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Matthias Stiehler geht nach seinem erfolgreichen Buch »Partnerschaft ist einfach« nun der Frage nach, wie unzufriedenen, verunsicherten und ratlosen Paaren geholfen werden kann. Er greift dabei auf seine langjährigen Erfahrungen in der Paarberatung zurück. Sein Resümee: Partnerschaften verlaufen in der Realität meist anders als gewünscht. Aber wichtiger noch: Es braucht für die Entwicklung eines guten Miteinanders auch andere Einsichten und Wege, als es sich die meisten vorstellen. Neue Sichtweisen zu entwickeln und eine lebendige Partnerschaft zu befördern, ist die Aufgabe von Paarberatung. Wie das geht, wird in dem Buch an zahlreichen Beispielen und Themen aufgezeigt. »Partnerschaft geht anders« ist ein ehrliches Buch. Es beschönigt nichts, zeigt Möglichkeiten, aber auch Grenzen von Paarberatung und Partnerschaft auf. Vor allem aber verdeutlicht es, dass auftretende Schwierigkeiten eine Chance für die Beziehung sind. Dafür dürfen sie nicht ignoriert oder auf die lange Bank geschoben werden. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen.
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Seitenzahl: 169
Veröffentlichungsjahr: 2018
Matthias Stiehler
»Partnerschaft geht anders«
Matthias Stiehler
Partnerschaft geht anders
Mit Paarberatung zu einem guten Miteinander
Matthias Stiehler, »Partnerschaft geht anders«
© 2018 Matthias Stiehler
www.matthias-stiehler.de
Umschlaggestaltung: Andreas Tampe
Foto: Sabine Stiehler
Druck und Distribution: tredition GmbH,
An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
ISBN 978-3-7469-6069-2 (Paperback)
ISBN 978-3-7469-6070-8 (Hardcover)
ISBN 978-3-7469-6071-5 (E-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Ich danke meiner Frau, Sabine Stiehler, für ihre Unterstützung beim Schreiben dieses Buches, für unsere Beratungsarbeit, die nicht nur anderen Paaren hilft, sondern auch unser Miteinander bereichert. Und ich danke ihr für mehr als dreißig gemeinsame Jahre.
Cover
Halbe Titelseite
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Wer weiß schon, wie Partnerschaft geht?
Unser Angebot
Paarberatung – je eher, desto besser
Es kann auch schon mal zu spät sein
Warten, bis es nicht mehr auszuhalten ist
Sich selbst ernstnehmen
Die eigene Verantwortung
Die schnelle Lösung
Gute Gründe, in eine Paarberatung zu gehen
Die gemeinsame Haltung
Wenn das Gemeinsame fehlt
Zusammenstehen, zusammengehen
Kreative Ideen
Kritische Lebensereignisse
Wenn sich die Träume (nicht) erfüllt haben
Die Zukunft in den Blick nehmen
Zwei Leben in einer Partnerschaft
Ich bin anders – du auch
Die eigene Logik
Noch einige Beispiele
Wenn Gefühle trügen
Paarberatung als Auslöser für eigene Kindheitserinnerungen
Begrenzungen akzeptieren lernen
Wenn der andere nicht so kann, wie ich es mir wünsche
Patchwork
Lebenserfahrung
Paarberatung als Trennungshilfe
Situationen, die eine Partnerschaft überfordern können
Wer aus Schaden nicht klug wird
Wenn Affekte über Jahre konserviert werden
Jugendliebe
Seitensprünge
Gründe, die gegen eine Paarberatung sprechen
Eine Außenbeziehung
Wenn es nicht um die Partnerschaft geht
Wenn die eigenen Anteile nicht gesehen werden
Es kann zu spät sein
Mit Paarberatung zu einem guten Miteinander
Was eine gute Partnerschaft ausmacht
Und wie Paarberatung dabei hilft
Partnerschaft ist einfach
Partnerschaft ist zweifach
Ist Gott noch zu retten?
Der Männerversteher
Väterlos
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Titelblatt
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Wer weiß schon, wie Partnerschaft geht?
