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Kurz vor Einbruch der Dunkelheit entdeckt ein kleiner Hund in den Dünen des Nordseestrands in Belgien einen bewusstlosen Menschen. Wer ist diese exzentrisch gekleidete Person? Was ist geschehen? Ein Überfall? Ein Unfall? Der Mann lebt und kann sich in überraschend kurzer Zeit wieder regenerieren. Doch dieser Vorfall ist nicht geheim geblieben und er wird vom mächtigen Trust gnadenlos gejagt, da er über wertvolle Informationen verfügt. Aber geheimnisvolle Helfer stehen ihm zur Seite. Gemeinsam wehren sie sich gegen den Trust. Gleichzeitig versuchen sie die Erde zu retten, die von Außerirdischen bedroht wird. Können sie die Apokalypse noch im letzten Moment verhindern und ist es die Menschheit überhaupt wert, gerettet zu werden? Ein phantasievoller Roman mit historischen Persönlichkeiten der Weltgeschichte.
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Seitenzahl: 311
Veröffentlichungsjahr: 2022
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ParusieAlexander BeckerZur Erinnerung an meinen vierbeinigen Freund
Inhalt
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit entdeckt ein kleiner Hund in den Dünen des Nordseestrands in Belgien einen bewusstlosen Menschen.
Wer ist diese exzentrisch gekleidete Person? Was ist geschehen? Ein Überfall? Ein Unfall? Der Mann lebt und kann sich in überraschend kurzer Zeit wieder regenerieren.
Doch dieser Vorfall ist nicht geheim geblieben und er wird vom mächtigen „Trust“ gnadenlos gejagt, da er über wertvolle Informationen verfügt.
Aber geheimnisvolle Helfer stehen ihm zur Seite. Gemeinsam wehren sie sich gegen den „Trust“.
Gleichzeitig versuchen sie die Erde zu retten, die von Außerirdischen bedroht wird.
Können sie die Apokalypse noch im letzten Moment verhindern und ist es die Menschheit überhaupt wert, gerettet zu werden?
Ein phantasievoller Roman mit historischen Persönlichkeiten der Weltgeschichte.
„Wer das Schwert nimmt, der wird durch‘s Schwert umkommen!“
Matthäus 26.52
1. Kapitel: Erde – Neujahr 2000
2. Kapitel: Jupiterstation 2000
3. Kapitel: London-Heathrow 2023
4. Kapitel: De Panne 2023
5. Kapitel: London 2023
Veurne 2023
Brüssel 2023
6. Kapitel: London-Heathrow 2023
7. Kapitel: Teutoburger Wald 2023
8. Kapitel: De Panne 2023
London 2023
9. Kapitel: Veurne 2023
De Panne 2023
10. Kapitel: Bad Meinberg 2023
Paderborn 2023
11. Kapitel: Atlantikinsel 2023
12. Kapitel: Düsseldorf 2023
13. Kapitel: London 2023
London-Heathrow 2023
Paderborn – Düsseldorf 2023
Düsseldorf 2023
14. Kapitel: Düsseldorf 2023
15. Kapitel: Veurne 2023
16. Kapitel: Düsseldorf 2023
17. Kapitel: De Panne 2023
18. Kapitel: London 2023
19. Kapitel: De Panne 2023
20. Kapitel: De Panne 2023
21. Kapitel: London 2023
22. Kapitel: Atlantikinsel 2023
23. Kapitel: Mondbasis 2023
24. Kapitel: Mondbasis 2024
25. Kapitel: Jupiterstation 2040
Jahrtausendwende.
Die Welt steht Kopf. Seit Wochen und Monaten spekulieren die Medien über eventuelle Computerprobleme bei der Umstellung des Datums von 1999 auf 2000. Kommt es zum Kollaps, falls das nicht funktioniert? Alle großen Unternehmen, Fluggesellschaften, Bahnen, Banken und viele mehr sind abhängig von Computerdaten.
Können Spezialisten, die unisono behaupten, es würde nichts passieren, denn garantieren, dass man dieses Problem im Griff hat?
Mayaprophezeiungen werden aufgrund dubioser Auslegungen deren Kalender in Funk, Fernsehen und in der Presse weltweit der Öffentlichkeit immer wieder propagiert und damit böse Ahnungen und Zukunftsängste heraufbeschworen. Auch Hollywood hat sich damit befasst und mehrere Endzeitfilme in die Kinos und ins Fernsehen gebracht, die von den Massen mit „Gänsehaut“ konsumiert werden.
Wahrsager, Astrologen, selbsternannte Propheten aller Art haben Hochkonjunktur, tummeln sich in zahllosen Talkshows und heizen die Stimmung in der Bevölkerung noch weiter an. Viele Endzeitfanatiker predigen und versammeln ihre Anhänger um sich, damit sie gemeinsam dem Weltenende entgegensehen.
Sogar namhafte Wissenschaftler beteiligen sich an Diskussionen über eine eventuelle Umkehrung des Magnetpols der Erde und Wetterexperten werden danach befragt, ob es möglicherweise zu großen Naturkatastrophen kommen kann.
Fast alle Menschen beschäftigen sich mehr oder weniger damit, diskutieren auf ihrem Arbeitsplatz, im Familienund Freundeskreis und oft gibt es total konträre Meinungen dazu.
Doch, um es vorwegzunehmen, nichts dergleichen ist eingetreten.
Die Erde dreht sich nach wie vor um sich selbst und um unsere Sonne, so, als wäre nichts geschehen. Weshalb auch sollte sie sich nach einer Zeiteinteilung, die sich der Mensch ausgedacht hat, Gedanken machen und irgendetwas ändern?
Und dann endlich, ist es soweit.
Von den Fidschiinseln bis Amerika wird durch alle Zeitzonen hindurch in den verschiedensten Sprachen gezählt:
Zehn – Neun – Acht – Sieben – Sechs – Fünf – Vier – Drei – Zwei- Eins!
