Pendra - Jan Corvin Schneyder - E-Book
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Pendra E-Book

Jan Corvin Schneyder

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Beschreibung

 An Abgründen ist der dunkle Herzschlag alles, das uns am Leben hält - und doch zerstört. Der Krieg im All findet kein Ende. Nach Aushandlung eines brüchigen Friedens kehrt Stan Pendra desillusioniert zur Erde zurück. Dort hat sich einiges verändert: Das Militär diktiert der Regierung die Politik und entwickelt gefährliche Technologien für weitere Kriege. Der Riss zieht sich bereits durch die gesamte Flotte, und Stan wird ungewollt in einen Putsch verwickelt. Letztlich aber laufen die großen Fäden des Universums in einem kleinen Haus am See in Skandinavien zusammen, und alles, was zuvor geschah, wirkt dagegen klein und unbedeutend.

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Inhaltsverzeichnis

Antelogium

Pars I: Dorni

Pars II: Animus

Pars III.i: Opus unus

Pars III.ii: Opus duo

Pars IV.i: Explicatio unus

Pars IV.ii: Explicatio duo

Pars IV.iii: Explicatio tres

Pars V: Ira

Pars VI.i: Silva unus

Pars VI.ii: Silva duo

Pars VI.iii: Silva tres

Pars VII: Terra

Pars VIII.i: Universum unus

Pars VIII.ii: Universum duo

Pars IX: Conspiratio

Pars X.i: Signum unus

Pars X.ii: Signum duo

Pars XI.i: Visitatores unus

Pars XI.ii: Visitatores duo

Pars XII: Orbis

Peroratio

Der Autor

GedankenReich VerlagDenise ReichowHeitlinger Hof 7b30419 Hannoverwww.gedankenreich-verlag.dePENDRA (BD.2)

Text © Jan Corvin Schneyder, 2019

Cover & Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns

Lektorat/Korrektorat: Sandra Florean

Satz/Layout: Phantasmal Image

Coverfoto: © depositphoto

Innengrafiken: © shutterstock

eBook: Grittany Design

ISBN: 978-3-96443-747-1

© GedankenReich Verlag, 2019Alle Rechte vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Greller Sonnenschein schmerzte in meinen Augen.

In den Augen? Eher im ganzen Kopf. This is Stan, Babe. Aua!

Es war wahrscheinlich schon Mittag. Mir fiel auf, dass ich gar nicht mehr wusste, wie und wann ich eingeschlafen war. Ich wälzte mich aus dem Bett. Mein Kopf schien heute etwa dreimal so groß und schwer zu sein wie sonst. Behutsam und um Gleichgewicht bemüht durchquerte ich das Trümmerfeld, das mal mein Wohnzimmer gewesen war.

Gut, dass die Mädels nicht da sind!

Mir war ein zweites Herz gewachsen für die Kleine. Wie konnte man so ein Wesen auch nicht lieben? Tyka Geyla hatte uns Teria geschenkt, ein kleines niedliches Etwas mit nur sehr zart ausgeprägten nibboranischen Nasenfalten. Teria hatte mein Leben von Anfang an bereichert, nie gestört. Ich war sehr dankbar für meine Tochter, aber nach wie vor auch für eine Frau wie Geyla. Eine Frau, nicht meine Frau.

Gebrauchte Teller und Gläser waren, teilweise umgekippt oder gleich gänzlich verkehrt herum, mehr oder weniger gleichmäßig im ganzen Raum verteilt. Resignierend begutachtete ich die Muster, die Soßen- und Getränkereste im Teppich hinterlassen hatten. Unmengen von benutzten Kleidungsstücken füllten die Zwischenräume zwischen den Geschirroasen. Kleidung von drei Personen zwar, aber eben nicht von Vater, Mutter und Kind.

Geyla und ich waren nun schon seit über einem Jahr arbeitslos, allerdings nicht, weil man uns gegen unseren Willen freigestellt hätte. Nach dem gescheiterten NPMP-Putsch, der Sache mit Atlantis und der Zerstörung der Psygon hatte ich erst einmal genug gesehen von der großen, weiten Welt.

Wir waren seitdem Zivilisten und hatten diese Zeit intensiv mit unserem Kind verbracht. Als die neue Psygon – man hatte natürlich eine neue gebaut – wiederum unter dem Kommando von Stalord Jannis Dakker vom Stapel gelaufen war, hatten wir uns trotz eines Angebots entschieden, nicht mitzufliegen. Ich spürte, dass ich mich davon lösen musste. Das neue Modell der Psygon war mir sowieso fremd, es war nicht meine frühere Heimat, bei deren Vernichtung ich hatte mithelfen müssen.

Auf welches Schiff oder auf welche Raumstation ich irgendwann vielleicht versetzt werden würde, stand im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Ich hatte mittlerweile ausreichend gute Beziehungen, um es mir einigermaßen aussuchen zu können. Müssen tat ich ohnehin nicht.

Geyla und ich waren kurz nach Terias Geburt für einige Wochen nach Nibbor, Geylas Heimatplanet, geflogen. Nibbor war ein pittoresker Planet voller Poesie, mir jedoch insgesamt etwas zu kühl und distanziert. Geyla und Teria waren inzwischen wieder dort und besuchten Verwandte. Ohne mich. Ich machte mir da keine Illusionen. Teria war vor allem Geylas Kind, da Väter auf Nibbor eine eher untergeordnete Rolle spielten.

Ich wusste, dass es spirituelle Rituale für nibboranische – oder in diesem Fall halb-nibboranische – Kinder gab, die eine deutlich längere Zeit in Anspruch nahmen, als wir das von christlichen Taufen kannten. Geyla und Teria würden eine ganze Weile dort sein.

Hätte ich etwas dagegen gehabt, hätte ich beide verloren. Man kann die Kultur seines Partners nicht geringschätzig behandeln. Das ist sogar mit das Schlimmste, was man tun kann. Man muss fremde Kulturen nicht adaptieren, nicht völlig verstehen, aber man muss sie respektieren. Ohne Respekt kommt man an keine guten Orte.

Die ersten Tage ohne die beiden hatten mir überraschend weh getan, aber, hey, man kann sich in einem Universum voller Gefahren, Schönheit, Wunder, Geheimnisse und Abgründe nicht jammernd hängen lassen, nur weil die Familie bestens aufgehoben einen verlängerten Urlaub genießt. Das wäre albern. Außerdem bin ich Stan. Stan Pendra. Wenn ich keine gute Laune habe, wer dann? Scherz beiseite.