Mit Paarberatung zu einem guten Miteinander
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Wer weiß schon, wie Partnerschaft geht?
Menschen sind eigenartig – insbesondere, wenn es um Partnerschaft geht. Die meisten wünschen sich eine leichte, innige und liebevolle Beziehung zu einem anderen Menschen. Es ist der Traum, der für viele das Leben erst lebenswert macht. Zugleich aber gibt es eine Scheu, sich wirklich mit dem zu befassen, was Partnerschaft ausmacht und was realistisch umsetzbar ist. Vielleicht besteht ja die Befürchtung, eine zu ernste Beschäftigung mit den eigenen Träumen und Vorstellungen könnte viele Illusionen zutage fördern, von denen ungern gelassen wird.
Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, dass in den Medien, aber auch in Alltagsgesprächen häufig von ›Pärchen‹ und nicht von ›Paaren‹ gesprochen wird? Ich habe in den vergangenen Jahren viele Menschen, die von ›Pärchen‹ sprachen, gefragt, was diese Verniedlichung bedeutet. Eine schlüssige Antwort konnte mir niemand geben. Häufig bekam ich zu hören, dass mit ›Pärchen‹ eine Zweierbeziehung gemeint ist, die noch am Anfang steht. Aber wenn man darauf achtet, merkt man schnell, dass dieser Begriff auch für ältere Paare verwendet wird. Meine Vermutung geht daher in eine andere Richtung: Der Begriff ›Paar‹ wird als zu ernst empfunden. Wenn jemand sagt: »Schau mal dieses Paar an.«, dann klingt das ganz anders, als wenn er sagt: »Schau mal dieses Pärchen an.« Es ist so, als würde der Ernsthaftigkeit die Spitze abgebrochen werden.
Ich glaube, dass sich hinter dieser verbreiteten Sprachweise die Scheu verbirgt, sich ernsthaft und vor allem nüchtern mit Partnerschaft zu befassen. Nach meinen langjährigen Erfahrungen als Paarberater aber wäre das wichtig und notwendig, um zu einem guten Miteinander zu gelangen. Dazu kann beispielsweise Paarberatung helfen. Und deswegen klingt es absurd, wenn von ›Pärchenberatung‹ gesprochen würde.
Wenn ich Sie mit diesem Buch auf eine Reise durch Partnerschaftsthemen mitnehme, dann möchte ich Sie daher gleich zu Beginn warnen: Es geht vielen verbreiteten Illusionen an den Kragen. Deswegen auch der Titel »Partnerschaft geht anders«. Er beinhaltet das Versprechen, dass von einigen lieb gewordenen Vorstellungen Abschied genommen wird. Das kann in der Tat manchmal unangenehm sein.
Sehr häufig besteht die Hoffnung, dass eine Partnerschaft einfach so gelingen möge. Das ist auch irgendwie zu verstehen: »Wir lieben uns doch!«, wird besonders in der ersten Zeit gesagt. »Was soll da nicht funktionieren? Da lassen wir uns nicht von kleinen Unstimmigkeiten aus der Bahn werfen.« Unterschiedliche Ansichten in manchen Alltagsthemen werden zurecht als normal empfunden, die keinesfalls die Partnerschaft infrage stellen. Solange beide im Miteinander bleiben und sich die meiste Zeit übereinander freuen, sollte das auch wirklich kein Problem sein.
Doch dann gewöhnen sich die Partner aneinander. Selbst das ist erst einmal nicht schlecht. Denn es ist schön, wenn sich ein Paar in guter Selbstverständlichkeit begegnet, sich das Leben erleichtert, lustvollen Sex hat und füreinander da ist. Aber die Selbstverständlichkeit führt allzu häufig dazu, den anderen aus dem Blick zu verlieren. Es wird dann nicht mehr – wie vielleicht anfangs – gestaunt, dass einem ein anderer Mensch so nah ist und einen auch noch gut und liebenswert findet. Der andere fällt vielmehr gerade dann auf, wenn er etwas tut, was stört oder gar ärgert. An viele Absprachen und Alltagsgewohnheiten, die Hilfe sind und füreinander geschehen, hat man sich dagegen gewöhnt und sie werden kaum noch wahrgenommen oder zumindest als normal angesehen. Und – um gleich einem Klischee vorzubeugen – es sind keinesfalls nur die Männer, die solch eine Ignoranz üben. Es sind Frauen, die sich ihrerseits jedoch häufiger über diesen Zustand beschweren.