Das neue Jahr und gleichzeitig das neue Jahrtausend wird überall mit bombastischen Feuerwerken, Böllern und viel Musik begeistert begrüßt. Die Fernsehsender übertragen die Feiern aus allen Teilen der Welt und zeigen wunderschöne Bilder von Menschen, die sich umarmen, küssen und sich zuprosten. Für einen kurzen Moment fühlt man sich, als hätte nun endlich die Menschheit zu sich gefunden und könnte glücklich und zufrieden in die Zukunft schauen. Man freut sich auf das neue Jahrtausend und hofft, es würden all die negativen Dinge, die vorhergesagt wurden, nicht eintreten.
Aber leider sieht die Realität etwas anders aus, denn selbst in diesem historischen Moment gibt es irgendwo auf der Welt Kriege und gewalttätige Auseinandersetzungen, wie es in all den Zeiten der Menschheit immer so war. Daran wird sich wohl niemals etwas ändern.
*
Das krasse Gegenteil zu den Geschehnissen auf der Erde herrscht in der 778 Millionen Kilometer entfernten Weltraumstation, die den größten Jupitermond Ganymed nun schon seit Jahrtausenden umkreist. Hier herrscht absolute Stille und totale Finsternis. Nur wenn der Riesenplanet Jupiter auf der großen Sichtscheibe in der Kommandozentrale auftaucht, wird alles in einem gelblichorangefarbigen Licht angestrahlt.
Plötzlich, fast zeitgleich mit der Jahrtausendwende auf der Erde, ändert sich etwas.
Ein winziges Kontrolllämpchen leuchtet auf und taucht den Raum in ein dezentes grünliches Licht. Ein paar Sekunden später erwacht die Station aus ihrem Dornröschenschlaf. Nach und nach gehen auf der Instrumententafel unzählige Lichter an und die in der Ecke abgestellten, fast menschlich aussehenden Roboter, erwachen und beginnen mit der vorprogrammierten Arbeit.
Bereits vor acht Jahren wurde ein Signal aus der Unendlichkeit des Alls gesendet, das nun die Station zum Leben erweckt hat.
Wie zur Begrüßung erscheint der, wie ein zerbrochener Spiegel aussehende, Eismond Ganymed auf der Panoramascheibe und erhellt den Raum. Doch dieses imposante Szenario scheinen die emsig umhereilenden Maschinenwesen nicht zu registrieren und auch nicht zu interessieren.
*
Gelangweilt räkelt sich Jane Mansfield in dem bequemen Ledersessel und überlegt, ob sie sich eine Zigarette anzünden soll oder nicht. Das war nun schon das dritte Wochenende hintereinander, wo man sie zum Dienst eingeteilt hat, immer wieder mit der Begründung, sie hätte schließlich keine Familie und deshalb sollte anderen der Vorzug gegeben werden. Als wenn sie kein Privatleben hätte und nicht auch hin und wieder mal mit Freunden ausgehen möchte. Immer noch verärgert über ihren Vorgesetzten, der sie am frühen Abend mitten in ihren Vorbereitungen zu einem Wochenendausflug angerufen hatte, um sie zu unterrichten, ein Kollege wäre krank geworden und sie müsste einspringen. Die Krönung war dann noch die süffisante Bemerkung von ihm, sie hätte doch wohl nicht so wichtige Termine und würde bestimmt den Notfall verstehen. Dieser arrogante Kerl macht ständig flapsige Bemerkungen, versucht sie auf die ganz plumpe Art anzumachen und kann es einfach nicht ertragen, dass sie ihn nicht, wie die meisten anderen Kolleginnen wegen seines guten Aussehens, auch anhimmelt. Ganz klar wollte er damit wieder einmal eine Anspielung auf ihre Namensgleichheit mit der vor einiger Zeit sehr bekannten Hollywoodschönheit machen. Zum wievielten Male verfluchte sie ihre Eltern, denn sie hatten ihr ausgerechnet den Vornamen Jane gegeben. Und wirklich, mit dem Topmodel von einst hat sie nun wahrlich nicht viel gemeinsam. Sie ist eine kleine zierliche Person, trägt eine niedlich aussehende Nickelbrille und hat eine hübsche Stupsnase. Außerdem ist sie nicht blondiert, sondern dunkelhaarig. Aber auf den Mund gefallen ist sie nicht und konterte ihm mit der Bemerkung, sie könne zwar sicher nicht mit dem Terminkalender der berühmten Jayne Mansfield mithalten, selbst die Schreibweise des Vornamens sei nicht identisch, aber sie habe doch wenigstens eine Gemeinsamkeit mit ihr, nämlich den Intelligenz-Quotienten von immerhin einhundertdreiundsechzig.
Amüsiert denkt sie an das Telefonat mit ihrem Chef zurück und stellt sich dabei vor, wie verdutzt und sprachlos er ausgesehen haben mag, da er erst nach einer Weile, ohne eine originelle Antwort zu finden, einfach nur noch danke sagte und auflegte.
Quasi als eine Art Belohnung steckt sie sich schließlich doch eine Zigarette an, obwohl sie eigentlich schon längst das Rauchen aufgeben wollte.
Aber, denkt sie, was soll’s, man gönnt sich ja sonst nichts!
Die zahlreichen Kontrollbildschirme vor ihr an der Wand flimmern ihre alltäglichen Bilder und versprechen wieder einmal ein total langweiliges Wochenende zu werden, sodass ihre Gedanken auf Wanderschaft gehen können. Sie fliegt über die herrlich grünen Hügel ihrer südenglischen Heimat und sieht in der Ferne das kleine Farmhaus ihrer Großeltern am See, wo sie so viele schöne Ferien und Wochenenden verbracht hatte. Hier traf sich früher immer die ganze Familie, machte Picknick im Freien, lange Ausritte und hin und wieder wurde auch eine Bootsfahrt zur nahen, oft im Nebel liegenden Insel unternommen. Hier versuchte einst ihre Sandkastenliebe, der rothaarige, freche Nachbarsjunge Brian O’Leary sie zu küssen, doch sie gab ihm spontan eine Ohrfeige, was sie heute manchmal bedauert.
Ach, waren das herrliche, unbekümmerte Zeiten.
Plötzlich wird sie aus ihren Gedanken aufgeschreckt, denn auf einem der Bildschirme erscheint ein rotes Blinklicht und ein warnender Piepton macht sich unangenehm bemerkbar. Sie reibt sich unter der Nickelbrille die Augen und schaut etwas genauer hin.