Ich ging langsam durch das Chaos in meinem Apartment in der Nähe von Berlin. BHs wechselten sich mit Uniformhosen ab, Seidenhöschen mit dreckigen Stiefeln. Es sah aus, als hätte eine exzessive Orgie stattgefunden, dabei war es nur eines der Musik- und Trinkgelage gewesen, wie sie in letzter Zeit jeden Abend stattfanden. Ich trat auf einen Smart-Com, der daraufhin zirpte, schaltete ihn aus und verfrachtete ihn auf den Tisch. Dort ging er zwischen leeren Flaschen, abgebrannten Kerzen, Fotos und digitalen Blöcken unter. Ich schüttelte den Kopf.

Was für ein Chaos! Wie alt bin ich eigentlich? Egal.

So sah es hier jeden Tag aus, seit die beiden Freaks da waren. Es hatte sich hervorragend getroffen, dass zwei sehr gute Freunde ausgerechnet zu dieser Zeit Landurlaub hatten. Welch ein merkwürdiger Zufall! Ähm, na ja, vielleicht waren auch ein paar Strippen gezogen worden, damit es genauso kam.

Vanessa Woodman, die ich immer liebevoll als Rehaugen-Dewie bezeichnet hatte, war mittlerweile ein Rehaugen-Stalev. Die Beförderung war hochverdient. Woodi war noch immer spritzig, spontan und, in meinen Augen, attraktiver denn je. Sicher, sie war vielleicht nicht jedermanns Typ mit ihrer zupackenden Art, eine Frau des Typs Prinzessin war sie nun wirklich nicht, aber ich war auch nicht der einzige Mann, der sie für eine wandelnde Sünde hielt. Wer natürlich auf vornehme, eingebildete, langhaarige Blondinen stand, würde Woodi übersehen.

Ich baggerte sie trotzdem nicht an, und das rechnete ich mir hoch an. Es lag vor allem daran, dass sie nie an mir interessiert gewesen war, nicht mal ansatzweise. Ich versuchte, deswegen nicht gekränkt zu sein. Die Midlife-Crisis lag ja nun auch noch ein paar Jährchen in der Zukunft. Sagte man nicht, das sei die Zeit, in der Männer ihr Jagdgebiet erweitern, obwohl ihnen die Munition ausgeht? Vielleicht war ich ja in einer Midlife-Crisis seit ich sechzehn war – nur mit Munition, dafür ohne Plan und mit viel zu viel Herz.

Woodi diente mittlerweile auf der Lantica, einem Schlachtkreuzer, als Waffenoffizier. Ich dachte oft an die Tage mit ihr und den anderen in San Francisco zurück und wunderte mich jedes Mal, dass ich sie als eher angenehme Erinnerungen verbucht hatte.

Der andere Freund war Stalev Flink P. Garrett. Seine Atlantikaner-Vergangenheit hatte keine negativen Aus-wirkungen auf seine Karriere gehabt, und so hatte er vor einiger Zeit einen Posten auf Far Gax Fourty angenommen. Far Gax Fourty war eine Raumstation im Kriegsgebiet. Diese nervenaufreibende Position war, so kam es mir vor, genau das Richtige für Flink. Flink und Vanessa wären ein wirklich hübsches Paar gewesen, fand ich, doch es sollte bislang irgendwie nicht sein. Die beiden waren ebenso trinkfreudig wie ich und schon eine Woche bei mir.

Sodom und Gomorrha. Und wer bin ich? Babylon?

Flink schnarchte auf dem Sofa. Ich ging zu ihm, um seinen Zustand einzuschätzen. Er roch etwas streng, genau wie ich, und trug noch die Uniform - bis auf einen Stiefel - und war mit Kartoffelchips übersät.

Ich war froh, dass er noch nicht wach war. Sein Gequatsche hätte meinen Kopfschmerz verschlimmert.

Leise tapste ich in die Küche und nahm eine Tasse aus dem Schrank. Der Materializer spuckte heißen Tee aus. Der erste Schluck sagte mir, dass Tee meinem Magen zwar gut tat, mich aber nicht im Geringsten befriedigte. Ich brühte starken Kaffee auf, allerdings nicht mit dem Materializer, sondern mit einer antiken Kaffeemaschine.

Der Kaffee war so stark, dass beinahe der Löffel darin stehen blieb. Zufrieden nippend schlenderte ich nun an Kissen, Decken, Schuhen und halb vollen Schüsseln vorbei in Richtung Gästezimmer. Aus einer der vielen Schüsseln am Rande meines Weges griff ich mir eine Bulette mit reichlich Barbecue-Soße und schlang sie, nach salziger Nahrung lechzend, herunter. Die geschmackliche Kombination mit dem Kaffee war grauenhaft.

Die Tür des Gästezimmers stand einen Spalt weit offen, so dass ich einen bequemen Einblick in einige Bereiche des Raumes hatte. Vanessa war überraschenderweise auch schon wach, aber ich wollte nicht, dass sie mich bemerkte. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich, wie ein Kind, das durch ein Schlüsselloch sieht.

Vanessa trug Shorts und ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift »Let me be your underwear!«.

Aber gern, Woodi!

Sie streckte sich genüsslich vor dem großen Spiegelschrank. Ihre Haare sahen viel ordentlicher aus, als man es nach so einem Abend hätte erwarten können. Einige Strähnen fielen ihr zwar ins Gesicht, aber ich fand, dass ihr das ausgezeichnet stand und ihre unangepasste Art betonte.

Ich wollte mich gerade langsam und vor allem leise zurückziehen, da spürte ich eine Hand an der Schulter. Ich fuhr zusammen, machte aber kein Geräusch.

»Na, du Spanner! Zieht sie sich gerade um?«, flüsterte Flink mit einer Stimme, die rauer als ein Reibeisen war.

»Grins nicht so blöd! Sei leise!«, fauchte ich zurück.

Interessiert nahm er nun meine vorherige Position ein.

»Hör schon auf damit!«, forderte ich.

»Ah ja, aber du darfst das, hä?!«, beschwerte er sich.

»Was flüstert ihr zwei da draußen eigentlich?«, fragte Vanessa.

