Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann - Clara Schießle - E-Book

Palliative Versorgung und Begleitung schwer erkrankter Kinder und ihrer Familien. Wenn ein Kind nicht mehr geheilt werden kann E-Book

Clara Schießle

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Beschreibung

In unserer heutigen Gesellschaft ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod noch immer tabuisiert, weshalb häufig Hilflosigkeit in der Kommunikation über das Thema besteht. Wenig präsent ist die Tatsache, dass auch Kinder und Jugendliche an schweren und unheilbaren Erkrankungen leiden und einer palliativen Pflege bedürfen. Welche Aufgaben und Ziele haben die Pädiatrische Palliative Care (PPC) und die Kinderhospizarbeit? Welche Bedeutung hat die Soziale Arbeit in diesem Zusammenhang? Wie erleben betroffene Kinder, ihre Familien und Geschwister lebensverkürzende Erkrankungen und wie können Kinderhospizdienste sie begleiten und unterstützen? Clara Schießle befasst sich ausführlich mit der palliativen Versorgung und Begleitung von Kindern und ihren Familien. Sie gibt einen kritischen Überblick über die Kinderhospizarbeit in Deutschland und benennt die Herausforderungen, die es noch zu bewältigen gilt. Aus dem Inhalt: - Tod und Trauer; - Trauerbegleitung; - Kinderhospizarbeit; - Pädiatrische Palliative Care; - Soziale Arbeit; - Öffentlichkeitsarbeit

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Pädiatrische Palliative Care und Kinderhospizarbeit

2.1 Begriffsdefinitionen

2.2 Historische Entwicklung der Kinderhospizarbeit

2.3 Aufgaben und Ziele

2.4 Grundsätze

2.5 Qualität in der Kinderhospizarbeit

2.6 Finanzierung und gesetzliche Grundlagen

2.7 Pädiatrische Palliative Care und Soziale Arbeit

3 Die Lebenssituation betroffener Kinder und Familien

3.1 Lebenslimitierende Erkrankungen im Kindesalter

3.2 Die Lebenssituation erkrankter Kinder

3.3 Verständnis von Tod in den Kindheitsphasen

3.3.1 Kinder bis zum sechsten Lebensjahr

3.3.2 Grundschulalter

3.3.3 Pubertät

3.4 Die Situation betroffener Familien

3.5 Die Situation der Geschwister

4 Begleitung von lebenslimitierend erkrankten Kindern

4.1 Stationäres Kinderhospiz

4.2 Ambulanter Kinderhospizdienst

5 Sterben, Tod und Trauer

5.1 Sterbe- und Trauerprozesse

5.2 Trauerbegleitung und Nachsorge

6 Fazit

7 Diskussion

Literaturverzeichnis

Anhänge

Abkürzungsverzeichnis

AAPV                           Allgemeine Ambulante Palliativversorgung

ACH                             Association of Children´s Hospices

ACT                              Association for Children with Life-Threatening or Terminal Conditions   and their Families

AGP                              Alter, Gesellschaft, Partizipation

DHPV                           Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V.

DKHV                          Deutscher Kinderhospizverein e.V.

EAPC                           European Association for Palliative Care

ICPCN                          International Children´s Palliative Care Network

IMPaCCT                     International Meeting for Palliative Care in Children, Trento

PCT                               Palliative-Care-Team

PPC                               Pädiatrische Palliative Care

QuinK                           Qualitätsindex für Kinder- und Jugendhospizarbeit

SAPPV                         Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung

SAPV                           Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

SDM                             Shared-Decision-Making

SPZ                               Sozialpädiatrische Zentren

1 Einleitung

Die palliative Versorgung und Begleitung von lebenslimitierend erkrankten Kindern ist in Deutschland ein bisher wenig erforschtes Thema. So wurde erstmals von 2007-2010 eine wissenschaftliche Untersuchung über die stationären und ambulanten Kinderhospizdienste in Deutschland durchgeführt (Jennessen et al. 2011). Außerdem liegt für die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit einer lebenslimitierenden Erkrankung keine offizielle Statistik vor. Aus diesen Gründen wird oftmals die Statistik aus England u.a. von Norman und Fraser 2014 aufgeführt und auf Deutschland umgerechnet. Demnach leiden ca. 50.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland an einer lebensverkürzenden Erkrankung. Ahrens 2007 und Jennessen et al. 2011 berichten von ungefähr 22.600 betroffenen Kindern. Von diesen sterben jährlich ca. 1500 Kinder. Diese ungenaue Statistik lässt sich darauf zurückführen, dass in Deutschland keine verlässlichen Daten zur Verfügung stehen.

