PallExcellence© - Erich Rösch - E-Book

PallExcellence© E-Book

Erich Rösch

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Beschreibung

Das am 8.12.2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz fordert von den Trägern stationärer Einrichtungen ausdrücklich die Entwicklung von Hospizkultur und Palliativkompetenz, die Einbindung in regionale Netzwerke und den Nachweis dieser Maßnahmen im Rahmen der Transparenzrichtlinien. Mit PallExcellence© stellen die Autoren ein von ihnen entwickeltes und in der Praxis erprobtes Zertifizierungsverfahren vor, mit dem nicht nur ein nachhaltiger Prozess der Organisationsentwicklung in Gang gesetzt und evaluiert werden kann, sondern auch der Nachweis der vom Gesetz geforderten Qualitätskriterien gelingt. Um die Arbeit im Alltag stationärer Einrichtungen zu erleichtern und die eigene Praxis vor dem Hintergrund der gesetzlichen Forderungen zu reflektieren, stellen die Autoren den vollständigen Prüfleitfaden des Zertifizierungsverfahrens zur Verfügung, der dem Leser eine umfassende Selbstbewertung ermöglicht.

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Erich Rösch, Martin Alsheimer, Frank Kittelberger

PallExcellence©

Der Nachweis von Hospizkultur und Palliativkompetenz in stationären Einrichtungen

Verlag W. Kohlhammer

 

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2017

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-031887-8

 

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-031888-5

epub:    ISBN 978-3-17-031889-2

mobi:    ISBN 978-3-17-031890-8

 

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Inhalt

 

 

Vorwort

1 Anforderungen in Gesetzen und Rahmenvereinbarungen

1.1 Entwicklung der Qualitätssicherung in der Pflege

1.2 Pflegeversicherungsgesetz 1995

1.3 Pflege-Qualitätssicherungsgesetz 2002 (PQsG)

1.4 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008

1.5 Pflege-Neuausrichtungsgesetz 2012

1.6 Pflegestärkungsgesetz 2015

1.7 Hospiz- und Palliativgesetz 2015

2 Rechtliche Rahmenbedingungen im SGB XI

2.1 Verantwortung für die Qualitätssicherung

2.2 Instrumente der Qualitätssicherung

3 Qualitätsmanagementsysteme

3.1 Ein kurzer historischer Abriss

3.2 Qualitätsmanagementsysteme für das Gesundheitswesen

4 Die Legitimation des Zertifizierungsverfahrens PallExcellence©

4.1 Stimmen für die Entwicklung von Qualitätsnachweisen in der Palliativversorgung

4.2 Die Basis für die Entwicklung des Zertifizierungsverfahrens PallExcellence©

4.3 Vorteile eines Zertifizierungsangebotes für Palliative Care

4.4 Die Schritte der Entwicklung des Zertifizierungsverfahrens PallExcellence©

5 Palliative Care in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe

5.1 Gegenwärtige Herausforderungen einer Palliativversorgung

5.2 Das Kernprogramm von Palliative Care und seine Erweiterung für alte Menschen

5.3 Diskussion: Wann beginnt Palliative Care? Die zeitliche Perspektive von PallExcellence©

6 (Wie) Lässt sich Palliative Care zertifizieren?

6.1 Probleme einer Zertifizierung und Wahl des Ansatzes

6.2 Diskussion: Wie sollen Qualitätsziele für Palliative Care (nicht) definiert werden?

6.3 Beispiele und Probleme systematisierter Qualitätskriterien für Sterbebegleitung und Abschiedskultur

6.4 Zugänge zur palliativen Kultur einer Einrichtung: Wahl des Ansatzes

7 Schlüsselbereiche und Qualitätskriterien von Palliative Care in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe

7.1 Herausforderungen bei der Bestimmung von Qualitätskriterien für Palliative Care

7.2. Der Referenzrahmen: die 20 Indikatoren zur Hospizkultur und Palliativkompetenz im Alten- und Pflegeheim

7.3 Die Übersetzung der DHPV-Indikatoren: die Qualitäts- kriterien von PallExcellence© (Kriterienkatalog)

7.4 Diskussion: Das Schweizer Prüfkonzept für Palliative Care im Vergleich

8 Der Nachweis von Palliative Care in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe

8.1 Herausforderungen für den Nachweis: Verfahrenswege und Gütemerkmale

8.2 Die Überprüfung der Qualitätskriterien: Die Inhalte und Verfahrenswege von PallExcellence©

9 Die Gestaltung der Zertifizierung in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe

9.1 Herausforderungen in der Gestaltung: Die Instrumente der Zertifizierung PallExcellence©

9.2 Der Vorab-Check zur Selbstauskunft und -einschätzung

9.3 Die Interviewleitfaden

10 Die Dokumentation der Ergebnisse: Beispiel eines Audit-Berichtes (Auszüge)

Muster-Prüfbericht Palliative Care – Eine Zertifizierung im Rahmen der Machbarkeitsstudie

11 Zum Nutzen und zur Auswirkung von PallExcellence© – Stimmen aus der Praxis

11.1 Interview mit zwei Einrichtungsleitern

11.2 Interview mit dem Zertifizierer

Anhang

Literaturverzeichnis

Sachregister

 