Flink und ich entfernten uns von der Tür und begannen ein belangloses Gespräch. Kindisches Verhalten auszumerzen, ist für Männer eine Lebensaufgabe. Aber hat jugendliche Albernheit mitunter nicht auch ihren Charme? Manche Frauen sagen so, andere so. Ich hatte eh keine Wahl. Ich ließ mich einfach geschehen. Ich war eine Naturkatastrophe.

Einige Minuten später saßen wir zu dritt inmitten des Chaos meiner Wohnung und frühstückten ausgiebig. Dazu lasen wir die digitale Presse und hörten ins EnterKom, eine Art Nachfolger von Radiosendern der Urzeit. EnterKom versorgte die Hörer mit den neuesten Nachrichten, Halbwahrheiten, Sportergebnissen und auf Wunsch mit allem, was man sich sonst noch vorstellen konnte.

Flink ärgerte sich über eine Niederlage der Space Cowboys. Ich fand den Namen so albern, dass ich Niederlagen dieses Teams für eine gerechte Strafe hielt.

»Du mit Deinem blöden Baseball!« Vanessa winkte ab.

»Blöd? Das ist ein Lebensgefühl, eine Religion, das ist … Pendra, sag´s ihr!« Flink mochte Kritik an seinen Leidenschaften nicht gern hören.

»Baseball ist blöd«, erwiderte ich trocken, ohne von meinem elektronischen Block aufzusehen.

Vanessa lachte, Flink schmollte.

Die Sonne schien angenehm warm, der Himmel war blau, und durch die offene Balkontür schlich sich Frühlingsluft in die Küche. Frühlingsluft war das Beste. Kühl, klar, unschuldig und mit diesem Hauch von kommender Hitze, dem Versprechen auf Sommer.

Es ging mir besser. Der Magen vergaß allmählich den Wein. Ich mochte eigentlich gar keinen Wein. Endlich schaffte ich es, mich aufzuraffen.

»Hört mal, Leute. Wir haben wirklich viel Spaß gehabt. Können wir auch weiter haben, aber jetzt mal nur so eine Frage: Warum verbringt ihr eigentlich euren kompletten Landurlaub bei mir?«

Vanessa und Flink sahen sich an.

»Willst du uns loswerden?«, fragte Vanessa.

»Nein, nein, aber wollt ihr nicht eure Familien besuchen? Oder jemanden kennen lernen? Ihr wisst schon … heiße Nächte verbringen und all das. Schließlich seid ihr Singles. Und jung.«

»Jung!«, wiederholte Flink genervt. »Und als du in unserem Alter warst – ach, Moment mal, das bist du ja, Herr Oberlehrer. Du hörst dich an wie meine Mutter.«

»Wir können hier echt mal aufräumen, wenn dich das stört«, schlug Vanessa vor.

Ich seufzte. »Hallo? Ist die Frage bei euch nicht angekommen? Ihr stört nicht. Über alles und jeden haben wir in den letzten Tagen gesprochen, nur nicht über euch. Was ist eigentlich los?«

Flink sah mich an. »Ich duze dich privat, weil wir Freunde sind, aber du bist auch ein guter Kamerad, Vorgesetzter und Offizier. Wir haben einiges zusammen durchgestanden. Das verbindet, würde ich sagen. Ich hab nicht viel Familie - und die, die ich habe, möchte ich nicht unbedingt sehen. Klingt tragisch, ist aber kein Problem für mich. Ich schreibe meiner Mutter, sie schreibt zurück. Das reicht mir. Bessere Freunde als Dich, Vanessa und Geyla habe ich nicht. Deshalb bin ich eben hier. Ich sehe da kein Problem.«

»Ist ähnlich bei mir.« Vanessa nickte. »Ich habe eine jüngere Schwester, mit der ich jetzt auf der Lantica lebe. Meine Eltern sind tot, wie ihr wisst. Tja, was soll ich sagen?«

Ich nickte. Die Stille war irgendwie traurig.

Der Kom-Screen rettete uns. »Stadux Consari an Stalev Woodman! Hören Sie mich, Stalev?«

Woodi sah uns entnervt an.

»Das ist der erste Offizier der Lantica«, flüsterte sie. »Woodman hier, Patronus«, meldete sie sich zackig.

Der militärische Ton war ein echter Kontrast zu unseren lockeren Gesprächen vorher. Er stieß mir unangenehm auf.

»Entschuldigen Sie die Störung, Stalev, aber wir müssen doch schon heute Abend los. Melden Sie sich bis achtzehn Uhr in Dock Sieben! Tut mir leid, aber wir haben einen Spezialauftrag erhalten. Bis heute Abend. Consari Ende.«

Vanessa saß mit offenem Mund da und starrte an die Wand.

»Scheiße!«, sagte sie schließlich gepresst.

»Kurz und schmerzvoll«, brummte Flink.

»Fünf Tage. Ich hätte noch fünf volle Tage Urlaub gehabt! Ich hasse meinen Job!« Wütend stand sie auf und stapfte in ihr Zimmer, knallte die Tür zu und fluchte einige unverständliche Dinge.

Flink und ich sahen uns mitfühlend an. Im Wohnzimmer piepste irgendetwas aufdringlich.

»Mein Smart-Com!«, rief Flink und stürmte ins Chaos.

Teller klirrten, Kleidung wurde durch die Luft gewirbelt.

»Auf dem Tisch«, rief ich dem immer hektischer werdenden Flink zu.

Flaschen purzelten durcheinander, dann endlich hörte ich ihn mit dem Anrufer reden. Auch er sprach militärisch, und auch er kam mit einer desillusionierten Miene zurück in die Küche.

»Zurück nach FG Fourty?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und setzte sich mit ausdruckslosem Blick wieder an den Küchentisch. »Auf die Floatdisc!«

»Die Floatdisc? Nocon-Klasse, oder?«

Er nickte.

»Wann?«

»Heute noch.«

Ich zögerte einige Sekunden. »Und warum nicht zurück nach FG Fourty?«

»Im Krieg nur noch Notbesatzung auf Raumstationen. Es müssen mehr Schiffe an die Front.«

Ich nickte. Die Floatdisc war nicht gerade das Beste, was die Squadronica Terrensis zu bieten hatte. Jetzt wurden also schon altersschwache Blechbüchsen in den Kampf geschickt. Frustriert goss ich den mittlerweile kalten Kaffee in mich hinein.

