Bis dahin heißt es wohl: strikte Bettruhe.

»Komm, nichts wie rein mit dir, damit du den Fuß hochlegen kannst.« Kurzerhand hebe ich Lilli hoch und trage sie bis zum Hauseingang. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter, seit Jahren meine drei bis vier Gymbesuche pro Woche so konsequent durchzuziehen, was mir einen Stunt wie diesen erlaubt.

Nachdem wir es durch die Eingangstür geschafft haben und auf den Lift warten, nehme ich den Gesprächsfaden von eben wieder auf. »Wenn du sagst, dass ich mehr Spaß in meinem Leben brauche, ich aber keinen Bock auf Dates und Beziehungen habe: Willst du mir damit indirekt raten, ein richtiger Munich Fuckboy zu werden?«

Lilli gibt ein gurgelndes Geräusch von sich, das entfernt an ein Lachen erinnert. »O Gott, nein!«

Ich zucke mit den Schultern. »Je länger ich darüber nachdenke, desto passender erscheint es mir. Ich erfülle ziemlich viele der Kriterien: BWL-Studium, check. Reiche Eltern, check. Unwille, sich zu binden, check. Fehlen nur noch ein Porsche 911, Polohemden mit Stehkragen und ein paar gute Freunde in der Clubszene, die mich überall gratis reinbringen.«

»Den Porsche kannst du dir von Henry leihen.« Inzwischen bebt Lilli vor stummem Gelächter und ich grinse, obwohl mir diese Zusammenfassung meiner selbst bitter vorkommt. Im Grunde bin ich genau das, zumindest für die meisten Menschen um mich herum: Luis Herzog, vierundzwanzig Jahre alt, Sohn aus bestem Hause, geboren, um ein mustergültiges Leben inmitten der High Society zu führen. Nicht dazu da, um aus der Reihe zu tanzen. Platt, vorhersehbar, zum Sterben langweilig. Wenn das nur so einfach wäre …

Der Aufzug erreicht das Erdgeschoss und egal, was ich vorhin großspurig über meine Fitness gedacht habe: Gerade bin ich verdammt froh über das Teil. Allein, weil es Lilli für die nächste Zeit das Treppensteigen mit Krücken ersparen wird.

Im dritten Stock angekommen, betreten wir ihre verlassene WG und ich setze sie vorsichtig auf der Couch ab. Mit geschlossenen Augen lässt sich Lilli in die Kissen sinken und braucht ein paar Minuten, um sich zu sammeln.

»Scheiße, ich habe echt keine Lust auf die nächsten Wochen«, grummelt sie miesepetrig. »Vincent wird so nervig sein.«

Auf dem Weg in den offenen Küchenbereich, um ihr ein Wasser zu holen, werfe ich einen Blick zurück. »Das ist deine größte Sorge?«

Ein theatralisches Seufzen. »Ich liebe den Kerl, aber das ist das erste Mal in unserer Beziehung, dass einer von uns krank oder verletzt ist, und ich habe das Gefühl, dass er zur Glucke mutieren wird. Er …«

Die Türklingel schrillt, ein anhaltender Ton, als würde jemand den Knopf konstant durchdrücken.

»Er hat sich umgehend in ein Flugzeug gesetzt, um von London hierherzukommen, als ich ihm nach dem Sturz geschrieben habe. Ich wette, das ist er.«

Ich drücke ihr eine Wasserflasche in die Hand und gehe zur Freisprechanlage, um zu checken, ob es wirklich Saint Clair ist, der gerade die Klingel malträtiert. »Ja bitte?«

Ein Knistern dringt aus dem Hörer und dann: »Mach die Tür auf!«

Gespielt tadelnd schnalze ich mit der Zunge. »Verzeihung, Sir, aber ich darf nicht für Fremde öffnen. Wo sind Ihre Manieren?«

»Luis, ohne Witz, lass mich rauf oder ich reiße dir den …«

»Schon gut, schon gut.« Alter, Lilli hat mit ihrer Prognose nicht übertrieben. Saint Clair klingt so dermaßen krank vor Sorge, wie ich es selten bei ihm erlebt habe, und ich betätige den Summer, bevor ein weiteres Mitglied der Familie Herzog heute Abend in die Notaufnahme muss. Und ich bezweifle, dass das besonders gut für die Beziehung zwischen mir und meinem Quasi-Schwager/Mitbewohner wäre.

Saint Clair hält sich nicht lange mit dem Aufzug auf, denn schon Sekunden später höre ich ihn die Treppe hochpoltern. Atemlos und zerzaust taucht er vor mir auf, eine Reisetasche in der einen Hand, sein so charakteristischer Anzug auffällig zerknittert. Der Junge scheint tatsächlich alles stehen und liegen gelassen zu haben. Mehr als ein knappes Nicken im Vorbeigehen kann ich ihm nicht entlocken, ehe er durch den Flur eilt und im Wohnzimmer verschwindet.

»Hey, Love, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte«, höre ich ihn aus dem Nebenraum keuchen.

Ich halte mich bewusst im Hintergrund, als er sich neben die Couch kniet und Lillis Gesicht in seine Hände nimmt, die trotz ihrer leidenden Worte von eben verdammt glücklich über Saint Clairs Anwesenheit zu sein scheint. Die zwei unterhalten sich leise und ich fühle mich fehl am Platz.

Also … Ich bin definitiv nicht eifersüchtig auf das, was Lilli und Vincent haben – dass ich momentan kein Interesse an ernsthaften Dates habe, war nicht gelogen. Aber verdammt, selbst ich kann nicht ignorieren, wie innig sie aussehen, und mir einreden, dass ihre Vertrautheit nichts mit mir machen würde. Wie sich Lillis schmerzverzerrtes Gesicht entspannt und Vincent merklich aufatmet, während er sie tröstet. Wie sehr sie wie zwei Teile eines Ganzen wirken, das am besten funktioniert, wenn sie zusammen sind. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, muss ich zugeben, dass ich mir so etwas irgendwann vielleicht auch für mich selbst wünschen würde. Allerdings kommt es mir fucking unerreichbar vor und na ja, das zieht mich ein bisschen runter. Eigentlich bin ich zufrieden, so wie es ist. Es liegt bloß an diesen Lovebirds vor meiner Nase, die sogar das Herz des abgebrühtesten Zynikers erweichen würden.

