Palace Papers - Tina Brown - E-Book

Palace Papers E-Book

Tina Brown

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Beschreibung

THE ROYAL BOOK OF THE YEAR! Der SPIEGEL-Bestseller, Amazon No. 1-Bestseller und gelistet in den 100 Notable Books of 2022 in The New York Times! Im eBook jetzt mit aktualisiertem Nachwort! "... legt ein 700 Seiten starkes Werk über die Windsors vor, das Klatsch auf allerhöchstem Niveau bietet. Von Diana bis Meghan Markle reicht dieses akribisch recherchierte Buch." Ijoma Mangold, DIE ZEIT, 29.6.2022 "Bei den Buchtipps geht es oft um klassische Thriller. Tina Browns Enthüllungsbuch über die Windsors kann hier problemlos mithalten. Ein Pageturner der Extraklasse." FRANKFURTER RUNDSCHAU 13.6.2022 "Es ist die beste und mit über 700 Seiten auch eine der umfangreichsten Chroniken des 'elisabethanischen Zeitalters'" TINA 5.5.2022 "Tina Brown kennt die Windsors wie ihre Westentasche (...) Top recherchiert und unterhaltsam geschrieben" GALA, 28.4.2022 "Eine süffige Mischung aus Psychoanalyse, Skandalroman, politischer Analyse, hochklassigem Gossip und Thriller" PROFIL 25.4.2022 "Nie wieder" lautete der Schwur, darf so etwas passieren, als der traumatische Tod der Prinzessin von Wales die königliche Familie dazu zwang, sich neu zu erfinden. Tina Brown, die brillante Journalistin und Autorin der besten Diana-Biografie, enthüllt in ihrem neuen Buch die wahre Geschichte der Windsors im letzten Vierteljahrhundert.  Die Palace Papers nehmen die Leser*innen mit, nicht nur hinter die Mauern des Buckingham Palasts, sondern bieten Innenansichten der königlichen Gesellschaft und ihrer Gewohnheiten.  In einer faszinierenden chronique scandaleuse erklärt die Autorin kenntnisreich und bestens informiert die stoische Standhaftigkeit der Queen, etwa wie sie mit dem Tod von Prinz Philip umging, aber auch dem ihrer Schwester Prinzessin Margaret und ihrer Mutter, der Queen Mother, und wie sie trotz aller familiären Dramen ihr 50. Krönungsjahr 2002 triumphal beging.  Lesen Sie - warum Prinz Charles gegen alle Widerstände Camilla durch Heirat zu seiner "Königin" erkor und die Prinzen William und Harry, auf verschiedenen "Umlaufbahnen" unterwegs, doch noch damit ihren Frieden machten;  - wie die entschlossene Kate Middleton quasi zur "Retterin" der Monarchie aufstieg;  - und welches Erdbeben die mehr als verstörenden Anschuldigungen gegen Prinz Andrew im Zusammenhang mit Jeffrey Epsteins Mädchenhändler-Ring auslösten. - Dies wird überzeugend dargestellt, ebenso wie Harrys und Meghans erstaunlicher - und in den Augen der Autorin schlecht vorbereiteter - "Rücktritt" aus der ersten Reihe der Royals. Das "Nie wieder" einzulösen, ist schwierig für eine so traditionelle Institution wie die britische Monarchie in einer sich divers orientierenden Gesellschaft und mitten im Überlebenskampf der Boulevardpresse in Zeiten der sozialen Medien. Auch die royalen Spin-doctors haben ihren Auftritt in den "Palace Papers", neben der skandalösen Abhöraffäre durch die Murdoch-Medien, die das Verhältnis von Palast und Öffentlichkeit erneut vor Gerichte brachte. Tina Browns Familiengeschichte der Windsors ist dank ihrer erstrangigen Quellen voller unbekannter Details und kluger Einblicke in eine "geschlossene Gesellschaft", die weit über den Netflix-Serienhit The Crown hinausreicht, aber ihm an Süffigkeit und Suchtpotential in keiner Weise nachsteht: ein Meisterwerk, das unsere Sicht auf die königliche Familie für immer verändern wird.  Mit mehr als 50 farbigen Abbildungen. Anlässlich des Todestages von Queen Elizabeth II. am 8. September 2022 aktualisierte die Autorin der PALACAE PAPERs, Tina Brown, das Nachwort und nimmt aktuelle Entwicklungen - wie die Ernennung von Prinz Charles zum neuen König Charles III. - mit auf und blickt in der ihr eigenen klugen und tiefgreifenden Weise gedankenreich in eine Zukunft, die anders sein wird als wir sie unter der Königin der Herzen vermuteten.

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Seitenzahl: 1041

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Tina Brown

PALACE PAPERS

Die Windsors, die Macht und die Wahrheit

Aus dem Englischen von Ulrike Strerath-Bolz, Stephan Kleiner, Monika Köpfer, Karsten Singelmann, Astrid Becker, Sylvia Bieker, Henriette Zeltner Shane und Nadine Lipp

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Keep calm and carry on - überlebt die britische Monarchie trotz oder gerade wegen der Skandale der Windsors? Nach dem zweiten Elizabethanischen Zeitalter, das nun 70 Jahre währt, wird nichts so bleiben wie es war, so Tina Brown, die wie keine andere Autorin vernetzt ist in der Hofgesellschaft, aber auch mit dem Palastpersonal. Atemlos folgt man der so detailgenau recherchierten wie kenntnisreich erzählten Geschichte vom Aufstieg und Fall der königlichen Familie. Die Liebesheirat von Queen Elizabeth II., ihre stoische Standhaftigkeit, Dianas Beziehungstragik und Camillas spätes Glück, Kates königliche Vorbildhaftigkeit und Meghans royaler Karriere-Exit; die vielen Faux-pas, Affären und auch die Desaster aller Prinzen - die fein nuancierte chronique scandaleuse schont kein Mitglied des königlichen Hauses. Tina Brown charakterisiert gewohnt scharfzüngig und überrascht immer wieder mit ihrer originellen Deutung der Ereignisse. Nach ihrer genialen Diana-Biografie (Droemer Verlag, 978-3-426-30158-6) wird Palace Papers zum bestimmenden Buch über die Windsors.

 

»Mein Buch ist, neben allem anderen, die Überlebensgeschichte einer Familie, die von der permanenten Spannung zerrissen wird, zwischen der alles überragenden Pflicht, dem Land zu dienen, und dem nur allzu menschlichen Bedürfnis nach Liebe, dem Ehrgeiz und der Sehnsucht, allem zu entfliehen.«Tina Brown

Inhaltsübersicht

Widmung

Einleitung: Kryptonit

TEIL I

Kapitel 1: Nie wieder. Die Royals nach Diana

Kapitel 2: Sex und Sinnlichkeit. Warum Charles Camilla liebt

Kapitel 3: Die wilden Jahre. Camilla beißt sich durch

Kapitel 4: Mutter der Nation. Die Königin blickt bang ins 21. Jahrhundert

Kapitel 5: Eine Frage der Unabhängigkeit. Elizabeth und Philip haben es geschafft

Kapitel 6: Schwanengesänge. Margaret und Queen Mum verlassen das Fest

Kapitel 7: Jubilee Girl. Die Queen rockt den Park

Kapitel 8: Dienstbotensorgen. Was der Butler gesehen hat

Kapitel 9: Camillas rote Linie. Als neue Herzogin am Ziel

Bildteil I

TEIL II

Kapitel 10: Der Prinz von nebenan. Die ungleichen Brüder William und Harry

Kapitel 11: Die verlorenen Jungs. Wie die Prinzen ihre Kindheit überstanden

Kapitel 12: Auftritt Kate. Prinz William lernt ein Bürgermädchen kennen

Kapitel 13: Königin in Wartestellung. Kate bringt es unter Dach und Fach

Kapitel 14: Gesprengte Ketten. Harry der Held geht seinen Weg

Kapitel 15: Schnüffelei. Wie die Presse den Royals nachstellt

Kapitel 16: Elisabethanischer Glanz. Die Glückssträhne der Windsors

Kapitel 17: Herzoglicher Hasardeur. Kostenfalle Andrew

Kapitel 18: Ein unliebsamer Freund. Die Lockungen des Jeffrey Epstein

Kapitel 19: Nummer sechs auf der Liste. Meghan Markles Welt

Kapitel 20: Absturz. Harry stellt sich seinen Dämonen

Kapitel 21: Verknallt. Gute Sterne für Meghan und Harry

Kapitel 22: Zauberreich Haus Windsor. Heirat und Wandel

Kapitel 23: Auflösung. Die Monarchie am Morgen danach

Kapitel 24: Versteck und Vorurteil. Überleben in der Windsor-Blase

Kapitel 25: Verbrannte Erde. »Annus Horribilis« redivivus

Bildteil II

Epilog: Glut

Danksagung

Für Harry,

auf ewig

Einleitung

Kryptonit

Um Oprah Winfreys Interview mit Harry und Meghan, Herzog und Herzogin von Sussex, im März 2021 gab es einen in der Geschichte des Fernsehens kaum vergleichbaren Rummel. Das Gespräch wurde, ein Jahr nach ihrem fluchtartigen Ausstieg aus dem Königshaus, im Palmengarten einer geheim gehaltenen Villa in Montecito aufgenommen, dem hoch über der Pazifikküste gelegenen Exil des Paares in Kalifornien. Oprahs übergroße Brille verstärkte ihre Verwunderung hinsichtlich der explosiven Enthüllungen über das House of Windsor.

»Haben Sie geschwiegen oder wurden Sie zum Schweigen gebracht?«, fragte das TV-Orakel mit schärfstem Kommandoton im Unheil verkündenden Soundtrack des Teasers für das zweistündige Special. Die Kamera schwenkte auf Meghans zusammengekniffene Augen, und bevor wir ihre Reaktion auf die Frage hätten erfahren können, erfolgte der Schnitt. Neunundvierzig Millionen Menschen weltweit schalteten dann ein, um es herauszufinden. Die neununddreißigjährige Herzogin von Sussex hatte ein Make-up mit dramatischen Smokey Eyes aufgelegt, wie es erstmals Prinzessin Diana in ihrem berühmt-berüchtigten Interview mit Martin Bashir getragen hatte, und Meghans Haar war zu einem tiefen Knoten konfessioneller Ernsthaftigkeit frisiert. Meghan-Anhänger waren geteilter Meinung, was das lange, schwarze Kleid von Giorgio Armani mit den weißen Lotusblüten (Auferstehung!) anging, dessen Gürtel hoch über dem Babybauch saß.