Die Selbstverständlichkeit des anderen in der Partnerschaft ist einer der beiden Gründe, warum die anfänglich so positive Grundstimmung des Paares allmählich ins Gleichgültige und dann vielleicht sogar ins Negative kippt. Der zweite Grund liegt in den vielen kleinen Erlebnissen, die von einem oder beiden Partnern als negativ empfunden werden und die peu á peu das Gefühl des Miteinanders auflösen.
Solche Erlebnisse sind wie kleine Kieselsteine, die für sich genommen kaum der Rede wert sind. Aber sie lagern sich auf dem Grund der Partnerschaft ab und sammeln sich an. Allmählich wächst ein steiniger Haufen, der zunehmend das Miteinander beschwert. Die einzelnen Ereignisse an sich sind nicht das Problem, sondern es ist vielmehr die Tatsache, dass sie nicht rechtzeitig entsorgt werden. Wie oft kommen Paare zu uns in die Paarberatung und schildern Probleme, die für sich genommen lächerlich sind oder die sich doch zumindest schnell ausräumen lassen sollten. Doch das ist für sie meist nicht so einfach. Sie machen geltend, dass mit der Lösung des einen Problems nichts gewonnen sei. Es haben sich zu viele derartige Probleme angehäuft. Und das eine Problem wurde nicht deswegen geschildert, damit es gelöst wird, sondern um uns als Paarberatern zu verdeutlichen, wie sehr die Partnerschaft bereits gelitten hat. Es steht für die Gesamtheit der Schwierigkeiten.
Das Sammeln der Kieselsteine erschwert das gute Miteinander und macht letztlich eine Umkehr dieses Prozesses umso komplizierter, je mehr kleine Steine sich angehäuft haben und je mehr Zeit vergangen ist. Es ginge also darum, diesen Prozess gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Und dafür hat jedes Paar eigentlich alle Möglichkeiten. Der gute Beginn, der von liebevollem Miteinander geprägt ist, ist eine hervorragende Voraussetzung, es nicht so weit kommen zu lassen, dass die an sich unbedeutenden Schwierigkeiten und problematischen Erlebnisse belastend werden. Aber dafür muss aktiv etwas gegen die zunehmende Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber und gegen das Anhäufen der Kieselsteine getan werden. Doch hier kommt eine Tatsache zum Tragen, die selbst in unserer modernen und aufgeklärten Zeit die Gestaltung einer Partnerschaft deutlich erschwert: Es gibt kaum gute Vorbilder.
Heutzutage haben sich viele selbstverständliche Sichtweisen über Partnerschaft aus früheren Zeiten aufgelöst. Immer weniger wird stillschweigend hingenommen, wenn es nicht gut läuft. Scheidungen sind möglich, schnelle Trennungen sowieso. Es wird ein Recht auf Liebe eingeklagt – natürlich nicht gerichtlich, aber dennoch als konkrete Anforderung an das Leben. Die Sehnsucht nach einer glücklichen Beziehung ist größer denn je. Zugleich aber stellen viele Menschen fest, dass die meisten Beziehungen gar nicht so glücklich sind. Diese Beobachtung betrifft dann auch nicht nur die eigenen Versuche, sondern ebenso das, was im näheren Umfeld beobachtet wird.