Sterben und Tod wird in unserer heutigen Gesellschaft „radikal gekürzt, auf kurze Formen von Abschied nehmen und Begräbnis reduziert, Zeichen der Trauer werden in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen“ (Leyendecker und Lammers 2001, S. 9). So ist es verständlich, dass viele Menschen die Auseinandersetzung mit diesen Themen verdrängen. Für eine umfassende Lebens- und Sterbebegleitung ist eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben jedoch „eine unabdingbare Voraussetzung“ (Leyendecker 2008, S. 14). Aufgrund der häufigen Tabuisierung dieser Themen in der Gesellschaft herrscht diesbezüglich oftmals Sprachlosigkeit und Verunsicherung, und es besteht Hilflosigkeit in der Kommunikation hierüber. Die öffentliche Tabuisierung des Todes ist auch darauf zurückzuführen, dass das Sterben institutionalisiert wurde und viele Menschen keine direkte Erfahrung mit sterbenden Menschen mehr machen. Insbesondere die Hospizbewegung fördert jedoch die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod, ermöglicht ein erfülltes Sterben und Abschiednehmen durch intensive Sterbe- und Trauerbegleitung (Leyendecker und Lammers 2001). „Nur derjenige, der in der Vorstellung oder im bewussten Erleben den Phänomenen von Krankheit, Leiden, Sterben und Tod nicht ausgewichen ist, wird fähig sein, ein Kind im Sterben zu begleiten“ (ebd. 2001, S. 206). Auch das Thema Kindheit und Tod stellt in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema dar. So ist es „immer noch wenig präsent, dass auch Kinder und Jugendliche an schweren und unheilbaren Erkrankungen leiden und einer palliativen Versorgung und Pflege bedürfen“ (Oetting-Roß 2019, S. 138). Die Kinderhospizarbeit in Deutschland hat sich seit ihrer Gründung 1990 kontinuierlich weiterentwickelt. Sie „setzt sich zusammen aus stationären Kinderhospizen, ambulanten Kinderhospizdiensten, Fort- und Weiterbildungsangeboten sowie jeweils spezifischen Angebotsformen für die lebensverkürzend erkrankten Kinder/Jugendlichen, ihre Eltern und Geschwister und die professionellen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (Jennessen et al. 2011, S. 11). Lebenslimitierend erkrankte und sterbende Kinder zu begleiten und den Trauerweg mitzugehen bzw. zu gestalten, stellt eine große und wichtige Herausforderung dar. Die Betreuung und Versorgung lebenslimitierend erkrankter Kinder erfordert viel Kraft und Zeit. Der Ausbau und die Stärkung von Versorgungsstrukturen im Land, insbesondere der medizinischen und psychosozialen Hilfen, stellt ein unverzichtbares Thema dar, auch wenn in den letzten Jahren bereits Versorgungslücken geschlossen wurden, z.B. durch den Ausbau von Kinderhospizdiensten.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der palliativen Versorgung und Begleitung von Kindern und ihren Familien. Dabei werden im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen der Pädiatrischen Palliative Care (PPC) und der Kinderhospizarbeit erläutert. PPC stellt ein ganzheitliches Angebot von der Diagnosestellung bis über den Tod hinaus für die gesamte Familie dar. Neben wichtigen Begriffen ist die Darstellung der historischen Entwicklung der Kinderhospizarbeit für das Verständnis der Bedeutung dieser Dienste für betroffene Familien unumgänglich. Die Kinderhospizbewegung ist ein noch relativ junges Feld und wird in einem Rückblick bis heute dargestellt. Mithilfe intensiver Literaturrecherche werden die relevanten Aufgaben, Ziele und Grundsätze der Kinderhospizarbeit benannt. Diese sind Wegweiser für die Begleitung. In der Fachliteratur wird zunehmend der Qualitätsgedanke im Bereich der Kinderhospizarbeit aufgegriffen. Wichtige Leitlinien und Standards werden in Kapitel 2.5 erläutert (und zum Teil im Anhang aufgeführt), ehe der Fokus auf die Finanzierung und die gesetzlichen Grundlagen gelegt wird. Zum Abschluss des zweiten Kapitels folgt ein Einblick in die Bedeutung der Sozialen Arbeit für die Pädiatrische Palliative Care. Dies ist insofern wichtig, da die Soziale Arbeit in diesem Bereich häufig „missachtet“ wird und doch wertvolle Aufgaben leisten kann.