Der friedliche Frühlingstag war für meine Gäste zum Feind geworden.

Am Nachmittag passte sich das Wetter dieser Stimmungslage an. Eine graue Wand ließ Regen auf die Erde prasseln. Ich brachte Flink und Woodi zur lokalen Inter-Trafficer-Station. Kurz und beinahe sprachlos verabschiedeten wir uns, schieden wie Geister voneinander.

Nach meiner Rückkehr saß ich inmitten der Stille, inmitten des Mülls, inmitten der eigenen Einsamkeit. Meine Wohnung war jetzt ein trostloser, lebloser Ort. Die Dunkelheit kroch erst langsam in den Raum, dann wurde es stockdunkel.

Ich blieb auf dem Boden sitzen. Ich fühlte mich nicht gut an diesem verlorenen Tag. Nichts brachte eine Regung in mein Gesicht. Ich war in einem Zustand, der sich schwer beschreiben lässt, aber ich kannte ihn von früher. Er trat ein, wenn ich unterbewusst spürte, dass bald etwas Einschneidendes passieren würde.

Irgendwann raffte ich mich auf und versuchte, mit Geyla zu sprechen, doch es kam keine Verbindung zustande. Übertragungen nach Nibbor waren nicht einfach – in Kriegszeiten erst recht nicht. Das verbesserte meine Laune nicht. Der Chronometer fraß die Sekunden, die Dunkelheit den Tag, das Universum mich. Als irgendwann meine Türklingel ertönte, bekam ich fast einen Herzstillstand.

Ich erlaubte dem Calculator, sie zu öffnen. Die Türflügel glitten in die Wand, und eine Welle künstlichen Lichts überflutete mein Apartment. Zwei große Männer betraten das Wohnzimmer, doch das Licht blendete mich, so dass ich sie nicht genauer erkennen konnte.

»Guten Abend, Stan. Lange nicht gesehen«, sagte einer der beiden. Es war Stadux Mac Woyers Stimme, kein Zweifel.

Ich aktivierte das Deckenlicht. Es waren tatsächlich Woyer und der chromglänzende Humanbot One-Two. Ein ungewöhnlich hochrangiger Besuch. Aus Stalev Stadux One-Two war inzwischen Stadux One-Two geworden - eine mehr als gerechtfertigte Beförderung, wie ich fand. Dann erst fielen mir Woyers Abzeichen auf.

»Oh, Stalord Woyer! Endlich ein eigenes Kommando, Patronus? Herzlichen Glückwunsch!« Auch diese Beförderung war folgerichtig.

»Danke, Stan«, sagte Woyer sachlich. »Wie geht es ihnen?«

Ich räumte den beiden das Sofa frei.

»Soweit ganz gut. Wie ich Ihnen geschrieben habe, bin ich Vater geworden. Da ändert sich schon einiges. Ansonsten habe ich nicht viel getan, außer meinen Heimatplaneten zu Fuß zu erkunden und vor mich hin zu philosophieren.«

Woyer lächelte. »Wohl vor allem auf dem Fußboden.«

»Ich muss mich für den Zustand des Apartments entschuldigen. Ich hatte für einige Tage Gäste, die erst heute abgereist sind. Sie kennen sie. Stalev Garrett …«

»Und Stalev Woodman«, sagte Woyer.

»Woher wissen Sie das?«

»Wir sind nicht zum Spaß hier«, sagte One-Two ernst.

Ich musste grinsen. »Dass Sie nicht zum Spaß hier sind, konnte ich mir denken.«

Sie sahen mir beide ziemlich ernst in die Augen.

Okay, also keine Scherze mehr.

Kurz kam die Befürchtung in mir auf, sie würden mir die Nachricht von einem Todesfall überbringen.

»Stan, wollen Sie Ihren Dienst in der Squadronica fortsetzen?«, fragte Woyer ernst.

Ich brauchte nur ein paar Sekunden. »Ja, schon, aber wenn Sie so fragen, heißt das sicher, dass es sofort losgehen soll. Das kann ich so schnell nicht entscheiden.«

»Es geht morgen Abend los«, sagte Woyer.

»Sie müssen sich heute noch entscheiden«, fügte One-Two hinzu.

»Wieso die Eile?«, fragte ich skeptisch.

»Wir haben einen Auftrag, der ein wenig drängt. Wenn Sie absagen, müssen wir uns einen anderen Zweiten Offizier suchen«, antwortete Woyer.

Das kam wie ein Donnerschlag.

Hallo? Ich als Zweiter Offizier? Stan?

»Sie wollen einen Stalev als Zweiten Offizier einsetzen?«, fragte ich ungläubig.

»Nein.« One-Two kramte etwas aus seiner Hosentasche und hielt es mir hin. »Aber einen Stalev Stadux!«

Ich nahm das Rangabzeichen in die Hand. Die Mistkerle wussten, wie man mich ködern konnte. Ich war eben doch nicht immun gegen das ganze Flottengehabe. Nein, ich war ganz und gar nicht immun dagegen!

»Geben Sie mir eine halbe Stunde«, sagte ich.

Ich hatte ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht, das sich falsch anfühlte, aber ich bekam es dort nicht weg.

»Was ist mit meiner Partnerin?«, fragte ich, während ich mich in eine Uniform warf.

»Wenn Sie Stalev Tyka meinen – die ist schon auf dem Schiff«, sagte Woyer.

Ich beschloss, mich über nichts mehr zu wundern. Geyla hatte das entschieden, ohne mich zu fragen?

Klappe, Stan! Was denkst du für einen Schrott? Du hast es gerade auch selbst für dich ganz allein entschieden, ohne sie zu fragen!

»Wie heißt es denn eigentlich, unser Schiff?«, fragte ich.

Woyer lächelte. »Sitnalta verkehrt herum.«

Die Atlantis? Welch treffender Name für einen Untergang.

Mir war noch immer nicht ganz klar, wie mir geschah, aber es störte mich auch nicht weiter. Das plötzliche Ende des friedlichen zivilen Lebens zugunsten eines, wie ich vermutete, Kriegseinsatzes gegen das Prismonium machte so wenig Sinn, dass ich ihn fraglos akzeptierte.

Eine solche Entscheidung war typisch für mich.