Was ist das denn? Ein Flugzeug?
Nein, unmöglich, denn ein Flugzeug ist registriert und erscheint auf den Bildschirmen immer in grün. Davon gibt es hier im Umkreis des Londoner Flughafens unzählige und sie fallen kaum auf. Das muss demnach ein nichtregistriertes Objekt sein. Aber was könnte es sein?
Geistesgegenwärtig drückt sie sofort den Knopf, der die Verbindung zur Royal Airforce herstellt.
„Commander Perkins hier“, meldet sich sogleich eine befehlsgewohnte, aber dennoch nicht unfreundliche Stimme, „was gibt’s denn, Miss Mansfield?“
„Sir, eh, Sir, ich meine“, stottert sie leicht verwirrt, “woher wissen Sie eigentlich, dass ich dran bin?“
„Nun, Miss Mansfield, Sie wissen doch, die Airforce weiß alles“, lacht er.
„Aber im Ernst, selbstverständlich werden wir immer sofort von ihrem Chef davon in Kenntnis gesetzt, wenn sich in ihrem Dienstplan irgendetwas ändert. Außerdem, Sie haben wohl nicht bemerkt, ihre Kamera ist an. Wäre schön, wenn sie auch auf das Knöpfchen drücken, dann können Sie mich ebenfalls sehen. So lässt es sich viel besser plaudern.“
„Oh, Verzeihung, ich bin im Moment nicht ganz bei der Sache. Mache ich sofort.“ Sie drückt auf den Knopf und sogleich erscheint das recht ansehbare Konterfei des Commanders.
„Was ist denn passiert? Sie scheinen tatsächlich ein wenig nervös zu sein. Liegt das etwa an mir? Kann es sein, ich bringe Sie ein wenig durcheinander?“
„Sir, es ist wirklich nicht spaßig, was ich hier auf meinem Monitor habe“, kommt sie mit ernstem Gesicht zur Sache, „haben Sie Informationen über ein Flugobjekt, vielleicht eine geheime militärische Sache, die ich nicht mitbekommen habe?“
„Nein, wie kommen Sie denn darauf? Sie wissen doch, dass wir auch die militärischen Dinge mit ihnen abstimmen. Wir haben da keine Geheimnisse voreinander. Wäre ja auch ziemlich unsinnig, denn schließlich ergänzen wir uns bei der Flugüberwachung. Von uns kann da nichts sein. Wo genau haben Sie denn was geortet?“
„Im Planquadrat 14, genau über dem Ärmelkanal. Da geht gerade ein Objekt herunter. Könnte das vielleicht ein Wetterballon sein?“
„Hhm, ich sehe es mir sofort an und melde mich umgehend wieder bei Ihnen.“
Mit der Stimme erlöscht auch gleichzeitig das Bild des sympathischen Commanders und Jane Mansfield sitzt in dem überdimensionalen Ledersessel, weiterhin wie gebannt auf den Monitor mit dem roten Punkt starrend, bis er schließlich nahe der belgischen Küste verschwindet.
Was mochte das nur gewesen sein? So schnell kann unmöglich ein Wetterballon fliegen. Das Ganze erscheint ihr etwas mysteriös.
Bin bloß mal gespannt, überlegt sie, ob es der Airforce gelingt, eine plausible Erklärung dafür zu geben. Ich muss eine UFO-Meldung an das Ministerium senden, und sie ist nun doch ganz froh, diesen Dienst übernommen zu haben.
Endlich war mal was los in der Bude.
Gewissenhaft widmet sie sich den Computerauswertungen und vergisst dabei völlig die Zeit. Plötzlich ertönt die Klingel und sie eilt zur Tür.
„Commander Perkins! Welch eine Überraschung!“, staunt Jane Mansfield, als sie die Eingangstür öffnet.
„Wie komme ich denn zu dieser Ehre, Sie persönlich hier in meiner ärmlichen Hütte begrüßen zu dürfen?“
„Na ja, ich dachte mir, ich bringe Ihnen mal ein bisschen Glanz in die Bude“, lächelt Perkins verschmitzt, nimmt sehr galant seine Mütze ab, verbeugt sich leicht und deutet einen Handkuss an.
„Doch leider bin ich nicht zum Vergnügen hergekommen, was ich zutiefst bedauere, hätte ich doch zu gerne mit Ihnen einen Kaffee getrunken und ein wenig geplaudert.“
„Ja, das wäre schön. Aber, lieber Commander, Sie sehen so ernst aus. So kenne ich Sie überhaupt nicht. Was ist denn los? Hat es was mit meiner Beobachtung zu tun?“
„Ja, und das ist alles andere als vergnüglich. Ich habe Anweisung, alle Ihre Aufzeichnungen sofort zu beschlagnahmen. Allerhöchste Geheimstufe. Ich nehme an, Sie wissen, was das bedeutet. Bitte geben Sie mir sofort alles, was Sie aufgezeichnet haben“.
„Das können und dürfen Sie nicht von mir verlangen!“, entgegnet sie ihm mit sichtlich erregter Stimme und baut sich vor dem, sie fast um Haupteslänge überragenden Militär, auf.
„Dazu sind Sie nicht berechtigt, denn wir sind keine staatliche Stelle, was Ihnen bestimmt bekannt sein dürfte.“
„Tut mir wirklich sehr leid, Miss Mansfield, aber ich habe den Befehl von allerhöchster Stelle bekommen.“
„Das ist doch wohl die Höhe! Dazu bin ich überhaupt nicht befugt. Ohne Anweisung meines Chefs gebe ich gar nichts raus.“
„Keine Sorge, er ist bereits informiert und hat seine Zustimmung schon gegeben“, sagt er zu ihr und kann sich dabei ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als er die kleine Person mustert, die sich vor ihm aufgebaut hat und ihn strafend unter ihrer Nickelbrille hervor anschaut.
„Die nationale Sicherheit geht vor“, fügt er etwas steif hinzu und drängt sie behutsam zur Seite, um in ihr Büro zu gelangen.
Jane Mansfield muss resigniert feststellen, dass ihr Widerstand zwecklos ist und geht ihm leicht grollend hinterher in den mit zahlreichen Bildschirmen versehenen, abgedunkelten Raum.