Im Fokus des dritten Kapitels steht die besondere Lebenssituation der betroffenen Kinder, Familien und der Geschwister. Die separate Thematisierung der Geschwister erfolgt aus dem Grund, da diese eine oft vergessene Zielgruppe darstellen und der Ausbau von Geschwisterangeboten notwendig ist. Da es unzureichend Forschungen zu den Perspektiven der Betroffenen gibt, wird die vorhandene Fachliteratur ausgewertet. Die mir vorliegenden bereits bestehenden relevanten Forschungsarbeiten werden erläutert. Darüber hinaus werden zum besseren Verständnis in Kapitel 3.1 die vier Gruppen der lebenslimitierenden Erkrankungen im Kindesalter erläutert, in Kapitel 3.3 wird auf die Todeskonzepte von Kindern eingegangen. 

Im vierten Kapitel dieser Arbeit werden die Begleitungsmöglichkeiten aufgezeigt und dabei die Unterstützungsangebote, die Aufgaben einer ganzheitlichen Begleitung sowie erforderliche Kompetenzen für die Begleitung eingehender behandelt. Der Fokus wird dann auf die stationären Kinderhospize (Kapitel 4.1) und auf die ambulanten Kinderhospizdienste (Kapitel 4.2) gelegt.

Das darauffolgende Kapitel befasst sich mit dem Sterbeprozess des Kindes und den Trauerprozessen innerhalb der Familie. Es ist wichtig, dass die Versorgung und Begleitung der Familie nicht mit dem Tod des Kindes endet. Somit wird in Kapitel 5.2 die Bedeutung der Trauerbegleitung und der Nachsorge erläutert.

Daraufhin folgt das Fazit dieser Arbeit. In der anschließenden Diskussion werden die erarbeiteten Erkenntnisse aus den vorhergegangenen Kapiteln kritisch aufgegriffen und Schlussfolgerungen für die Versorgung und Begleitung der Kinder und ihrer Familien gezogen. Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die ausführliche und kritische Darstellung der Kinderhospizarbeit in Deutschland, der Begleitung und Versorgung der Kinder und ihrer Familien.

2 Pädiatrische Palliative Care und Kinderhospizarbeit

Pädiatrische Palliative Care stellt ein umfangreiches Konzept und Angebot für betroffene Kinder, Jugendliche und die Familie dar, in dem nicht die Krankheiten, sondern die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen (Streuli et al. 2018). Es werden hierbei gemeinsam Lösungen und Handlungsmöglichkeiten mit allen Beteiligten erarbeitet, um eine optimale Betreuung und Begleitung ab der Diagnosestellung einer lebensverkürzenden Erkrankung bis über den Tod des Kindes hinaus zu gewährleisten. Im Zentrum der PPC/Kinderhospizarbeit steht dabei die Lebensqualität der gesamten Familie sowie die ganzheitliche Unterstützung in allen Phasen der Krankheit und des Sterbens. Das interdisziplinäre Palliative-Care-Team (PCT) steht bei Entscheidungsschwierigkeiten bis hin zu Therapieabwägungen qualitativ beratend und unterstützend zur Seite. Auch Fragestellungen hinsichtlich Verständigungsschwierigkeiten bei Diagnosestellungen, Behandlungen, Nebenwirkungen etc. können durch die PPC-Betreuung geklärt werden. PPC kann in die vier Abschnitte Diagnosestellung, Leben mit der Erkrankung, Sterbebegleitung und Trauerbegleitung eingeteilt werden (ebd. 2018).