 

Vorwort

 

 

 

Schenkt man Umfrageergebnissen, Zeitungsberichten und anderen öffentlichen Äußerungen Glauben, so fürchtet ein Großteil der Bevölkerung nichts mehr als den anonymen und fremder Zuwendung ausgelieferten Tod in stationären Einrichtungen. Während das Sterben im Krankenhaus schon lange nichts außergewöhnliches mehr ist und mit den durch die Hospizbewegung initiierten Weiterentwicklungen in der Palliativmedizin einen Teil seines Schreckens verloren zu haben und auch schon als »Sterben erster Klasse« wahrgenommen zu werden scheint, befeuern Diskussionen um Pflegenotstand, schlecht ausgebildete ausländische Hilfskräfte und überbordende Bürokratisierung der Pflege bei gleichzeitigem Qualitätsverlust das Schreckensbild eines Dahinvegetierens bis zum Tod in einer Pflegeeinrichtung.

Die Wiederentdeckung des Todes als Einnahme- und Imagequelle für manchen Mediziner und die zu beobachtende Medikalisierung des Sterbens schüren die verschobene Wahrnehmung, dass »gutes Sterben« ohnehin nur auf Palliativstationen, allenfalls noch in stationären Hospizen möglich sei. Das verunsichert und verstärkt das schlechte Gewissen vieler Angehöriger, die Vater, Mutter oder Ehepartner in die pflegerische Obhut einer Pflegeeinrichtung geben (müssen).

Was im Bereich der Altenhilfe schon lange ein Thema war, greift nun beobachtbar auch auf die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung über: zum ersten Mal kommt eine Generation von Menschen mit Behinderung ins rentenfähige Alter, wird langsam alt und pflegebedürftig, kann zu Hause von den oftmals selbst hochbetagten Eltern und Angehörigen nicht mehr adäquat betreut und versorgt werden. Diese Personengruppe trifft dann in Einrichtungen auf Personal, dessen bisheriger Tätigkeitsschwerpunkt größtenteils auf dem Fördern und Unterstützen im Alltag und nicht auf der vollständigen Übernahme pflegerischer Leistungen und letztendlich der Sterbebegleitung lag.

Fast könnte man meinen, die Hospizbewegung oder vielmehr die Hospizidee habe in ihrer dreißigjährigen Entwicklungsgeschichte in Deutschland etwas übersehen oder sei in stationären Einrichtungen nicht im gleichen Maße angekommen und präsent gewesen, wie sie es im ambulanten Bereich seit drei Jahrzehnten erfolgreich ist.

Aber der erste Eindruck täuscht eindeutig: zwar mit zeitlicher Verzögerung aber sicher nicht mit weniger Engagement hat die moderne Hospizbewegung den Auftrag ihrer Identifikationsfigur Dame Saunders angenommen und in die Tat umgesetzt:

»Die Hospizbewegung zog aus dem Gesundheitswesen aus und entwickelte eigene Modelle. Es gilt nun, die Haltungen, die Kompetenzen und die Erfahrungen in die Regelversorgung zu reintegrieren, damit die Haltung und das Wissen zurückfließen können (…)« (Clark 2002, S. 242f.)

Lag der Schwerpunkt der ambulanten Arbeit der Hospizbewegung in der Hauptsache im direkten Unterstützungsangebot an Patienten und oftmals über die Maßen belastete Angehörige, das gerne angenommen wurde, so traf sie im stationären Setting in der Regel auf gut ausgebildete und engagierte Pflegekräfte. Diese hätten selbst die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen übernehmen können und wollen, wenn die dafür notwendige Zeit zur Verfügung gestanden, aktuelles Fachwissen zu diesem Thema verfügbar und das Sterben von der Einrichtung aus Imagegründen nicht im letzten Moment doch noch ins Krankenhaus »exportiert« worden wäre.

Aber sicherlich mit initiiert durch die Hospizbewegung und durch die Einführung der Pflegeversicherung forciert, hat sich in stationären Einrichtungen in den vergangenen Jahren vieles deutlich sichtbar zum Positiven gewendet. Ausgehend von den Entwicklungsbemühungen der konfessionell gebundenen Einrichtungen hat ein Paradigmenwandel eingesetzt, der nun langsam um sich zu greifen scheint und durch die Forderungen des am 8.12.2015 in Kraft getretenen Hospiz- und Palliativgesetzes weiter an Dynamik gewinnen wird.

Der Gesetzgeber hat die Zeichen der Zeit erkannt und Pflegeeinrichtungen als die Sterbeorte der Zukunft in den Blick genommen. Ein ganzes Maßnahmenbündel soll nun helfen, die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen in stationären Einrichtungen zu verbessern und einen Kulturwandel einzuleiten. Alle Beteiligten sind aufgefordert, an einem Strang zu ziehen, zu kooperieren, sich zu vernetzen, Beratungsangebote für Patienten und deren Angehörige bereit zu stellen und mit entsprechender vorausschauender Planung »ein gutes Sterben zu organisieren«.