„Ich kopiere Ihnen meine Aufzeichnungen auf einen Stick, denn, das werden Sie sicherlich verstehen, die Originale behalte ich hier.“
„Aber natürlich, liebe Miss Mansfield, das genügt mir. Jedoch, falls der Sicherheitsrat Einwände hat, na, dann werde ich wohl noch einmal mit einer schriftlichen Anweisung kommen müssen.“ Amüsiert beobachtet er sie beim routinierten Kopieren der Daten und bemerkt, wie schwer es ihr fällt, diesem Befehl nachzukommen.
Das ist schon ein interessantes Persönchen, diese Miss Jane Mansfield, denkt er. Ich hätte bei einer früheren Gelegenheit mal herkommen sollen, um sie näher kennenzulernen und sie vielleicht zu einem Essen oder einem Drink einzuladen.
Aber, was soll’s, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das kann man ja bei einer günstigeren Gelegenheit nachholen.
„Schönen Dank, Miss Mansfield“, sagt er zu ihr, als sie ihm den Stick übergibt. „Ach, ja, fast hätte ich vergessen Ihnen was auszurichten, Ihr Chef wird jeden Moment hier sein und den Dienst übernehmen. Sie können sich freuen, denn nun dürfen Sie doch noch ihren wohlverdienten Wochenendurlaub antreten.“
Erstaunt schaut sie ihn an, sieht, wie er die Mütze aufsetzt und sich mit einem lässigen Gruß verabschiedet.
Was hat das denn zu bedeuten?
*
„Darko, wo steckst du denn?“, ruft der einsame Spaziergänger in die immer heftiger und lauter werdende Sturmbö, die von England über die Nordsee herüberbläst.
„Komm’ zu mir! Es wird schon dunkel."
Dabei klatscht er, wie er das immer tut, wenn er seinen kleinen Spaniel herbeiordern will, energisch in die Hände. Hier am weiten, endlos wirkenden Sandstrand lässt er ihm immer große Freiheiten, lässt ihn tollen und toben, während er die herrlich frische, würzige, nach Salz und Meer riechende Seeluft beim Spaziergang zwischen der schäumenden Brandung und den Dünen genießt. Doch nun wird es höchste Zeit, den jungen, immerzu neugierig schnüffelnden Hund herbei zu rufen, denn das Wetter ändert sich oft an Belgiens Nordseeküste. Schlagartig kommt es zu Sturm, Regen und Gewittern. Sie müssen sich beeilen, den Parkplatz zu erreichen, bevor der Regen einsetzt.
Plötzlich hört er ihn bellen, laut und sehr aufgeregt, was er normalerweise nur tut, wenn er sich erschreckt oder bedroht fühlt. Es kommt aus Richtung der nun schon recht düster wirkenden, hohen, mit Grasbüscheln bewachsenen Dünen. Gerrit Vanhesten ist zwar Deutscher, hat jedoch von seinen Vorfahren einen flämischen Namen geerbt und fühlt sich schon aus diesem Grund hier in Belgien heimisch. Er läuft besorgt los, allerdings nur nach Gehör, denn zu sehen ist der kleine Hund in der rasch aufgezogenen Dämmerung nicht mehr.
Hat er vielleicht eine Möwe gestellt?
Nein, ein Vogel kann es nicht sein, denn die fliegen ihm immer mit lautem Gezeter auf und davon und er rennt mit seinen wehenden langen Ohren laut bellend hinterher. Es muss irgendetwas anderes, ja, nach seinem Verhalten zu urteilen, etwas Außergewöhnliches sein.
Endlich erblickt er den leuchtend weißen, wild wedelnden Schwanz am Hang einer imposanten Düne.
„Was ist denn los?“, keucht er, in dem tiefen Sand leicht einsackend, mit schwerem Atem, so, als ob der Hund ihm antworten könnte.
Darko beruhigt sich nicht, reagiert überhaupt nicht auf die Rufe und bellt immerfort weiter.
„Was hast du nur?“, ruft er, als er näher herankommt, „du bist ja völlig außer dir. Jetzt lass mal gut sein. Sei endlich still! Hier ist doch niemand.“
Doch kaum hat Gerrit Vanhesten es ausgesprochen, sieht er eine Gestalt zwischen Düne und einem Schutzzaun aus Reisig und Ästen liegen, die der kleine Hund so vehement anbellt.
Meine Güte, was ist denn hier passiert?
Er beugt sich zu der in Bauchlage in geradezu grotesker Haltung im Sand liegenden Person, um zu sehen, ob er helfen kann.
Ist hier jemand von der hohen Düne gestürzt, ohnmächtig oder, er wagt kaum an so etwas überhaupt zu denken, liegt da etwa ein Toter?
Endlich beruhigt sich der Hund, hört auf zu bellen und folgt ihm, leise knurrend, in respektvollem Abstand.
Langsam und vorsichtig, so wie er es vor vielen Jahren im „Erste Hilfe Kurs“ gelernt hatte, dreht er die Person zur Seite. Mit Erleichterung erkennt er, dass es sich nicht um eine Leiche handelt, denn der Körper fühlt sich warm an und er vernimmt schwaches Röcheln. Offensichtlich hat er jedoch, vermutlich durch den Sturz, das Bewusstsein verloren, denn er reagiert nicht auf sein Zureden. Offene Verletzungen, Blut oder eine Wunde kann man nicht erkennen. Rein äußerlich scheint alles in Ordnung zu sein.
Er ist bestimmt ausgerutscht und unglücklich gegen den Zaun geknallt, überlegt Gerrit.
Wieso eigentlich er?
Die langen schwarzen Haare, die hinten zu einem Zopf geflochten sind, deuten eher auf eine Frau hin, ebenfalls die zierliche Gestalt. Er schaut sich das Gesicht etwas näher an, erkennt jedoch in dem jugendlichen Antlitz durchaus männliche Züge. Scheint also doch ein Mann zu sein. Na, egal, ob Mann oder Frau. Die Person ist verletzt und braucht dringend Hilfe.
Ausgerechnet heute hat er sein Handy nicht mitgenommen, da der Akku leer ist.