Ich räuspere mich, um mich bemerkbar zu machen. »Also, ich bin dann mal weg. Komme am Montag vorbei und bringe dir die Krücken, okay?«

Meine Schwester schaut mich an; erschöpft, aber mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen und nickt. »Danke, Luis, ehrlich. Ich kann’s nicht oft genug sagen. Ohne dich wäre ich heute verzweifelt.« Vom Sofa aus wirft sie mir eine Kusshand zu und ich tue so, als würde ich sie mit einer Hand aus der Luft fangen.

»Keine Ursache. Drück dir die Daumen, dass die Schmerzen in den nächsten Stunden nicht schlimmer werden.«

Mein Blick fällt auf Saint Clair, der mittlerweile deutlich ruhiger wirkt, jetzt, da er weiß, dass es seiner Freundin okay geht. Er zieht eine entschuldigende Miene. »Danke, dass du direkt da warst, Mann.«

Ich verabschiede mich mit einem letzten Grinsen, bevor die Das-hättest-du-wirklich-nicht-tun-müssen-Leier von vorn anfängt. Schwungvoll verlasse ich die Wohnung und eile die Treppe hinunter. Inzwischen ist es kurz nach elf und gedanklich bin ich vollauf damit beschäftigt, meinen restlichen Abend zu planen, als wusch.

Ich kollidiere frontal mit einem Hindernis. Ein weiches, ziemlich menschliches Hindernis. Anscheinend war ich so in Gedanken, dass ich nicht bemerkt habe, dass mir jemand im Treppenhaus entgegengekommen ist. Ein überraschtes, weibliches Japsen ertönt, aber ich schaffe es nicht, zu stoppen, ehe mein Körper mit ihrem kollidiert. Als verheddertes Knäuel stolpern wir die letzten Stufen bis zum nächsten Treppenabsatz hinunter und mich überkommt das schrecklich endgültige Gefühl, gleich richtig schmerzhaft zu fallen. Etwas poltert neben uns auf den Boden und auf wundersame Weise schaffe ich es die letzte Stufe hinunter, ohne direkt auf dem Gesicht zu landen. Dann greife ich nach der Frau, um sie vor dem Sturz zu bewahren. Ich bekomme sie an der Taille zu fassen, habe allerdings selbst so viel Schwung, dass ich sie halb stolpernd mit mir ziehe und mit ziemlicher Wucht gegen die nächste Wand krache. Ihre Rückseite prallt gegen meine Brust und quetscht mir die letzte Luft aus den Lungenflügeln. So viel dazu, einen Sturz vermeiden zu wollen … Das hier fühlt sich nicht weniger brutal an. Einen Moment lang verharren wir keuchend, zu verwirrt von dem, was gerade passiert ist. Und in meinem Fall auch leicht benebelt von dem Schmerz, der meinen Brustkorb wie ein Schraubstock zusammendrückt. Wie war das noch mal mit weiteren Herzogs in der Notaufnahme? Ich will ja nicht überdramatisieren, aber es würde mich nicht wundern, wenn meine Rippen geprellt wären.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis meine Lunge wieder tiefe Atemzüge zulässt und ich mich mehr auf das konzentrieren kann, was um mich herum geschieht. So ganz kommt mein Hirn dieser Sache noch nicht hinterher. Der Tatsache, dass diese Frau wie aus dem Nichts aufgetaucht und uns fast zu Fall gebracht hat. Langsam nehme ich mehr Details wahr. Ihr schneller, keuchender Atem nahe an meinem Ohr, ihr Körper, den ich weiterhin umklammert halte, und … ihr Duft. Ich war so aufs Atmen konzentriert, dass ich die liebliche, exquisite Geruchsnote erst mit einiger Verzögerung bemerke. Aber dann trifft es mich mit der Wucht einer Abrissbirne. Wie Sommerblumen und Honig und … hm, seltsamerweise etwas Würziges, das ich nicht zuordnen kann. Was auch immer es ist, es berauscht mich und ich bin versucht, meine Nase in den Haaren zu vergraben, die … rot sind. Ein tiefer, satter Farbton wie Rotwein und Purpur. Fuck, ich kenne diese Haare. Als mir das klar wird, begreife ich, dass mir auch ihr Duft nicht fremd ist. Ich hatte nur noch nie die Gelegenheit, genauer darüber nachzudenken. Zu abgelenkt davon, von ihr an den Rand des Wahnsinns getrieben zu werden, um irgendetwas darüber hinaus zu bemerken.

Das ist Wilhelmina Beck, die Tochter des renommierten Akademieprofessors und angehende Malerin.

Die Plage meines Daseins.

Der kleine Fetzen eingerissener Nagelhaut, der bei jeder Bewegung ziept und brennt.

Die Meldung, die auf Websites erscheint und fragt, ob ich die Cookies akzeptiere.

Die verdammt noch mal anstrengendste Nervensäge Münchens.

»Sorry, aber könntest du mich loslassen?« Ihre angespannte, leicht hochnäsige Stimme ist der letzte Beweis, den ich brauche. Jep, das ist Wilhelmina. Wie sie leibt und lebt. Und ich halte sie an mich gedrückt, als würden wir jeden Moment einen Abhang hinunterstürzen. Schlagartig lasse ich sie los, als hätte ich mir die Finger verbrannt, und wäre da nicht die Wand in meinem Rücken, würde ich prompt einen Schritt zurückweichen.

Aber sie bringt selbst Distanz zwischen uns, schnellt herum und wir schauen uns stumm an. Mein Blick gleitet über ihr herzförmiges Gesicht, die hohen Wangenknochen, die perfekt gewölbten Brauen, die mit einigen Sommersprossen bestäubte Nase. Die fucking vollsten rosa Lippen, die ich je gesehen habe. Die künstlerische Ader in mir beginnt, jeden Winkel zu analysieren und zu vermessen; ernsthaft darüber nachzudenken, wie absurd symmetrisch und gleichzeitig spannend ein Gesicht sein kann. Eine Regel, die ich früh verinnerlicht habe, ist, dass Perfektion oft mit Eintönigkeit einhergeht, weil man sich schnell daran sattsieht. Nun, Wilhelmina scheint die Ausnahme zu sein. Ehrlich, es ist eine Schande, dass sich hinter dieser schönen Fassade so viel Gift verbirgt. Ich bemitleide jeden Kerl, der ihr auf den Leim geht und erfahren muss, wie viele Stacheln sie hat. Vielleicht bin ich auch der Einzige, der die Gunst ihrer ungeteilten Abneigung genießt. Immerhin lieben meine Schwester und unser Freundeskreis diese Hexe, die mit niemandem so sehr aneinandergerät wie mit mir. Womöglich sollte ich mich geehrt fühlen, wenn es mich nicht so unfassbar reizen würde. Und ich meine reizen in beide Richtungen – sie macht mich ungehalten und dünnhäutig, bringt jedoch auch meine fiese Ader hervor, die nicht umhinkann, sie im Gegenzug zu provozieren.