Dieses aus der Sicht der Hospizbewegung sehr zu begrüßende Paket an Maßnahmen und der umfassende Blick des Gesetzgebers auf die Situation Sterbender und deren Angehöriger entwickelt dabei so viel Charme, dass es ihm fast gelingt, darüber hinweg zu täuschen, dass ein entscheidender Aspekt übersehen oder aber ignoriert wurde: die Frage der Personalisierung und Finanzierung. Eine gute Begleitung auf dem letzten Weg erfordert neben einer dementsprechenden Haltung und aktuellem Handlungswissen vor allen Dingen eines: Zeit!

Und Zeit ist in einer arbeitsteiligen Welt immer noch gleichbedeutend mit Geld für Personalaufwand. So ist es dem Gesetzgeber zwar gelungen, ein Zeichen für mehr Mitmenschlichkeit zu setzen und zu zeigen, dass ihm Sterbende lieb sind, teuer sind sie ihm deswegen anscheinend noch lange nicht, was aufgrund der immerwährenden Allokationsdebatte im Gesundheitswesen Insider zwar nicht im Geringsten verwundert, Träger und Mitarbeiter aber dennoch enttäuscht. Gerade deswegen ist es wichtig, die Entwicklung von Hospizkultur und Palliativkompetenz planvoll anzugehen. Das wird Zeit sparen und Kosten vermeiden. Zusätzlich dazu wird dieses Vorgehen den Ruf der Einrichtung und damit auch die Marktposition verändern.

Aktuelle Bemühungen, das individuelle Sterben zu verwissenschaftlichen und zu antizipieren, suggerieren eine nie dagewesene Planbarkeit und Sicherheit im Umgang mit dem Tod und tragen wohl mehr unserer Urangst vor der Unausweichlichkeit einer letzten Tatsache Rechnung als der Individualität eines jeden Sterbenden. Die Haftungsfragen sind nun also in deutscher Gründlichkeit geklärt, zumindest die »vorausschauende Versorgungsplanung« refinanziert, der Tod bleibt und das Sterben auszuhalten helfen wird immer Aufgabe der ehrenamtlichen Hospizbewegung bleiben. Das ist gut so.

Hospizkultur und Palliativkompetenz sind Chefsache und Herzensangelegenheit zugleich, ohne dabei Kopf und Hand aus dem Blick zu lassen – so viel steht fest. Die Einleitung oder Verfestigung eines Kulturwandels im Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen bedarf einer bewussten Unternehmerentscheidung, wenn sie nachhaltige Veränderungen initiieren soll. Sie bedarf darüber hinaus des Bewusstseins, dass Hospizkultur und Palliativkompetenz alle angeht und dabei nicht nur »intra muros« der Einrichtungen ein planvoller Prozess des Veränderns einsetzen, sondern zusätzlich auch »extra muros« gedacht – und gestaltet – werden muss. Sie bedarf jedes einzelnen Beteiligten in seinem Menschsein – mit Herz und Verstand, planvoll und zielgerichtet, mit Augenmaß und Einfühlungsvermögen und der Bereitschaft, dem Sterbenden die Regie zu überlassen. Das in diesem Buch vorgestellte, beginnend mit dem Jahr 2012 mit Unterstützung der Bayerischen Stiftung Hospiz entwickelte und nun seit Jahren in der Praxis erprobte, Selbstbewertungsverfahren beschreibt daher die Entwicklung von Hospizkultur und Palliativkompetenz prozesshaft und in allen Dimensionen. Es gibt Hinweise auf die konstituierenden Elemente eines Kulturwandels, wie er vom Gesetzgeber gefordert ist und stellt – ohne erhobenen Zeigefinger – mit verschiedenen methodischen Ansätzen Fragen, die den Blick dafür weiten sollen, worauf zu achten ist, wenn eine Einrichtung sich erstmalig auf den Weg macht, Hospizkultur und Palliativkompetenz zu entwickeln oder aber sich schon lange auf dem Weg befindet und der Vergewisserung bedarf, noch auf dem richtigen Entwicklungspfad zu sein.

Damit versteht sich dieses Buch ganz in die Tradition der Hospizbewegung eingebettet, gewissermaßen als Wegbegleiter und Wegbereiter, unterstützend und ermutigend.

Im Namen der Autoren

Dr. Erich Rösch

 

1          Anforderungen in Gesetzen und Rahmenvereinbarungen

 

 

1.1       Entwicklung der Qualitätssicherung in der Pflege

Rund 800.000 Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen beziehen derzeit nach der Gesundheitsberichterstattung des Bundes Leistungen der Pflegeversicherung (gesetzlich und privat).

Das Statistische Bundesamt verzeichnete für das Jahr 2013 13.030 stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland. In diesen Einrichtungen arbeiteten zum damaligen Zeitpunkt über 685.000 Menschen (Bundesgesundheitsministerium, 20.1.2016).

Allein diese drei Zahlen, die nur den Blickwinkel der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung auf die stationäre Pflege darstellen, mögen genügen, um zu verdeutlichen, wie wichtig und sinnvoll es war und ist, der Sicherung von Qualität in Pflege und Betreuung dieser Menschen auch von Seiten des Gesetzgebers besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Er hat dies beginnend mit dem Jahr 1995 in zahlreichen Gesetzen getan. Deren wichtigste Grundzüge sollen im Folgenden dargestellt werden.