Der Krieg zog sich seit Jahren hin, ohne zu einer endgültigen Entscheidung zu kommen. Und es war mir nun mal nicht egal, wer ihn gewann. Das Prismonium würde die Erde und alle anderen Welten, die mir etwas bedeuteten, besetzen und unterdrücken. Es wäre das dauerhafte Ende jeglicher Freiheit. Diese Option war absolut unsexy.

Geyla war eine sehr starke Frau, aber dass sie Teria so ohne weiteres mit in den Einsatz nahm, imponierte mir. Oder machte es mich mehr wütend, als dass es mir imponierte? Wir hätten zumindest einmal kurz über unser Kind sprechen müssen, fand ich.

Ich saß mit Woyer und One-Two in einem Inter-Trafficer, einem kleinen Schiff, das stellare Transfers durchführte. Wir hatten gerade die Atmosphäre der Erde verlassen, und der letzte blaue Schimmer wich der ruhigen Schwärze des Raums. Es wurden diverse technische Kleinigkeiten diskutiert, die sich allesamt auf das neue Schiff bezogen, doch ich hörte nicht richtig hin. Stattdessen sah ich mir meinen Heimatplaneten zum hundertsten Mal vom All aus an. Er gefiel mir, und das ganz ohne Pathos. Er gefiel mir einfach.

Im Orbit begegneten uns andere Inter-Trafficers jeglicher Bauart. Sternenbasen, Docks und Werften verteilten sich in der näheren Umgebung, wirkten jedoch wie Spielzeuge vor dem Hintergrund des Universums. Wir schwenkten nach links und näherten uns allmählich unserem Ziel, einem gewaltigen Dock, das drei Schiffe in seinen Dockbordschleusen hielt. Reparatur- und Versorgungsdrohnen umschwirrten das künstliche Gebilde wie ein Bienenvolk seinen Stock.

Ich befühlte das neue Rangabzeichen an meinem Kragen. Stadux würde man mich von nun an nennen, auch wenn es nur der Rang eines Stalev Stadux war. Für diesen Rang war ich eindeutig zu jung, war regelrecht die Karriereleiter hinaufgefallen. Das lag vornehmlich am Verlust vieler altgedienter Offiziere im Krieg, nicht an meiner Genialität. Nachschub musste her, und der wurde zwangsläufig immer jünger.

Das Inter-Trafficer unterflog das erste der drei Schiffe, einen Kreuzer mit dem kriegsgerechten Namen Merciless. Ich fand ihn beinahe lustig, vor allem aber völlig daneben. Kraftprotzerei. Der Kreuzer war ein phantasieloser, fetter Klotz mit enormer Feuerkraft.

Mir fiel ein, dass ich gar nicht wusste, welcher Klasse die Atlantis angehörte. Politisch war die Erde einigermaßen stabil, die Unyon war nicht ins rechtsradikale Lager gekippt, aber trotzdem sorgte der nicht enden wollende Krieg für dämliche Propaganda, unangebrachten Stolz und naive Verblendung.

Das zweite Schiff war die Endura, ein leicht veralteter Gigant.

»Und jetzt halten Sie sich fest«, sagte Woyer.

»Rechnen Sie mit Turbulenzen, Stalord?«, reagierte One-Two typisch humorlos.

»Redewendung, One-Two. Sprichwort.«

Das Inter-Trafficer glitt unter der Endura hindurch, und der Blick auf die Atlantis öffnete sich. Ich erkannte gleich die vertrauten Konturen der alten Psygon. Eine schlanke Flat-Sektion, an die sich ein geschwungener Rumpf anschloss. Etwas aber stach in seiner Unterschiedlichkeit hervor. Statt zwei Jump-Muscheln besaß dieses Schmuckstück gleich vier davon. In x-förmiger Anordnung ergab das eine ziemlich kraftvolle Optik.

»Not bad. X-Klasse!«, hörte ich mich sagen.

Woyer nickte. »Erst das dritte Exemplar dieser Reihe. Bisher gab es die erwarteten Systemprobleme nicht. Maximum-Jump für relativ lange Zeit ist möglich, außerdem können zwei Muscheln die anderen beiden ersetzen, sollten diese ausfallen. Zweitbeste Klasse der Squadronica.«

Stalord Woyer, nicht Stalord Dakker, war der Oberkommandierende dieses Schiffs. Daran würde ich mich aber rasch gewöhnen, da war ich sicher.

Wir gingen an Bord.

Auf dem Schiff erwarteten mich weitestgehend vertraute Strukturen. Es war, bis auf den Antrieb und einige verbesserte Waffensysteme, beinahe ein Duplikat der zerstörten Psygon. Weicher Teppichboden war seltsamerweise das Erste, was mir auffiel, nachdem ich das Schiff betreten hatte. Spiegelnde schwarze Kunststoffverkleidungen an einigen Stellen des Korridors waren das Zweite. Als nächstes registrierte ich das zischende Auseinandergleiten der Türen des Quicklevators, mit dem man zwischen den einzelnen Decks hin und her fuhr. Interessant waren auch die Besatzungsmitglieder, die Crewies, die uns allesamt untertänig grüßten. Sie hatten mit den drei ranghöchsten Offizieren – das schloss mich jetzt irrealerweise mit ein – ihres Schiffes noch nie zusammengearbeitet und kannten uns nicht.

One-Two und Woyer genossen einen beinahe legendären Ruf. Jeder in der Squadronica hatte von ihnen gehört. Um einen guten Eindruck zu machen, warfen einige Crewies ungefragt mit Meldungen um sich.

»War das Schiff vorher schon im Einsatz?«, fragte ich.

Woyer schüttelte den Kopf. »Nein, flatschneu.«

»Was ist mit der Crew?«

»Recht jung, aber das ist ja nun fast überall Standard. Wenn vieles noch nicht reibungslos läuft, liegt das an der fehlenden Eingespieltheit, nicht an der grundsätzlichen Qualität. Die Abläufe zu optimieren, ist übrigens Ihre primäre Aufgabe.«

Ausgerechnet! Ich und Abläufe optimieren. Lustig!

Ich äußerte jedoch keine Bedenken, sondern nickte zuversichtlich. »Was ist mit den anderen Führungsoffizieren? Sind die Leute in Ordnung?«

»Sie werden zufrieden sein«, sagte Woyer und lächelnd.