Mein Hirn, das gnädigerweise wieder den normalen Betrieb aufnimmt, kramt gerade nach einer passenden, schnodderigen Erwiderung, aber Wilhelmina kommt mir zuvor. »Wie geht es Lilli? Warst du bei ihr? Ich war den ganzen Tag in der Akademie beschäftigt und habe erst jetzt gesehen, dass sie mir am Nachmittag geschrieben hat.« Sie wirkt ehrlich besorgt und es sollte mich nicht wundern, dass Lilli sie ebenfalls alarmiert hat – schließlich wohnen die zwei im selben Haus.

»Wir sind eben aus der Notaufnahme zurückgekommen«, sage ich knapp. »Mehrfach gebrochener Mittelfuß, aber sie braucht keine OP. Sainti ist bei ihr.«

Für einen Moment breitet sich Erleichterung auf Wilhelminas Gesicht aus und ich rechne damit, mich gleich vom Acker machen zu können, als …

»Ach du Scheiße, meine Mappe!«

Ich folge ihrem Blick und bemerke, dass sie bei unserem Zusammenstoß eine Tasche fallen gelassen haben muss, deren gesamter Inhalt sich über die Stufen und vor unseren Füßen verteilt. Ah, das war wohl das polternde Geräusch von eben; als Stifte, Farbtuben und Papiere die Treppe hinuntergeflogen sind. Es sieht aus, als hätte jemand das halbe Inventar eines Künstlerbedarfsladens ausgekippt.

Fluchend fällt sie vor mir auf die Knie und sammelt hektisch die herumliegenden Blätter ein. »Scheiße, du bist auf meine Skizzen getreten! Geh da runter!« Ihr aufgebrachtes Fauchen hallt durch das Treppenhaus und leicht irritiert hebe ich meinen Fuß, der auf einer ihrer Zeichnungen steht. Verständlich, dass es sie nervt, aber ich bin nicht vorsätzlich über ihre Sachen gelatscht.

»Immer langsam, Eure Hoheit Herzkönigin, verlangt nicht gleich, dass ich geköpft werde. Das war keine Absicht.«

Ihr Blick schießt zu mir hoch. Das Jadegrün ihrer Augen ist so hell, dass es fast wie Perlmutt schimmert, und Mannomann, vor ihr hätte ich nie gedacht, dass eine derart kühle Nuance so feurig glühen kann. Zornig, wohlgemerkt; nicht so, wie ich es mir normalerweise wünsche, wenn eine Frau vor mir kniet und zu mir aufsieht.

»Haha, wie witzig«, ätzt sie. »Fällt dir nichts Besseres ein als ein Vergleich aufgrund meiner Haarfarbe?«

Ich zucke mit den Schultern und bücke mich dann, um ein paar Pastellstifte aufzuheben. »Mein erster Impuls war Pumuckl, allerdings schien mir das zu offensichtlich. Bekomme ich keine Extrapunkte für die Kreativität, an Alice im Wunderland zu denken?«

Verärgert pustet sie sich eine der besagten roten Strähnen aus dem Gesicht. »Soll ich jetzt dankbar sein, dass ich nicht der verrückte Hutmacher geworden bin, sondern nur eine psychopathische Monarchin?«

In einer übertriebenen Geste schlage ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Stimmt ja, an den Hutmacher habe ich überhaupt nicht gedacht.« Zumindest in Tim Burtons Version hat er wie die Herzkönigin rote Haare.

Wilhelmina starrt mich an, als würde sie mir tatsächlich an die Gurgel gehen wollen, entscheidet sich dann aber offenbar dafür, dass ich die Mühe nicht wert bin. Schade. Irgendetwas sagt mir, dass es mir durchaus gefallen könnte, ihre Nägel zu spüren.

Fürs Erste sammeln wir schweigend den Rest ihrer Sachen ein – bei einigen Pastellstiften ist die Mine herausgebrochen und ein paar Farbtöpfchen aus einem kleinen Aquarellkasten sind zerbröselt. Ansonsten hält sich der Schaden in Grenzen. Sogar die Skizzenblätter, auf die wir wohlgemerkt beide getreten sind, sehen gut aus. Ich schnappe mir das letzte Blatt, das einige Stufen die Treppe hinuntergesegelt ist, und halte inne, um die Zeichnung darauf zu betrachten. Eines unserer liebsten Streitthemen ist der Unterschied zwischen unserer Kunst. Wilhelmina ist eine durch und durch klassische Malerin, ich tobe mich mit Sprühdosen aus und spraye – etwas, das sie als anspruchslosen Vandalismus bezeichnet, während ich ihre Arbeiten für verstaubten, uninnovativen Plunder halte. Ernsthaft, das meiste von dem, was sie macht, ist sterbenslangweilig altmodisch; als käme sie aus der Jane-Austen-Epoche. Seltsamerweise gibt es eine Menge Leute, die ihre altbackenen Porträts feiern, und die Kunstbubble geht fest davon aus, dass sie hypererfolgreich sein wird. Die mustergültige Miss Perfect, die all das zu sein scheint, was ich nie sein könnte.

Ich reiche ihr das Skizzenblatt und sie reißt es mir aus der Hand, als fürchte sie, meine Finger könnten es beflecken.

»Keine Sorge, ich klaue dir deine Ideen nicht«, murmle ich und lasse den Blick ein letztes Mal schweifen, um zu überprüfen, ob wir alles aufgesammelt haben.