Codeknacker in Sachen Royals bemerkten an Meghans linkem Handgelenk das Cartier-Diamant-Tennisarmband ihrer verstorbenen Schwiegermutter als Zeichen, dass nun sie das Amt der weiblichen Königlichen Hoheit innehatte, der Unrecht widerfahren war. Und Harry wurde wegen der mangelnden Eleganz seiner traurig rutschenden Socken und seines langweiligen J.-Crew-Anzugs auf Twitter fertiggemacht. Hauptthema seiner Klagen war, dass sein Dad, der Prince of Wales, Harrys Aussage zum Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit missverstanden und ihm den Geldhahn zugedreht hatte.

Vom House of Sussex wurde ein vernichtendes Anklageprotokoll präsentiert: keinerlei Rücksicht auf Meghans seelische Gesundheit seitens des Palasts; kein Tätigwerden des Hofes beim medialen Rufmord an Meghan; Eifersucht innerhalb der Familie; und am schwerwiegendsten von allen Punkten: der brisante Rassismusvorwurf gegen ein ungenanntes Mitglied der königlichen Familie, das sich »besorgt« geäußert hatte, wie dunkel wohl die Hautfarbe des ungeborenen Archie ausfallen könnte.

Das war Kryptonit.

Prinz Williams kurz angebundene Reaktion gegenüber der Presse, die ihn einige Tage später bei einer Veranstaltung zu einer Stellungnahme drängte: »Wir sind ganz gewiss keine rassistische Familie.«

Aber woher wollte er das wissen? Meghan Markle ist die erste Person of Color, die einen Mountbatten-Windsor geheiratet hat, und der Diversitätsanteil der Angestellten des Buckingham-Palasts beträgt 8,5 Prozent.

Der Social-Media-Mahlstrom zeigte sofort eine hitzige transatlantische Kluft der Zuschauerreaktion. US-Amerikaner, die den Windsors die Zurückweisung Dianas nie verziehen haben, bejubelten das herzogliche Paar der Sussex’ für die Enthüllungen über das völlig marode Vergnügungsparkunternehmen Monarchie. Vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Bewegung bestätigten die Rassismusvorwürfe, dass die königlichen Dinosaurier nicht länger über die Welt bestimmen sollten. Sogar Jen Psaki, Pressesprecherin von Präsident Biden, meldete sich zu Wort und lobte Meghans Mut, ihre Ängste und Depression öffentlich anzusprechen.

Die britische Reaktion fiel überwiegend gegenteilig aus – Empörung wegen der Zurschaustellung solch kompletter Respektlosigkeit gegenüber der Monarchie, und Betonung des Ärgers über die vielen strittigen, unwidersprochenen Vorwürfe des Paares. Weitverbreitet war die Skepsis hinsichtlich Meghans Behauptung, sie habe sich mit ihren Selbstmordgedanken an niemand anderen wenden können als an die Personalabteilung des Buckingham-Palasts – eine surreal anmutende Anlaufstelle, von der kaum jemand wusste (und eher passend zu einer von Ricky Gervais geschriebenen BBC Sitcom). War Harry, der sich jahrelang in Therapie befunden hatte, nicht eines der Gründungsmitglieder von Heads Together, einer Initiative des Königshauses gemeinsam mit William und Kate gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen? Welche Anpassungsschwierigkeiten auch immer Meghan gehabt haben mag, sie waren für Harry eindeutig zu schmerzhaft, um genauer hinzusehen. Auf beiden Seiten des Ozeans war die jüngere Generation leidenschaftlich auf Meghans Seite, weil sie ihren süßen, sexy Ehemann vor den mürrischen, ahnungslosen Verwandten gerettet hatte.

Weniger diskutiert wurden Meghans rätselhafte – und, wie ich fand, faszinierende – Bemerkungen über ihre mangelnde Vorbereitung auf das Leben im Königshaus. »Ich habe nicht ganz verstanden, was der Job war«, erklärte sie Oprah gegenüber. »Was heißt das, ein arbeitender Royal zu sein? Was macht man? … Vor allem als Amerikaner weiß man von den Royals nur, was in Märchen steht … Ich bin in Los Angeles aufgewachsen, da sieht man andauernd Prominente. Das ist nicht das Gleiche, aber da ist es sehr leicht, besonders für eine Amerikanerin, zu sagen, ›das sind berühmte Leute‹. [Aber] das ist eine vollkommen andere Hausnummer.«

Äh, ja. Die Vorstellung, dass die im Ländlichen verwurzelten, pflichtbesessenen, traditionsgebundenen älteren Mitglieder der britischen Königsfamilie auch nur irgendeine Ähnlichkeit mit Hollywood-Promis aufweisen, ist komplett abwegig. Prominente lodern auf und verbrennen. Die Monarchie jedoch spielt ein auf Dauer ausgelegtes Spiel. Das öffentliche Interesse kennt kein Verfallsdatum, solange klar ist, dass das eigene Interesse der Öffentlichkeit gilt. Wie die Großmutter der Queen, Queen Mary, einst zu einem Mitglied der Familie sagte: »Wir sind Mitglieder der britischen Königsfamilie. Wir sind niemals müde, und wir alle lieben Krankenhäuser.«

Wer wie Meghan vom Königshaus geblendet ist, erliegt einer optischen Täuschung. Für sie war es schwer zu begreifen, dass das Dessert aus Bio-Zitronen und Holunderblüten, das bei ihrer Märchenhochzeit auf Windsor Castle serviert wurde, der »Iss mich!«-Kuchen aus Alice im Wunderland war. Auch wenn sie ein immer größerer Star auf der internationalen Bühne wurde, würde sie gleichzeitig schrumpfen müssen, um den stummen Anforderungen im Dienste der Krone zu genügen.

Meghans bemerkenswertes Versäumnis, sich auf eine Berufung vorzubereiten, die das königliche Äquivalent zu einem Rückzug ins Kloster war, überraschte viele ihrer ehemaligen Kollegen bei der US-Fernsehserie Suits, in der sie sieben Jahre in einer Nebenrolle zu sehen war. Laut einer Kollegin bei der Sendung war Meghan als Schauspielerin dafür bekannt, »ihre Hausaufgaben zu machen« und jeden ausgiebig in die Mangel zu nehmen, der ihr mit Stichwortgeben beim Textlernen helfen konnte.

Verblüffend, dass sie das nicht auch für die wichtigste Rolle in ihrem Leben so gemacht hat. Das ist der Hauptgrund, weshalb Dianas Mister Wonderful, der Herzchirurg Dr. Hasnat Khan, sie nach ihrer Trennung von Charles nicht heiraten wollte: Ihm war klar, dass er es nicht aushalten würde, jeden Tag auf den Titelseiten der Klatschzeitungen Unwahrheiten über sich zu lesen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Hofs erzählte mir:

Mein Eindruck war von Anfang an, dass da mit Meghan jemand war, die keinen Hintergrund hatte, um die Institution zu verstehen. Und mit dem Palast war da eine Institution, die über keinen Hintergrund verfügte, um Meghan zu verstehen. Also war da dieses Riesenproblem zweier aufeinanderprallender Welten, die nichts voneinander wussten.

Die britische Monarchie ist eine mehr als tausend Jahre alte Institution mit einer sechsundneunzigjährigen Geschäftsführerin und einem über Siebzigjährigen in den Startlöchern ihrer Nachfolge. Da kann man keine große Beweglichkeit erwarten. Das Königshaus bildet sein Sozialkapital dank zuverlässiger, aufeinander aufbauender Routinepflichten. Von Zeit zu Zeit bewegt sich der Gletscher, für gewöhnlich im Nachklang einer Erschütterung des gesamten Systems: der Abdankung von Edward VIII., um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten, als man näher zusammenrückte, um weitere Eindringlinge abzuwehren; der Tod von Diana und die darauffolgende öffentliche Hysterie, als die Institution hinterfragt und dann ohne viel Aufhebens nahbarer wurde; und die »Megxit«-Krise, als der Herzog und die Herzogin von Sussex die Entscheidung zwischen dem Commonwealth und Netflix trafen und dem Ruf des Geldes folgten. Es wird noch einige Jahre dauern, bis wir wissen, wie ernsthaft sich die Monarchie mit den Versäumnissen auseinandergesetzt hat, was die Diversität des Landes angeht, das sie repräsentiert – und für das sie arbeitet.

Doch sie wird sich ändern. Der historische Hintergrund der britischen Monarchie, von der Ära, als Prinzessin Margaret 1955 nicht den Mann heiraten durfte, den sie liebte, weil er geschieden war, bis sechsundzwanzig Jahre später Prinz Charles gezwungen wurde, eine zwanzigjährige Jungfrau mit einem angemessenen Stammbaum zu heiraten; und bis zu dem bedeutenden Meilenstein von 2018, als eine geschiedene, nicht weiße Amerikanerin den Segen der Queen erhielt, ihren Enkel zu heiraten: Das alles sind deutliche Hinweise darauf, dass das vorrangige Ziel der Monarchie lautet zu überleben.

»Ich habe überhaupt keine Nachforschungen angestellt«, gestand Meghan Oprah in dem Interview.

Ich schon. Mehr als zwei Jahre habe ich, persönlich und durch die Corona-Pandemie via Zoom, mit mehr als 120 Menschen gesprochen, die während der turbulenten Jahre nach Dianas Tod eng mit den älteren Mitgliedern des Königshauses und deren Haushalten verbunden waren.

In diesem Buch konzentriere ich mich auf die darauffolgenden fünfundzwanzig Jahre bis heute. Doch wie wir feststellen werden, liegt die Faszination der Monarchie darin, dass sich ihre Themen – und ihre Probleme – im Laufe der Zeit dank ihrer verlässlich fehlbaren und nur allzu sterblichen Protagonisten wiederholen. Um das House of Windsor in seiner heutigen Form zu verstehen, muss man die menschlichen und historischen Einflüsse verstehen, die es geprägt haben.

Ich habe die Palace Papers nach den zentralen Personen gegliedert, die die jüngere Geschichte der Monarchie gestaltet haben: Die einzelnen Kapitel befassen sich also jeweils mit Diana, Camilla, Charles, Philip, Margaret, Andrew und zuletzt William, Harry, Kate, Meghan und ihren Familien. Wir werden in die Vergangenheit reisen, vom Zweiten Weltkrieg bis zu den grellen 1990er-Jahren, vom sich modernisierenden Millennial-Großbritannien bis zum »spitzenmäßigen London« der Olympischen Spiele, von der wütenden Spaltung durch den Brexit bis zum geteilten Leid einer weltweiten Pandemie. Wir werden Premierministern, einflussreichen Mitarbeitern des Hofes, mächtigen Imageberatern, einfachen Angestellten, Liebhabern, Rivalen und sogar eindeutigen Feinden begegnen. Wir werden die Schichten der Aristokratie ebenso durchleuchten wie die komplexe Beziehung zwischen den Royals, den Medien und der Öffentlichkeit.