2.1 Begriffsdefinitionen

Im folgenden Kapitel werden einige ausgewählte wichtige Begriffe definiert.

Palliativ bedeutet Mantel (lat. pallium) und meint im medizinischen Sinne die Phase, in der nicht mehr die Heilung der Krankheit (kurative Zielrichtung), sondern die Linderung der Krankheitssymptome und die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund steht (Bergsträsser 2014). Die Palliativversorgung von Kindern ist jedoch auch möglich, wenn noch kurative Ziele bestehen. „Kurative Medizin und Palliativmedizin unterscheiden sich nicht durch ihr Ziel, sondern durch die Mittel, mit denen das gemeinsame Ziel der Lebensqualität unter den gegebenen Umständen am besten erreicht werden kann“ (Rellensmann 2013, S. 40).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Palliativversorgung als „ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“ (WHO 2002). Palliativversorgung beinhaltet demnach „die Schmerztherapie, Symptomkontrolle und die psychosoziale Unterstützung des Patienten und seiner Familie“ (Jennessen et al. 2011, S. 168). Auch wird dieser Begriff häufig als Kollektivum für die Gesamtheit der palliativen Medizin und Pflege und für die ganzheitliche psychosoziale Sterbebegleitung verwendet (Jennessen et al. 2011; Zernikow et al. 2013). „Unter den Begriff der Sterbebegleitung fallen Maßnahmen zur Pflege, Betreuung und Behandlung von Symptomen von Sterbenden“ (Likar und Traar 2014, S. 113).

Die WHO definiert die Palliativversorgung für Kinder separat zur allgemeinen Palliativversorgung folgendermaßen: „Die Palliativversorgung von Kindern umfasst die aktive Betreuung der körperlichen, geistigen und spirituellen Bedürfnisse des Kindes vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an und schließt die Unterstützung der Familie mit ein. Die Versorgenden müssen die körperlichen und psychosozialen Leiden des Kindes erkennen und lindern. Eine effektive Palliativversorgung benötigt einen multidisziplinären Ansatz, der die Familie einbezieht und regionale Unterstützungsangebote nutzbar macht“ (WHO 1998).

End-of-Life-Care stützt sich auf die Palliative Care, meint jedoch die Versorgung in der Terminalphase des Erkrankten (Jennessen et al. 2011). Palliative Care findet jedoch nicht erst am Lebensende statt und kann bereits bei noch kurativer Zielsetzung eingesetzt werden (Trachsel 2018). Respite Care ist ein aus den USA und Großbritannien stammendes Konzept und „beinhaltet entlastende, kurzzeitige Pflege mit dem Ziel, häusliche Pflegesituationen zu stabilisieren und zu erhalten“ (Jennessen et al. 2011, S. 217). Dieses Konzept beinhaltet sowohl Haushaltshilfen sowie Entlastungsaufenthalte im Kinderhospiz etc. (Wingenfeld und Mikula 2002).

Lebensverkürzende Erkrankungen beziehen sich auf unheilbare Erkrankungen. Lebensbedrohliche Krankheiten haben kurative Therapiemöglichkeiten, diese können jedoch scheitern (Flood 2014). Der Begriff der lebenslimitierenden Erkrankung wird oft parallel verwendet zu den Begriffen lebensverkürzend oder progredient erkrankte Kinder und Jugendliche. Ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass das Kind sich schon im Endstadium befindet, wird dieser Zustand als final/terminal bezeichnet (Jennessen et al. 2011). „Neue belastende Symptome kommen hinzu. Komplikationen und Nebenwirkungen von Behandlungen treten durch die Schwäche und fehlende Abwehr vermehrt auf“ (Sitte 2018, S. 163). Nicht heilbar sind Erkrankungen, die nicht durch medizinische Maßnahmen geheilt werden können. Fortschreitende Erkrankungen bedeuten, dass der Verlauf nicht aufgehalten werden kann.

