Panzerjäger in der Normandie Feuertaufe der 17. SS-Panzergrenadier-Division "Götz von Berlichingen" - Wolfgang Wallenda - E-Book

Panzerjäger in der Normandie Feuertaufe der 17. SS-Panzergrenadier-Division "Götz von Berlichingen" E-Book

Wolfgang Wallenda

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Beschreibung

Juni 1944. Die Landung der Alliierten in der Normandie war erfolgreich. In der Stadt Carentan sollen sich die US-Soldaten der beiden Landungsabschnitte Utah-Beach und Omaha-Beach vereinigen. Panzerjäger der frisch aufgestellten 17. SS-Panzergrenadier-Division "Götz von Berlichingen" erhalten ihre Feuertaufe. Sie werden ins Kampfgebiet beordert, um die dort eingesetzten Fallschirmjäger im Kampf gegen die amerikanischen Truppen zu unterstützten. Der 13. Juni 1944 wird zum Schicksalstag vieler Soldaten beider Seiten.

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„Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“

Dwight D. Eisenhower US-amerikanischer General und Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa, 34. Präsident der USA

Bis auf historische Persönlichkeiten sind alle Namen frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.

Vorwort:

Die 17. Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“ bestand ca. zu zwei Dritteln aus jungen Männern der Geburtsjahre 1924 bis 1927. So wie ich, gerieten auch sie in Hitlers Kriegsmaschinerie.

Die Waffen-SS lockte mit heroischen Werbeschildern, auf denen stattliche Soldaten zu sehen waren. Darunter las man Sprüche wie: „Deutsche Jugend meldet sich freiwillig zur Waffen-SS“ oder „Auch du zur Leibstandarte Adolf Hitler“ Eintritt ab dem vollendeten 17. Lebensjahr

Gutes und Böses wurden der Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz in die Wiege gelegt. Auch wenn die böse Seite dominiert, ist es am Ende die Gute, die stets triumphiert.

Ich hatte das Pech, in einer turbulenten Zeit an einem Ort geboren zu werden, an dem das Böse gerade dabei war, sich unter die Menschen zu mischen. Im Jahr 1924 erblickte ich in Stettin (heute Scezin/PL) das Licht der Welt. Fünf Jahre zuvor war der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen und eine Krise jagte die nächste im besiegten Deutschland.

Diesen Umstand machte sich das Böse zunutze. Adolf Hitler und ein paar seiner Getreuen gründeten 1923 die NSDAP. Durch ihre weitgreifend adressatendifferenzierte Propaganda gelang es der Partei, eine breite Wählergemeinschaft anzusprechen und für sich zu gewinnen. Mit falschen Versprechungen, Gewalt, List und Tücke gelangten sie schließlich an die Macht.

Durch die Gleichschaltung der Medien wurde die Masse des Volkes permanent mit dem nationalsozialistischen Gedankengut gefüttert. Lügen, Betrug am Volk und immer wieder Gewalt manifestierten die Macht der Nazis. Widerstand wurde im Keim erstickt, das Volk mit den perfiden Gedanken der Nationalsozialisten infiziert. Mit glühenden Reden wurde Hass gegenüber dem gesät, der anders war. Unaufhaltsam lief die Kriegsmaschinerie an. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges öffnete der Teufel die Pforten zur Hölle.

Wie viele andere Millionen Deutsche war auch ich seit meiner Jugend von der Nazi-Politik fasziniert. Die uniformierten Waffen-Paraden, die abenteuerlichen Unternehmungen bei der Hitler-Jugend, die absolute Kameradschaft zwischen den Burschen und letztendlich die vorgegaukelte heile Welt hatten mich erst schleichend und irgendwann vollends in den Bann des nationalsozialistischen Gedankenguts gezogen.

Die sog. Jugenddienstpflicht (Hitler-Jugend „HJ“ für die Jungen bzw. Bund Deutscher Mädels „BDM“ für die weiblichen Jugendlichen) betraf alle Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren und war seit Anfang 1939 gesetzlich geregelt. In der nach dem Führerprinzip (die Organisation ordnet sich ohne Einschränkungen den Entscheidungen ihres Führers unter) geordneten HJ standen sowohl körperliche als auch ideologische Schulungen auf dem Tagesprogramm. Aus den Kindern von „heute“ wurden bereits die Soldaten von „morgen“ geformt. Ein Leitspruch der HJ lautete: „Was sind wir? Pimpfe! Was wollen wir werden? Soldaten!“

So folgte ich dem Ruf des Führers, folgte dem Fingerwink eines skrupellosen Diktators, der es geschafft hatte, sich mit seinen Ideen in meinen Kopf zu schleichen und mein Gehirn auszuschalten. Das Gift der Nationalsozialisten hatte mich im Denken und Handeln gelähmt. Ich glaubte das, was man mir erzählte. Ich war davon überzeugt, dass wir die Schmach von Versailles überwunden hatten. Die waffenlose Heimführung des Sudetenlandes und der Anschluss Österreichs bestätigten den Erfolgskurs Hitlers.