Wilhelmina lässt ein kleines Schnauben hören. »Das hätte ich bei dir sowieso nicht befürchtet.«

Jetzt bin ich derjenige, der sie anfunkelt. »Was soll das heißen?«

Sie beißt sich auf die Unterlippe und wirkt, als würde sie die Worte bereuen, ehe sie sagt: »Das, was du machst, spielt nicht annähernd in derselben Liga wie meine Kunst.«

Eigentlich bin ich nicht leicht zu provozieren, wirklich nicht, aber etwas an ihrer Art lässt mich verlässlich von null auf hundert rot sehen, anstatt wie sonst einen Kommentar wie diesen zu ignorieren. Ist ja nicht so, dass ich das nicht ständig von allen Seiten höre. Mit der Zeit bin ich richtig gut darin geworden, es einfach hinunterzuschlucken und mir einzureden, dass sie es schon noch merken werden. Wenn ich es ihnen allen bewiesen habe. Das hier ist nicht solch ein Moment.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass mich das beleidigen soll, aber ehrlich gesagt habe ich von jemandem wie dir nichts anderes erwartet. Falls du das Memo nicht bekommen hast: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und Graffitikunst ist keinen Deut weniger wert als deine ach so elitäre Ölmalerei.«

Störrisch reckt sie das Kinn. »Irgendwie machst du auf mich nicht den Eindruck, ernsthaft ein Künstler werden zu wollen. Gibt’s von dir mehr als edgy Bilder auf Insta, wo du Abrisshäuser beschmierst oder auf Ikea-Leinwände kritzelst? Sorry, das gibt dir nicht das Recht, über mich zu judgen.«

Sie … Diese … Mein Puls rast so schnell, dass ich ihn in meinen Ohren trommeln höre. Anscheinend weiß sie genug über mich, um die wenigen Ausschnitte zu kennen, die ich auf meinem privaten Instagram-Profil teile (eine Tatsache, die mich verblüfft hätte, wäre ich nicht so wütend), aber was zum Teufel? Wenn jemand judgy ist, dann ja wohl sie!

Bebend mache ich einen Schritt auf sie zu. »Ach, und du darfst über mich urteilen? Weil ich nicht an der Akademie studiere?«

Wenn überhaupt möglich, reckt sie ihre kleine Nase noch höher. »Ob du studierst oder nicht, hat damit nichts zu tun. Es gibt genügend wirklich talentierte Autodidakten.«

Eines muss man ihr lassen, subtil kann sie.

Da ich merke, dass es sinnlos ist, mich weiter mit Miss Verbohrt von und zu Hochnäsig zu zanken, schüttele ich den Kopf und wende mich von ihr ab. Die letzten Stunden mit Lilli waren verdammt anstrengend und ich werde keine Minute mehr damit verschwenden, mich mit Wilhelmina Beck über etwas zu streiten, von dem sie keine Ahnung hat – meine Kunst und mich zum Beispiel.

Kaum bin ich ein paar Stufen hinuntergegangen, bemerke ich etwas, das ihr aus der Tasche gefallen sein muss. Ein zerdrückter Nussriegel liegt auf einem Flyer, der mir verdächtig vertraut vorkommt. Langsam hebe ich das Hochglanzpapier auf, betrachte die Letter, obwohl ich den Text so oft gelesen habe, dass ich ihn längst auswendig kann.

Wie in Zeitlupe wandert mein Blick hoch zu Wilhelmina, die mich mit leicht gerunzelter Stirn vom Treppenabsatz aus betrachtet.

»Machst du da mit?«

Die Stadt München hat einen Wettbewerb ausgeschrieben, um junge Künstler für die Neugestaltung eines im Zweiten Weltkrieg zerstörten Deckengemäldes im Gärtnerplatztheater zu gewinnen. Seit Wochen schleiche ich um diese Ausschreibung herum, habe Dutzende Konzepte entworfen und mich doch nicht dazu durchringen können, einen finalen Entwurf für die offizielle Teilnahme einzureichen. Mein Verstand sagt mir, dass ich keine Zeit für ein Projekt dieser Größe hätte, sollte ich tatsächlich gewinnen. Ich habe meinen Eltern versprochen, dass mein respektables BWL-Studium Vorrang hat, bevor ich mich auf etwas anderes konzentriere. Wirklich, ich schulde es ihnen, mich an meine Vorsätze zu halten und mich vernünftig zu benehmen, aber … eine Arbeit wie diese wäre die Chance, auf die ich schon so lange hoffe. Eine Gelegenheit, um allen zu beweisen, was in mir steckt, und meine Kunst über die Graffiti-Szene hinaus zu zeigen.

Wilhelmina zuckt mit den Schultern. »Mein Vater hat mir den Flyer zugesteckt, er will, dass ich teilnehme.« Sie schaut von den Stufen über mir auf mich herab und plötzlich werden ihre Augen schmal. »Sag nicht, du machst mit.«

Wäre ich dreißig Jahre älter und hieße Manfred, würde mir angesichts ihrer Entgeisterung garantiert eine hervorstehende Ader an der Stirn pochen. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, nachdem sie immer wieder deutlich gemacht hat, wie wenig sie von Graffiti hält, aber verdammt … irgendwie ist meine Zündschnur bei ihr kürzer als sonst.

Du hast sieben Stunden in der Notaufnahme verbracht, sage ich mir, und dabei wahrscheinlich zu viele Dämpfe von Desinfektionsmitteln inhaliert. Sie ist nicht anders als all die anderen Klugscheißer, die dich belächeln.

Und doch ist da so ein fieses, brennendes Kribbeln, das mir die Kopfhaut hinunterläuft, über den Nacken und weiter meine Wirbelsäule hinab. Lauter kleine Funken, die schwelen und sich einnisten, um zu bleiben. Damit ist wohl endgültig zementiert, dass Wilhelmina Beck und ich in diesem Leben keine Freunde mehr werden und gerade einen Schützengraben zwischen uns ausheben. Soll mir recht sein. Sie bleibt auf ihrer Seite, ich auf meiner.

Wider besseres Wissen, vielleicht angestachelt durch diese lästigen Funken, verschränke ich die Arme vor der Brust und sage: »Ja, ich nehme teil.« Ein wenig bin ich von mir selbst verblüfft, denn bis zu dieser Sekunde war ich mir definitiv nicht sicher, ob ich es wirklich tun würde. Das sind sogar für mich Breaking News, aber ich kann jetzt nicht klein beigeben. Sie hält Graffiti für anspruchslose Schmierereien? Dann nehme ich erst recht an der Ausschreibung teil und werde gewinnen. Und wenn ich dafür meine Seele dem Teufel verpfänden muss – aus vertraulicher Quelle weiß ich, dass Vincent eine direkte Connection zu Satan haben soll, und ich werde nicht zögern, sie zu nutzen. Wie ich das alles mit meinem Studium und der Arbeit im Auktionshaus unter einen Hut bekomme, darüber mache ich mir ein anderes Mal Gedanken.