Viele machen diese Erfahrungen bereits als Kinder bei ihren Eltern. In der Folge wollen sie es dann selbst natürlich besser machen. Aber wie soll das gehen, wenn man nur eine Negativfolie kennengelernt hat? Also wird mehr oder weniger bewusst umhergeschaut – zunächst bei den Eltern von Freunden, dann im Freundes- und Bekanntenkreis. Die meisten Menschen, die ich dazu frage, können mir schon das eine oder andere Paar nennen, das sie kennengelernt haben und das ihrer Meinung nach glücklich miteinander ist. Ich vermute zwar, dass dieser Eindruck oft täuscht. Es handelt sich manchmal mehr um den Wunsch des Betrachters als um die Realität. Kennen Sie auch die Äußerung über ein Paar, das sich getrennt hat: »Bei denen hätte ich das nicht gedacht.«? Doch natürlich gibt es glückliche Paare und jeder wird ihnen auch ab und an begegnen. Aber dann fehlt immer noch eine wichtige Information: Wie haben die das hinbekommen?
Die Vorstellung, dass das einfach so geht, ist unrealistisch. Mag sein, dass manche Menschen bessere Voraussetzungen für eine gute Beziehung mitbekommen haben als andere. Aber schon das zeigt, dass eine Beobachtung bei anderen nicht einfach so kopiert werden kann. Jeder muss seine eigenen Möglichkeiten und Begrenzungen in Betracht ziehen. Und dann sprechen alle meine Erfahrungen gegen die Hoffnung, ›es könne einfach so gelingen‹. Es mag nicht besonders romantisch klingen, aber eine glückliche Beziehung muss erarbeitet und immer wieder hergestellt werden. Wer demnach ein zufriedenes Paar sieht, sollte es zumindest fragen, wie es das erreicht hat und wie die Beteiligten mit den immer wieder auftauchenden Problemen umgehen. Wenn das Paar ehrlich und vor allem wirklich glücklich ist, wird es als erstes sagen, dass sein Glück nicht von Dauer ist. Es besteht bestenfalls in einem grundsätzlichen Wohlwollen, aus dem heraus liebevolle Momente entwickelt werden können. Eine glückliche Beziehung hat man nicht.
Wenn man also mit so einem Paar spricht, dann wird man keine Rezepte bekommen, die einfach so umgesetzt werden können. Vielmehr sind es bestenfalls Anregungen, die aber immer wieder mit den eigenen Möglichkeiten und dem eigenen Wollen abgeglichen werden müssen.
Paarberatung in diesem Sinne ist also keinesfalls nur professionelle Hilfe. Schon gar nicht ist sie der ›letzte Versuch‹, eine Partnerschaft zu retten, wenn sie eigentlich kaum noch zu retten ist. Paarberatung ist nach meinem Verständnis das Bemühen, die Möglichkeit positiver Partnerschaftsentwicklung aufzuzeigen und zu unterstützen. Sie sollte ein Bild malen, das den Hilfesuchenden Orientierung auf ihrem Weg gibt. Sie wäre damit im besten Sinne ›Vorbild‹.
Aus diesem Verständnis ergibt sich jedoch sofort ein Anspruch an diejenigen, die Paarberatung anbieten, egal ob professionell oder nicht: Sie können nur ein Bild aufzeigen, das sie selbst erlebt, erarbeitet und erlitten haben. Das ist übrigens auch der Grund, warum Filme und Fernsehserien kaum als Vorbild taugen. Sie verkünden vielleicht wichtige Wahrheiten. Sie sind jedoch nicht durch das reale Leben gesättigt. Dadurch können sie keine nachhaltige Wirkung entfalten – wenn es ihnen nicht ohnehin nur darum geht, mit dem Wecken von Sehnsüchten die Verkaufszahlen zu steigern.
Die Notwendigkeit von Paarberatung wird häufig als Niederlage empfunden. Das Ideal des Anfangs, man wisse schon, wie eine Partnerschaft hinzubekommen ist, wirkt auch dann noch. Viele fühlen sich bei Schwierigkeiten in der Partnerschaft als Versager und scheuen sich, dies auch noch anderen gegenüber zuzugeben. Dabei wird übersehen, dass es niemanden gibt, der ›es einfach so hinbekommt‹, auch nicht der oder die Paarberater selbst. Ein guter Paarberater ist jemand, der sich mit seinen eigenen Beziehungsproblemen auseinandergesetzt hat und das weiterhin tut. Hilfe ist nur dann möglich, wenn sowohl die Berater als auch die Ratsuchenden wissen, dass es ganz normal ist, Hilfe zu brauchen. Denn es fehlt in unserer Zeit an einem selbstverständlichen Wissen, wie Partnerschaft funktioniert.