Die jahrelange Hatz in den Medien gegen das Judentum, gegen Zigeuner, der Kampf gegen den Bolschewismus und alles andere, das nicht in die heroische Nazi-Welt passte, verinnerlichte sich. Wir wurden diesbezüglich auf beiden Augen blind. Wir waren das, was wir sein sollten. Gefügige Marionetten, die für das Deutsche Reich alles geben würden. Auch ihr Leben.

Hans Gruber Veteran des Ostfeldzugs und langjähriger russischer Kriegsgefangener Auszug aus seinen Kriegsmemoiren: „Zwischen Tod und Stacheldraht“

Die Nacht von Montag, 5. Juni 1944 auf Dienstag, 6. Juni 1944 war kalt, windig und regnerisch. Über dem aufgewühlten Atlantik kämpfte sich die größte Armada der Neuzeit durch teils meterhohe Wellen. Das Ziel dieser gigantischen Flotte hieß Normandie.

Schlachtschiffe mit ihren schweren Geschützen fuhren neben Kreuzern, Truppentransportern und Zerstörern. Schnellboote patrouillierten neben Ausflugsdampfern, die zu Lazarettschiffen umfunktioniert worden waren. Minenräumer kreuzten aufmerksam zwischen den großen Landungsschiffen umher, deren Bäuche bis zum Bersten vollgeladen waren.

Aufgrund der Wetterlage hatten die Steuermänner der rund 2000 kleinen Landungsboote enorme Probleme, ihren Kurs zu halten. Das Landing Craft-Vehicle-Personnel (LCVP), nach seinem Erfinder Andrew J. Higgins ugs. auch Higgins-Boot genannt, war 11 Meter lang, 3,30 Meter breit, hatte einen Tiefgang von maximal 90 Zentimetern und war alles andere als einfach zu steuern. Die Landungsboote wurden zum Spielball des Wetters und des Meeres.

Die Ladeflächen der kastenförmigen Kähne waren mit bis zu 30 Soldaten oder entsprechend viel Material unterschiedlichster Art vollgepfercht. Jeder Quadratzentimeter wurde genutzt. Zwei Maschinengewehre dienten zum Schutz.

An Bord roch es nach Salzwasser, Waffenöl, Chemikalien, mit denen die Uniformen der Soldaten imprägniert worden waren und nach Erbrochenem. Grund für die massenhaft herumschleichende Übelkeit waren die enorme innere Anspannung der Männer und der schwere Seegang.

Über den ca. 7000 Schiffen dröhnten die Motoren von nahezu 11.000 Flugzeugen. Bomber sollten der Landungsflotte den Weg ebnen. Abfangjäger zogen schützend ihre Kreise. In Transportmaschinen und Lastenseglern saßen Fallschirmjäger, deren Aufgabe es war, im Hinterland der Küstenregion abzuspringen, um strategisch wichtige Punkte zu besetzen.

Unter dem Decknamen Operation Overlord, hatte das größte Landeunternehmen der Menschheitsgeschichte begonnen. Die Invasion der Alliierten in Europa. 150.000 Soldaten unterschiedlicher Nationen führten den ersten entscheidenden Schlag dieser Landungsoperation durch.

Die Landungszonen trugen die Codenamen Juno, Omaha, Utah, Sword und Gold. Hinzu kamen die Batteriestellung Pointe du Hoc, die sich zwischen Utah Beach und Omaha Beach befand, sowie die diversen Ziele der Luftlandeeinheiten.

Die Alliierten strömten an den Stränden der Normandie an Land. Funkmeldungen überschlugen sich. Drähte und Spulen liefen heiß. Melder rasten umher, Telefone schrillten endlos. Meldung über Meldung flatterte auf die Tische der kommandierenden Offiziere. Jede neu eintreffende Nachricht war niederschmetternder als die vorherige.

An der normannischen Küste hatten sich die Pforten zur Hölle geöffnet. Granaten und Minen detonierten. Ihre Splitter und Schrapnells wuchteten gegen Bunkerwände und Panzersperren, aber auch gegen Schiffswände und in die Körper der Soldaten. Maschinengewehrsalven peitschten gnadenlos gegen die landenden Männer. Ihre Projektile bohrten sich in alles, was ihnen im Weg stand.

Strände und Meer färbten sich blutig rot. Tausende Männer fanden in den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 den Soldatentod. Sie ertranken, wurden erschossen oder von Granaten zerfetzt. Ihre stummen Körper ließen sowohl den anlandenden Truppen als auch den Verteidigern das Blut in den Adern gefrieren.

Nachrichtenleute gaben erschreckende Informationen weiter. Sie sprachen über Kommandounternehmen im Hinterland, über massenhafte Fliegerattacken und berichteten von unzähligen Schiffen, die scheinbar ohne Ende Soldaten und Ausrüstung aus ihren Bäuchen pumpten.

Es war unglaublich. Es ereignete sich genau das, was nie hätte passieren dürfen. Etwas, das keiner für möglich gehalten hatte. Die Festung Europa wurde erstürmt.

„Sie kommen“, waren zwei Worte, die jedem Landser das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auch der Unterführer vom Dienst, der am 6. Juni 1944 seine Kameraden weckte, benutzte sie. „Sie kommen! Es geht los!“

Es war genau dieser Wortlaut, der gegen die Ohren des schlafenden Oberscharführers knallte und ihn aus seinen Träumen riss.