Bevor wir uns aber diesem Thema aus dem Blickwinkel des Gesetzgebers nähern, ist es erforderlich, sich auch vor Augen zu führen, was die oben genannten Zahlen darüber hinaus bedeuten:

Wenn 685.000 Mitarbeiter1 in den verschiedensten Funktionen und mit den verschiedensten Professionen in über 13.000 stationären Pflegeeinrichtungen 800.000 Menschen Tag ein Tag aus umsorgen, so werden sie mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mit dem langsamen Abschied dieser Menschen aus dem Leben und deren Tod konfrontiert sein und so auch bewusst oder unbewusst immer wieder ihrer eigenen Endlichkeit und den Grenzen ihres Tuns begegnen.

Das soll unseren Blick dahingehend schärfen, dass Qualitätssicherung im Zusammenhang mit der Pflege und Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen und deren Angehöriger einen sehr weiten Blick benötigt, der mit den Mechanismen herkömmlicher Instrumente der Qualitätssicherung schwer abzubilden und der leider immer noch in Begutachtungsverfahren üblichen Checklisten-Mentalität nicht zugänglich ist.

Der Gesetzgeber hat zwar mit seinen zahlreichen Bemühungen, die Realität der Pflege in stationären Einrichtungen in Deutschland durch Gesetze und Verordnungen zu regeln und in den Griff zu bekommen, immer wieder auf die jüngsten Entwicklungen – wenn auch zeitverzögert – reagiert, die Situation schwerstkranker und sterbender Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen größtenteils aber den gesetzlichen Vereinbarungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern überlassen. Erstmals mit dem am 8.12.2015 in Kraft getretenen Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) greift er nun die Situation dieser Menschen ganz explizit auf und nimmt in seiner Gesetzesbegründung ausführlich Bezug auf die Situation von Menschen in ihrer letzten Lebensphase in stationären Pflegeeinrichtungen, deren Hospizkultur und Palliativversorgung er mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen weiterentwickeln möchte.

Dies nehmen wir mit dem vorliegenden Werk nun zum Anlass, ein in langen Jahren stufenweise entwickeltes und erprobtes Verfahren der Qualitätssicherung zu beschreiben, das einen umfassenden Blick auf die Situationen rund um den Weg aus dem Leben in stationären Einrichtungen zulässt und die Einzigartigkeit jeden Sterbens mit den Mitteln der Qualitätssicherung begleitet.

Wie lange der Weg von der ersten Erwähnung des Wortes »Qualität« im Zusammenhang mit der Versorgung und Pflege in stationären Einrichtungen hin zur tatsächlich möglichen »Hospizkultur und Palliativkompetenz in stationären Einrichtungen« als Grundlage einer Qualitätsentwicklung auch in der Sterbebegleitung in Einrichtungen war, zeigen die nachfolgenden Unterkapitel.

1.2       Pflegeversicherungsgesetz 1995

Nach einer mehr als 20-jährigen Diskussion wurde 1995 in Deutschland eine gesetzliche Pflegeversicherung als fünfter Zweig der Sozialversicherung eingeführt und im neu geschaffenen SGB XI kodifiziert. Der Gesetzgeber entschied sich damals für eine Kombination aus umlagefinanzierter Sozialversicherung und obligatorischer kapitalfundierter Privatversicherung. Dem vorausgegangen war eine lange Diskussion über die Absicherung des Pflegerisikos, die durch ein Gutachten des Kuratoriums Deutsche Altershilfe aus dem Jahr 1974 angefacht wurde (vgl. hierzu auch Rothgang 2010), in dem Pflegebedürftigkeit erstmals aufgrund der problematischen Form der Absicherung als allgemeines Lebensrisiko gekennzeichnet wurde. Dieses war insbesondere dadurch charakterisiert, dass die mit der Heimunterbringung verbundenen Kosten in der Regel das Alterseinkommen und das Vermögen der Pflegebedürftigen überstiegen, so dass stationäre Unterbringung häufig zu finanzieller Bedürftigkeit und damit zum Bezug von Leistungen aus dem damals noch geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) führte.

In der bis zum 1.7.2008 geltenden Fassung regelte § 80 SGB XI erstmals die Verpflichtung von Kostenträgern und Leistungserbringern, gemeinsam »Grundsätze und Maßstäbe für die Qualität und die Qualitätssicherung der ambulanten und stationären Pflege sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements, das auf eine stetige Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität ausgerichtet ist«, zu entwickeln (§ 80 SGB XI i. d. F. bis 1.7.2008). Die daraus entstandenen »Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung […]« erwähnen noch mit keinem einzigen Wort die Situation schwerstkranker und sterbender Menschen in stationären Einrichtungen.