„Komm’ her, an die Leine!“, wendet sich Gerrit an seinen Hund, der ihn mit seinen großen braunen Rehaugen verwundert ansieht.
„Wir gehen zum Auto und holen einen Arzt oder die Polizei“, sagt er eigentlich mehr zu sich selbst als zu dem Hund.
„No police, please“, kommt es ganz schwach, kaum wahrnehmbar von der im Sand liegenden Person.
Erschrocken fährt Vanhesten herum und sieht, wie sich der Verletzte aufzusetzen versucht. Sofort kommt er ihm zu Hilfe und hält ihn am Kopf und an den Schultern fest.
„Schön, Sie sind wieder bei sich, aber vorsichtig, man weiß ja nicht, wie schwer ihre Verletzungen sind. Oh, sorry, you can’t understand me. Are You English? “
„No, no,” wispert die Person sehr leise und ist fast nicht zu verstehen, “but I speak english”.
„Ok, dann sprechen wir auf Englisch weiter.“
„Was ist denn passiert? Haben Sie Schmerzen? Meinen Sie, Sie würden es schaffen, mit meiner Hilfe aufzustehen?“
„Ja, ich hoffe, es wird gehen. Aber langsam, bitte. Die Schmerzen halten sich in Grenzen; nur, ich bin ziemlich geschwächt.“
Er hilft dem Leichtgewicht auf die Beine. Doch diese knicken sofort ein, wie bei einem Betrunkenen. Um einen Sturz zu vermeiden, greift er ihm helfend unter die Arme und schleppt ihn mehr schlecht als recht durch den Sand in Richtung Parkplatz. Weit und breit ist aber auch keine Menschenseele zu sehen, die ihm dabei behilflich sein könnte.
„Ich bringe Sie in ein Krankenhaus“, sagt er zu dem Fremden, nachdem er ihn und den Hund im Auto untergebracht hat.
„Dort wird man Ihnen helfen.“
„Nein, nein“, fleht dieser, sichtlich mitgenommen von dem strapaziösen Weg durch die Dünen.
„Bitte nicht, gib mir nur etwas Wasser. Ich muss mich ein bisschen ausruhen, dann wird’s schon wieder. Ich bin hart im Nehmen.“
„Aber das geht doch nicht“, entgegnet ihm Vanhesten empört.
„Man sieht doch, Sie sind völlig fertig und ich denke, es ist bestimmt besser, wenn ein Arzt Sie untersucht.“
Als er jedoch den flehenden Gesichtsausdruck sieht, lenkt er ein.
„Ok, ich bringe Sie erst mal zu mir nach Hause und dann können wir immer noch weitersehen.“
Dankbar schließt der Fremde ermattet die Augen und scheint zu schlafen.
Der Weg ist nicht allzu weit.
Nach ein paar Minuten erreichen sie das idyllisch, hinter den Dünen gelegene, kleine Ferienhaus. Als das Auto anhält, wird der Fremde wach und versucht auf eigenen Beinen auszusteigen. Jedoch ohne Hilfe gelingt es nicht und so hakt ihn Gerrit Vanhesten ein. Dank seiner Unterstützung gelangen sie ins Wohnzimmer und er hilft ihm, sich auf das Sofa zu legen. Schnell holt er eine kuschelige Vliesdecke, legt sie über ihn und holt ein Erfrischungsgetränk aus dem Kühlschrank. Gierig saugt der Fremde am Strohhalm die Limonade und schläft nach ein paar Zügen erschöpft ein.
„Oje, mein Kleiner, was ein Ding“, seufzt Gerrit und schaut zu seinem immer noch nervös umherlaufenden und, wegen des Fremden gelegentlich knurrenden, schwarz-weißen Spaniel.
„Schau mich nicht so vorwurfsvoll an. Was hätte ich denn tun sollen?“, fügt er hinzu, „dem Menschen musste doch geholfen werden“.
Mal sehen, was er Morgen für eine Geschichte erzählen wird, grübelt er. Es ist schon sehr merkwürdig, wie er reagierte, als er die Polizei und auch das Krankenhaus erwähnte. Ob es ein Krimineller ist, vielleicht ein illegaler Flüchtling? Beunruhigend ist die Sache schon und so ganz wohl ist ihm nicht gerade zumute.
Er geht zum Küchenschrank, gießt sich auf diesen Schreck hin einen großen Jenever ein und setzt sich in den gemütlichen Ohrensessel am Kamin.
Sofort kommt sein Hund näher, legt sich zu seinen Füßen und demonstriert so, dass er nun auch etwas Ruhe gefunden hat.
Jetzt gönnt Gerrit sich erst einmal einen Schluck. Der Schnaps rinnt ihm, wie in Zeitlupe, wohlig wärmend durch die Speiseröhre. Dann lehnt er sich zurück, sein Blick fällt auf die zierliche, schwarzhaarige Gestalt auf der Couch, die nun ruhig atmend tief eingeschlafen ist. Auffällig ist die außergewöhnlich helle Haut, die schon fast ungesund wirkt. Überhaupt macht der junge Mann, oder doch Frau? nicht gerade den fittesten Eindruck.
Die Kleidung des Fremden ist schon etwas außergewöhnlich und könnte auch einen ganz anderen Schluss zulassen, denn er trägt eine Art Neoprenanzug, silbrig glänzend mit sonderbaren Emblemen versehen. Vielleicht ist das einer dieser spleenigen Schwimmer, die immer wieder versuchen, den Ärmelkanal zu überqueren? Seine totale Erschöpfung könnte man damit recht gut erklären. Nur, allzu sportlich sieht er wahrlich nicht aus. Und dann, in dieser Jahreszeit? Bei dieser Kälte?
Na, was soll’s! Das ganze Rätselraten bringt ihn jetzt auch nicht weiter. Morgen wird er hoffentlich schlauer sein. Er beschließt, wachsam zu bleiben und möglichst nicht fest einzuschlafen. Sicherheitshalber geht er erst gar nicht zu Bett, sondern bleibt im gemütlichen Sessel sitzen.
Dennoch übermannt ihn bald die Müdigkeit und er versinkt in wirren, surrealen Träumen.