Der UvD rüttelte an Dillers Schulter. „Sie kommen!“, wurde wiederholt. Panik lag in der sich überschlagenden Stimme des Unterscharführers.

„Wer?“, hatte Diller im Halbschlaf gebrummt und die schweren Augenlider nach oben gezogen.

„Wach auf Diller! Sie kommen!“, wurde wiederholt.

Der Oberscharführer war augenblicklich hellwach. Er registrierte die Sorgen im Blick des UvD und ahnte Schlimmstes. Es fing wieder an. Er sollte keine Ruhe haben. Der Krieg holte mit seiner kalten Pranke aus, um sie kraftvoll auf ihn niederzuschmettern. Für einen Moment raubte es dem Oberscharführer den Atem. Er musste sich kurz besinnen. „Wer?“, fragte er ein zweites Mal.

„Die Amis und die Engländer und wer weiß noch, welche Nationen sie an Land werfen“, haspelte sein Kamerad. Verwirrtheit, Angst und Unglauben waren in diesem Satz vereint.

Diller setzte sich auf. „In Ordnung. Ich komme.“

Der UvD verließ hastig den Raum.

Die letzten Monate schweiften gedanklich am Oberscharführer vorüber. Er wusste, dass dieser Tag kommen würde. Er hatte sich stets davor gefürchtet. Er hoffte auf eine lange Ruhephase, doch diese beiden Worte: Sie kommen - zerstörten den Traum vom ruhigen Soldatenleben in Frankreich.

Der Oberscharführer hatte in Russland gekämpft, wurde verwundet und hatte nach seiner Genesung die Versetzung zur neu aufgestellten 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“ beantragt. Dem Wunsch wurde stattgegeben. Beinahe lächelnd war er nach Frankreich gereist. Wenn er an die Ostfront dachte, hatte Diller das berühmte Zitat des Namensgebers der neuen Division auf den Lippen.

Der alte Johann Wolfgang von Goethe hatte ihn unsterblich gemacht, den Ritter, der im Kampf eine Hand verlor und sie durch eine geschmiedete eiserne Faust ersetzen ließ. Das berühmte Götz-Zitat aus dem Stück Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand lautet:

Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!

Diller hatte damals genug von Russland, genug vom Kämpfen und genug vom Töten. Zumindest eine Zeit lang wollte er dem Elend des Krieges entkommen. Der Dienst in Frankreich wurde von den Soldaten, die an der Ostfront dienten, mit Dauerurlaub verglichen. Sie lagen damit nicht falsch.

Jetzt war er von einem aufgedrehten UvD, dessen Augen unverkennbar Bestürzung ausdrückten, geweckt worden.

Der Fuhrpark der Einheit stand für ein schnelles Abrücken bereit. Oberscharführer Diller ging mit gemischten Gefühlen die Fahrzeugreihe ab. Zwischen ihrer Alarmierung und dem Herstellen der Abmarschbereitschaft waren schon mehr als 24 Stunden vergangen. Das Warten zerrte an den Nerven der Männer. Alte Haudegen wussten was die Stunde geschlagen hatte. Sie waren allerdings verwundert, weil es nicht sofort losging. Ein paar von ihnen nutzten die Wartezeit, um wichtige Dinge zu organisieren, die im Einsatz nicht fehlen durften. Eine Sache stand auf der internen Schwarzmarktliste ganz oben. Treibstoff.

Auch Diller besorgte gemeinsam mit einer Handvoll auserlesener Männer entsprechend Nachschub. Es war pure Erfahrung, gepaart mit Dreistigkeit, die sie zum Organisieren in die Nachschublager gehen ließen. Um auf dem Weg zum Einsatzort mit den Fahrzeugen nicht aufgrund Spritmangels liegen zu bleiben, und um im Ernstfall über ausreichend Munition zu verfügen, wurden noch offene Gefallen einlöst, diverse Schulden eingefordert oder aber die richtigen Leute bestochen. Das kleine Netzwerk des Schwarzhandels funktionierte auch innerhalb der Waffen-SS ganz gut.

Diller war zufrieden. Seit letzter Nacht waren die Fahrzeuge vollgetankt und jeder Fahrer hatte sich ausreichend mit Reservekanistern eingedeckt. Zusätzlich waren ein paar extra Kisten mit Munition und Sprengstoff besorgt worden. Und auch der Küchenbulle hatte unter der Hand einiges an Kaltverpflegung rausgerückt.

Der Oberscharführer suchte das Gespräch mit seinen Männern. Er wollte ihnen etwas von der unterschwellig vorhandenen Nervosität nehmen. „Alles klar?“, fragte er einen der Fahrer, der rauchend neben dem Lastwagen stand.

Kopfschütteln. „In der Normandie brennt es gewaltig und wir sind die Feuerwehr, doch wir hocken nur dumm herum und warten.“

„Das stimmt! Wir sollten bald zum Löschen fahren“, antwortete dessen Nebenmann euphorisch.

Diller schob sich ein Drops in den Mund. „Das werden wir noch früh genug.“ Er ging weiter.