Zusammen mit zwei jungen weiblichen Dewies, die augenblicklich ihr Gespräch unterbrachen, betraten wir den Quicklevator in der Nähe der Haupt-Trafficer-Rampe. Die beiden waren offensichtlich Wissenschaftsoffiziere. Das erkannte man nicht etwa an einer Nerd-Frisur, sondern an Zusätzen zum Rangabzeichen.

Immerhin hatten wir überhaupt Wissenschaftsoffiziere! Dann waren wir auch noch ein Forschungsschiff, kein reines Kriegsschiff. Na ja, was ich mir eben so einreden wollte.

»Es war nicht leicht, diese Führungsoffiziere aufzutreiben. Der Stalord ließ zwei Schiffe, die schon mit ihnen abgeflogen waren, umkehren, um sie zu bekommen«, sagte One-Two.

Die Quicklevator-Tür schloss sich hinter uns.

»Müssen ja Top-Leute sein«, erwiderte ich.

»Wichtig ist, dass wir ein funktionierendes Führungsteam haben. Und es wird funktionieren«, sagte Woyer.

»Deck Zehn«, sagte einer der Dewies, woraufhin der Lift Fahrt aufnahm.

»Wohin fahren wir?«, fragte ich.

»Auch Deck Zehn«, antwortete Woyer.

Das wunderte mich. Statt zur Kommandozentrale – der Bridge-in-Command (B-i-C) – oder zum Technik-Trakt zuerst in die Bar? Die hieß hier Gax. Einer der Dewies, eine recht große, hellblonde Frau mit sehr heller Haut, fragte plötzlich: »Stalord, entschuldigen Sie die Frage, aber was halten Sie davon, dass die meisten Crewies so jung sind?«

Woyer wirkte irritiert. »Was meinen Sie, Dewie …?«

»Njeshova. Dewie Mara Njeshova, Patronus. Aus der Astrophysik. Ich meine, ob Sie die Crew nicht zu unerfahren finden?«

»Wäre es so, würde ich nicht starten. Unerfahrene Leute müssen gut geführt werden, dann werden sie schnell erfahrene Leute. Ihre Vorgesetzte, Stalev Keppel, ist ein ausgezeichneter Offizier. Sie sollten besser damit anfangen, Ihre Kollegen und sich selbst als geeignet für dieses Schiff zu bewerten, sonst schaffen Sie´s hier nicht.«

Ich fand, dass Woyer ziemlich kritisch mit der jungen Frau umging. Allerdings war es auch ein wenig dumm, den Stalord auf so etwas anzusprechen. Ich nickte ihr aufmunternd zu. »Sie sind nicht zu jung, Dewie Njeshova. Das Alter wird überbewertet. Sie werden lernen, sie werden leiden, sie werden Spaß haben. Alles ganz normal.«

Sie lächelte zaghaft. Woyer dagegen blickte mich tadelnd an, erst recht, als ich fortfuhr.

»Ich bin auch nicht viel älter als Sie. Also, wenn was ist, wenden Sie sich an einen ihrer sympathischen Vorgesetzten, zum Beispiel an mich. Wir klären das dann schon.« Ich grinste, sie lachte, und der andere Dewie konnte sich ein Schmunzeln auch nicht verkneifen.

»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte ich die veecherianisch aussehende, schwarzhaarige junge Frau, deren Schmunzeln nicht darauf hindeutete, dass sie war, was ihr Äußeres andeutete.

Veechers schmunzelten nicht.

»Dewie Talia Shiral, Stadux! Biologie, Team Stalev Marcuse, Patronus.« Das klang zackig.

»Sie kommen von Veecha?«, fragte ich.

Sie wirkte beinahe verlegen. »Eine kurze Zeit lang lebte ich dort, aber meine ersten vierzehn Lebensjahre verbrachte ich auf Greecherio. Ich bin wohl eine Greecherin, Patronus.« Sie zuckte entschuldigend mit den Achseln.

»Die erste in der Squadronica Terrensis«, ergänzte One-Two.

Ich war überrascht und brannte darauf, sie näher kennen zu lernen. Greechers galten als mysteriös und wenig vertrauenswürdig. Die Unyon befand sich seit Jahrhunderten im meist kalten Kriegszustand mit Greecherio. Als Angehörige einer verfeindeten Rasse würde sie es hier schwer haben. Ich selbst hatte eher ein gutes Gefühl, was sie betraf. Sie wirkte lebensbejahend und clever. Ehrlichkeit bis zum letzten erwartete ich von einer Greecherin nicht, aber einen angeborenen Hang zu Verrat ebenso wenig. Angeborene Bösartigkeit gab es nicht. Das war eine rassistische Theorie.

Der Lift hielt, und die Türen glitten auseinander. Njeshova und Shiral verabschiedeten sich und verschwanden tuschelnd und schnellen Schrittes. Woyer verschleppte den Schritt. Ich wusste, was kam.

»Sie sind jetzt einer der obersten Führungsoffiziere, Monsignore Pendra. Genauer gesagt die Nummer Drei dieses Schiffes, falls Sie sich bitte mal klar machen, was das bedeutet! Also etwas weniger flirten, wenn ich bitten darf. Sie sind ja schlimmer als ich in dem Alter!«

Ich wusste nicht, ob ich stramm stehen oder lachen sollte. Vorsichtshalber bewahrte ich Haltung.

»Mut und Zuversicht zu vermitteln, Stalord, ist das nicht eine meiner Aufgaben?«

»Das hier ist keine Kreuzfahrt, Stan! Diese Grünschnäbel sollen keinen Spaß haben, sondern effektiv sein. Das wird ein Kampfeinsatz, keine diplomatische Mission!« Woyer war nicht aufgebracht, nur etwas bestimmend, und vielleicht hatte er recht.

Aus einem Reflex heraus bot ich dennoch freundlich Contra: »Wer sich wohl fühlt, arbeitet besser. Außerdem war das kein Flirt. Das kann ich viel besser.«

»Schon gut. Dennoch müssen Sie ihr Verhalten dem Rang anpassen, den sie am Kragen tragen. Genau wie ich. Als Stalev hätte ich vielleicht ebenso wie Sie gehandelt, aber als Stadux oder Stalord ist das etwas anderes.«

Ich nickte demütig. »Nett waren die beiden aber schon, hm?«

»In jeder Hinsicht, Stadux Pendra«, sagte er und grinste.