Die wichtigsten Regelungen im Überblick:

§ 80 Abs. 1 SGB XI

•  Vereinbarung von Grundsätzen und Maßstäben für die Qualität, die Qualitätssicherung und das Verfahren zur Durchführung von Qualitätsprüfungen durch die Pflegeselbstverwaltung

•  Verbindlichkeit für Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen

§ 80 Abs. 2 SGB XI

•  Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, sich an Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen und Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Qualitätsprüfungen zu ermöglichen

§ 80 Abs. 3 SGB XI

•  Maßnahmenbescheid durch die Landesverbände der Pflegekassen bei Qualitätsmängeln

§ 80 Abs. 5 SGB XI

•  Ersatzweise Verordnung

1.3       Pflege-Qualitätssicherungsgesetz 2002 (PQsG)

Das »Gesetz zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege« trat am 1.1.2002 in Kraft und stellt mit einer grundlegenden Überarbeitung des Elften Kapitels des SGB XI vor allem die Verpflichtung der Anbieter zu einrichtungsinternem Qualitätsmanagement, zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Pflegeleistungen und zur Stärkung der Verbraucherrechte in seinen Mittelpunkt. Auch hier lassen die nunmehr zu vereinbarenden Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen (LQVen) noch die ausdrückliche Erwähnung der Sterbesituation vermissen, die insbesondere mit intendierte »Stärkung der Verbraucherrechte«, hinter der der wachsame – oder gutgläubige – Hospizler gar die Selbstbestimmung am Lebensende vermutet hätte, gipfelt lediglich in der Einbeziehung der Heimbewohner und deren Vertreter bei der Entgeltfindung nach § 7 Heimgesetz.

Die wichtigsten Regelungen im Überblick:

§ 80 Abs. 1 SGB XI

•  Festlegung von Grundsätzen für ein umfassendes Qualitätsmanagement durch die Pflegeselbstverwaltung

•  Wegfall der Kompetenz zur Regelung des Verfahrens für Qualitätsprüfungen

§ 80 a Abs. 1 SGB XI

•  Abschluss von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen

§ 113 SGB XI

•  Leistungs- und Qualitätsnachweise durch die Träger der Einrichtungen

•  Zulässige Stellen für die Nachweise:

−  durch die Pflegekassen anerkannte unabhängige Sachverständige

−  durch die Pflegekassen anerkannte Prüfstellen

•  neben der MDK-Prüfung

§ 114 SGB XI

•  Durchführung der Qualitätsprüfungen

§ 115 SGB XI

•  Folgen der Qualitätsprüfung

§ 117 SGB XI

•  Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht

§ 118 SGB XI

•  Rechtsverordnung zu Beratungs- und Prüfvorschriften zur Qualitätssicherung

1.4       Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008

Mit dem in seinen wesentlichen Teilen zum 1.7.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflegeweiterentwicklungsgesetz) hat der Gesetzgeber die soziale Pflegeversicherung 13 Jahre nach ihrer Einführung erstmals umfassend reformiert. Im Zentrum der Novellierung des SGB XI steht neben einer Ausweitung der Pflegeleistungen, die durch eine Anhebung des Beitragssatzes um ein Viertel Prozentpunkt gegenfinanziert werden soll, vor allem das Bemühen, die Qualität der erbrachten Leistungen durch ein Mehr an Kontrolle und Transparenz stärker als bisher zu sichern und Leistungsberechtigte bei der Inanspruchnahme pflegerischer Leistungen intensiver zu beraten und zu unterstützen. Erreicht werden sollte dies etwa durch die konsequente Umsetzung des Konzepts des Case-Managements oder den Aufbau sogenannter Pflegestützpunkte. Darüber hinaus sollte dem allgemeinen Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf von Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen besser Rechnung getragen werden können (BT-Drs Nr. 16/7439).

Neben diesen sozialrechtlichen Änderungen des Pflegeversicherungsrechts tritt die Verabschiedung des Pflegezeitgesetzes, nach dem Angehörige von Pflegebedürftigen unter bestimmten Voraussetzungen einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Freistellung geltend machen können.

Auch hier wird der engagierte Hospizbewegte vergeblich nach der Erwähnung der zentralen Thematik, der er sich verschrieben hat, suchen, während der von Qualitätsmanagement in zunehmenden Maße Begeisterte erneut fündig wird:

§ 113 SGB XI

•  Festlegung von Anforderungen an Sachverständige und Prüfinstitutionen

•  Festlegung von Zertifizierungs- und Prüfverfahren

•  Aufhebung des Systems der Leistungs- und Qualitätsnachweise

§ 113 a SGB XI

•  Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege

§ 113 b SGB XI

•  Schiedsstelle Qualitätssicherung

§ 114 a Abs. 7 SGB XI

•  Rechtsgrundlage für die Richtlinienkompetenz des GKV-Spitzenverbandes für die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität (QPR)

§ 115 Abs. 1a SGB XI

•  Veröffentlichung von Ergebnissen der Qualitätsprüfungen

1.5       Pflege-Neuausrichtungsgesetz 2012

Auch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz, das der Deutsche Bundestag am 29.6.2012 verabschiedete, bleibt die Erwähnung der Sterbesituation weiterhin schuldig. Es trat am 1.1.2013 in Kraft und blieb während des gesamten Gesetzgebungsprozesses weiterhin umstritten, obwohl es zumindest in folgenden Hauptbereichen Veränderungen brachte:

•  Leistungsverbesserungen, insbesondere für demenziell erkrankte

•  die Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung

•  die Einführung einer privaten Pflegezusatzversicherung, die mit einem staatlichen Zuschuss versehen wurde

•  die Stärkung von Rechten der Pflegebedürftigen

Kritisiert wurde zum einen die Tatsache, dass die durch das Gesetz intendierten Leistungsverbesserungen schon mit dem Inkrafttreten des Gesetzes weit hinter den tatsächlichen Bedarfen zurück blieben und mit der Einführung einer privaten Pflegezusatzversicherung ein neues Element in der sozialen Pflegeversicherung hinzukam.