Der junge SS-Mann am Fahrzeug dahinter hantierte gerade an der Beleuchtung herum und moserte. „Typisch Barras. Kaum sitzt man nur herum und wartet aufs Abrücken, rennt einer von den Schleifern herum und erteilt Befehle.“

Sein Nebenmann gab ihm recht. „Als ob die Fahrer das nicht alleine hinbekommen! Der Kommiss ist und bleibt einfach der Kommiss!“

„Richtig. Denen war die Ausbildung zu kurz. Sie hätten uns am liebsten den ganzen Sommer über die Wiesen robben lassen. Und sogar während wir auf den Marschbefehl warten, schicken sie uns einen Schleifer, um uns zu drangsalieren. Es ist gerade so, als wüssten wir nicht, wie man die Lichter einstellt.“

Ihnen war befohlen worden, sowohl die Tarnscheinwerfer als auch die Abstands-Rücklichter an den Lastwagen anzubringen. Zugund Gruppenführer hatten das anschließend zu prüfen.

Diller hatte das Gespräch mitbekommen. „Beruhigt euch. Ich weiß, dass ihr das ordentlich macht. Seit der Feind gelandet ist, sind eben alle nervös. Der große Brigadeführer genauso, wie der kleine Oberschütze. Vergesst nicht, dass es für die meisten Männer unserer Einheit der erste Fronteinsatz ist“, kommentierte er und ging zum nächsten Fahrzeug, ohne auf eine Antwort zu warten.

Ein prüfender Blick folgte. „Stellung auf H“, sagte er zu dem Mann hinterm Lenkrad des Opel Blitz. „Es ist Vollmond, deshalb brauchen wir in der Kolonne kein Licht. Nur die Abstandsrücklichter müssen zu sehen sein, damit der Hintermann nicht auffährt“, erklärte er dem jungen Soldaten.

„Ich dachte, wir fahren auf Stellung V 1?“, wollte der Fahrer argumentieren, wurde aber schnell eines Besseren belehrt.

„Dann kannst du den alliierten Fliegern gleich eine Einladungskarte schicken! Jeder auch noch so kleine Fehler kann den Tod bedeuten!“

Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, wurde der Schalter umgelegt.

Diller gehörte zu den Landsern, die ohne Vorbehalte von allen Dienstgraden geachtet wurde. Die 17- und 18-jährigen Rekruten salutierten blass vor Ehrfurcht, wenn er an ihnen vorüberschritt. Die Offiziere respektierten ihn.

Als er zur 17. Panzergrenadier-Division Götz von Berlichingen stieß, war sein Ruf längst vorausgeeilt. Kein Wunder, denn er war mit dem Panzervernichtungsabzeichen, der silbernen Nahkampfspange, dem Eisernen Kreuzen I und II sowie dem Infanterie-Sturmabzeichen ausgezeichnet worden. Zudem hatte er die Ostmedaille sowie das Demjansk-Schild verliehen bekommen. Jeder wusste, dass Diller im Einsatz bis zum Äußersten ging.

Längst machten Gerüchte die Runde, die ihn als harten, unnachgiebigen, russenhassenden Soldaten bezeichneten. „Er soll mal nachts in ein Dorf gegangen sein. Nach zwei Stunden kam er zurück. Als das Dorf am nächsten Tag von Infanteristen eingenommen wurde, fanden sie mehr als zwanzig tote Iwans. Alle mit dem Messer …“

„Ich habe gehört, dass er so kräftig sein soll, dass er im Nahkampf einen jungen Russen an den Beinen gepackt und wie eine Keule herumgeschwungen haben soll! So lange, bis alle Angreifer erschlagen waren.“

Das war natürlich alles Humbug. Nicht eine dieser Geschichten war wahr. Dennoch, in den Gedanken der Landser glich Diller optisch einem wilden Piraten oder Raubritter. Er verkörperte für sie den wahren Götz von Berlichingen, der mit eiserner Faust dem Feind das Fürchten lehrte. Der Mythos des großgewachsenen, vor Muskeln strotzenden Helden verbreitete sich genau bis zu dem Tag, an dem er ankam.

Als er zum ersten Mal vor den Männern stand, erntete er erstaunte Blicke. Der Blondschopf erfüllte gerade mal die Mindestgröße für die Waffen-SS und war von ganz normaler Statur. Ein paar Narben gingen im sympathischen Lächeln des freundlich wirkenden Gesichts unter. Die Augen des Oberscharführers waren stechend blau. An seiner rechten Hand trug er einen Ehering, verlor jedoch nie ein Wort über seine Frau oder Familie.

Die Fähigkeiten des Russlandveteranen kristallisierten sich auf dem Truppenübungsplatz in Frankreich schnell heraus. Diller las regelrecht im Gelände. Er ging bei den Manöverübungen stets taktisch klug vor und schlug sinngemäß erbarmungslos zu, sobald sich eine Gelegenheit bot. Dillers Art Krieg zu führen sprach sich blitzschnell herum. Es dauerte nicht lange bis der Bataillons-Chef, Hauptsturmführer Brennauer, den Oberscharführer und dessen Kompanieführer, Untersturmführer Langemann, zu sich kommen ließ.