Vor allem aber hoffe ich, dass wir die Frau besser verstehen werden, die bedeutender ist als alle anderen: die Queen.

Es ist ein Buch, von dem ich mir wünschte, Meghan hätte es lesen können, bevor sie ihre Sachen in ihrem Haus in Toronto zusammengepackt hat und ins Flugzeug nach England gestiegen ist, um ihre Hochzeit mit dem jüngeren Sohn des britischen Thronfolgers zu planen. Dann hätte sie gewusst, dass es kein größeres Markenzeichen gibt als die Firma.

TEIL I

Kapitel 1

Nie wieder

Die Royals nach Diana

I

In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts schien eine trübe Melancholie über den britischen Royals zu hängen, die sich auch über ihre Freunde, Bediensteten und die Anhänger des Hofes breitete. Die Recherchen für meine Biografie über Prinzessin Diana führten mich 2006, beinahe zehn Jahre nach ihrem Tod, zu verwohnten Gebäuden ohne Fahrstuhl und in entlegenen Postleitzahlbereichen von London, wo ehemalige Höflinge und Bedienstete lebten. Die Ausdünstungen der Treppenläufer hinterließen in mir immer eine gedrückte Stimmung, ein Geruch von sozialem Abstieg und sinnloser, vornehmer Opferbereitschaft. Wegen der Zeitschaltuhr drohte auf dem Treppenabsatz im dritten Stock immer das Licht auszugehen. Die Wohnungstür öffnete sich zu einem kleinen, mit Bücherstapeln gefüllten Einzimmerapartment voll geschmackvollem Nippes, ein Kosmos von Relikten eines pflichterfüllten Lebens im Palast. Was hatten all die Bediensteten von einst bekommen, also wirklich bekommen, für all ihre Treue und Diskretion gegenüber der Institution Monarchie? Die »Anerkennung« der Queen, ein Seago-Aquarell, ein paar kurze Dankesworte, unterzeichnet in königlicher Schreibschrift.

Nirgendwo war das Knarren der Bedeutungslosigkeit und des Verfalls deutlicher als bei dem Gedenkgottesdienst für den Cousin der Queen, den Gesellschaftsfotografen Lord Lichfield im März 2006 in der Guards Chapel in den Wellington Barracks in Westminster. Ich war dort, weil ich in den frühen 1980er-Jahren, als ich in der Redaktion des Tatler tätig war, häufig mit dem sanftmütig charmanten Lichfield zusammengearbeitet habe und einmal ein ausgelassenes Wochenende mit ihm und zwei weiteren legendären Fotografen, Helmut Newton und David Bailey, verbracht habe, um über den Grand Prix von Monaco zu berichten.

An diesem verregneten Tag füllten die Getreuen des Hofes die Guards Chapel, einschließlich der fünfundfünfzigjährigen Tochter der Queen, Prinzessin Anne, auch bekannt als die Princess Royal, und Camilla Parker Bowles, eben erst durch die Eheschließung mit Prinz Charles im Jahr zuvor aufgestiegen zu Her Royal Highness The Duchess of Cornwall. Der ehemalige König und die ehemalige Königin von Griechenland schleppten sich mühevoll in die Bank hinter Camillas früher einmal schneidigen Ex-Ehemann Brigadier Andrew Parker Bowles in seinem an einen Saaldiener erinnernden Cut. Camilla und Andrew bewegen sich untrennbar in den gleichen gesellschaftlichen Kreisen. Bei einem dieser inzüchtigen sozialen Ereignisse, die royale Außenseiter in Staunen versetzen, hat er nach Charles’ und Camillas Hochzeitssegen in St George’s Chapel in einem Nebenraum von Windsor Castle der Queen Gesellschaft geleistet, um mit ihr das Grand-National-Rennen im Fernsehen anzuschauen.

»Niemand steht mehr für die Griechen auf. Ist das nicht schrecklich?«, zischte der ehemalige Butler der Queen Mother William »Backstairs Billy« Tallon. Er zeigte sich auch verwundert darüber, dass die Queen selbst nicht erschien: »Schließlich war sie seine Cousine.«

»Ja, nur war sie eher aus seiner Perspektive eine Cousine als umgekehrt«, sagte ein Mann rechts von Billy, der Biograf des Königshauses Hugo Vickers, dessen Bemerkung genauso die Beziehung der Royals zu jedem anderen zusammenzufassen schien. Prinzessin Anne, die bei den Griechen saß, wirkte altmodisch und schroff, Andrew Parker Bowles wie ein Pink Gin auf zwei Beinen. Der altersschwache Lord Snowdon, Ex-Ehemann von Prinzessin Margaret, der Schwester der Queen, präsentierte sich übellaunig, als er sich von seinem Sohn gestützt auf seinem Platz niederließ. Der kleine Hut der Herzogin von Cornwall hätte auch gut zur Uniform einer mürrischen Flugbegleiterin gehören können. Dieses Publikum konnte sich den besten Zahnarzt der Harley Street leisten, und doch waren in diesem Wald schlechter Zähne so manche Trüffel zu finden.

Was für eine deprimierende Truppe sie abgaben, wie sie so in die Kapelle strömten! Sogar die jüngere Generation wirkte blass und unzufrieden. Jedes Mal, wenn sich einer der Jüngeren als Redner erhob, murmelte mir Tallon etwas von einem Drogenproblem zu. Man sehnte sich geradezu nach der hochgewachsenen, blonden Erscheinung von Prinzessin Diana im Blitzlichtgewitter der Paparazzi. Ein Gast sagte, dass er danach Brigadier Parker Bowles in seinem Cut in der Londoner U-Bahn habe stehen sehen. Prinzessin Michael of Kent, die ehemalige Inneneinrichterin, die aus Schlesien stammt und in die königliche Familie eingeheiratet hat, war die Einzige aufseiten des Königshauses, die einen kurzen Glamour-Schauer auslöste. Ende der 1970er-Jahre heiratete sie den Cousin der Queen, His Royal Highness Prince Michael of Kent, und wurde von Prinzessin Diana »the Führer« genannt, nachdem die Zeitung The Mirror enthüllt hatte, dass ihr Vater Mitglied der SS gewesen war. Wie sie den Mittelgang entlangschreitet, mit einem großen geschwungenen Lächeln, das Haar offen unter einem eleganten schwarzen Hut mit Netzschleier, hat sie sich ihr gutes walkürenhaftes Aussehen erhalten. Möglicherweise weil die einzige Leistung ihres Ehemanns darin bestanden hat, sich einen Bart wachsen zu lassen, der an Zar Nikolaus II. erinnert, und vom siebten auf den zweiundfünfzigsten Platz in der Thronfolge zu sinken, hatte sie sich mehr Mühe gegeben, ihr Gesicht zu wahren.

An diesem Tag wurde deutlich, dass erneut tiefe Langeweile in die Royal Family Einzug gehalten hatte, eine Langeweile, für die sie sehr dankbar war – wenn auch nicht die Boulevardzeitungen. Der fehlende Trubel rund um die Familie war hart erkämpft.

Nach Dianas Tod 1997 hatte die Queen all ihren Beratern klargemacht, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe: Mit so etwas war Dianas strahlende Berühmtheit gemeint, das Problem, dass die britische Monarchie von einem anmaßenden, gefährlich populären Familienmitglied, das nicht die Queen oder der Thronfolger war, in den Schatten gestellt, übertrumpft und verdrängt wurde. Der stete Refrain ganz oben im Palast lautete: »Wir wollen keine weitere Diana.« Den Medien, der Öffentlichkeit und der jüngeren Generation der Windsors musste begreiflich gemacht werden, dass die Krone keine »Plattform« ist und die erweiterte Royal Family nicht die Monarchie. Der Souverän ist die Monarchie, und die direkten Thronerben sind die Einzigen, die wirklich wichtig sind. Sie und all die anderen, die anlässlich des Geburtstags der Queen den Überflug der Royal Air Force vom Balkon des Buckingham-Palasts aus beobachten, sind nicht dazu da, sich selbst, sondern der Krone zu dienen, sie zu unterstützen und zu fördern. Sie sind das hochwohlgeborene Gerüst.

Prinzessin Dianas internationaler Ruhm war gänzlich ungeplant, als sie von der Königinmutter zur perfekten englischen Rose für Prinz Charles auserkoren wurde und wie ein Meteor in den Buckingham-Palast einschlug. Die Glut versengte die Tiara der Queen. Und Diana ließ die Royals zum ersten Mal ihre eigene Leistung und Bedeutung infrage stellen.

Zunächst schien Diana wie eine Retterin. In England herrschte in den späten 1970er-Jahren nach einer von Arbeitskämpfen geprägten Regierungszeit der Labour Party eine gereizte Atmosphäre. Die Monarchie wurde zunehmend als Anachronismus betrachtet, den die Sex Pistols 1977 mit der knurrigen Punk-Hymne »God Save the Queen« verspotteten. Während des sogenannten Winters der Unzufriedenheit (Winter of Discontent) 1978/79 streikten Krankenwagenfahrer, Müllmänner und Totengräber. Für die Royal Family war die junge Lady Diana Spencer sowohl erfrischend als auch eine erfreuliche landesweite Ablenkung. Sie ähnelte einem guten Flaschengeist, doch niemand hatte eine Ahnung, was zu tun war, als der Geist entwich.