»Und du«, ich ziehe die Silben übertrieben in die Länge, »machst immer brav, was Papi dir sagt? Enterbt er dich sonst?«

Dass ich bei ihr erfolgreich einen wunden Punkt getroffen habe, bemerke ich, als ihr prompt Röte in die blassen Wangen schießt. Sie beugt sich über das Geländer zu mir, ein ziemlich schräger Romeo-und-Julia-Moment, und faucht: »Neidisch, weil ich in ihm einen Mentor habe, der mich bei jedem meiner Schritte unterstützt und fördert?«

Amüsiert verdrehe ich die Augen. »Ich weiß nicht viel über dich, aber was ich gesehen habe, reicht aus, um zu erkennen: Du bist nichts weiter als das Resultat einer Gussform, in die ihr Becks seit Generationen euren Nachwuchs presst, damit sie alle schön eintönig die Familientradition hochhalten können. So was nennst du Förderung? Kann eigentlich irgendwer das, was du malst, von den Gemälden deines Urgroßonkels Horst unterscheiden?«

Irgendwie ist mir klar, dass ich sie damit in die hinterste Ecke unseres Schlagabtausches gedrängt habe und ihr nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder sie beweist Rückgrat und pfeffert mir einen letzten Konter entgegen, der so richtig sitzt, oder sie weicht auf eine Beleidigung aus.

»Du bist zum Kotzen, Luis Herzog!«

Ha, hab ich’s mir doch gedacht. Vorhersehbares, liebes, ach so hochnäsiges Mädchen. »Dito, Wilhelmina Beck. Ich hoffe, du findest zwischen all dem verstaubten Snobismus ein bisschen Rebellionsgeist und hörst nicht auf den Rat deines Vaters, bei der Ausschreibung teilzunehmen. Gegen mich kannst du nur verlieren.«

Minnie

Der Fluch des Künstlers: sein Leben lang beurteilt zu werden von Leuten, die weniger Fantasie, Geschmack und Herz haben als er.

Alexander Roda-Roda

»Ich habe am Donnerstag Delia Kaufmann bei Feinkost-Käfer getroffen und sie war hellauf begeistert von deinem Porträt von Igor, das sie bei den Berzins gesehen hat! Kam gar nicht aus dem Schwärmen heraus.«

Es ist Sonntagnachmittag, was bedeutet, dass ich wie jede Woche bei meinem Vater zum gemeinsamen Kaffeetrinken bin – besonders momentan zelebriere ich diese Treffen, da bald der August ansteht, den Papa zum Reisen nutzt, und wir uns in dieser Zeit weniger sehen. Unser Ritual besteht darin, dass er seine Spezialmischung der Woche brüht (Hubertus Beck ist seit einigen Jahren einer dieser bizarren Kaffee-Hipster, die mit kleinen Schneebesen das Pulver im Siebträger durchquirlen, weil dadurch das Aroma transformiert wird). Und ich bringe Kuchen aus einer Konditorei mit, von dem ich jedes Mal felsenfest behaupte, ihn selbst gebacken zu haben. Ich kann ungefähr so gut backen wie ein Kleinkind, das im Sandkasten Förmchen stürzt, aber die Sache mit dem gekauften Kuchen ist zu einer lieb gewonnenen Tradition geworden. Papas Kommentar über die Frau, die er beim Delikatesseneinkaufen getroffen hat, dagegen … So etwas gehört auch zu unserer Dynamik, obwohl ich lieber darauf verzichten würde.

Ich strecke mich träge in dem unglaublich bequemen Ohrensessel, der in Papas Altbauwohnzimmer steht, eigentlich zu müde und erschöpft, um über die Arbeit zu reden. »Du hast ihr hoffentlich gesagt, dass mir ihr Lob sehr schmeichelt, ich aber momentan zu beschäftigt bin, um weitere Aufträge anzunehmen?«

Papa nimmt einen Schluck von seinem Kaffee und wirft mir einen schnellen Blick zu. »Wilhelmina! Weißt du, wer Delia Kaufmann ist? Ihr Mann sitzt im Vorstand des FC Bayern und sie könnte eine wertvolle Mäzenin werden.«

Ich verkneife es mir, die Augen zu verdrehen. Mäzenin, pff. Manchmal, wenn ich meinen Vater reden höre, habe ich das Gefühl, zweihundert Jahre zurückversetzt worden zu sein. Klar gibt es immer noch vermögende und einflussreiche Leute, die Artists den Weg zum Erfolg ebnen. Diese Art von Förderung ist irre wichtig, aber niemand benutzt diesen Ausdruck mehr. Wie von selbst taucht die Erinnerung an ein Paar brauner Augen auf, die mich anfunkeln, während Luis Herzog mir erklärt, dass wir im 21. Jahrhundert leben. Was er nicht sagt. Mit der Zeit bin ich ziemlich gut darin geworden, Meinungen wie seine wegzuschieben. Über mich und meine Kunst und wie Beck-konform sie ist. Schließlich habe ich sie alle schon gehört. Höre sie tagtäglich auf den Fluren der Akademie, wo ich mit meiner Art heraussteche, als würde ich in Schwarz-Weiß durchs Leben gehen und alle um mich herum in den buntesten Farben explodieren.

Der Punkt ist, dass ich bisher immer einigermaßen damit klargekommen bin, aus der Norm zu fallen. Die meiste Zeit meines Lebens war ich eine Einzelgängerin und habe mich mit diesem Schicksal arrangiert. Bis ich im Januar aus Florenz zurückgekommen bin und sich alles verändert hat. Ich habe mich mit Lilli, Nova und Hugo angefreundet, die in der Wohnung ein Stockwerk über mir wohnen. Oder besser gesagt: Auf unerklärliche Weise haben sie mich in ihr Trio aufgenommen und mir keine andere Wahl gelassen, als mich mit ihnen anzufreunden. Nicht, dass ich mich beschweren würde. Ich hatte … einfach noch nie Freunde wie sie. Weiß Gott, ich habe mein Leben lang versucht, Verbindungen zu anderen zu knüpfen, aber habe entweder Leute getroffen, die rundheraus Nieten waren oder die ich mehr mochte als sie mich. Stattdessen habe ich mich in die Kunst geflüchtet. Eine Leinwand und Farben enttäuschen dich nicht, sie schließen dich nicht aus und lachen nicht hinter deinem Rücken. Oder gehen lieber ins Kino, anstatt bei deiner Geburtstagsparty aufzutauchen, obwohl sie zugesagt haben.