„Treten Sie ein, meine Herren“, hatte Brennauer beide vor einigen Wochen begrüßt. Er deutete auf zwei Stühle. „Bitte nehmen Sie doch Platz.“ Der Bataillonsführer war offensichtlich bester Laune.

Seine beiden Gäste setzten sich. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee hing in der Luft. Brennauer folgte Langemanns Blick, der sich an der Kanne fing.

„Darf ich Ihnen etwas einschenken?“, fragte der Hauptsturmführer höflich. „Ist frisch gebrüht. Den Kaffee hat unser Sturmscharführer Glöcker persönlich zubereitet. Ein guter Mann!“

Trotz der freundlichen Begrüßung, wirkte der Offizier auf Diller arrogant. Der Hauptsturmführer strahlte etwas von dem aus, was in unteren Dienstgradkreisen verhasst war. Es wurde im Kern als preußisches Offiziersgehabe bezeichnet und erinnerte an das vor Jahren aus dem deutschen Militär verbannte Drei-Klassen-Denken. Kurzum, der Bataillonsführer war streckenweise überheblich.

„Sehr gern“, antwortete Langemann.

Diller schloss sich an. „Für mich bitte auch.“

Brennauer griff zu der mit Blumen verzierten Kanne, aus deren Tülle heller Dampf quoll. Die Tassen standen bereits auf dem Tisch. Nachdem eingeschenkt war, stellte der Offizier die Kanne ab und ging zu einem Wandschrank. Er öffnete ein Türchen und holte eine Flasche heraus. „Ein Schuss Cognac kann nicht schaden“, lächelte er und ging zurück zum Tisch. Brennauer setzte sich und öffnete den Branntwein. Er goss, ohne zu fragen, etwas davon in jede Kaffeetasse. „Das habe ich von den Franzosen gelernt“, erklärte der Bataillonskommandeur. Seine Tasse wanderte an die Lippen. „Die Franzmänner wissen, was gut ist.“ Er nahm einen zweiten Schluck, stellte die Tasse zurück auf den Tisch und sah nacheinander die beiden Soldaten an. „Ich möchte gleich zur Sache kommen. Oberscharführer Diller, Ihr soldatischer Werdegang hat mich beeindruckt. Ich möchte in meinem Bataillon etwas Neues aufstellen und dabei habe ich auch an Sie gedacht.“

Langemann und Diller waren erstaunt. Neugierig hörten sie den Ausführungen des Bataillonsführers zu.

„Ich möchte eine kleine, aber schlagkräftige Panzernahkampftruppe aufstellen. Ich meine nicht im üblichen Sinn Infanteristen, die man schnell zusammenführt, wenn es an der HKL brennt. Ich möchte sozusagen ein paar Männer z.b.V. in meinen Reihen wissen, die sich mit dem Zerstören von Feindpanzern auskennen. Spezialisten! Die divisionseigene Panzerjäger-Kompanie ist nicht immer vor Ort, wenn man sie braucht.“

„Das ist richtig“, ließ Langemann verlauten, „aber hier im Westen ist es ruhig. So ist das doch eher von sekundärer Bedeutung.“

„Nur vorübergehend“, winkte Brennauer ab. „Wer weiß, wie lange wir im Westen bleiben? Ich möchte gerüstet sein, wenn es soweit ist. Der Krieg wird im Osten entschieden, meine Herren. Die Festung Europa ist nicht einzunehmen!“

Hier war sie wieder, diese überhebliche Art, die Diller nicht mochte.

Brenner schob Falttafeln über den Tisch. „Dieses Lehrmaterial ist für den Panzernahkampf herausgegeben worden. Sehr gutes Hilfsmaterial. Hier drin finden Sie außerordentlich gute Bilder und Beschreibungen der wichtigsten Feindpanzer in Ost und West. Stärke, Bewaffnung, Schwachstellen usw. Alles drin“, sagte er, griff zu einem weiteren Schriftstück und hielt es hoch. „Das ist eine Ergänzung zur Heeresdienstvorschrift 469/4 Ziffern 44-48“, schob er im militärischen Lehr-Ton nach. „Ein Anhalt für die Gliederung und Ausrüstung eines Panzernahkampftrupps. Diller, Sie sollen für mich die besten Leute aus dem Bataillon heraussuchen und unter dem Kommando von Untersturmführer Langemann zu knallharten Panzerjägern ausbilden!“

Der Oberscharführer schwieg. Er verzog keine Miene. Langemann hingegen räusperte sich. „Wo sollen die Männer angegliedert werden? Normalerweise …“

„Wir brechen mit der Normalität, Langemann. Mein erster Wunsch, einen ganzen Zug Panzernahkämpfer pro Kompanie aufzustellen, wurde vom Regimentskommandeur abgelehnt. Er ist der Ansicht, dass man eine bewährte Struktur nicht abändern muss. Allerdings gestand er mir zu, dass ich zumindest in einer Kompanie einen Probelauf starten kann. Langemann, Sie werden die schwere Kompanie übernehmen. Obersturmführer Wieland ist aufgrund seines schweren Autounfalls nach wie vor dienstunfähig. Wie Sie es anstellen ist mir egal. Sie können erst eine kleine Gruppe Panzerjäger aufstellen oder von mir aus auch einen ganzen Zug. Es bleibt Ihnen überlassen. Was sagen Sie dazu?“