Auch in dieses Gesetz wurden erneut Regelungen zur Qualitätssicherung in der Pflege aufgenommen bzw. präzisiert:

§ 113 SGB XI

•  Verpflichtung der Pflegeselbstverwaltung zur Vereinbarung eines indikatorengestützten Verfahrens zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität im stationären Bereich auf der Grundlage einer strukturierten Datenerhebung im Rahmen des internen Qualitätsmanagements, das eine Qualitätsberichterstattung und externe Qualitätsprüfung ermöglicht.

1.6       Pflegestärkungsgesetz 2015

Auch das Pflegestärkungsgesetz, das in zwei Stufen 2015 und 2016 in Kraft getreten ist und zum Ziel hat, »die Pflegeversicherung weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen« (BMG 2014), modifiziert noch einmal die Regelungen, die das SGB XI hinsichtlich der Qualitätssicherung trifft:

§ 114 SGB XI

•  Erweiterung der Qualitätsprüfung bei Hinweisen auf nicht fachgerechte Pflege

1.7       Hospiz- und Palliativgesetz 2015

Tatsächlich erst das am 8.12.2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz wagt es, das in zahlreichen Gesetzentwürfen, Begründungen zu Gesetzentwürfen und Rahmenvereinbarungen zu allen möglichen Sachverhalten wortreich umschiffte Tabuthema des Sterbens in stationären Einrichtungen zum Thema zu machen. Damit wird sterbenden Menschen ein besonderes Recht auf menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege und Betreuung in ihrer letzten Lebensphase zugestanden und der Weiterentwicklung von Hospizkultur und Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, in denen viele Menschen ihre letzte Lebensphase verbringen, besondere Erwähnung geschenkt.

Während in den anderen vorgenannten gesetzlichen Regelungen das Thema der Weiterentwicklung der Qualitätssicherung durch die Aufnahme von ganzen Paragraphen oder deren fortwährende Veränderungen vom Gesetzgeber – wohl nicht selten unter dem Eindruck der öffentlichen Berichterstattung oder dem Druck der Kostenträger – stetig thematisiert und explizit benannt wurde, bedarf es eines sehr scharfen Blickes auf die Regelungen des Hospiz- und Palliativgesetzes, um nunmehr für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in diesem Bereich die gesetzlichen Weichenstellungen herauszuarbeiten.

In seiner Problem- und Zielbeschreibung zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (HPG) schreibt der Gesetzgeber in der Bundestagsdrucksache 18/5170 vom 12.06.2015:

»Schwerkranke und sterbende Menschen benötigen in ihrer letzten Lebensphase die bestmögliche menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege und Betreuung. Dies erfordert eine gezielte Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland. Zwar sind in den letzten Jahren beim Auf- und Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung bereits Fortschritte erzielt worden. Insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Regionen fehlt es jedoch noch an ausreichenden Angeboten. Ziel des Gesetzes ist deshalb, durch Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung in ganz Deutschland ein flächendeckendes Angebot zu verwirklichen, damit alle Menschen an den Orten, an denen sie ihre letzte Lebensphase verbringen, auch im Sterben gut versorgt und begleitet sind. In der Regelversorgung sind die Vernetzung von medizinischer und pflegerischer Versorgung sowie hospizlicher Begleitung und die Kooperationen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern noch zu wenig ausgeprägt. Da der Hilfebedarf schwerkranker und sterbender Menschen von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich auch im Verlauf der letzten Lebensphase verändern kann, ist eine vernetzte Versorgung wichtig, die ein reibungsloses Ineinandergreifen verschiedener Hilfsangebote gewährleistet. Neue und bereits bestehende Angebote sollen deshalb stärker ineinandergreifen, damit Schwerkranke und sterbende Menschen entsprechend ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen versorgt und betreut werden. In stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, in denen viele Menschen ihre letzte Lebensphase verbringen, gilt es, die Hospizkultur und Palliativversorgung insgesamt weiterzuentwickeln« (Deutscher Bundestag 2015, S. 1).