Mitten in der Nacht wird er unsanft von seinem, wie immer sehr aufmerksamen Hund, aufgeschreckt. Laut knurrend steht er neben dem Sessel und schubst ihn mit seiner feuchten Nase im Gesicht an. Noch ein wenig benommen richtet er sich auf und sieht den Fremden auf dem Sofa sich hin und her wälzen. Dabei wimmert und jammert er in einer ihm fremden Sprache, bis es dann auf einmal in laute Schreie ausartet. Er eilt zu ihm und versucht ihn aufzuwecken, was ihm jedoch nur schwer gelingt. Letztendlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihn zu packen und ins Auto zu verfrachten. Darko ist natürlich mitgelaufen und springt sofort auf den Beifahrersitz, wie das seine Gewohnheit ist.
Er muss schnellstens ins Krankenhaus nach Veurne fahren, damit ihm dort geholfen werden kann.
*
Kaffee, das ist doch wahrlich ein Geschenk des Himmels, sinniert die attraktive, blondhaarige Mittvierzigerin Isabel de Coek und nimmt einen großen Schluck aus ihrem Becher, der eigentlich auch ganz gut als Blumenvase durchgehen würde. Endlich mal ein paar Minuten Ruhe. Meine Güte, war das wieder ein Nachtdienst. Eigentlich gar keine großen Sachen, bis auf einen leicht entzündeten Blinddarm, aber dennoch, es gibt hier einfach immer was zu tun. Alle kommen ständig zu ihr, der diensthabenden Ärztin. Jede Kleinigkeit muss abgesegnet werden. Manchmal ist es schon ein Kreuz mit der Bürokratie im Krankenwesen. Jeder drückt sich vor Verantwortung, jede Menge Formulare landen auf ihrem Schreibtisch und alles muss mehrfach bestätigt werden. Als wenn man nichts Wichtigeres zu tun hätte. Hoffentlich lassen sie mich mal ein paar Minuten in Ruhe, hofft sie, damit ich wenigstens meinen Kaffee austrinken kann. Kaum hat sie die Beine auf den beigeholten Stuhl ausgestreckt, lugt eine Krankenschwester durch die nicht verhüllte Glasscheibe der Bürotür, klopft artig an und kommt nach einem Zeichen hin herein.
„Frau Doktor, entschuldigt Sie, aber ich Sie leider schon wieder stören muss“, sagt die junge Indonesierin mit dem rundlichen, stets lächelnden Gesicht, in etwas gebrochenem flämisch und auch ihr sieht man an, dass sie lange nicht mehr geschlafen hat.
„Ja, ist schon in Ordnung, Maria. Was gibt’s denn?“
„In der Aufnahme, glaube ich, ist Notfall. Bitte Sie hinkommen und gucken.“
Beim Hinausgehen nimmt die Ärztin noch einen großen Schluck von der dampfenden, braunen Brühe, dann zieht sie sich die Schuhe wieder an und beeilt sich, zum Fahrstuhl zu kommen.
Das scheint tatsächlich ein Notfall zu sein, denn als sie ankommt, sieht sie, wie ein Mensch von zwei Pflegern vorsichtig auf ein Klinikbett gelegt wird und der Nachtpförtner, entgegen seiner sonst so stoischen Ruhe, erregt mit einem Fremden spricht.
„Frau Doktor, Frau Doktor, gut, dass Sie kommen“, unterbricht er sich, als er die Ärztin kommen sieht und eilt ihr entgegen, „schauen Sie sich den Mann an, der ist, befürchte ich, kurz vor dem Kollaps.“
Ein Blick genügt ihr, um den Ernst der Lage zu erkennen. „Sofort in die Notaufnahme mit ihm“, befiehlt sie den beiden Pflegern und hastet ihnen in den Fahrstuhl hinterher.
„Kann ich mitkommen?“, fragt schüchtern Gerrit Vanhesten den Pförtner.
„Nein, das geht wirklich nicht. Sie haben doch gehört, er kommt in die Notaufnahme und da hat kein Unbefugter Zutritt. Außerdem brauche ich noch die Personalien. Später können Sie dann vielleicht mit der Frau Doktor sprechen. Also, hier ist das Formular. Bitte füllen Sie es aus.“ Gerrit fügt sich und setzt sich auf einen Besucherstuhl.
Flüchtig überfliegt er das Formular und ihm wird plötzlich klar, dass er ja überhaupt keine Angaben machen kann, denn schließlich weiß er rein gar nichts über den seltsamen Fremden, den er da am Strand aufgelesen hat.
Ich hätte ihn sofort ins Krankenhaus fahren sollen, ärgert er sich, doch zunächst sah es ja nicht bedrohlich aus, bis der Fremde, nachdem er eingeschlafen war, plötzlich wie im Fieberrausch um sich schlug und anfing, total wirres Zeug von sich zu geben.
„Herr Pförtner, entschuldigen Sie bitte“, wendet er sich dem Schalterraum wieder zu.
„Lambrecht, Lambrecht ist mein Name“, kommt es ihm unfreundlich entgegen und dabei zeigt er auf das Namensschild hinter der Glasscheibe.
„Ja, gut, Herr Lambrecht, ich habe da ein kleines Problem mit dem Ausfüllen.“
„Wieso, verstehen Sie kein Niederländisch? Steht auch noch alles in Französisch im Formular. Mit Deutsch kann ich leider nicht dienen.“
„Nein, das ist es nicht. Das geht schon, auch wenn ich Deutscher bin. Nur, es ist so, ich kenne den Mann überhaupt nicht und kann deshalb auch keine Angaben machen.“
„Na, das ist ja! Sie liefern hier mitten in der Nacht einen Bewusstlosen ein und sagen mir, Sie würden ihn überhaupt nicht kennen? Ja, haben Sie ihn denn auf der Straße aufgelesen? Ist das ein Obdachloser oder ein Betrunkener?“
Nachdem Gerrit Vanhesten ihm alles erklärt hat, sieht Herr Lambrecht zwar nicht gerade freundlicher aus, aber letztendlich muss er sich damit zufriedengeben.