Langemann nickte. „Ich könnte mir das schon vorstellen.“

„Lassen Sie uns langsam beginnen! Das Stammpersonal ist unterbesetzt. In jeder Gruppe befinden sich vielleicht ein oder zwei Rottenführer oder Sturmmänner mit Erfahrung. Alle anderen sind junge Rekruten im Altersdurchschnitt von 18 oder 19 Jahren. Mehr als die Hälfte der Männer sind keine zwanzig Jahre alt“, warf Diller ein. Er versuchte ruhig und sachlich zu klingen, obwohl er innerlich brodelte.

Der Bataillonskommandeur tat den Einwand mit einer lässigen Handbewegung ab. „Es sind ausgebildete Soldaten der Waffen-SS!“

Diller registrierte, dass der Hauptsturmführer diesbezüglich eingefahren zu sein schien. Er versuchte anders zu argumentieren. „Wer in einem Panzernahkampftrupp effektiv Dienst verrichten möchte, braucht gute Nerven, richtigen Schneid und Sinn für Taktik“, begann der Oberscharführer grundlegend zu erklären. „Die Männer müssen sowohl die panzerbrechenden Waffen beherrschen als auch fähig sein, in der Gruppe zu arbeiten. In Russland mussten wir zwar auch im Alleingang Panzer bekämpfen, doch am effektivsten war der Einsatz von Gruppen mit einer Stärke von drei bis vier Mann. Einer gibt den Ton an. Er ist der Truppführer. Dann benötigt man einen Blender, einen Panzerzerstörer, das muss ein Soldat mit Drahtseilnerven sein. Und zur Bekämpfung der feindlichen Begleitinfanterie wird ein Sicherer benötigt.“

Brennauer hatte aufmerksam zugehört und antwortete: „Sie dürfen die Männer selbst auswählen. Freie Wahl im gesamten Bataillon! Finden Sie die richtigen Männer und bilden Sie sie zu dieser schlagkräftigen Gruppe aus, von der sie gerade erzählt haben. Wenn Probleme auftreten, melden Sie sich unverzüglich bei mir.“

Der Auftrag war klar definiert. Es gab keinen Kompromiss, keine Alternativen, keine Verzögerung.

„Wir brauchen auch die nötigen Waffen dafür“, schob Diller in der Hoffnung nach, die junge Division würde noch nicht darüber verfügen.

Brennauer leerte seine Tasse mit zwei kräftigen Zügen und stellte sie wieder auf den Tisch. „Schreiben Sie eine Liste. Ich werde sie persönlich an den Waffenmeister weitergeben, dann funktioniert das auch.“

Das war vor sechs Wochen. Seither verrichtete Diller Dienst in der 4. Kompanie. Eine ganze Woche verbrachte der Russlandveteran auf den Übungsplätzen, um die Grenadiere zu beobachten und kennenzulernen. Immer wieder notierte er Namen, strich sie wieder von der Liste, führte Gespräche und fällte, gemeinsam mit Untersturmführer Langemann, Entscheidungen. Freiwilligkeit wurde groß geschrieben. Übermäßigen Enthusiasmus, wie er in der SS-Division Hitlerjugend vorherrschte, versuchte er zu vermeiden. Einmal beobachtete er zwei junge Soldaten. Beide schienen gut für die künftige Aufgabe geeignet zu sein. Diller ging zu beiden hin und unterhielt sich mit ihnen. Am Ende stellte er die Frage: „Warum sind Sie zur Waffen-SS gegangen?“

Einer antwortete: „Weil ich zur Elite gehören und mit meinem Leben unseren Führer, das deutsche Volk und unser Vaterland verteidigen möchte.“

Der andere sagte: „Weil ich nach dem Krieg studieren kann, was ich möchte.“

Diller entschied sich für den zweiten jungen Grenadier. Schließlich stand die Zusammensetzung der Gruppe fest. Aus einer Vielzahl von Freiwilligen wurden letztendlich fünf Schützen, ein Oberschütze, zwei Sturmmänner und ein Rottenführer ausgewählt. Alle besaßen nach Ansicht des erfahrenen Oberscharführers die nötigen Eigenschaften, um ein erfolgreicher Panzerjäger werden zu können.

Angegliedert wurden seine Panzerbekämpfer dem 3. MG-Zug. Dieser war unterbesetzt und bestand aus nur einer Gruppe. Für eine zweite Gruppe fehlten zwei schwere Maschinengewehre 42. Eine Auffüllung durch Dillers Männer lag demnach auf der Hand. Der Oberscharführer wurde als Zugführer eingesetzt und führte somit neben seinen Panzerbekämpfern auch die MG-Gruppe mit den beiden schweren Maschinengewehren.