Bis zu Diana war die Hierarchie öffentlicher Aufmerksamkeit und Ehrerbietung festgeschrieben. Die Queen zog, neben der Königinmutter (bis zuletzt laut Google-Suche mit neun Millionen Treffern als »strahlend« beschrieben), die größten Massen an. Prinzessin Margaret, immer noch mit der Aura ihrer rebellischen Jugend, galt bis in ihre Sechziger als glamourös. Dann kam Prinz Charles, dessen Dumbo-Ohren von seinen exquisiten Maßanzügen und dem lässigen Polo-Können ausgeglichen wurden; seine jüngere Schwester, die zähe Prinzessin Anne, die man, wenn sie mal nicht in Reithosen steckte, für eine Gala gut herausputzen konnte und die sehr schöne Beine besaß; Prinz Andrew, schon immer der Lieblingssohn der Queen, der dank fünfzehn Minuten Ruhm als Marineoffizier im Falklandkrieg in einer Uniform als schneidig durchgehen konnte (und noch nicht befleckt durch seine Verbindung zu einem amerikanischen Ring zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger). Der jüngste Sohn der Queen, Prinz Edward, war vielleicht ein bisschen nassforsch, wie Prinz Philip, der Ehemann der Queen, es wohl ausgedrückt hätte – Philips eigene immerwährende männliche Präsenz sollte man dabei nicht außer Acht lassen –, aber niemand verlangte in der Hinsicht viel von Eddy. (Er machte sich für das Außenministerium nützlich, indem er Würdenträger am Flughafen begrüßte.) Und weiter geht’s nach unten durch die verschiedenen Äste von Kents und Gloucesters, die zu einem unbedeutenden Stamm »höfischer Gunst und Gnade« gehören, auch bekannt als »untergeordnete Royals«, die mietfrei in den Besitztümern der Krone wohnen.

Dann, rums!, will, nachdem Diana die Weltbühne betreten hatte, niemand mehr die anderen sehen. Wen kümmert’s, dass Prinzessin Anne über 450 Wohltätigkeitseinsätze pro Jahr absolviert hat? Niemanden interessierte das. Der Prince of Wales spürte zum ersten Mal in seinem Leben, wie es sich anfühlte, wenn jemand an ihm vorbei zu einer schillernden Erscheinung auf der anderen Seite des Raumes schaute. Eröffneten die anderen Royals an einem verregneten Tag in Grimsby ein Krankenhaus, war es unwahrscheinlich, dass sie ihre Fotos überhaupt in die Zeitung bekamen, geschweige denn auf die Titelseite. Das bereitete ihnen nicht nur schlechte Laune, sondern jagte ihnen auch Angst ein.

Die Gefahren des Rampenlichts und der Maßlosigkeit hatten die Monarchie schon einmal erschüttert. Edward VIII. war in den 1920ern als Prince of Wales eine Art Rockstar – er wirkte progressiv, kommunikativ und einfühlsam –, bis ihn seine Besessenheit von der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson zwang abzudanken, um sie heiraten zu können. Dieser höchste Akt an Egoismus oder romantische Akt der Selbstaufopferung, je nachdem, wie man es betrachtet, nötigte seinen jüngeren Bruder, Prinzessin Elizabeths zögerlichen, quälend schüchternen Vater »Bertie« als George VI. auf den Thron.

In den Jahren nach der Abdankung waren die Windsors der Ansicht, dass es sowohl die Bewunderung der Massen wie auch persönliche Schwäche waren, die Edward VIII. von seinen königlichen Pflichten abgehalten hatten. Seine Untauglichkeit für die Pflichten eines Souveräns war tiefgreifend. Er war schwach, illoyal und hegte Sympathien für die Nazis. Beim Nachdenken über Edwards Schwächen verglich Premierminister Winston Churchill seinen Charakter einmal mit einer »Prunkwinde«,1 einer Blume, deren kurzlebige Blüte schon vor dem Mittag welkt. Im französischen Exil, in den Vereinigten Staaten und in den Schlössern und Herrenhäusern Europas umherziehend, ein extravagantes, pseudo-königliches Leben führend und blamable Erklärungen abgebend, erwiesen sich der Herzog und die Herzogin von Windsor als ein fast ebenso großes Problem, wie wenn sie in Großbritannien geblieben wären. Der Herzog bemühte sich ständig um einen »richtigen Job«, aber den Royals und der britischen Regierung war es unmöglich zu entscheiden, was weniger wünschenswert war: dass der ehemalige König mit irgendetwas Erfolg hatte und zu einem Rivalen des königlichen Machtzentrums wurde, oder dass er scheiterte und der Monarchie Schande bereitete. So verharrten Edward und Wallis in der Schwebe.

Während der Regentschaft von George V. erfand sich die Monarchie, die ihrer exekutiven Macht beraubt worden war, neu als Hüterin nationaler Tugendhaftigkeit und Garantin der britischen Lebensart. Das Private war zur Institution geworden. In den dunklen Tagen des Zweiten Weltkriegs wurden die Bilder der heiteren Kleinfamilie seines Sohnes George VI. zum Sinnbild des Kampfs von Gut gegen Böse.

Der Schutz der Interessen der engsten Familie – und deren direkter Nachfahren – besaßen für die Mutter der Queen ihr Leben lang (häufig erbittert erkämpfte) Priorität.

Der König und die Königin waren stets der Auffassung, dass zu viel öffentliche Aufmerksamkeit Edwards Wahnvorstellung von einer übergroßen Bedeutung gefördert sowie die Verzärtelung zu gefährlichen emotionalen Bedürfnissen geführt hatte. Man war doppelt entsetzt, als Edward in seiner Abdankungsrede der britischen Öffentlichkeit seine persönlichen Gefühle für Wallis offenbarte. Die von Natur aus zurückhaltende Queen Elizabeth II. wurde dazu erzogen, um ihre persönlichen Gedanken und Gefühle ein Leben lang starre Schutzwälle zu errichten. In den siebzig Jahren ihrer Regentschaft hat sie noch nie ein Interview gegeben, was den Mythos um sie nur noch verstärkt hat. »Eine andere Monarchin mit einem offeneren oder extrovertierteren Temperament hätte das besondere Mysterium der Zurückhaltung verloren«,2 stellte Lady Elizabeth Longford fest. Die ehemalige königliche Gouvernante Marion Crawford, in der Familie als »Crawfie« bekannt, schrieb, wie sehr die zwanzigjährige Prinzessin Elizabeth es verabscheute, wenn die Menschenmenge rief: »Wo ist Philip?«,3 nachdem die ersten Gerüchte über ihre Romanze aufkamen. Der Nachdruck dieser Rufe machte ihr Angst, und sie kam sich vor wie ein Objekt.

Crawfie bezahlte teuer dafür, dass sie diese Einblicke mit der Öffentlichkeit teilte, als sie die Erkenntnisse 1950 in The Little Princesses, dem ersten umfassenden Enthüllungsbuch über das Königshaus, veröffentlichte. Ihr zuckersüßer, aber hautnaher Bericht vom Leben im königlichen Kinderzimmer empörte die Queen Mother, da er etliche Hinweise auf die berüchtigten Wutausbrüche des Königs, die Kälte seiner Frau gegenüber den Windsors und die (wahre) Darstellung enthielt, dass sich weder der König noch die Königin sonderlich um die höhere Bildung ihrer Töchter kümmerten.

Crawfie wurde lange als verräterische Schlange verdammt, doch eine Dokumentation von Hamish Mykura für den Fernsehsender Channel 4 im Jahr 2000 legt nahe, dass die Artikel in der Zeitschrift Ladies’ Home Journal, auf denen ihr Buch fußte, ursprünglich ein ungeschickter Versuch des Palastes und der britischen Regierung waren, das Image der Königsfamilie in den USA zu verbessern. Die bedauernswerte Crawfie war weit davon entfernt, illoyal zu sein, sondern meinte, im Sinne ihrer Herrin zu handeln. (Die realistischere Sichtweise ist, dass sie von den skrupellosen leitenden Redakteuren des Ladies’ Home Journal manipuliert wurde, die ohne ihre Zustimmung das Manuskript überarbeiteten und sensationsheischend aufbereiteten und sie in dem Glauben ließen, ihre Vereinbarung mit der Royal Family biete mehr Spielraum, als es der Fall war.)

Wie bei so vielen Biografien zuvor und danach, änderte sich die Meinung der Queen Mother, sobald sie das Manuskript las. Erbittert nahm sie jeden noch so kurzen Tageslichteinfall auf den royalen Zauber übel. »Unsere ehemalige und vollkommen getreue Gouvernante hat den Verstand verloren«,4 schrieb sie an Lady Astor. Crawfie wurde kurzerhand aus Nottingham Cottage hinausgeworfen, dem Haus für Hofbedienstete auf dem Gelände des Kensington-Palasts, das ihr eigentlich auf Lebenszeit überlassen worden war, und nie wieder hat irgendjemand aus der Familie mit ihr gesprochen.

Prinz Philip bereute es ebenfalls sehr, nachdem er BBC-Kameras erlaubt hatte, für die im Juni 1969 ausgestrahlte Royal Family-Dokumentation in das Allerheiligste einzudringen. Obwohl der Film genauso formell und nichtssagend war wie Crawfies Anstrengungen, vermittelte er die Botschaft, dass die Medien nun willkommen waren. Die Krone behielt klugerweise das Urheberrecht, und das 90-minütige Stück Zeitgeschichte, das ein von Philip veranstaltetes Barbecue auf Schloss Balmoral zeigt, bei dem die Familie in einem unverständlichen, abgehackten Upper-Class-Akzent plaudert, war seither selten zu sehen, bis es 2021 auf YouTube auftauchte.

Nach außen war Philip ebenso verschlossen wie seine Frau. Seine Kindheit war derart unbeständig verlaufen, dass er sich mehrere Schichten emotionaler Schutzpanzer hatte zulegen müssen, um schlicht zu überleben. Sein Onkel, König Konstantin I., wurde 1922 durch einen Militärputsch gezwungen, den griechischen Thron an seinen ältesten Sohn abzutreten. Philips Vater, Prinz Andreas, wurde im Verlauf der Revolution 1922 verhaftet, vor ein Kriegsgericht gebracht und ins Exil nach Paris verbannt. Philip besaß seit seiner Kindheit keinen festen Wohnsitz und pendelte zwischen England, Frankreich und Deutschland.

Queen Mother befand es bei der Überprüfung seiner Eignung zur Heirat ihrer Tochter alles andere als erfreulich, dass der Stammbaum der dänischen Herrscherfamilie Griechenlands von einem unglückseligen Zweig Deutscher dominiert wurde. Philips vier ältere Schwestern waren alle mit Vertretern des deutschen Hochadels verheiratet, die Nazi-Sympathisanten waren, was zu einigen peinlichen gesellschaftlichen Begebenheiten führte. Als Philip acht Jahre alt war, wurde bei seiner Mutter, Prinzessin Alice von Battenberg, Urenkelin von Queen Victoria, paranoide Schizophrenie diagnostiziert, und sie wurde nach einer Reihe von grauenvollen psychiatrischen Behandlungen, die mit den barbarischen Blutegeln von König George III. wetteiferten, in ein Heim eingewiesen. Im Alter von zehn bis sechzehn sah Philip seine Mutter nicht wieder. Erst nachdem seine Lieblingsschwester Cécile gemeinsam mit ihrem Ehemann und zwei kleinen Söhnen bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam, wurden Mutter und Sohn bei der Beerdigung in Darmstadt wiedervereint. Schließlich gründete Prinzessin Alice ihren eigenen Orden und reiste in Nonnentracht um die Welt.