Das Gesetz sieht Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und im Krankenhauswesen vor. Die Maßnahmen zielen darauf ab

•  »in strukturschwachen und ländlichen Regionen die Palliativversorgung weiter auszubauen und die Hospizbewegung zu unterstützen,

•  die Vernetzung von Angeboten der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der hospizlichen Begleitung sicherzustellen und die Kooperation der daran beteiligten Leistungserbringer zu gewährleisten,

•  die Palliativversorgung als Teil der Regelversorgung in der haus- und fachärztlichen Versorgung sowie im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zu verankern und die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) flächendeckend zu verbreiten,

•  die finanzielle Förderung stationärer Kinder- und Erwachsenenhospize sowie ambulanter Hospizdienste zu verbessern,

•  die Palliativversorgung und Hospizkultur in stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu stärken sowie

•  die Versicherten gezielt über bestehende Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung zu informieren und Pflegeheimbewohnern eine individuelle Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase zu ermöglichen.«

Aus dieser äußerst präzisen Problem- und Zielbeschreibung leitet der Gesetzgeber ein Maßnahmenbündel ab, das in viele Detailformulierungen in SGB V, SGB XI, im Krankenhausfinanzierungsgesetz und im Krankenhausentgeltgesetz mündet und damit (zumindest als Absichtserklärung) Versorgungsprobleme reduziert, weil es Regelungslücken, die die Praxis einer regional vernetzten Hospiz- und Palliativversorgung bislang erschwert haben, zu schließen versucht.

Von besonderem Interesse mit Blick auf das hier vorgestellte Zertifizierungsinstrument sind natürlich die Regelungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung von Hospizkultur und Palliativversorgung in stationären Einrichtungen, die sich im Wesentlichen aus vielen kleinen Veränderungen ergeben.

Folgende Anknüpfungspunkte lassen sich aus dem Gesetz identifizieren (Bundesgesetzblatt 2015):

Die Einfügung eines kleinen und abschließenden Passus an Absatz 2 des § 39 a SGB V eröffnet die Diskussion: »Pflegeeinrichtungen nach § 72 des Elften Buches sollen mit ambulanten Hospizdiensten zusammenarbeiten.«

Neben der Notwendigkeit, die konkrete Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit zu beschreiben, kann sich hier der erste Ansatzpunkt zu einer deutlichen Qualitätsveränderung in der stationären Versorgung ergeben. Von Seiten der Pflegeeinrichtung, so mag es ratsam scheinen, muss es einen konkreten und dauerhaften Ansprechpartner für den Hospizdienst geben, der versteht, wie ein Hospizdienst arbeitet, was er leisten – und auch nicht leisten – kann. Im Rahmen der Entwicklung einer Hospizkultur in der Einrichtung wird die Einrichtungsleitung für die konzeptionelle Verankerung einer regelhaften Zusammenarbeit mit einem ambulant tätigen Hospizdienst als konstituierendes Moment Sorge zu tragen haben. Sie kann dies nur mit Wollen, Unterstützung und im Auftrag des Trägers und im steten Bemühen, diese Kooperation immer wieder aufs Neue mit Leben zu füllen, verwirklichen.

Neu in das SGB V aufgenommen wurde vom Gesetzgeber § 39b, der weitere Hinweise auf mögliche Aufgaben und Herausforderungen gibt:

Ȥ 39b Hospiz- und Palliativberatung durch die Krankenkassen

(1) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse zu den Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung. Der Anspruch umfasst auch die Erstellung einer Übersicht der Ansprechpartner der regional verfügbaren Beratungs- und Versorgungsangebote.

[…]. Auf Verlangen des Versicherten sind Angehörige und andere Vertrauenspersonen an der Beratung zu beteiligen. […]«

Die Einrichtung hat also in geeigneter Weise den Kontakt zu den Krankenkassen zu suchen und zu halten und ihnen gegenüber ihr Angebot der Hospiz- und Palliativversorgung sowie ihre Beratungskompetenz darzustellen. Möglicherweise stellt sie auch die Vertrauensperson, die von Seiten der Einrichtung die Beratung durch die Kassen einleitet und begleitet.

Absatz 2 des § 39b SGB V verbirgt einen weiteren Hinweis auf einen Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung und Verbesserung des bisherigen Versorgungskonzeptes:

»(2) Die Krankenkasse informiert ihre Versicherten in allgemeiner Form über die Möglichkeiten persönlicher Vorsorge für die letzte Lebensphase, insbesondere zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung.«

Es ist kaum anzunehmen, dass »in allgemeiner Form« informierte Versicherte hinreichend Klarheit und Sicherheit im Umgang mit einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht haben werden. Hier kann es Aufgabe der Einrichtung werden, die Konkretisierung auf den Einzelfall vornehmen zu helfen und weitere Beratung anzubieten oder zu organisieren. Ratsam scheint es an dieser Stelle, sich zum Schutz der eigenen Einrichtung auf die neutrale Vermittlerrolle zu beschränken und externe Beratung, etwa durch entsprechend qualifizierte Berater in den Hospizdiensten oder sonstige lokale Angebote, zu initiieren. Kooperationen ergeben sich hier also zwangsläufig oder vielmehr organisch bzw. entlang der Umsetzung des § 132g SGB V.

Wichtige Partner einer guten Hospiz- und Palliativversorgung sind die niedergelassen Ärzte. Das HPG stärkt erneut ihre Rolle, setzt aber auch klare Zeichen hinsichtlich der Qualifikationserfordernisse.