Signatur Bild 101I-495-3435-35A Archivtitel Frankreich.- Soldat (der Waffen-SS?) einem Kameraden beim Befestigen seines Mantels / Ponchos helfend; PK Lfl 3 Datierung 1944 Sommer Fotograf Engelmann Quelle Bundesarchiv

Sowohl im Lehrsaal als auch auf dem Übungsgelände versuchte der fronterfahrene Soldat, die Gruppe so gut wie möglich auszubilden.

„Wenn wir eine Linie halten, ist die Panzerabwehr tief gestaffelt. Das bedeutet, dass wir erstens über mindestens drei Schützenlöcher pro Mann verfügen. Zweitens überall zugriffsbereit unsere Waffen deponiert sind und wir uns drittens auch dort aufhalten, wo man nicht mit Panzern rechnet!“

Mit diesem einleitenden Satz begann seine erste Unterrichtsstunde.

Die Männer arbeiteten gut mit. Diller war zufrieden. Keiner muckte auf, niemandem war die Schinderei auf dem Manöveracker zu anstrengend. Tagsüber wurde gedrillt, abends gebüffelt. Der Oberscharführer verlangte von jedem, dass er die wichtigsten Feindpanzer, deren Bewaffnung, Besatzungszahl und Schwachpunkte in- und auswendig kannte.

„Beachtet die Windrichtung, wenn ihr Nebelgranaten werft“, wies er mehrfach an. Im Manöver wusste es jeder, doch im Kampf herrschte pure Panik. Dann wurden Dinge, die nicht eingedrillt waren, leider oft falsch gemacht. Das konnte Leben kosten.

„Denkt für den Fall, dass ihr Brandmittel einsetzen müsst, an trockene Streichhölzer, noch besser sind gefüllte Sturmfeuerzeuge“, mahnte der Russlandkämpfer.

Diller hätte sich wesentlich mehr Zeit erbeten, doch die Landung der Alliierten machte ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Also wurde eine Art Prüfung vorgezogen. Die Ergebnisse des theoretischen Unterrichts waren hervorragend. Was die Praxis betraf, war der Ausbilder mit seiner Gruppe zufrieden. Was ihm Sorgen bereitete, war die Frage, wie die Leute sich im Feld bewähren würden. Keine einzige Übung war mit einem Einsatz auf dem Schlachtfeld vergleichbar. Diller fragte sich, wie die jungen Männer reagieren würden, wenn sie unter Beschuss lagen und links und rechts Granaten detonierten. Hatten sie die Nerven auszuharren, um sich im richtigen Moment aus der Deckung zu lösen und anzugreifen? Konnten sie sich den Panzern nähern, wenn MG-Garben über ihre Köpfe hinweg zischten? Waren sie nervenstark genug in Deckung zu bleiben, wenn eine stählerne Wand mit dröhnendem Motor und lautem Kettengerassel auf sie zu walzte oder würden sie vor einem heranrollenden Panzer Reißaus nehmen? Bis auf den Rottenführer hatte bisher keiner der Landser auch nur einen einzigen Tag Fronterfahrung gesammelt.

Als Diller den Auftrag zur Aufstellung einer Panzerjägergruppe erhalten hatte, glaubte er fest daran, nichts anderes als Kanonenfutter für die Front zu formen. Erst während der Ausbildung war ihm der verhaltene Enthusiasmus der Freiwilligen aufgefallen. Sie wuchsen im Deutschen Reich auf. Alle hatten bereits in der Hitlerjugend eine vormilitärische Ausbildung genossen. Sie waren jung, stolz und auf Deutschland eingeschworen.

Der vorherrschende Zeitgeist hatte Besitz von ihnen ergriffen. Zumindest vom Gros der Truppe. Der Oberscharführer hatte es mit jungen Soldaten zu tun, die den Glauben besaßen, für eine gerechte Sache in den Krieg zu ziehen, um ihre Heimat und ihre Familien zu verteidigen. Sie waren Kinder des Nazi-Regimes. Dennoch gehörten die von Diller ausgewählten Soldaten zu denen, die seiner Ansicht nach nicht blinden Gehorsam und glühende Einsatzbereitschaft zeigten, sondern besonnen und gezielt dachten, sprachen und handelten. Genau aus diesem Grund hatte er die stille Hoffnung, seine Leute durchzubringen.

Nach vier Wochen veranstaltete der Oberscharführer einen geselligen Abend und gewährte den Männern zu später Stunde das Duzen. „Männer, wir sind ein Haufen, eine Gruppe und Kameraden. Es wird zwar noch etwas dauern, aber irgendwann trifft auch unser Marschbefehl ein. Dann ziehen wir Schulter an Schulter ins Feld und sind aufeinander angewiesen. Dienstrang hin, Dienstrang her. Wir sitzen im gleichen Boot und ab jetzt duzen wir uns!“

So etwas wie Stolz lag in den Gesichtern der jungen Soldaten.

„Wie heißen Sie mit Vornamen?“, fragte einer der Schützen.

„Nennt mich einfach Diller. Ich kann meinen Vornamen nicht leiden! Außerdem sind wir jetzt per du! Wer mich noch einmal siezt, spendiert einen Schnaps!“

„Dürfen wir den Vornamen trotzdem erfahren?“

Der Oberscharführer grinste breit. „Karl-Otto! Und weil ich schon in der Schule immer einer der schnellsten war, wurde ich oft flotter Otto genannt.“

Sie fingen an zu lachen.