Philips Vater, der im Exil lebende Prinz Andreas, verbrachte den Rest seines Lebens mit seiner Geliebten in Monte Carlo und traf seinen Sohn nur gelegentlich. Ab Philips achtzehntem Lebensjahr, nachdem der Krieg dazwischenkam, sahen sich die beiden nie wieder. In Gordonstoun, dem spartanischen Internat in Schottland, auf das er geschickt wurde, hatte Philip tatsächlich keine Ahnung, wo und bei welchen Verwandten er seine Schulferien verbringen sollte.

Der Autor und Moderator Gyles Brandreth erzählte mir, dass er immer wieder versuchte, den scharfzüngigen Philip dazu zu verleiten, über seine schwierige, entwurzelte und von Tragödien geprägte Kindheit laut nachzudenken – ohne Erfolg:

BRANDRETH: Empfand es Ihre Königliche Hoheit als, ähm, exzentrisch, dass seine Mutter stets als Nonne gekleidet war?

PHILIP: Wie meinen Sie das? Sie war überhaupt nicht exzentrisch! Das war bloß ein Kostüm, verstehen Sie? Statt Geld für Kleidung und so zu verschwenden und sich die Haare machen zu lassen, kleidete sie sich als Nonne.5

Philips heimatlose königliche Vergangenheit bestärkte ihn in der Überzeugung, dass das Überleben der Monarchie auf Pflichterfüllung beruht und daran gebunden ist. Deshalb hatte er auch wenig Verständnis für die unpassende Liebesaffäre von Prinzessin Margaret mit dem geschiedenen, viel älteren Stallmeister Oberst Peter Townsend.

Die bezaubernde und ach so gelangweilte Margaret war ein reizvoller Nebenschauplatz, vor allem für die Presse. Sie rauchte Balkan Sobranies durch eine lange Zigarettenspitze, zechte in schicken Londoner Nachtlokalen in einem Kreis von Kerlen aus der Society und bot so einen unwiderstehlichen Gegenpol zur tugendhaften jungen Monarchin. (Eine neue Generation verliebte sich in Margaret in Peter Morgans Netflix-Serie The Crown.) Wie auch im späteren Leben fühlte sich die Queen damals manchmal zwischen dem irritierenden Glanz ihrer Mutter und der romantischen Theatralik ihrer aufregenderen Schwester hin- und hergerissen.

Durch Margarets Affäre geriet die Liebe der Queen zu ihrer Schwester und der Wunsch, sie glücklich zu machen, in Konflikt mit dem Rat ihrer vertrauensvollen Berater und deren Begehren, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren. Lange Zeit war die Monarchin wie gelähmt, doch schließlich begegnete sie den Gefahren der Townsend-Affäre mit einem altklugen Geistesblitz. The Royal Marriages Act von 1772, der die königlichen Eheschließungen regelt, verfügte, dass Elizabeth bis zu Margarets fünfundzwanzigstem Lebensjahr ihre Zustimmung zu der Verbindung geben musste, was sie als Oberhaupt der stark ablehnend eingestellten Church of England kaum tun konnte. Das Establishment heckte einen geschickten Schachzug aus, den Margaret danach immer den Beratern der Queen anlastete, mit dem die Königin aber in Wirklichkeit voll einverstanden war. Margaret wurde gesagt, sie müsse zwei Jahre warten, bis sie das Alter überschritten habe, für das sie die Zustimmung des Souveräns benötigte, um Townsend zu heiraten. Das Hinauszögern funktionierte. Die beiden lebten sich auseinander. Die Zurückweisung von Townsend als Folge der Trennung war letztlich eine pragmatische Entscheidung von beiden. Angesichts des drohenden Verlusts ihres königlichen Titels wurde Margaret klar, was ein Ausstieg aus dem Königshaus tatsächlich bedeutete: als Mrs Townsend in einem Cottage zu leben, mit dem Gehalt eines Obersts, einem fünfzehn Jahre älteren Mann und zwei bulligen Stiefsöhnen.6 Keine Motorradausflüge mehr, keine von ihrer persönlichen Zofe eingelassenen Bäder und keine Kreuzfahrten auf der Britannia (wo Geschiedene nicht erlaubt waren); alle königlichen Rechte und Privilegien, alle Sonderbehandlungen weg.

Das Richtige getan zu haben, aus welchem Motiv auch immer, machte Margaret eine Weile zur romantischen Heldin. Doch zu den Risiken von Prominenz gehört, dass sie langsam versiegt. Nach dem Scheitern ihrer Ehe mit dem Modefotografen Lord Snowdon wurde sie von der Presse in der royalen Seifenoper als verwöhnte Palastdiva dargestellt, die zu viel trank und beleidigende Bemerkungen von sich gab. Ihre sehr öffentlichen Tändeleien auf der Karibikinsel Mustique mit Snowdons jüngerem Doppelgänger Roddy Llewellyn brachten ihr wieder und wieder Doppelseiten in den falschen Zeitschriften ein. (Die Presse stellte Roddy stets als Lustknaben dar und nicht als das, was er wirklich war – ein charmanter, vornehmer Gärtner, der Margaret mit der Liebenswürdigkeit behandelte, nach der sie sich sehnte.)

Auch wenn Margaret ihr ganzes Leben lang aufbegehrte, die Hoheit ihrer älteren Schwester hat sie immer respektiert. Ihre Rebellionen untergruben nie die unangefochtene Autorität der Krone. Schon dadurch, dass Margaret auf ihre erste Liebe verzichtete, bewies sie der britischen Öffentlichkeit letztlich ihr Verständnis dafür, dass die königliche Pflichterfüllung über persönlichen Gefühlen zu stehen hat. Margaret war aufrichtig empört, wenn sie bei irgendjemandem eine Herabwürdigung der Queen wahrnahm. Die Schwierigkeiten, die ihr Liebesleben für die Monarchie bedeutete, waren Fehler aus Liebe, und das zu einer Zeit, da sich die gesellschaftlichen Gepflogenheiten fern der strengen Regeln des Lebens im Königshaus rasch veränderten. Wie reißerisch die Berichterstattung auch sein mochte, Margaret wäre niemals mit ihrem Unglück »an die Öffentlichkeit gegangen«, wie es später Diana tat. Das Mysterium Königshaus wurde damals nur durch die Maxime »Beschwere dich nie, erkläre dich nie« gewahrt.

II

Als Diana erschien, bestand die Herausforderung der Royals darin, dass Diana den Medienwandel viel besser verstand als Margaret. Sie wusste, wie vernichtend man die Presse einsetzen konnte. Sollte es in der Berichterstattung über Margarets Unbekümmertheit noch einen Rest Zurückhaltung gegeben haben, so war der zu Dianas Zeiten verflogen, verbrannt in der Hitze vorwärtstreibender Kräfte des Marktes.

Dianas mediale Schachzüge waren immer Vorwegnahmen des allgemeinen Zeitgeists. Ihr aufsehenerregendes Interview im November 1995 mit Martin Bashir von BBC war eine Art Oprah-Beichte ohne Oprah. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Bashir Dianas Paranoia erfolgreich manipulierte, als er ihrem Bruder gefälschte Dokumente vorlegte, die »bewiesen«, dass Dianas engste Berater dafür bezahlt wurden, sie an den Palast zu verraten, was ihren Wunsch, für sich selbst zu sprechen, noch verstärkte. Bashir hatte sich den Weg zum größten TV-Scoop des 20. Jahrhunderts erschwindelt.

Doch Diana war selbst geschickt im Täuschen. Mit erlesener Gerissenheit sorgte sie dafür, dass das Kamerateam sie an einem Sonntag, an dem das Personal für gewöhnlich freihatte, im Kensington-Palast filmte. Sie tarnte die Ausrüstung als Lieferung einer neuen Stereoanlage, schminkte sich selbst Panda-Augen und maximal gespenstische Blässe und erstaunte in dem Interview die Monarchin mit einer unverblümten Kampfansage an deren Autorität: »Ich möchte die Königin der Herzen sein« (unverschämt!) … »Ich war die vom Prince of Wales getrennt lebende Ehefrau.« (das saß!) … »Ich war ein Problem, Punkt. Das ist noch nie vorgekommen, was sollen wir mit ihr machen … Sie wird nicht stillschweigend gehen« (Drohung!) und das Zitat, das ewig bleiben wird: »Wir waren zu dritt in dieser Ehe.«7 (Er hat betrogen. Mich.)

Oft wurde behauptet, dass Diana das Bashir-Interview später als schweren Fehler betrachtete. Das hätte sie sicher auch getan, wenn sie von Bashirs unehrlichem Vorgehen gewusst hätte. Aber sie war sich auch im Nachhinein darüber im Klaren, dass sie vor der Kamera genau das gesagt hatte, was sie hatte sagen wollen. Gulu Lalvani, der wohlhabende pakistanische Unternehmer, den Diana im letzten Jahr ihres Lebens kurze Zeit datete, erzählte mir, dass die Prinzessin im Juli 1997 sagte, dass »sie sich [über das Interview] gefreut hat. Sie hatte kein schlechtes Wort für Martin Bashir. Sie erkannte, dass es ihrem Zweck gedient hatte.«8 Damit hatte sie recht. Ihr »Zweck« bestand darin, sich der britischen Öffentlichkeit als betrogene Ehefrau zu präsentieren, bevor die Scheidung von Charles immer unvermeidlicher wurde. Meinungsumfragen im Anschluss an das Interview ergaben eine Unterstützung der Prinzessin von 92 Prozent. Sie hatte die öffentliche Meinung fest in der Hand.

Nach der Scheidung stand die Überarbeitung seiner öffentlichen Wahrnehmung als zutiefst unbeliebt ganz oben auf Charles’ Agenda. Um dies zu beschleunigen, stellte der Prinz 1996 den dreißigjährigen Kommunikationsprofi Mark Bolland ein, dessen Beziehungen zur Boulevardpresse durch seine frühere Tätigkeit bei der Press Complaints Commission, die sich Beschwerden über Medienberichterstattung widmete, geschärft worden waren. Bolland, ein gerissener und geschickter Mann mit urbaner Patina meritokratischer Herkunft, war ein enger Verbündeter von Camilla. Er wurde von ihrem ehemaligen Scheidungsanwalt für den Posten vorgeschlagen. »Jeden, der für den Prinzen arbeitete [und] Camilla nicht mochte, wurde ich schnell los«, erklärte mir Bolland. William und Harry nannten ihn »Blackadder«, Schwarze Kreuzotter, weil er es mit mörderischem Geschick verstand, Geschichten zugunsten des einen einzigen Nutznießers zu lancieren oder abzuwürgen: des Prinzen von Wales.