One-Two dachte sich sicher seinen Teil, blieb aber still.

Wir betraten das Gax.

Ein Körper, welche Einheit! Ein Geist, welche Zwietracht! Träume nicht, wenn das Leben wallt. Stoppe es mit der Kraft in Deinem Herzen. Raum, grenzenlos wie die Sehnsucht, nimmt mich in seine kalten Arme. Funkeln deine Augen auch gefährlich, ich will Eins sein mit dir. Tödlicher Glanz, pure Schönheit, Stille – verführt mich nicht, lockt nicht mit euren Liedern der Freiheit, den Liedern der Unsterblichkeit.

Schon ist die Leidenschaft entfacht, brennt und verschlingt den Geist. Musik der Seele, Musik der Körperlosigkeit – schwinge mich durch das Dunkel, durch die Finsternis, durch das düstere Loch ohne Grund. Schleuse mich durch die Tore des Himmels, vorbei an den Schwertern des Feuers, und in die Macht der Elemente. Raum, endloser Tanz aus Staub, herrsche, ziehe mich mit Dir. Ob ich will oder nicht, ich bin dir ausgeliefert, du bist meine Sucht. Du meine Faszination der Düsternis.

Moment mal, wo bin ich denn hier wieder gelandet? Konzentrier dich! Schau dir das Gax an!

Oh, très chic!

Das Gax bot eine silbern-metallisch funkelnde Theke, auch die Tische und Stühle passten dazu. Es war ein hoher Raum, der momentan ziemlich voll war. Wahrscheinlich war soweit alles vorbereitet, und man genoss die letzten Stunden vor dem Start. Als man uns nach und nach erkannte, wurde es ruhiger, dann vollends still. Unsicherheit machte sich breit. Man kannte uns zwar vom Hörensagen, aber nicht unseren Führungsstil. Ich kannte meinen ja selbst nicht.

Woyer hatte offensichtlich kein Verlangen danach, sich seiner Crew mitzuteilen, sondern sah sich einfach nur um.

»Wen suchen wir?«, fragte ich.

»Freunde von Ihnen«, lautete die Antwort.

Aus der Menge löste sich ein Gesicht, das mein Herz höher schlagen ließ. Wärme durchzog meinen Körper, und mit kribbelnder Haut breitete ich die Arme aus. Sie fiel mir strahlend um den Hals. Ich schloss die Arme um sie und hob sie sanft empor. Dann setzte ich sie unter Küssen wieder ab und drückte ihren Kopf an meine Brust.

Woyer räusperte sich. Alle starrten uns an. Es war mir völlig egal.

Geyla strahlte mich an, die Augen voller Lebensfreude und Wärme. Ihr gutes Herz ließ ihr Gesicht leuchten. Zumindest sah ich das so.

»Wie geht es Teria?«, fragte ich.

»Gut, aber darüber sprechen wir später«, sagte sie.

Ihr dunkelblondes Haar hatte sie sich hochgesteckt – es sah verdammt gut aus! – und ihre niedlichen nibboranischen Nasenhügel, die sie unserer Tochter Teria zu einem gewissen Teil vererbt hatte, waren gepudert und wirkten dadurch noch zarter. Ihr Gesicht war wie Marzipan: einfach zum Anbeißen!

»Ihr Sicherheitschef?«, fragte ich über die Schulter.

One-Two nickte.

»Nicht schlecht, Stalev Tyka!«, sagte ich und nickte ihr zu.

Auch sie nickte. »Ich bin mehr als zufrieden mit dieser Position.«

Der Posten des Sicherheitschefs passte zu ihr. Sie war, konträr zu ihrer geradezu niedlichen Erscheinung, äußerst kampflustig, und zwar immer und überall – leider häufig auch innerhalb unserer Beziehung.

»Wer ist dein taktischer Offizier?«, fragte ich.

Geyla lächelte. »Du kennst ihn, beziehungsweise sie.«

Im Gewühl hinter Geyla erblickte ich ein wohlbekanntes, braunes Augenpaar.

»Stalev Woodman ist doch geeignet für diesen Posten, oder was meinen Sie, Stadux?«, fragte Woyer und gab mir einen Stups in die Seite.

Ich schüttelte Vanessa die Hand. »Unbedingt, Stalord. Ausgezeichnete Frau! Äh, ausgezeichneter Offizier!«

Woodi wirkte erfreut, aber auch angespannt. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir keinen Reim darauf machen.

Ich zählte Eins und Eins zusammen: »Nun lassen Sie Stalev Garrett schon raus aus seinem Versteck!«

One-Two sah mich an. »Stalev Garrett? Wie kommen Sie darauf, dass er hier ist? Er ist längst weg.«

Das überraschte mich. Da schlug mir jemand kräftig auf die Schulter.

»Hallöchen, Stadux! Melde mich wie befohlen.« Garrett grinste mich selten dämlich an, dennoch musste ich lachen.

One-Two konnte also doch lügen!

Ich umarmte Vanessa und Flink. Geyla tat es mir gleich, wenn auch etwas weniger herzlich. Das hatte etwas von einer Familienzusammenführung.

»Mit welchen Ihrer zahlreichen Fähigkeiten werden Sie uns denn im Dienst ergötzen, Stalev Garrett?«, witzelte ich.

»Ich bin der neue … oh, das Schweigen erzeugt Spannung … ohhhhhhh … N-a-v-i-g-a-t-o-r! Und außerdem ihr KoordinationsOffz, Patronus.«

Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen, um ihn zu ärgern. Es klappte natürlich nicht. Er schien gut in Form und bester Laune zu sein. Woyer und One-Two verabschiedeten sich Richtung Bridge-in-Command. Mich zog es noch nicht dorthin, sondern zu meiner Partnerin. Wir alle setzten uns an einen der wenigen freien Tische.

»Wie lange seid ihr schon hier?«, fragte ich.

Woodi antwortete: »Ich war nur zwei Stunden an Bord der Lantica, als Stalord Woyer mich anforderte. Seit heute Morgen bin ich auf der Atlantis.« Sie strich sich ein Strähnchen aus dem Gesicht.

Ich musste eine ganze Nacht auf dem Fußboden in meinem Quartier gesessen haben, bevor Woyer und One-Two gekommen waren. Mittlerweile war es Nachmittag am Tag danach.