Diller stand auf. Er kniff seine Augen zusammen und ließ seinen Blick schweifen. Es war, als ob er die Männer mit einem Karabiner anvisierte. Augenblicklich starb das Gelächter ab. „Und genau aus diesem Grund habe ich meinen Vornamen auf ewig verbannt! Wer mich mit meinem Vornamen anspricht, wird künftig nichts mehr zu lachen haben!“

Knisternde Spannung lag im Raum. Keiner wagte es auch nur einen einzigen Mucks zu machen, bis Diller sich nicht mehr beherrschen konnte und laut losprustete. Er lachte schallend und meinte: „Ii-ihr hättet mal eure Gesichter sehen sollen … ha ha ha …“

Das Eis zwischen dem Oberscharführer und seiner Gruppe war vollends gebrochen. Der Abend verlief feuchtfröhlich. Aber dennoch wagte es keiner der Soldaten jemals, den Vornamen ihres Zugführers auszusprechen. Zumindest nicht, wenn er sich in der Nähe befand.

Am 7. Juni 1944 war es soweit. Generalfeldmarschall von Rundstedts Stab erteilte die Freigabe der immer noch zurückgehaltenen Reservetruppen, die südlich der Loire und in der Bretagne stationiert waren. In der Normandie tobte zwischenzeitlich ein erbittertes Ringen um jeden Quadratmeter Boden. Während die Alliierten versuchten ihre Landeköpfe auszudehnen, stemmten sich ihnen die deutschen Truppen entgegen.

Mit Eintreffen des Abmarschbefehls setzten sich die seit Invasionsbeginn in Alarmbereitschaft befindlichen jungen Männer der Götz von Berlichingen in Bewegung. Die neue SS-Division musste sich an der Front bewähren. Für viele von ihnen sollte es ein Marsch in den Tod werden.

Die ersten Truppenteile der Division hatten sich bereits am frühen Morgen des 7. Juni 1944 auf den Weg ins Invasionsgebiet gemacht. Das schubweise Abrücken hatte einen Grund. Es gab zu wenig Fahrzeuge. Um die Grenadiere transportieren zu können, mussten etliche Lastwagen requiriert werden. Zudem arbeiteten die Werkstatt-Kompanien auf Hochtouren, um alles auf die Straße zu bringen, was reparaturbedürftig herumstand.

Mit Einbruch der Dunkelheit würde auch Dillers Bataillon den Stützpunkt südlich der Loire in Richtung Normandie verlassen. Die Lage war katastrophal. Es standen nicht nur zu wenig Lastwagen zur Verfügung, es fehlten auch moderne Panzer. Diese befanden sich noch im Reich und warteten auf ihren Transport zur Truppe. Auch die Sturmgeschütze waren rar. Nur ein Regiment konnte zufriedenstellend ausgerüstet werden.

Dillers Kompanie gehörte zu einem gut ausstaffierten Bataillon.

Was dieser Umstand zu bedeuten hatte, war dem erfahrenen Oberscharführer klar. Wer die beste Ausrüstung besaß, wurde zuerst im Kampfgebiet eingesetzt.

Er ging zum vorletzten Lastwagen und prüfte, ob alles in Ordnung war. Zufrieden klopfte er dem Fahrer auf die Schulter. „Gut gemacht.“

Am letzten Fahrzeug, einem Steyr 1500-A Mannschaftswagen, stand Klaus Förster. Er hatte vor zwei Tagen seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert und war der jüngste SS-Mann der Panzerjägergruppe. Förster war schlank, wirkte auch in der Uniform immer noch wie ein Schuljunge, hatte aber nach Ansicht Dillers die richtige Einstellung und Befähigung gezeigt.

„Besser er als ein Draufgänger, der nicht lange leben wird“, hatte er zu Langemann gesagt, der einverstanden war.

Nachdem die Tarnbeleuchtung kontrolliert war, stellte sich Diller neben den blutjungen Landser. Zeitgleich knallte der Fahrer des Steyr, Herbert Radolz, die Tür zu. „Perfekt! Von mir aus können wir abfahren“, stieß er aus und rieb sich die Hände. Er gesellte sich zu Diller und Klaus Förster.

„Zigarette?“, fragte Diller in die Runde. Er hielt eine Packung filterloser Eckstein in den Händen und schnippte mit den Fingern auf den Boden der Packung. Drei Zigaretten rutschten ein Stück weit heraus.

Förster war gedankenversunken und hatte die Frage nicht verstanden. „Wie bitte?“

„Zigarette?“, wiederholte Diller.

Radolz griff zu. „Aber immer doch“, grinste er.

Der Sturmmann war ein Soldat, wie man ihn sich vorstellte. Er schien immer gut gelaunt zu sein, hatte wachsame Augen, die ausdrückten, dass er mit allen Wassern gewaschen war und ließ sich nie in die Karten sehen. Einem wie Herbert Radolz konnte man als Kamerad blind vertrauen. Diller war froh, so einen Kerl in der Gruppe zu haben. In Russland waren es Männer wie dieser Sturmmann, die dafür