„Ich lasse Ihnen meine Karte hier und bitte Sie, denn sie werden verstehen, das Schicksal des Fremden berührt mich schon, mich anzurufen, wenn es etwas Neues gibt, oder wenn er wieder zu sich gekommen ist und ich ihn besuchen kann.“
„Ja, gut, mache ich“, verspricht der Pförtner lustlos und befestigt die Visitenkarte mit einer Büroklammer an einer Karteikarte, auf der er dann selbst ein paar Notizen hinzufügt und auf seinem Schreibtisch hinlegt.
Mit einem unbehaglichen Gefühl geht Gerrit Vanhesten zu seinem Fahrzeug, wo sein kleiner Hund auf dem Beifahrersitz mit wedelndem Schwanz freudig erregt auf ihn wartet.
*
„Danke, Maria“, sagt die Ärztin zu der kleinen Indonesierin und beugt sich über den Patienten, um ihm eine Kanüle anzusetzen.
„Es ist gut, ich denke, nun können Sie sich etwas ausruhen. Den Rest erledige ich schon. Gute Nacht“.
„Gute Nacht, Frau Doktor. Ich nebenan und Sie mich sofort rufen, wenn was ist.“
„Ja, mache ich. Hoffentlich wird es nicht nötig sein, denn ein bisschen Ruhe können wir beide jetzt brauchen.“
Während die Schwester den Raum verlässt, glättet sie noch kurz die Bettdecke und macht sich auf den Weg zu ihrem nun mit Sicherheit kaltgewordenen Kaffeebecher ins Arztzimmer. Nach einem kleinen Probeschluck gießt sie ihn sofort in den Ausguss. Sie ist jetzt einfach zu müde, um neuen aufzusetzen und sinkt ermattet, aber auch zufrieden damit, dass es ihr gelungen war, den Fremden zu stabilisieren und ihn in einen ruhigen, tiefen Schlaf gebracht zu haben, auf ihren Schreibtischsessel. Bevor sie jetzt ganz einnickt, will sie sich noch schnell die Blutwerte des Fremden im Computer ansehen. Sie rafft sich auf und geht ins nahe gelegene Labor.
„Das ist doch nicht möglich!“, bemerkt sie verblüfft, als sie einen Blick auf die Daten geworfen hat.
„Maria!“, ruft sie in den Flur und erschreckt über ihre laute Stimme, die im nachtstillen Krankenhaus sehr stark widerhallt. Die Krankenschwester erscheint auch sofort, allerdings noch ein wenig schlaftrunken.
„Frau Doktor, Sie haben mich gerufen?“
„Ja, Maria, danke für Ihr schnelles Kommen. Hier schauen Sie. Das ist doch die Blutprobe unseres fremden Patienten, ja?“
Dabei hält sie ihr eine Ampulle hin und bedeutet ihr, sie sich genau anzusehen.
„Ja, stimmt. Ich darauf Notiz gemacht. Sie sehen?“
„Gut, Maria. Sie haben ja auch die Nummer des Patienten draufgeschrieben. Und Sie sind sich absolut sicher, dass es die Blutprobe des namenlosen Fremden von nebenan ist? Eine Verwechslung schließen Sie aus?“
Mit ihren großen Kulleraugen sieht Maria die Ärztin verständnislos an.
„Aber ja doch, Frau Doktor. Ich sein ganz sicher. Das ist Blut von diese Mann. Was ist nicht in Ordnung?“
„Ja, ist gut, Maria, ich glaube Ihnen. Jedoch, wenn dem so ist, na ja, dann muss ich sie noch einmal analysieren, denn die Werte sind nicht so, wie sie normal sein sollten. Vielleicht habe ich, es ist ja auch schon sehr spät, in meiner Müdigkeit etwas falsch gemacht. Ich danke Ihnen. Gehen Sie jetzt wieder in Ihr Zimmer zurück. Falls noch was sein sollte, dann rufe ich Sie wieder.“
Dabei wendet sie sich erneut ihren Messgeräten zu und Maria geht leicht irritiert hinaus.
Nach einer nochmaligen Analyse starrt sie wie gebannt auf den Computermonitor und als die Ergebnisse aufleuchten, ist sie mit einem Schlag wieder hellwach, denn die Auswertung zeigt ihr, dass sie bei der ersten Probe keinen Fehler begangen hat. Sie hält hier das Außergewöhnlichste in der Hand, was ihr und wahrscheinlich noch niemandem zuvor jemals passiert ist. Ihr Computer zeigt eindeutig an, sie hat ein Hämogramm vorliegen, was es eigentlich so überhaupt nicht geben dürfte. Diese Werte wurden bisher noch nie bei einem Menschen festgestellt und selbst die Blutgruppe ist völlig neu und unbekannt. Ich muss sofort eine zweite Probe nehmen, denkt sie, und dann gleich morgen früh an das Universitätslabor nach Brüssel weitergeben. Sollte sich das hier bestätigen, wäre es eine medizinische Sensation ersten Ranges. Aufgeregt schnappt sie sich ihre Utensilien und eilt in die nahegelegene Notaufnahme.
Sie öffnet die Tür und stellt überrascht fest, dass niemand mehr in dem Bett liegt. Die Kanüle hängt lose am Tropfgestell und die Decke, zusammen mit dem hellblauen Schlafkittel, liegt achtlos hingeworfen auf dem Boden.
Der Spind steht weit offen und die Kleidungsstücke des Fremden sind nicht mehr vorhanden. Alles sieht nach einer überstürzten Flucht aus und ihr ist sehr schnell klar, nachdem sie noch einen hoffnungsvollen Blick in die Waschkabine wirft, aber auch hier niemand zu sehen ist, ihr Patient hat das Weite gesucht. Sofort greift sie zum Haustelefon und drückt die Nummer des Empfangs.
„Herr Lambrecht, schnell, lösen Sie sofort Alarm aus!“ ruft sie in den Hörer, nachdem der Pförtner sich endlich nach, wie sie empfand, ewig langer Zeit gemeldet hat.