Weit fortgeschritten sind Erkrankungen, wenn bereits die psychosoziale Betreuung, Verbesserung der Lebensqualität und die Symptomverbesserung im Vordergrund stehen (Fachverband SAPV Hessen 2015).

2.2 Historische Entwicklung der Kinderhospizarbeit

Hospiz bedeutet Herberge (lat. „hospitium“) und möchte sterbenden Menschen ein würdevolles Sterben ermöglichen, auch mithilfe psychologischen, sozialen und spirituellen Begleitungsangeboten (Wingenfeld und Mikula 2002). Der Hospizgedanke „Beistehen und Begleiten“ aus dem Mittelalter soll sterbenden Menschen ein Zuhause bieten (Müller-Busch 2014). Die Hospizidee beruht auf vier Säulen: Palliative Medizin, Palliative Pflege, Psychosoziale Begleitung und Spirituelle Begleitung (Stähli 2004). Die Hospizbewegung kann „als Idee und Engagement verstanden werden, das Sterben wieder in das gesellschaftliche Leben und Miteinander zu integrieren“ (Müller-Busch 2014, S. 37). So wie die allgemeine Hospizbewegung in England entstand (Cicely Saunders gründete 1967 das St. Christhopher´s Hospice in London), stammt auch die Idee der Kinderhospizarbeit aus England. Dort entstand die Kinderhospizbewegung 1978, und 1982 wurde weltweit das erste Kinderhospiz „Helen House“ in Oxford von Frances Domenica eröffnet (Jennessen et al. 2011). Mehr als 50 weitere Kinderhospize folgten in England im Laufe der Zeit. „Helen House opened and was soon to be cited as a shining example of how gravely-ill children and their families could be cared for and supported. It was to blaze a trail in the provision of hospice care for children and young adults” (Worswick 1993, S. 160). Das Helen House gilt nach wie vor als Orientierung für Kinderhospize weltweit (Wingenfeld und Mikula 2002). „Helen House would make more families with very ill children feel able to take on the job of caring for their children at home, by providing backup support, a safety-net always in place […] to give them confidence as they walked the emotional and practical tightrope that long-term caring so often is” (Worswick 1993, S. 162 f.). Auch in Deutschland gelten stationäre Kinderhospize als Stütze für die ambulante Begleitung, da das Primat der häuslichen Versorgung einen Grundsatz der Kinderhospizarbeit darstellt[1]. Seit 1994 werden in England ambulante Kinderhospizdienste („hospice at home“) angeboten (Jennessen et al. 2011). In Deutschland besteht seit 1990 eine Kinderhospizbewegung. In diesen vergangenen 30 Jahren hat sich im Bereich der Kinderhospizarbeit einiges getan und entwickelt. Auf diese Entwicklungen soll im Folgenden Bezug genommen werden.