Eigentlich ist das bereits ein Plädoyer für die Inanspruchnahme von Paarberatung gleich zu Beginn einer Partnerschaft – etwa im Sinne einer Partnerschaftsschule. Das wäre wirklich das Beste. Denn dann besteht die Aufgabe nicht darin, etwas wieder hinzubiegen, was bereits schlecht läuft. Es wäre vielmehr die Chance, gleich mit einer guten Vision und vor allem klaren Vorstellungen, wie diese umgesetzt werden können, das Projekt Partnerschaft zu beginnen. Aber solche Ideen sind meist illusorisch. Vermutlich muss man erst einmal mit den eigenen Ansprüchen ein wenig ins Straucheln geraten, ehe die Hürde genommen werden kann, andere um Hilfe zu bitten. Aber wenn das einige Zeit vor dem endgültigen Scheitern geschieht, wäre schon einiges gewonnen. Vielleicht nicht jeder Tag, aber zumindest jeder Monat, den man früher kommt, zählt.
Dieses Buch soll also zweierlei zeigen. Erstens: Eine Paarberatung in Anspruch zu nehmen ist normal und eigentlich immer besser, als dies nicht zu tun. Martin Luther sagte einmal: »Darum sind die allein unwürdig, die ihre Gebrechen nicht fühlen noch wollen Sünder sein.« Auf das Thema Partnerschaft bezogen heißt das, dass diejenigen Paare, die sich ihre Schwierigkeiten zugeben, näher an der Möglichkeit einer guten Partnerschaft sind, als diejenigen, die so tun, als wäre alles leicht und problemlos.
Und zweitens: Warten Sie nicht zu lange. Je eher Sie den Schritt gehen, an Ihrer Partnerschaft zu arbeiten, desto leichter wird es, das Notwendige zu tun. Sammeln Sie nicht erst zu viele Kieselsteine an!
Unser Angebot
Seit 2001 biete ich gemeinsam mit meiner Frau Paarberatungen an. Zwei Punkte machen die Besonderheit unseres Angebots aus. Zum einen leiten wir in unseren Hauptberufen Beratungsstellen, meine Frau im Studentenwerk und ich im Gesundheitsamt Dresden. Unsere gemeinsamen Paarberatungen sind daher ein nebenberufliches Angebot innerhalb des »Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V.«. Das bedeutet, dass wir mit unserem Angebot nicht unseren Lebensunterhalt verdienen müssen und somit auch nicht darauf angewiesen sind, die zu uns kommenden Paare länger als notwendig in der Beratung zu halten. Diese Situation der Freiheit wird dadurch begünstigt, dass die Anfragen unsere Kapazitäten bei weitem übersteigen.
Der zweite Punkt ist noch wichtiger: Wir bieten die Paarberatungen als Paar an. Es sitzen also nicht nur auf der einen Seite des Beratungssettings zwei Menschen, die sich mit ihren Problemen offenbaren. Auch die helfende Instanz ist ein Paar, das beim Beraten für die Ratsuchenden transparent wird.
Die Vorteile dieser Konstellation sind vielfältig. Zum einen begegnen wir bei hilfesuchenden Paaren häufig dem Misstrauen, die Beraterin oder der Berater könnte parteiisch sein. Insbesondere, wenn ein Partner die Beratung unbedingt möchte und der andere eher zurückhaltend ist, ist dieses Misstrauen gegeben. Es gründet sich zwar auf keine direkte Erfahrung mit dem Berater. Nichtsdestotrotz kann es den Einstieg in die Beratung erschweren. Unser Angebot als geschlechtsheterogenes Paar mildert dieses Misstrauen.
Darüber hinaus eröffnen wir – da wir nicht nur ein beratendes, sondern ein Alltagspaar sind – schon allein durch unser Angebot die Vision, Partnerschaft kann funktionieren. Eine Vision, die für Paare unter Leidensdruck sehr wichtig ist. Immerhin sind wir seit mehr als dreißig Jahren verheiratet, haben erwachsene Kinder und mittlerweile auch schon drei Enkel. Die zu uns kommenden Paare schauen gerade am Anfang sehr genau hin, ob wir das gute Miteinander auch verkörpern.