„Wie, äh, was ist denn passiert, Frau Doktor?“
„Fragen Sie nicht lange, Herr Lambrecht, wir müssen ihn unbedingt finden. Er ist geflohen und kann noch nicht allzu weit sein. Machen Sie schnell!“
„Ja, aber, wer denn, wer ist geflohen?“
„Ach so, ja, ich meine den namenlosen Fremden von heute Nacht, der den Kollaps hatte, wissen Sie?“
„Ja, ich weiß, wen Sie meinen. Wie ist denn das möglich? Der war doch bewusstlos und total fertig. Haben Sie ihn wieder so schnell hingekriegt?“
„Aber, Herr Lambrecht, was tut denn das jetzt zur Sache? Er ist geflüchtet und ich muss ihn unbedingt wiederhaben. Lösen Sie sofort Alarm aus und schließen Sie mit den anderen Pflegern alle Ausgänge!“
*
Gerrit Vanhesten nimmt sich eine Tasse Kaffee und setzt sich an den Frühstückstisch, natürlich Darko unmittelbar in seiner Nähe, immer in der Hoffnung, es würde versehentlich irgendwas Essbares auf den Boden fallen. Na ja, hin und wieder passiert das auch, jedoch meist nicht aus Versehen.
Plötzlich vernimmt er von draußen Motorengeräusche. Das ist aber sehr ungewöhnlich, denn um diese Jahreszeit verirrt sich kaum jemand in diese einsame Gegend. Und Besuch erwartet er auch nicht. Er lebt hier ziemlich zurückgezogen, da die meisten Nachbarn überwiegend nur in Ferienzeiten hier sind, oder zu einem verlängerten
Wochenende aus der Stadt an die Küste kommen. Doch heute ist Montag.
Komisch, denkt er, schiebt die Gardine zur Seite und schaut neugierig aus dem Fenster.
Ein Taxi hält direkt vor seinem Haus und er traut seinen Augen kaum, als er sieht, wer aussteigt. Es ist der Fremde, den er letzte Nacht ins Krankenhaus gebracht hatte.
Kurz darauf klingelt es an der Tür und der Hund fängt, wie immer, sofort laut an zu bellen. Es kommt ihm sehr merkwürdig vor, denn er weiß ja, wie gebrechlich dieser junge Mann letzte Nacht war und sofort auf die Intensivstation verlegt werden musste.
Wie ist es denn möglich, dass er nach so einer kurzen Zeit schon wieder fit zu sein scheint?
Nachdem er Darko halbwegs beruhigt hat, öffnet er die Tür und der Fremde begrüßt ihn sehr freundlich. Gerrit
Vanhesten ist zwar sehr überrascht über den ungewöhnlichen Besuch, bittet den Fremden dennoch, einzutreten.
Auch Darko erinnert sich an ihn und stellt langsam sein Bellen ein.
„Donnerwetter“, staunt Gerrit, „Sie haben sich aber sehr schnell wieder erholt. Ich hätte nie gedacht, dass Sie so bald aus dem Krankenhaus entlassen werden.“
Der Fremde erklärt ihm lächelnd seine Flucht und die eigenmächtige Erlaubnis sich zu entfernen.
„Sie machen ja Sachen. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war. Aber, gut, Sie haben das entschieden und es steht mir nicht zu, es zu kritisieren. Doch mich würde schon interessieren, woher Sie eigentlich meine Adresse kennen? Ich kann mich nicht daran erinnern, Sie Ihnen gesagt zu haben. Sie waren, nun ja, ein wenig mitgenommen gestern Abend.“
„Ach, das war wirklich ganz einfach. Ich habe die allgemeine Aufregung, die durch mein Verschwinden in der Klinik verursacht wurde, ausgenutzt und schlich mich heimlich ins Pförtnerbüro. Die waren alle sehr damit beschäftigt mich überall zu suchen. Dort lag auf dem Schreibtisch Ihre Visitenkarte. Dann verließ ich das Hospital durch einen Hinterausgang, habe die Nacht im Park verbracht und am Morgen ein Taxi gerufen und Ihre Anschrift genannt.“
„Junge, Junge, das war ganz schön clever. Aber dennoch, finde ich, etwas unüberlegt. Oder gibt es vielleicht triftige Gründe, weshalb Sie geflüchtet sind?“
„Nein“, beschwichtigt der Fremde, „das nicht gerade. Aber es ist besser, wenn niemand von meiner Anwesenheit hier erfährt.“
Gerrit kommt das Ganze ziemlich merkwürdig vor, belässt es jedoch dabei und bietet ihm an, mit ihm zu frühstücken.
„Oh, vielen Dank, das ist ausgesprochen nett von Ihnen.
Ich habe nach dieser Nacht im Park ziemlichen Hunger bekommen.“
Sie nehmen Platz und Darko verschwindet zu seinem Stammplatz unter dem Tisch. Gerrit beantwortet die in seinen Augen etwas verwunderlichen Fragen des Fremden über die Art der Speisen, die ihm angeboten werden.
Diese Unkenntnis der hiesigen Gewohnheiten, der Fundort des Verletzten und dann auch die nächtliche Flucht aus dem Krankenhaus beunruhigen Gerrit schon und er nimmt sich vor, wachsam zu bleiben, denn was Näheres über diese Person weiß er schließlich nicht.
„Mr. Vanhesten“, sagt der Fremde, nachdem sie ausgiebig das zwar nicht üppige, aber dennoch schmackhafte Frühstück genossen haben.
„Aber, bitte, sag‘ einfach Gerrit zu mir. In Englisch ist das ja üblich. Und wie darf ich dich ansprechen?“
„Ich?... Oh, da muss ich tatsächlich ein wenig überlegen.“
„Na, du müsstest doch deinen Namen kennen“, lächelt Gerrit, fügt aber besorgt hinzu, „oder hast du vielleicht durch den Sturz einen Gedächtnisverlust erlitten, wie heißt das noch auf Englisch? Ja, einen Blackout meine ich.“
„Ja, das könnte schon sowas wie ein Blackout gewesen sein. Einen kleinen Moment noch. Wird mir bestimmt bald wieder einfallen.“
Das wird ja immer mysteriöser, denkt Gerrit. Jetzt weiß er noch nicht einmal seinen eigenen Namen.
Er nickt kurz und beginnt den Frühstückstisch abzuräumen, packt das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und schaut hin und wieder verstohlen hinüber zu dem aus dem Fenster schauenden in Gedanken versunkenen Fremden.
Nach einer kleinen Weile meldet er sich: „Arq-Ur, so nennt man mich.“