Charles war besessen von den beiden zentralen Problemen seines Lebens, die untrennbar miteinander verwoben waren: Wie konnte er die Zustimmung der britischen Öffentlichkeit zurückgewinnen, die ihm die Schuld an dem Leid gab, das er Diana zugefügt hatte, und wie konnte er die öffentliche Akzeptanz für die Liebe seines Lebens, für Camilla, gewinnen? Er war verzweifelt bemüht, seine Geliebte aus dem Schattendasein zu holen, doch die Öffentlichkeit sah sie weiterhin nur mit Dianas Augen als »den Rottweiler«, deren Einfluss auf Charles die naive zwanzigjährige Braut so lange in den Wahnsinn getrieben hatte, bis Diana die schmerzhafte Wahrheit erkannte, für wen sein Herz schlug.

Man könnte meinen, Charles verdiente Pluspunkte dafür, dass er das genaue Gegenteil einer Vorzeigefrau wollte, mit der er sich in mittlerem Alter zur Ruhe setzen konnte. Eindeutig hatte Camilla allen Schönheitsoperationen und Botox widerstanden. Ihr ländliches Aussehen und ihre lächelnden Augen mit den Fältchen wirkten aufrichtig. Ihre Frisuren boten keine verstörenden Überraschungen. Die immer gleiche federnde blonde Siebzigerjahre-Außenwelle. Ihr Frevel bestand möglicherweise darin, dass sie die sexistischen Patentlösungen der Zeitschriften, wie eine Geliebte auszusehen hatte, über den Haufen warf. Die Boulevardpresse feuerte eine endlose Salve kreativer Beleidigungen in ihre Richtung: alter Kessel, alte Forelle, alter Beutel, Pflaume, Raubvogelmiene, Pferdegesicht, fett, mager, verwittert, Hexe, Vampir, Schabracke (wie Allison Pearson 1997 in The New Yorker denkwürdig aufzählte). Das Beste, was sie damals erreichen konnte, war, dass eine Vorspeise in Green’s Restaurant & Oyster Bar in St James nach ihr benannt wurde: Geräucherter Schellfisch Parker Bowles. Camilla nahm es gelassen, Charles jedoch nicht. Er wollte ein anständiges Gericht, seine Geliebte sollte als ehrbare Frau anerkannt werden.

Zu Bollands Hauptaufgabe gehörte, die Daily Mail, die unter der Führung ihres dreisten Herausgebers David English zum mächtigsten Boulevardblatt Großbritanniens aufgestiegen war, zu umwerben und einzufangen. English meinte zu Bolland: »Einer Ihrer Jobs ist es, dem Prinzen von Wales beizubringen, dass wir nie gegen ihn waren, sondern nur für Diana … das war eine wirtschaftliche Entscheidung. Diana verkauft Zeitungen. Charles nicht. Wenn er etwas tut, das Zeitungen verkauft, unterstützen wir ihn.«9 Der schon immer schwermütige Charles empfand diesen Bericht als besonders deprimierend. Er hatte das Gefühl, sich bei der Presse immer wieder neu vermarkten und bei Zeitungsredakteuren die Runde machen zu müssen, um sich einzuschmeicheln. Zu Bolland sagte er: »Als ich jung war, habe ich das alles gemacht, aber wozu? Sie glauben ja trotzdem all die schrecklichen Dinge, die Diana über mich erzählt.«

Bolland war dennoch effektiv. Zusammen mit Charles’ Privatsekretär Stephen Lamport machte er Camilla bei Wohltätigkeitsveranstaltungen allmählich wieder salonfähig, indem er für die Presse Momente schuf, in denen sie in respektvoller Nähe zur Queen zu sehen war. Ein sorgfältig gepflegter Mythos, mit dem Bolland hausieren ging, lautete, dass sich Charles’ Söhne für Camilla erwärmt hätten. Aber sie tolerierten sie allenfalls. In seinen frühen Dreißigern beschwerte sich Harry immer noch bitterlich bei Freunden darüber, dass Camilla aus seinem alten Kinderzimmer in Highgrove ein aufwendiges Ankleidezimmer für sich selbst gemacht hatte.

Doch im Sommer 1997 ging es Charles nicht schnell genug, die Öffentlichkeit von der Richtigkeit seines Lebens mit Camilla zu überzeugen. Am 5. August stellte allerdings der Erzbischof von Canterbury auf einer Pressekonferenz in Sydney anlässlich des 150. Jahrestages der Gründung der anglikanischen Kirche in Australien klar, dass eine erneute Heirat des geschiedenen britischen Thronfolgers die Church of England in eine Krise stürzen würde. Er wies auch darauf hin, dass der Prinz von Wales nach seiner Scheidung von Diana keinen Hinweis darauf gegeben habe, wieder heiraten zu wollen, und dies deshalb kein Thema sei. Das waren unwillkommene Neuigkeiten für Camilla. Zwei Jahre nach ihrer Scheidung von Andrew Parker Bowles und ein Jahr nach Charles’ Scheidung von Diana sah sie sich immer noch gezwungen, Charles nur klammheimlich zu treffen. Sie besuchte ihn einmal wöchentlich von ihrem Haus in Wiltshire aus und durfte ihn nicht nach Balmoral, dem Schloss der Familie in den schottischen Highlands, begleiten, wohin sich die Royals jedes Jahr von August bis Ende September zurückziehen, oder nach Sandringham, dem dreißig Quadratkilometer großen Anwesen an der Küste von Norfolk, es sei denn, Ihre Majestät war nicht anwesend. Das Paar sehnte sich danach, gemeinsam ins Theater zu gehen oder lange Wochenenden in Birkhall zu verbringen, dem Sommerhaus von Queen Mum, das zum Anwesen von Balmoral gehört. Charles’ Mutter jedoch blieb unerbittlich. Auf die Frage, ob sie Mrs Parker Bowles empfangen würde, antwortete die Queen: »Warum?«10 Für sie stand der Prinz von Wales vor der Wahl, entweder den Thron zu besteigen und Camilla zu verstoßen oder sie zu heiraten und den Weg des Herzogs von Windsor einzuschlagen.

Peter Mandelson, Imageberater von Premierminister Tony Blair, beschreibt in seinen Memoiren, wie er drei Wochen vor Dianas Tod im August 1997 von Bolland zu einem vertraulichen Mittagessen mit dem Prinzen von Wales und Camilla in Highgrove, Charles’ Anwesen in Gloucestershire, eingeladen war. Charles führte ihn bei leichtem Nieselregen durch seinen geliebten Garten und erleichterte sein Herz, indem er vom Druck der Medien berichtete, dem er ausgesetzt war. Er bestritt, dass er es eilig hatte, Camilla zu heiraten, und sagte: »[Man] möchte einfach ein normaleres Leben führen.«11 Er fragte Mandelson, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Mandelson antwortete Charles, dass er für sein Engagement für so viele gute Zwecke mehr Bewunderung genieße, als er vielleicht denke, aber dass »die Leute den Eindruck gewonnen haben, dass Sie sich selbst bemitleiden und ziemlich mürrisch und mutlos sind. Das belastet Ihr Ansehen.«12 Die Öffentlichkeit wollte keinen Prinzen I-Aah wie in Winnie Puuh.

Aufrichtigkeit gegenüber Mitgliedern der Royal Family ist ein rares Gut. Charles schien »kurzzeitig fassungslos«, und in Camillas Blick lag plötzlich der besorgte Ausdruck einer Geliebten. Aber danach dankte der Prinz Mandelson für seine Ehrlichkeit und schickte ihm später ein Dankesschreiben. Das veranlasste Mandelson, über die Einzigartigkeit der misslichen königlichen Situation nachzudenken. »Zumindest für mich und andere Politiker gab es eine Trennlinie zu verteidigen«,13 schrieb er. »Für Charles und die Queen war ihr Leben im wahrsten Sinne des Wortes ihr Job. Jede ihrer Regungen, jedes Lächeln oder jede hochgezogene Augenbraue, jede Beziehung, die sie eingingen oder beendeten, wurde als Teil der Funktion betrachtet, die sie definiert: schlicht, die Royal Family zu sein.«

III

Für die Queen war der Schock über den Tod der sechsunddreißigjährigen Diana am 31. August 1997 in dem Tunnel am Place de l’Alma in Paris eine traumatische Verquickung von Öffentlichem und Privatem. Diana war die Ex-Frau ihres Sohnes, und sie hatte ihr Leben bei einem verhängnisvollen Autounfall verloren. Darüber hinaus war Diana die Mutter des zukünftigen Königs und die angebetete Ikone der gesamten Nation.

Stündlich strömten an die 6000 Menschen, die die Prinzessin von Wales gar nicht persönlich kannten, nach London, um ihren Tod zu betrauern. Nicht nur die schiere Menge, auch die Vielfalt der Menschen glich einer Offenbarung: Alt und Jung, schwarz und weiß, süd- und ostasiatisch, in Shorts und Saris, Nadelstreifen und Hijabs, in Rollstühlen und an Krücken, mit kleinen Kindern auf den Schultern oder im Kinderwagen. Während sich die Blumensträuße vor dem Kensington-Palast stapelten und der Tod von Mutter Teresa am 5. September weitgehend unbeachtet blieb, war die unstete und turbulente Prinzessin von Wales auf dem besten Weg, eine Promi-Heilige zu werden – nicht nur in Großbritannien, sondern auch im hintersten Winkel der Erde. Kein britischer Royal hat je die Welt so sehr in seinen Bann gezogen wie Diana, eine Tatsache, die auch Premierminister Blair nicht entgangen war, als er sie nach ihrem Tod auf einnehmende Weise als »The People’s Princess«, die Prinzessin des Volkes, bezeichnete.