Die Einfügung eines Absatzes 1b in den § 87 SGB V lautet in Auszügen:

»§ 87 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1a wird folgender Absatz 1b eingefügt:

(1b) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren […] die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung. Im Bundesmantelvertrag sind insbesondere zu vereinbaren:

1.    Inhalte und Ziele der qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung und deren Abgrenzung zu anderen Leistungen,

2.    Anforderungen an die Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer,

3.    Anforderungen an die Koordination und interprofessionelle Strukturierung der Versorgungsabläufe sowie die aktive Kooperation mit den weiteren an der Palliativversorgung beteiligten Leistungserbringern, Einrichtungen und betreuenden Angehörigen,

4.    Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsqualität.«

Neben der Frage, wie die Chance, die allgemeine ambulante Palliativversorgung ärztlicherseits noch einmal auf eine höhere Qualifikationsstufe zu heben, wohl genutzt werden wird, ergeben sich aus dieser Regelung eine Reihe von möglichen Aufgaben für Pflegeeinrichtungen:

Zwar erscheint es auf den ersten Blick so, als wäre es nun Aufgabe des Arztes, die Versorgungsabläufe im Netzwerk der Leistungserbringer zu koordinieren, de facto wird dafür auch in Zukunft wenig Zeit bleiben und darüber hinaus die Frage erlaubt sein, ob dies auch eine wirklich dem Arzt zuzuschreibende Funktion sein kann. Sich seitens der Einrichtung an der Koordination der Versorgungsabläufe zu beteiligen, sie evtl. sogar zu übernehmen, erscheint überlegenswert. Eine Beteiligung an – oder eben auch die Koordination von – Qualitätssicherungsmaßnahmen durch die Pflegeeinrichtung ist ein möglicher Lösungsansatz zur Verbesserung der Versorgung auf breiter Ebene.

Unscheinbar auf den ersten Blick und dennoch von erheblicher Wirkung – so bleibt zumindest zu hoffen – ist der Austausch eines einzigen Wortes in § 119b SGB V, der aus einer »Kann-«- eine »Soll«-Bestimmung macht. Eine Pflegeeinrichtung kann damit das Versorgungsgeschehen nachhaltig verbessern, wenn sie die in § 119 b SGB V eingeforderten Kooperationsverträge zwischen Pflegeheimen und vertragsärztlichen Leistungserbringern nicht nur formal (also auf dem Papier) in die Wege leitet, sondern dadurch das Versorgungsgeschehen aktiv organisatorisch und qualitativ mitbestimmt. Die Formulierung »einzeln oder gemeinsam« eröffnet einen weiteren Grad der aktiven Vernetzung, den es dringend zu nutzen gilt, da er nicht nur für den ärztlichen Leistungserbringer Synergien zeitigt, sondern für Pflegeinrichtungen ganz neue Horizonte eröffnet, denkt man nur an die Erarbeitung regionaler Standards der Palliative Care oder der Pflegeüberleitung u. v. m.

»§ 119b wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 wird das Wort ›können‹ durch das Wort ›sollen‹ ersetzt.«

Damit ergibt sich folgender Wortlaut einer für die Zukunft der Versorgung bedeutsamen Regelung:

»(1) Stationäre Pflegeeinrichtungen sollen einzeln oder gemeinsam bei entsprechendem Bedarf unbeschadet des § 75 Abs. 1 Kooperationsverträge mit dafür geeigneten vertragsärztlichen Leistungserbringern schließen. […]. Soll die Versorgung der pflegebedürftigen Versicherten durch einen in mehreren Pflegeeinrichtungen angestellten Arzt erfolgen, ist der angestellte Arzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der pflegebedürftigen Versicherten in den Pflegeeinrichtungen zu ermächtigen. […]«

Eine Herausforderung und Chance zu gleichen Teilen bildet die mit dem § 132g neu ins SGB V eingefügte Regelung der »Gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase«, die erstmals auch eine für die Pflegeeinrichtungen vergütungsrelevante Komponente enthält und zukünftig hoffentlich nicht nur deshalb von besonderem Interesse sein wird, stellt sie doch eine wesentliche Neuerung, die unter dem Fachbegriff »Advance Care Planning« bereits vielfach Eingang in die Literatur gefunden hat, dar:

»§ 132g Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase

(1) Zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen können den Versicherten in den Einrichtungen eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten. Versicherte sollen über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase beraten werden, und ihnen sollen Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung aufgezeigt werden. Im Rahmen einer Fallbesprechung soll nach den individuellen Bedürfnissen des Versicherten insbesondere auf medizinische Abläufe in der letzten Lebensphase und während des Sterbeprozesses eingegangen, sollen mögliche Notfallsituationen besprochen und geeignete einzelne Maßnahmen der palliativ-medizinischen, palliativ-pflegerischen und psychosozialen Versorgung dargestellt werden. Die Fallbesprechung kann bei wesentlicher Änderung des Versorgungs- oder Pflegebedarfs auch mehrfach angeboten werden.

(2) In die Fallbesprechung ist der den Versicherten behandelnde Hausarzt oder sonstige Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Absatz 1 Satz 1 einzubeziehen. Auf Wunsch des Versicherten sind Angehörige und weitere Vertrauenspersonen zu beteiligen. Für mögliche Notfallsituationen soll die erforderliche Übergabe des Versicherten an relevante Rettungsdienste und Krankenhäuser vorbereitet werden.