Als weiterer Punkt ist die Geschlechtsspezifik beim Beraten selbst zu nennen. Bei bestimmten Themen, zum Beispiel Sexualität, ist es nach unseren Erfahrungen nicht egal, ob die Fragen und Kommentare von meiner Frau oder mir kommen. Schnell treten Vorurteile auf, etwa »Frauen halten ohnehin zusammen« oder »Männer sind sich da natürlich einig«, denen wir durch unsere geschlechtsspezifische Intervention entgegentreten können. Außerdem haben wir die Möglichkeit, Rückmeldungen zu geben, wie die Frau auf die Beraterin als Frau oder auf den Berater als Mann wirkt. Gleiches gilt für den beratenen Mann. Das eröffnet eine größere Beziehungsvielfalt und damit ein differenzierteres Reflektieren im Beratungsprozess.
Und schließlich ist es auch für uns schöner, gemeinsam zu beraten. Es ist leichter, freudvoller und hilft zudem bei der anschließenden Auswertung des Beratungsprozesses.
Hier aber zeigt sich auch die Anforderung an uns als Paarberater. Im Alltag ist vermutlich jedes Paar geneigt, die eine oder andere problematische Situation zu überspielen und sich nicht damit auseinanderzusetzen. Das können wir uns deutlich weniger leisten. Denn wir nehmen unsere eigene Situation mit in die Beratung. Das hilfesuchende Paar ist darauf angewiesen, dass wir die Auseinandersetzung, die wir von ihm erwarten, selbst leisten. Sonst kann der Prozess nicht funktionieren. Das aber setzt voraus, dass wir uns den eigenen Schwierigkeiten stellen und auch unser Miteinander als Paar in der Beratung betrachten – und zwar beständig und über Jahre.
Diese Anforderung an ein beratendes Paar ist vermutlich der Grund, warum es so selten Alltagspaare gibt, die gemeinsam Paarberatung anbieten. Auf der anderen Seite aber hilft damit auch die gemeinsame Arbeit, unsere Partnerschaft lebendig zu halten.
Paarberatung ist keine Kassenleistung. Das bedeutet, dass die Paare die Beratung selbst zahlen müssen. Um die daraus entstehende Hürde ein wenig abzumildern, denn immerhin wenden sie sich an unbekannte Menschen, bieten wir zunächst einen kostenfreien Kennenlerntermin an. Er bietet die Möglichkeit, dass das ratsuchende Paar uns kennenlernt, aber auch wir uns deren Situation und Motivation anschauen können. Dieser Termin dient damit der Entscheidungsfindung auf beiden Seiten.
Über den Kennenlerntermin bekommen wir eine gute Schilderung von dem, was die Paare zu uns führt. Die große Zahl, die wir über die Jahre so kennengelernt haben, ermöglicht uns nun, auf einen reichhaltigen Fundus von Themen und Motiven zu blicken, die Paare in die Paarberatung führen. Dieser Fundus bildet die Grundlage für die weiteren Schilderungen in diesem Buch. Ich möchte aufzeigen, welche Paare in welchen Situationen zu uns kommen und wie sie auf eine Besserung ihrer Situation hoffen. Ziel ist es, Ihnen als Leser die Breite der Anliegen, Chancen, aber auch der Schwierigkeiten darzustellen.
Bewusst greife ich auf die Kennenlerntermine und nur selten auf die Aufzeichnungen des gesamten Beratungsprozesses zurück. Mir geht es stärker um die Ausgangssituation und die sich daraus ergebenden Hoffnungen, aber auch Probleme für die weitere Entwicklung. Es geht um den ersten, den entscheidenden Schritt. Ich möchte mich damit auch gegen die Vorstellung wenden, ›die Berater werden es schon machen‹. Es ist das ratsuchende Paar, das eine Veränderung des eigenen Lebens anstreben muss. Und das fängt mit der eigenen Entscheidung an.