Zugegebenermaßen wartet ein misstrauischer, verletzter Teil von mir immer noch darauf, dass Lilli, Nova und Hugo erkennen, was so viele vor ihnen an mir abgeschreckt hat. Oder mir erklären, es sei alles nur ein Scherz gewesen. Dass sie sich kaputtlachen, weil ich ernsthaft geglaubt habe, krasse Menschen wie sie wären freiwillig mit jemandem wie mir befreundet. Aber sie halten es schon über ein halbes Jahr mit mir aus, beziehen mich stur in ihre Aktivitäten ein und ich kann mich nicht dagegen wehren, es zu lieben. Die Akzeptanz, den Zusammenhalt, die Gewissheit, immer ein offenes Ohr zu finden, wenn ich mich dazu überwinden kann, mich jemandem anzuvertrauen.

Endlich Freunde wie sie gefunden zu haben, könnte perfekt sein, gäbe es neben meinen eigenen, destruktiven Gedanken nicht noch eine Schattenseite – und die kommt in Form von Luis Herzog daher, Lillis jüngerem Bruder. Dem ich weniger aus dem Weg gehen kann, als mir lieb ist. Er ist ein arroganter Kerl, der mir vorwirft, auf einem hohen Ross zu sitzen, und der selbst nur zehn Minuten in einem Treppenhaus braucht, um mir glasklar zu zeigen, wie schnell er über mich urteilen kann. Und irgendetwas daran stört mich so gewaltig, dass ich auch einen Tag später darüber grüble, obwohl ich so etwas normalerweise, ohne mit der Wimper zu zucken, abtue. Doch der Wettbewerb …

Ja, mein Vater hat mich vor einer Weile auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht und mich ermutigt, über eine Teilnahme nachzudenken, aber mein Entschluss hing noch in der Schwebe. Ich bin kein großer Fan von Wettbewerbssituationen und gehe ihnen lieber aus dem Weg. Nun ist da jedoch Luis’ herablassende Bemerkung, es besser gar nicht zu versuchen, weil er mich eh schlagen würde. Als ob! Als ob sie ihn mit seinen Sprühdosen je auf die Decke eines geschichtsträchtigen Theaterhauses loslassen würden! Wenn überhaupt wäre ich die perfekte Kandidatin, um ein Kunstwerk zu schaffen, das sich nicht nur ideal an diesen Ort einfügen, sondern ihm auch gerecht werden wird. Ich verstehe die historische Substanz, die mir als Leinwand dienen würde, und ich wette, wenn ich damit fertig wäre, könnte später niemand sagen, ob das Deckengemälde neu oder schon immer da gewesen ist. Das ist meine Superkraft in der Kunst. Eine längst vergangene Zeit wieder aufleben zu lassen und den Leuten diese Nostalgie zu geben, nach der sie sich so sehr sehnen, dass sie mir horrende Preise für meine Porträts zahlen. Period.

Papa räuspert sich auffordernd, weil ich Löcher in die Luft starre, anstatt ihm zu antworten. Hups, wo waren wir stehen geblieben? Ah ja, Delia Kaufmann und ihr Fußball-Vorstands-Ehemann. Für die ich hundertprozentig ein Porträt malen soll, wenn es nach meinem Vater geht – wahrscheinlich hat er es ihr ohnehin schon halb versprochen. Er muss nicht so weit gehen und es aussprechen, ich weiß es längst. Mein Vater möchte mir helfen, als Malerin Fuß zu fassen, noch bevor ich mein Studium abgeschlossen habe, um mir dann mit aller Kraft einen Namen zu machen. Wir Becks sind seit Generationen Maler und für mich kam nie etwas anderes infrage. Und wer könnte mich dabei besser unterstützen als mein Vater, der Professor an der Akademie und selbst ein talentierter Künstler ist? Er hat mich noch nie falsch beraten und ich will ihn stolz machen, aber manchmal kann es etwas viel werden. Zu … einengend, deshalb habe ich meinen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in Florenz so sehr genossen. Einfach mal weg von allem – den Erwartungen, der Beurteilung, dem Druck.

Was hat Luis gestern zu mir gesagt? Du bist nichts weiter als das Resultat einer Gussform, in die ihr Becks seit Generationen euren Nachwuchs presst, damit sie alle schön eintönig die Familientradition hochhalten können. Allein der Gedanke daran lässt diese Wut in mir hochzüngeln. Das ist nicht wahr und er hat überhaupt keine Ahnung von mir, meiner Familie oder dem, was es heißt, eine Beck zu sein. Ein Tag in meinen Schuhen und er würde heulend davonlaufen. Und das liegt nicht an meiner Vorliebe für halsbrecherische Heels.

»Sag mal, wo bist du heute mit deinen Gedanken?«

Gute Frage, nächste Frage, Papa. Schuldbewusst linse ich zu ihm, aber er beobachtet mich mit einem nachsichtigen Lächeln, während er sich durch den rostroten, grau melierten Bart streicht.

»Ich denke über die Gärtnerplatz-Ausschreibung nach«, gebe ich als alternative Wahrheit preis. Vielleicht, überlege ich hoffnungsvoll, lässt er mich eine Weile mit immer neuen Auftragsarbeiten in Ruhe, wenn ich die Wettbewerbsteilnahme als Vorwand nehme. Die Einreichungsphase läuft noch drei Wochen und wenn ich mit meinem Konzept Erfolg haben will, muss ich mich ranhalten. Sollte ich gewinnen, werde ich den restlichen Sommer über mit dem Deckengemälde beschäftigt sein. Win für mich!