Im Jahre 1990 formierten sich sechs Elternpaare betroffener Kinder in Deutschland, ausgehend von ihren Erfahrungen, dass das Sterben von Kindern in der Öffentlichkeit tabuisiert ist und ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse nicht beachtet werden (ebd. 2011). Mit der damaligen Gründung des Deutschen Kinderhospizvereins e.V. (DKHV) wurde ein Meilenstein gelegt, um die Entwicklung der Kinderhospizarbeit in gutem Sinne voranzutreiben und insbesondere auch die ambulante Versorgung und Begleitung, Entlastung, Unterstützung und weitere Angebote anzubieten. Das erste Kinderhospiz „Balthasar“ in Deutschland wurde im Jahre 1998 in Olpe eröffnet. Hiermit war das erste Hauptziel des DKHV erreicht. In Kirchheim/Teck wurde 1999 der erste ambulante Kinderhospizdienst ins Leben gerufen. Mit der Gründung des Bundesverbands Kinderhospiz e.V. im Jahre 2002 kam eine weitere Organisation hinzu (ebd. 2011). „Er ist der Zusammenschluss aller maßgeblichen ambulanten und stationären Kinderhospize und Kinderhospizinitiativen in Deutschland“ (Ahrens 2007, S. 123). Sein Ziel ist die Vernetzung der Kinderhospizarbeit, Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und die Sicherung von Qualitätsstandards. 2005 gründete der DKHV die Deutsche Kinderhospizakademie. In dieser werden u.a. neue Konzepte für Seminare ausgearbeitet, z.B. Familienseminare (ebd. 2007). Die Deutsche Kinderhospizakademie veranstaltet jährlich mehr als 50 Seminare für lebenslimitierend erkrankte Kinder, Familien, Haupt- und Ehrenamtliche sowie für alle Interessierten. Außerdem organisiert sie das alle zwei Jahre stattfindende Kinderhospizforum, Ferienfreizeiten etc. (Deutscher Kinderhospizverein e.V. 2015). 2009 wurde ebenso in Olpe das erste Jugendhospiz eröffnet, so wie auch in England eigene Jugendhospize existieren, um diesen jungen Menschen einen Ort anbieten zu können, an dem individuell auf ihre Lebenslage eingegangen werden kann, die sich von denen der Kinder unterscheidet. Während 2004 lediglich sechs ambulante Kinderhospizdienste zur Verfügung standen, waren es ein Jahr später – 2005 – bereits 25. Heute existieren 17 stationäre Kinder- und Jugendhospize. Des Weiteren gibt es weit über 150 ambulante Kinderhospizdienste in Deutschland (Deutscher Kinderhospizverein e.V. 2015). Der 10. Februar ist seit 2007 der „Tag der Kinderhospizarbeit“ (Jennessen et al. 2011, S. 50).

2.3 Aufgaben und Ziele

Die wichtigste Aufgabe der Kinderhospizarbeit stellt die individuelle Betreuung, Versorgung und Begleitung des kranken Kindes und seiner Angehörigen ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung bis über den Tod hinaus dar. Diese Aufgabe umfasst sowohl die medizinsch-therapeutische, pflegerische, spirituelle und psychsosoziale Begleitung sowie die Sterbe- und Trauerbegleitung (ebd. 2011). Dabei muss die Begleitung „bedürfnisorientiert, individuell, ganzheitlich“ (Hurth et al. 2015, S. 185) sein. Die weiteren Aufgaben sind u.a. Fortbildungen für alle Haupt- und Ehrenamtlichen, Kooperation mit anderen Einrichtungen und Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit (Student et al. 2016). Bergsträsser sieht jedoch den Aspekt, dass Palliative Care bereits schon ab der Diagnosestellung eines Kindes in Betracht kommt, für die Eltern als sehr herausfordernd an, da diese zunächst mit der Diagnose überfordert seien und nicht zugleich etwas von „palliativ“ hören möchten und dieses Konzept evtl. erst einmal abwehren könnten (Bergsträsser 2014). Daher fordert sie eine palliative Betreuung erst dann zu starten, sobald eine umfassende Begleitung unausweichlich ist (ebd. 2014).

Das übergeordnete Ziel von Kinderhospizarbeit stellt die Verbesserung der Lebensqualität der gesamten Familie dar. Durch die kontinuierliche Unterstützung durch ein interdisziplinäres Team muss sichergestellt werden, dass die Angebote auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie ausgerichtet sind. Hierfür benötigen alle Beteiligte umfangreiches Wissen über PPC. Diese Angebote können durch die gegenseitige Ergänzung von stationärer und ambulanter Kinderhospizarbeit spezifiziert werden (Jennessen et al. 2011). Stationäre Kinderhospize dienen insbesondere der „Entlastung und Entspannung in einer anderen als der alltäglichen Umgebung, während die ambulanten Angebote den Familien alltagsnahe Entlastung in ihrem gewohnten Umfeld ermöglichen“ (ebd. 2011, S. 52).  Des Weiteren hat der DKHV sowie auch der Bundesverband Kinderhospiz e.V. das Ziel, mithilfe finanzieller Absicherung die ambulanten und stationären Kinderhospizdienste immer weiter auszubauen, kontinuierlich zu verbessern und stärker miteinander zu vernetzen, inklusive einer besseren Vernetzung und Kooperation aller Beteiligten. Ebenso steht auch das Ziel, die Themen Krankheit, Sterben und Tod von Kindern mehr in die Öffentlichkeit zu tragen und das Tabu hierbei zu überwinden, im Fokus (ebd. 2011). Da der Großteil der stationären und ambulanten Angebote der Kinderhospizarbeit über Spenden finanziert wird, spielt auch hier die Öffentlichkeitsarbeit eine sehr wichtige Rolle. Auch die Gewinnung von Ehrenamtlichen kann durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit gelingen (ebd. 2011).