Im Tsunami der landesweiten Trauer reichte die symbolträchtige Rolle der Monarchie, die sie so lange innegehabt hatte, plötzlich nicht mehr aus. Das normalerweise tadellose Gespür der Queen dafür, das Richtige zu tun – »einfach nur da zu sein«, wie es Peter Mandelson formulierte –, wurde verdrängt von der Notwendigkeit einer neuen Form emotionaler Reaktion, die der Krisensituation angemessen war. Die Queen wünschte sich zutiefst, auf Balmoral zu bleiben, um ihre Enkelkinder zu trösten, und sie nahm die öffentliche Hysterie übel, die etwas anderes von ihr verlangte. »Wahrscheinlich schätzte sie Dianas Tod auf ihre Art richtig ein«, schrieb der britische Premierminister Tony Blair in seinen Memoiren Mein Weg. »Sie würde sich davon nicht gängeln lassen. In diesem Sinn konnte sie sehr königlich sein. […] In diesem seltsamen Verhältnis zwischen Herrscherin und Untertanen verlangte das Volk, dass die Queen einräumte, dass sie mit seinem Einverständnis herrschte und sich daher seinem Wunsch beugte.«14

Volkes Wille hat sich durchgesetzt. Nach fünf Tagen Aufruhr kehrte die Majestät mit eisernem Widerwillen nach London zurück, um inmitten der weinenden Menge und der Blumen vor dem Buckingham-Palast öffentlich einen Rundgang zu unternehmen. Sie wandte sich in einem seltenen Live-Fernsehauftritt an die Nation und drückte dabei Mitgefühl aus, das sie bestimmt nicht empfand (es war Downing Street, die sie dazu drängte, sich bei der Gelegenheit als »Großmutter« zu bezeichnen), und sie gab schließlich der Forderung der Menschen und der Boulevardpresse nach, den Union Jack am Buckingham-Palast auf Halbmast zu senken. Mir kam zu Ohren, dass Prinz Philip dies als große Demütigung empfand.

IV

Die schrecklichste Aufgabe in Charles’ Leben war es, seine zwölf und fünfzehn Jahre alten Söhne um Viertel nach sieben Uhr morgens auf Schloss Balmoral zu wecken, um ihnen die Nachricht vom Tod ihrer Mutter zu überbringen. In einem Dokumentarfilm von Nick Kent zu Dianas 20. Todestag drückte Harry eine Empfindung aus, die in seinen neueren Interviews verloren scheint: »Zu den schwierigsten Dingen von Eltern gehört, den Kindern mitzuteilen, dass [der] andere Elternteil gestorben ist … Aber er war für uns da. Er war der Einzige von zwei verbliebenen Elternteilen, und er versuchte sein Bestes und dafür zu sorgen, dass wir beschützt und in guten Händen waren.«15

Prinz William erinnerte sich: »Der Schock ist das Schlimmste, und ich fühle ihn immer noch … Es heißt, ›der Schock kann nicht so lange anhalten‹, doch das tut er.«16 »Das Trauma dieses Tages hat mich zwanzig Jahre begleitet, wie eine Last.«17

Das Gerangel um Dianas Beerdigung, die innerhalb von nur einer Woche organisiert werden musste, war nervenaufreibend. Als der Erzbischof von Canterbury, George Carey, dem Superintendenten von Westminster die Gebete schickte, die er bei der Trauerfeier verlesen wollte, wurde ihm mitgeteilt, die Familie Spencer wünsche keine Erwähnung der Royal Family. Daraufhin bestand der Buckingham-Palast darauf, ein eigenes Gebet der königlichen Familie zu verlesen, und dass die Bezeichnung »Prinzessin des Volkes« gestrichen wird.

Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie, welcher männliche Royal hinter der Lafette mit Dianas Sarg gehen durfte, dauerten vier Tage an und wurden zwischen dem Privatsekretär der Queen, Robert Fellowes, in London und seinem Stellvertreter, Robin Janvrin, ausgetragen. Letzterer war vor Ort auf Schloss Balmoral. Hin und wieder donnerte die Stimme von Prinz Philip über die Freisprechanlage, wenn er die Gespräche mit anhörte.

Ein Mitglied des Planungsstabs der Beerdigung erzählte mir: »Die Spencer-Seite hatte erklärt, welche Rolle die Kinder einnehmen sollten. Plötzlich explodierte Philip: ›Hören Sie auf, uns zu sagen, was wir mit den Jungen machen sollen. Sie haben ihre Mutter verloren!‹ Sein Ton war emotionsgeladen, die Stimme eines wahren Großvaters.« Aber auch die Stimme eines Mannes, der die eigene Mutter im Alter von zehn Jahren verloren hatte.

Alastair Campbell, Tony Blairs Pressesprecher, notierte am 4. September 1997 in seinem Tagebuch, dass Prinz William, der wegen der verhängnisvollen Hetzjagd auf seine Mutter »von grenzenlosem Hass auf die Medien zerfressen«18 war, sich weigerte, hinter der Lafette zu gehen, und er und Harry blieben standhaft bei dieser Haltung. Prinz Charles sollte unterdessen mit Charles Spencer zur Abbey fahren, aber der Earl hasste Charles so sehr, dass er sich weigerte, mit ihm in einem Auto zu sitzen. Schließlich überredete Philip, der stets im Sinne der Familie entschied, die Jungen behutsam: »Wenn ich gehe, geht ihr dann mit mir?« Er erinnerte daran, dass diese Bilder in der ganzen Welt gesehen werden würden. Auch wenn Harry immer noch von der Tortur spricht, die ihm das damals bereitet hat, hatte Philip aus Sicht der Krone recht. Der unvergessliche Anblick von drei Generationen männlicher Royals, die feierlich hinter Dianas Sarg hergingen, sorgte für das nötige machtvolle dynastische Statement der Monarchie.

In Westminster Abbey herrschte bleierne Stille, die nur durch leises Weinen unterbrochen wurde. Zeitungsredakteur Geordie Greig, dessen Schwester einst Mitbewohnerin und Hofdame von Diana war, sagte zu mir, »die Düsternis des Anlasses war so tiefgreifend, dass man das Gefühl hatte, sich mitten im Herzen einer trauernden Welt zu befinden«.19

In ihrem Leben im Dienste des Volkes bestürzte und empörte Ihre Majestät und Prinz Philip nichts mehr als die anklagende Grabrede von Dianas Bruder, Earl Spencer. Seine Ansprache von der Kanzel war eine Handgranate, die auf jedes Thronmitglied des Hauses Windsor abzielte. Der dreiunddreißigjährige Earl, dessen literarische Begabung seither in zahlreichen äußerst lesenswerten Geschichten unter Beweis gestellt wurde, bewies in seiner Trauerrede für Diana, die Gejagte, das gleiche Gespür für Risikobereitschaft wie seine royale Schwester. Nach dem Versprechen, dass »wir nicht zulassen werden, dass sie [die jungen Prinzen] dieselben Qualen erleiden, die dich [Diana] oft in tränenreiche Verzweiflung getrieben haben«, gelobte er weiter, »dass wir, deine Blutsverwandten, alles in unserer Macht Stehende tun werden, um die fantasievolle und liebevolle Art fortzuführen, mit der du diese beiden außergewöhnlichen jungen Männer erzogen hast, damit ihre Seelen nicht einfach von Pflicht und Tradition verschlungen werden, sondern frei singen können, wie du es vorgehabt hast«.20

Blutsverwandtschaft! Spencer hatte der erstarrten königlichen Familie in aller Öffentlichkeit einen Tritt verpasst. Zu anderer Zeit wäre der hitzköpfige Earl kurzerhand im Tower of London hingerichtet worden. Besonders beleidigend war die unterstellende Salve, dass Diana beliebter sei als Ihre Königliche Hoheit: »[Sie] hat bewiesen, dass sie keinen königlichen Titel braucht, um auch weiterhin ihren außergewöhnlichen Zauber zu entfalten.«21 Ein Beifallssturm von draußen, vor der Abbey, wohin der Gottesdienst übertragen wurde, drang durch das Portal der Great West Door und das Kirchenschiff, bis zum ersten Mal in der Geschichte der großen Kirche die gesamte Gemeinde – mit Ausnahme der königlichen Familie – Applaus klatschte. Dianas Astrologin Debbie Frank, die neben dem schluchzenden Fernsehmoderator Michael Barrymore saß, erinnert sich, dass sie zuerst dachte, es sei das Geräusch eines Gewitterdonners, und dass Erzbischof Carey entsetzt über die Trauerrede von Earl Spencer war,22 die er als »rachsüchtig und boshaft«23 bezeichnete. Prinz Philip war dermaßen wütend, dass er anschließend von Lord Brabourne, dem Schwiegersohn des Grafen Mountbatten, beruhigt werden musste. »Sehr dreist«,24 war alles, was die Queen Mother zwischen zusammengebissenen Zähnen herausgepresst haben soll. (Selbst der Queen fiel es schwer, erhaben zu reagieren. Fast sieben Jahre später, bei der Einweihung des Diana, Princess of Wales Memorial Fountain im Hyde Park, bedachte sie Earl Spencer mit einer spöttischen Bemerkung: »Ich hoffe, Sie sind zufrieden.«25)

Nie wieder.

V

Am Montag nach der Beerdigung fuhr Tiggy Legge-Bourke, das freundliche Große-Schwester-Kindermädchen, das Charles nach seiner Trennung von Diana engagiert hatte, mit den Jungen zur Jagd nach Beaufort. Sie wollte die beiden ein wenig ablenken. Dort angekommen, wurden sie mit dem richtigen Feingefühl von einem alten Freund der Familie begrüßt, Captain Ian Farquhar, dem Hundeführer des Duke of Beaufort. »Gut, euch zu sehen, Sirs«, sagte er zu den erschütterten jungen Prinzen. »Ihr sollt wissen, dass uns sehr, sehr leidtut, was mit eurer Mutter geschehen ist. Ihr habt unser tiefstes Mitgefühl, und wir waren am Samstag alle unglaublich stolz auf euch. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen, lasst uns den Tag angehen und weitermachen.«

»Vielen Dank. Ja, Sie haben recht«, erwiderte William ernst, als hätte sich das stoische Erbgut der Queen bereits in ihrem Enkel manifestiert. »Wir müssen alle weitermachen.«26

Harry, der immer der Zerbrechlichere der beiden Jungen war, kam ohne Mutter nur sehr schlecht zurecht. In den Wochen nach Dianas Tod nahm Charles seinen jüngeren Sohn in den Schulferien auf eine fünftägige Reise nach Südafrika, Swaziland und Lesotho mit, um ihn etwas aufzumuntern. Dann schickte er ihn auf Safari nach Botswana. Die Reisegruppe wurde von seinem raubeinigen früheren Stallmeister und ehemaligen Offizier der Welsh Guards, Mark Dyer, geleitet, den Charles später zum Mentor der Jungen ernannte. Dyer machte dem Jungen in Johannesburg eine große Freude, indem er einen Backstage-Besuch bei den Spice Girls arrangierte. Der Autor Anthony Holden, der die Presseleute im Umkreis der britischen Delegation bei dieser Reise begleitete, erinnert sich in seinen Memoiren, dass er sich fragte, ob Harry wohl in T-Shirt und Jeans bei dem Konzert auftauchen würde – wie er es getan hätte, wenn seine Mutter dabei gewesen wäre – oder in Anzug und Krawatte nach Art der Windsors. Tatsächlich erschien Harry »pflichtbewusst in Anzug und Krawatte«,27 was, wie Holden schreibt, darauf hindeutete, »dass man bereits damit begonnen hatte, die Erinnerung an Diana auszulöschen«.