Wenig überraschend leuchten Papas Augen auf. »Wirklich? Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass das deine Chance wäre! Das wäre die erste …«

»Wandmalerei einer Beck an einem öffentlichen Ort seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.« Ich kann den Satz im Schlaf für ihn beenden, weil ich von Kindesbeinen an mit der Saga meiner eigenen Familie aufgewachsen bin. Ich weiß alles über die Beck-Maler-Dynastie, was es mir nicht unbedingt leichter macht, in ihre riesigen Fußstapfen zu treten. Generationen von Künstlerinnen und Künstlern, die der Welt unvergleichliche Arbeiten hinterlassen haben. Gekrönt wird dies durch die Tatsache, dass mein Vater einer von ihnen ist. Der Umgang mit Erwartungen war für ihn nie ein Problem. Ich allerdings … neige dazu, mich wie ein trockener Mürbeteigkeks zu verhalten. Ich zerkrümele unter zu viel Druck. Weil ich genau weiß, dass Professor Hubertus Beck den Anspruch an mich hat, dass ich dem Ruf der Familie alle Ehre mache. Ich muss abliefern und das war vielleicht einer der Gründe, warum ich gezögert habe, einen Beitrag für den Wettbewerb einzureichen. Ja, die Aussicht auf einen Triumph ist verlockend, die Möglichkeit, gegen die Konkurrenz nicht bestehen zu können und krachend zu scheitern, umso bedrohlicher. Es wäre eine öffentliche Niederlage und davor habe ich mich gefürchtet – bis Luis mir gestern Abend über den Weg gelaufen ist. Ein weiterer furioser Zusammenstoß, der unserer destruktiven Dynamik alle Ehre gemacht hat. Denn seine versteckte Herausforderung hat einen Funken in mir entfacht. Einen Funken, der hartnäckig glüht und schwelt und mich an nichts anderes denken lässt außer, ihm sein verdammtes Grinsen und seine Herablassung austreiben zu wollen, wenn ich ihn in diesem Wettbewerb übertrumpfe.

Papa reibt sich tatendurstig die Hände. »Hast du schon ein Konzept? Ich könnte morgen direkt bei Renate anrufen, damit sie dir das Familienarchiv öffnet und du Ideen sammeln kannst. Melchior Beck hat im 18. Jahrhundert wunderschöne Deckenmalereien in diesem Wiener Opernhaus angebracht. Daran könntest du dich anlehnen.«

Ich muss ein Aufseufzen unterdrücken. Das hier ist der Modus Operandi meiner Familie: schauen, was die Vorfahren gemacht haben, um sich streng daran zu orientieren und dem Beck-Stil treu zu bleiben. Für Individualität ist in unserer Kunst wenig Platz, wenn wir den Qualitätsstandard halten wollen, für den wir seit Generationen stehen. Ganz egal, dass mir bereits eine andere Idee hartnäckig durch den Kopf spukt, die so gar nicht Beck-like ist. Nicht elegant, zeitlos und gefällig, sondern mutiger. Ungemischte Primärfarben, kein Braun, keine gedeckten Töne.

»Ich dachte, da diese Ausschreibung etwas komplett anderes ist, könnte ich auch etwas Neues probieren?«

Irritiert zieht Papa die Brauen zusammen. »Was meinst du?«

Unsicher zucke ich mit den Schultern. »Einen moderneren Stil. Professor Matsuoka hat mich neulich an der Akademie etwas ausprobieren lassen und … es hat mir gefallen. Etwas puristischer und weniger historisch.«

Das Klirren von Porzellan ist zu hören, als mein Vater seine Tasse auf dem Unterteller abstellt. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, beugt er sich vor und betrachtet mich ernst. »Mir ist bewusst, dass die Akademie dein Können formen und dich mit verschiedenen Aspekten der Kunst vertraut machen soll, doch du bist eine Beck, Minnie. Wir tragen Verantwortung.« Er ist nicht böse oder harsch, dennoch fühlen sich seine Worte wie eine Ohrfeige an. Wie ein unsanftes Wachrütteln. »Du wurdest mit vielen Privilegien geboren, weil du diesen Namen trägst – ganz zu schweigen von deinem immensen Talent –, und es ist deine Verantwortung, dem gerecht zu werden. Wenn du gewinnst, wird unser Name auf diesem Deckengemälde prangen und eine Botschaft aussenden: dass diese Dynastie für ungebrochene Qualität, Klasse und Beständigkeit steht. Die Leute wissen, was sie bekommen, wenn sie sich für Beck entscheiden, und das soll auch in Zukunft so sein.«

Er hat mir das schon viele Male eingetrichtert; nicht als Mahnung, wie jetzt, sondern als Lehre. Das Wissen, wer und was ich bin, was von mir erwartet wird, ist tief in meiner DNA verankert. So tief, dass ich mich manchmal frage, was ich ohne es wäre.

Du bist nichts weiter als das Resultat einer Gussform, in die ihr Becks seit Generationen euren Nachwuchs presst, damit sie alle schön eintönig die Familientradition hochhalten können. Luis’ Worte geistern wieder durch meine Gedanken und am liebsten würde ich mir fest gegen die Stirn schlagen, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie irgendwie aus meinem Gedächtnis löschen, denn er hat unrecht. Zumindest kann ich nicht akzeptieren, dass ein Kerl, der mich überhaupt nicht kennt, nach kürzester Zeit solche Wahrheiten über mich freilegt. Es steht ihm nicht zu und ich kann ihm nicht das letzte Wort überlassen. Nicht einmal imaginär.

Was ich denke und fühle, spielt keine Rolle. Am Ende werden meine Familie und meine Verpflichtungen ihr gegenüber immer an erster Stelle stehen. Papa hat recht. Ich bin bis obenhin zugeschnürt mit Privilegien, für die ich dankbar sein muss. Das bin ich auch, wirklich. Die meisten meiner Mitstudierenden wissen nicht, ob sie nach dem Abschluss von ihrer Kunst leben können. Ich werde das können; kann mich bereits jetzt kaum vor Aufträgen retten. Und das nur, weil ich Beck heiße und unser Name berühmt ist. Seit ich einen Pinsel halten kann, hatte ich die besten Lehrer, die teuerste Förderung, die exzellentesten Materialien. Ein Umfeld, das unumstößlich an mich geglaubt und mich unterstützt hat. Die Übung mit Professor Matsuoka hat mir unnötige Flausen in den Kopf gesetzt und was Luis angeht … ich erlaube nicht, dass ein dahergelaufener Schnösel meine Grundfesten zum Wanken bringt. Mich hinterfragt, ohne etwas zu wissen. Ich liebe, was ich tue. Und wenn ich es ihm eigenhändig beweise.