Grundlagen der Aufgaben und Ziele von Palliative Care sind demnach die umfassende, frühestmögliche Versorgung und Symptomlinderung, die durch multiprofessionelle Zusammenarbeit gewährleistet werden soll, welche sich durch eine entsprechende ganzheitliche Haltung gegenüber dem Patienten und seiner Familie (systemische Betrachtung) sowie durch eine 24h/7d Rufbereitschaft auszeichnet (Fachverband SAPV Hessen 2015). Die ganzheitliche Versorgung umfasst somit:

· Körperliche Aspekte: z.B. Schmerzmessung, Medikation, medizinische und pflegerische Maßnahmen

· Psychische Aspekte: z.B. Stärkung der Ressourcen, Bewältigungsstrategien, Gesprächsangebote

· Soziale Aspekte: z.B. Verbesserung der Lebenssituation, Unterstützungsmöglichkeiten

· Spirituelle und ethische Aspekte: z.B. Achtung aller Religionen und Einstellungen (ebd. 2015).

2.4 Grundsätze

Die Kinderhospizarbeit handelt nach dem Grundsatz, dass eine palliative Versorgung des Kindes möglichst zu Hause in gewohnter Umgebung stattfinden soll. Dieser Grundsatz „Primat der häuslichen Versorgung“ nimmt Rücksicht auf die Bedeutung der zusätzlichen Belastung des schwer kranken Kindes durch eine Trennung von seinen Bezugspersonen (Wingenfeld und Mikula 2002; Jennessen et al. 2011). Ein weiterer Grundsatz der Kinderhospizarbeit stellt der Fokus auf die gesamte Familie des erkrankten Kindes dar, insbesondere auf die Verbesserung deren Lebensqualität (Streuli et al. 2018). Bei der Kinderhospizarbeit geht es nicht nur um die Versorgung und Begleitung des betroffenen Kindes, sondern um die der ganzen Familie und seines Umfeldes (Jennessen et al. 2011). Dies bedeutet insbesondere die weitere Begleitung der Familie in ihrer Trauerarbeit nach dem Tod des Kindes und impliziert die Anerkennung der Eltern als Fachleute und Experten ihrer eigenen Kinder (Jennessen et al. 2011; Müller 2018). Es benötigt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem multiprofessionellen Team und der gesamten Familie (Swallow et al. 2011). „Professionelle Hospizkompetenz setzt sich somit aus der Trias Wissen, Können und Haltung zusammen“ (Jennessen et al. 2011, S. 54). Pädiatrische Palliativversorgung hat auf das Recht der Selbstbestimmung des Kindes und seiner Familie zu achten und auf die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen einzugehen (Zernikow et al. 2013).

Auch sollte die Palliativversorgung des betroffenen Kindes Rücksicht auf den Wunsch des Ortes nehmen, an dem diese stattfinden soll (Hessisches Netzwerk Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene 2015). Sie handelt nach dem Grundsatz ambulant vor stationär, leistet Öffentlichkeitsarbeit, steht der Familie kostenfrei zur Verfügung und sieht die ganze Familie als „Experten für ihre Belange“ (Bruhn und Blümke 2014, S. 51).

Die Kennzeichen guter Hospizarbeit sind folgende:

· Im Mittelpunkt steht der sterbende Mensch und seine Angehörigen

· Ein multiprofessionelles Team steht zur Verfügung

· Ehrenamtliche erbringen wertvolle alltägliche Aufgaben

· Gute Symptomkontrolle

· Kontinuität der Fürsorge (Student et al. 2016).

2.5 Qualität in der Kinderhospizarbeit