Auf seine angestrengte, kauzige Art gab sich Prinz Charles wirklich ernsthaft Mühe, ein fürsorglicher Vater zu sein. Er las den Jungen vor dem Schlafengehen Geschichten von Rudyard Kipling vor, fuhr mit ihnen nach Stratford-upon-Avon, um Aufführungen der Royal Shakespeare Company anzusehen und hinter der Bühne die Mitwirkenden zu treffen. Der Schauspieler und Autor Stephen Fry, der sie zu einer Aufführung von Der Sturm begleitete, hat mir erzählt, dass er ganz bezaubert von der Art war, wie die Jungen ihren Vater neckten – was er für ein »sehr gesundes Zeichen«28 hielt. Beim Frühstück in Highgrove machte sich Fry mit dem Büfett vertraut und hob den Deckel von einer Schüssel, in der sich Charles’ geliebter Leinsamen befand. Prinz William sagte daraufhin: »Gehen Sie lieber nicht an den Tisch mit dem Vogelfutter, Stephen, das ist nur für Pa.«

Trotz des Schwurs von Earl Spencer, Dianas Söhne würden von »ihren Blutsverwandten« erzogen, wuchsen William und Harry nicht als Spencers auf, sondern als Windsors. Mit den von Paparazzi verfolgten Sonnenferien in europäischen Resorts und auf karibischen Privatinseln war ab sofort Schluss. Ihre Ferien verbrachten die beiden von nun an praktisch ausschließlich auf Balmoral oder Sandringham, wo Prinz Philip sie mit Schwänken aus der Militärgeschichte unterhielt und ihnen das Schießen beibrachte. Ihre Freunde fanden sie unter den Kindern aus den Kreisen ihres Vaters. Dianas eher nüchterne Schwester, die alles andere als Staub aufwirbelnde Jane, wurde ein fester Bezugspunkt im Leben der Jungen. Sie war es auch, die sie in den Schulferien zu Wochenenden auf dem Land in Norfolk einlud, wo sie mit ihren Cousins und Cousinen zusammenkamen. Durch ihre Heirat mit Robert Fellowes, der der Queen ein Leben lang treu ergeben blieb, auch nachdem er seinen Dienst als ihr Privatsekretär quittiert hatte, war sie praktisch eine Windsor durch Osmose.

Für mütterliche Wärme und Struktur im Leben sorgte im Wesentlichen Tiggy Legge-Bourke, die Harry auch auf der Afrikareise begleitet hatte. Sie war eine fröhliche, burschikose Blondine aus dem niederen Adel und nicht nur Charles treu ergeben, sondern auch ganz klar der Ansicht, die Jungen sollten durch »frische Luft, ein Gewehr und ein Pferd«29 Ablenkung finden. Allerdings bekam sie kräftigen Gegenwind von der Presse – und von Charles –, als sie den beiden erlaubte, sich von einem fünfzig Meter hohen Damm in Wales abzuseilen, ohne weitere Sicherungen und ohne Helme. Und Charles war, so wird berichtet, äußerst ungehalten, als er in den Zeitungen Fotos zu sehen bekam, auf denen Tiggy mit einer Zigarette im Mund am Steuer eines Autos saß, während Harry durchs offene Beifahrerfenster auf Kaninchen schoss. 2006 lud Harry sie zu der Parade nach seinem Abschluss in Sandhurst ein, und 2019 machte er sie, ohne um Erlaubnis zu fragen, zur Patin seines Sohnes Archie. (Eine von Bashirs übelsten Verleumdungen war seine Behauptung gegenüber Diana, Tiggy unterhalte eine Affäre mit Charles und hätte eine Abtreibung vornehmen lassen. Im Jahr 2021 musste die BBC ein hohes Schmerzensgeld an Tiggy – inzwischen Mrs Charles Pettifer – zahlen.)

Eine drakonische Vereinbarung mit der Press Complaints Commission in der Zeit nach Dianas Tod sorgte dafür, dass Fotografen und Hofberichterstatter nur selten ins Privatleben von William und Harry vordrangen, solange die beiden Kinder waren. Nach der öffentlichen Empörung über die Tatsache, dass Dianas Tod durch Paparazzi herbeigeführt worden war, zeigten sich einige Herausgeber geradezu erleichtert über die Klarheit des Kodex, den die Kommission herausgab. So mussten sie keine Entscheidungen über Veröffentlichungen treffen, die nur ein weiteres Mal die Öffentlichkeit gegen sie aufgebracht hätten. Nach Auskunft von Lord Black, damals Leiter der Kommission, wurden den Zeitungen ständig Geschichten über die Prinzen angeboten, nicht zuletzt von Mitschülern. Da war es gut, dass es einen Kodex gab, der den Zeitungen half, derlei abzulehnen. Auch in den Schulferien waren die Prinzen tabu, mit Ausnahme von offiziellen, vom Palast inszenierten Gelegenheiten.

Man vergisst dabei leicht, dass die berühmten lustigen Ausflüge der Jungen mit Diana nach Disney World, ins Kino und zu McDonald’s nur deshalb Kult werden konnten, weil die Presse stets dabei war und sie verfolgte, bis Diana in Tränen ausbrach. Der Kontrast trug zu dem Mythos bei, das, was die Windsors den Jungen zu bieten hatten, sei langweilig und einengend gewesen. Tatsächlich genossen die jungen Prinzen innerhalb des königlichen Kokons mehr Freiheit als außerhalb: Dirt Biking auf Balmoral in der Abgeschiedenheit von zweihundertvierzig Quadratkilometern Moor und Bauernland; Fasanjagden zu Weihnachten in Norfolk und zum Jahreswechsel in Sandringham; Fuchsjagden in rasendem Tempo bei Wochenendaufenthalten in Highgrove. An den Abenden auf Balmoral führte die ganze Windsor-Familie samt Hausgästen fröhliche Scharaden auf.

Prinzessin Diana gab mir gegenüber im Juni 1997 – während ihres Aufenthalts in Manhattan anlässlich einer Versteigerung ihrer Kleider zu wohltätigen Zwecken bei Christie’s – zu, dass sie mit dem, was Charles den Jungen auf den verschiedenen Familiensitzen bot, kaum mithalten konnte.

Im Juli vor ihrem Tod hoffte sie, ihnen schöne Ferien zu verschaffen, indem sie sie auf das Anwesen von Harrods-Besitzer Mohamed Al-Fayed in Saint-Tropez mitnahm, wo sie auf seiner fünfzehn Millionen teuren Jacht namens Jonikal segeln konnten. Aber dort gefiel es den jungen Prinzen nicht besonders. Vor allem William fand die übertrieben protzige Gastfreundschaft von Al-Fayed mit all den überladenen Büfetts und schlossähnlichen Badezimmern eher peinlich. Beim Segeln blieb er die meiste Zeit unter Deck, um den Teleobjektiven der Paparazzi zu entgehen. Auch ein Ausflug zu einem lokalen Volksfest mit Diana wurde durch die Presse verdorben. Harry seinerseits geriet in Streit mit Al-Fayeds jüngerem Sohn Omar, der sich weigerte, ihm sein Schlafzimmer zu überlassen. In den Jahren nach Dianas Tod konnten die Jungen dem ganzen Medienrummel entfliehen und irgendwo zwischen Wäldern und Wiesen verschwinden. Einmal entschied sich William, lieber in Sandringham zu bleiben und mit seinem Großvater auf die Fasanjagd zu gehen, als mit Charles Skiurlaub in Klosters zu machen, wo die Presse ihnen auf den Pisten nachstellen würde.

Und so verschluckte die Windsor-Welt die beiden Jungen allmählich. Earl Spencer vergaß bald sein dröhnend lautes Versprechen von der Kanzel über den Vorrang von Dianas »Blutsverwandten«. Sein eigenes Privatleben zerbrach nach mehreren Scheidungen, und er verschwand praktisch aus dem Umkreis seiner Neffen. Als William sich an ihn wandte, um Harry aufzufordern, seinen Gang zum Altar mit Meghan aufzuschieben, empfand der jüngere Bruder dies als eine schwere Einmischung von William.30 Dianas Gedächtnis wurde in Althorp zu einer Touristenattraktion, wo eine ziemlich gespenstische, schummrig beleuchtete Ansammlung von Erinnerungsstücken – ihr aufgeplustertes märchenhaftes Hochzeitskleid, einige Fotos aus der Kindheit und berührend gewöhnliche Briefe aus dem Internat nach Hause – ausgestellt wurde, um mit dem Erlös der Eintrittskarten einen Beitrag zu der nach Diana benannten Stiftung zu leisten.

William und Harry jedenfalls reduzierten ihre Kontakte zum Kreis ihrer Mutter deutlich. Harry fand Unterstützung bei Dianas alter Schulfreundin, der Trauerberaterin Julia Samuel, die ihr und sein Privatleben sorgfältig schützte. Andere Freundinnen ihrer Mutter, darunter Honorable Rosa Monckton, mit der Diana ihre letzten Ferien vor der Hochzeit in Griechenland verbracht hatte, oder Lucia Flecha de Lima, die Frau des brasilianischen Botschafters, die eine enge Vertraute von Diana war, wurden von ihnen ferngehalten. Rosa galt als Tratschrisiko, weil sie ihre Erinnerungen an Diana öffentlich gemacht hatte. Sie stand zwar dem Komitee für die Diana Memorial Fountain im Hyde Park vor, und ihre behinderte Tochter Domenica war Dianas Patenkind, doch ihre Briefe an die Prinzen zu wichtigen Anlässen wie ihren Geburtstagen blieben unbeantwortet. Lucia bekam keine Einladung zur Hochzeit von William und Kate 2011 und musste die Feierlichkeiten im Fernsehen verfolgen. Richard Kay von der Daily Mail, Dianas bevorzugter Hofberichterstatter, der immer zu ihr vorgelassen wurde und noch am letzten Tag ihres Lebens mit ihr telefonierte, bekam ebenfalls keinen Zugang zu ihren Söhnen.31