»Okay. Kannst du Renate fragen, wann ich frühestmöglich ins Archiv kann? Ich muss ein Gewinnerkonzept ausarbeiten.«

Luis

@muenchner_kindel

Liebe Kindel, unsere DMs sind wieder offen für Nominierungen zum allseits beliebten Smash Score. Welche hotten Singles der Stadt würdet ihr nicht von der Bettkante stoßen und warum ist es ausgerechnet @luis_hrzg? Jaja, wir können zwar nicht hellsehen und sind uns doch sicher, dass ihr unsere Nachrichten mit seinem Namen fluten werdet. Aber bei aller Beliebtheit nur die Ruhe, so umtriebig, wie unser Musterknabe ist, werden alle, die wollen, ihr Stück von ihm abbekommen. Ihr müsst bloß über achtzehn sein und einen Puls haben, dann will er euch …

Nachricht senden

»Diese Wichser!« Ich stehe auf dem Gehweg vor Lillis Wohnhaus, starre fassungslos auf mein Handydisplay und kann nicht glauben, was ich sehe. Ein Screenshot, den mir mein Sprayer-Kumpel Bariş alias Bax geschickt hat und der nicht echt sein kann. Mit bebenden Fingern ziehe ich das Bild größer, studiere jedes Detail, weil ein Teil von mir es nicht wahrhaben will, während in meiner Brust etwas bricht. Weil ich jedes Mal zur Pussy werde und heulen möchte, wenn mich eine weitere Mitteilung darüber erreicht, dass eines meiner Pieces zerstört wurde. Schon wieder. Sie haben schon wieder etwas von mir übersprüht. Der Screenshot, der vom Insta-Profil der Sprayer-Crew Spirits stammt, verschwimmt vor meinen Augen. Schwarze und lila und neongrüne Farbflächen, die über mein einstiges Werk geklatscht wurden, zerlaufen zu unscharfen Schlieren und ich bin dankbar, dass ich dieses Massaker nicht mehr gestochen scharf sehen muss. Aber ein Detail bleibt: das Tag von Spirits. Zusammen mit der Tatsache, dass sie ihr Werk stolz in ihrer Story präsentieren. Spirits ist eine Crew, die mich seit einiger Zeit auf dem Kieker hat und meine Arbeiten crosst, wo sie nur können. Werke anderer absichtlich zu übermalen, ist die höchste Form der Beleidigung in dieser Bubble und eine offene Kriegserklärung gegen mich; eine, die ich mir ätzenderweise selbst eingebrockt habe. Spirits ist elitär, sie nehmen kaum neue Mitglieder auf, und als sie letzten Sommer mit dem Angebot zu mir gekommen sind, ihrer Crew beizutreten, waren sie wohl fest davon überzeugt, dass ich zusagen würde. Und bis aufs Blut beleidigt, als ich dankend abgelehnt habe. Ich habe ihnen sogar erklärt, dass ich mich geehrt fühle, aber lieber allein unterwegs bin. Dass ich zwar gern auf der Straße arbeite, langfristig jedoch andere Ziele verfolge. Was ich treibe, ist riskant genug; ich kann es mir nicht leisten, mit einer populären Crew in Verbindung gebracht zu werden und im Fall der Fälle mit ihr aufzufliegen. Ich habe eine saubere Fassade zu pflegen, darf meine Eltern nicht enttäuschen oder misstrauisch machen, weswegen ich mich auf meine eigenen Aktionen beschränke. Ehrlich gesagt bin ich davon ausgegangen, dass Spirits meine Erklärung verstehen würde; vielleicht den Kopf über mich schütteln, weil ich mir diese einmalige Chance entgehen lasse, aber ansonsten weitermachen wie bisher. Doch dann, etwa zwei Monate nach meiner Absage, begannen die Crosses, die in letzter Zeit dermaßen ausgeufert sind, dass ich sie bald nicht mehr stumm hinnehmen kann. Bariş beschwört mich, die Füße still zu halten und mich nicht weiter mit Spirits anzulegen, aber fuck … die Pieces, die sie regelmäßig zerstören, sind für mich keine Schmierereien. Sie sind mein Œuvre. Ich schlage mir ganze Nächte um die Ohren, nehme den Schlafmangel und das Risiko in Kauf, lege jede Unze Leidenschaft und Können in meine Artworks und träume dabei von einer Zukunft als anerkannter Künstler. Wenn Spirits meine Arbeiten übermalt, killen sie jedes Mal einen Teil von mir und das wissen sie. Sie müssen mich lange auf dem Radar gehabt haben, bevor sie mir ihr Angebot unterbreitet haben. Sie wissen, wie persönlich und aufwendig und wichtig meine Pieces sind. Jeder aus der Szene weiß, dass ich anders arbeite als der Rest. Bei Gott, ich bin keine Special Snowflake, aber meine Ziele und Intentionen heben mich ab. Weil ich es in den Kunstmarkt schaffen will, anstatt einen Kleinkrieg mit dem Ordnungsamt anzuzetteln.

Fluchend stecke ich mein Handy weg und ermahne mich selbst, nicht kopflos zu handeln, sondern mir Zeit zu geben, um mich zu beruhigen. Ehe Bariş’ Nachricht mich komplett aus der Bahn geworfen hat, war ich auf dem Weg zu Lilli, um ihr Unterlagen aus dem Auktionshaus zu bringen. Seit ihrem Duschunfall letztes Wochenende ist sie an ihre Wohnung gefesselt; der Bruch ist zu schmerzhaft, um durchs Auktionshaus zu humpeln. Aber natürlich kann sich Schwesterherz nicht krankschreiben lassen und besteht darauf, von zu Hause aus zu arbeiten. Womit ich als ihr Botenjunge Nummer 1 ins Spiel komme, denn Herzog ist nicht so digitalisiert, wie man meinen könnte. Lilli kommt zwar mit ihrem Laptop in ihr Arbeitspostfach, allerdings zickt der Zugang zu allen anderen Programmen und sie braucht viele Unterlagen ausgedruckt. Und Brüderchen springt selbstverständlich gern in die Bresche. Nun, eigentlich nur, weil mir das eine gute Ausrede liefert, um ein paar Vorlesungen sausen zu lassen. Habe ich schon erwähnt, dass der Master in Betriebswirtschaftslehre die Erfüllung für mich ist? Haha, nope. Aber ich werde auch noch die letzten Semester des Studiums durchziehen, denn ich habe es meinen Eltern versprochen und ich liebe sie zu sehr, um sie zu enttäuschen. Irgendwie den Abschluss schaffen und dann habe ich meine mustergültige Schuldigkeit getan. Hoffe ich jedenfalls.