»War ähnlich bei mir. Der Stalord der Floatdisc war eh nicht mein Fall, daher bin ich ganz froh, hier zu sein«, sagte Flink.

»Untertreib nicht so«, sagte Geyla. »Wir haben großes Glück. Das Schiff und die Konstellation sind ein Privileg. Ich war überglücklich, hierher zu dürfen, auch wenn nun eine Zeit des Verzichts anbricht.«

Ich bekam eine Vorahnung. »Was für ein Verzicht?«

Geyla holte tief Luft, blies die Wangen auf und kratzte sich an der Stirn. »Ich liebe Teria so sehr, Stan, ich konnte sie nicht hierher mitnehmen.«

Klonk! Schlag eingesteckt. Meine Meinung zu unserem Kind war offensichtlich wirklich nicht gefragt.

»Du hast sie auf Nibbor gelassen? Ohne mich zu fragen?« Mein Tonfall war etwas zu heftig.

Geyla blieb völlig ruhig. »Wenn du darüber nachdenkst, wirst du einsehen, dass es das Beste für sie ist.«

»Das bestreite ich ja gar nicht, aber du kannst nicht einfach Entscheidungen für unser Kind ganz alleine treffen. Meinst du, mir fehlt sie nicht? Hätte ich gewusst, dass ich sie hier nicht antreffe, hätte ich …«

»Nichts hättest du. Du wusstest doch gar nicht, dass diese Mission stattfindet. Das konnte niemand von uns vorhersehen. Du wirst Teria gesund und munter wiedersehen, solange uns nichts passiert. Ist dir nicht aufgefallen … ach nein, du bist ja noch nicht lange an Bord. Also: Es gibt hier sehr wenige Offiziere, die ihre Familienangehörigen mit an Bord genommen haben. Es herrscht Krieg da draußen. Das ist kein Ort, um Kinder großzuziehen.«

»Das weiß ich! Dann hätte einer von uns beiden vielleicht zu Hause bleiben müssen!«

Ups. Sowas rutscht Männern immer raus, oder?

»Hättest du das getan?« Geyla sah mich mit großen, fragenden Augen an.

»Nein, wahrscheinlich nicht. Ich weiß aber nicht, ob das die richtige Einstellung ist.«

Stille.

»Bestimmt. Schließlich verteidigen wir hier draußen die Zukunft unseres Kindes. Geht der Krieg verloren, wäre es besser für Teria, nie geboren worden zu sein. Es ist schon alles in Ordnung so. Du kennst doch Onkel Fran und Tante Gorea – sie werden sich ausgezeichnet um unsere Süße kümmern.«

»Schon, aber danach habe ich endgültig ein rein nibboranisches Kind. Wo bleibt das Menschliche in ihr? Hat diese Seite ihrer Herkunft gar keine Rechte?«

Ich packte die heißesten Eisen an, und das vor Flink und Vanessa. Das war ganz sicher selten dämlich!

»Nicht schon wieder, Stan! Du hast keine geeigneten Verwandten, die auf ein Kind achten könnten, deshalb ist Teria jetzt eben zufällig auf Nibbor. Dass eine Hälfte von ihr terranisch ist, wird niemand vergessen, aber auf Nibbor hat sie es leichter, wenn sie die dortige Kultur versteht und annimmt.«

Ich bestellte mir einen Drink und bemerkte, dass Vanessa und Flink peinlich berührt schwiegen. Es war an der Zeit zu seufzen.

»Du hast recht. Lass uns nicht über den Quatsch streiten. Teria geht es gut, und das ist die Hauptsache. Viel Zeit hätten wir hier eh nicht für sie gehabt«, gab ich widerwillig zu.

»Na, siehst du.« Geyla lächelte gütig und ergriff meine Hand. Ich strich über ihre Finger, sie über meine. Das beruhigte mich.

Vanessa nahm einen Schluck aus ihrem Drink und räusperte sich. »Toll, dass ich ausgerechnet jetzt ein Familienmitglied mit an Bord genommen habe. Es es ging nicht anders.«

»Du hast geheiratet?«, fragte Geyla überrascht.

Vanessa schüttelte energisch den Kopf und lachte. »Wer soll sich das denn antun?«

Flink und ich sahen uns an. Wir wussten um die Gedanken des anderen.

»Nachdem meine Eltern gestorben waren … also meine kleine Schwester wollte jetzt nicht wieder monatelang allein bleiben, also hab ich sie mitgenommen. Auf der Lantica war sie ja auch schon. Sie hat sich so entschieden. Was soll ich da machen?« Sie zuckte mit den Achseln.

»Wie ist sie denn so?«, fragte ich.

»Wie schon? Sie ist sechzehn! Conny hört viel zu laute Musik, singt und tanzt den halben Tag durch die Gegend, schminkt sich … aber sie malt auch gern und interessiert sich für Biologie.«

»Das Interesse für Biologie ist in dem Alter völlig normal.« Flink lachte.

»Du lässt die Finger von Ihr, ist das klar? Sie ist zwar alt genug für alles Mögliche, aber für dich noch nicht! Für dich wird sie nie alt genug sein, Flink P. Garrett!«, meinte Vanessa halb scherzhaft, halb ernst.

Ich lachte darüber, da wandte sie sich mir zu. »Das gilt auch für Dich, Stadux Frauenheld!«

Geyla lachte. »Unter dem Titel bist du also bekannt? Interessant!«

»Ha, ha«, beschwerte ich mich.

Als ob ich eine Sechzehnjährige attraktiv finden würde!

In diesem Moment blieb mir der Gedanke im Kopf stecken.

Auftritt Conny Woodman.

Ich wusste sofort, dass sie es war. Sie ähnelte ihrer Schwester auffallend, sah aber bedauerlicherweise aus wie eine Frau um die zwanzig.

Was für ein Lolita-Klischee! Weg damit aus dem Schädel!

Sie trug ihre braunen Haare schulterlang und hatte einige Strähnchen mit Haargel verklebt, so dass ein interessanter Mix aus fixierten Spitzen und elastischen Abschnitten entstand. Die Augen waren anders als Vanessas, aber auf eine eigentümliche Art ganz zauberhaft. Sie waren ebenso rehbraun wie Vanessas, doch sie glänzten intensiver und waren etwas kleiner. An Körpergröße übertraf sie Vanessa sogar recht deutlich und war wahrscheinlich um die ein Meter fünfundsiebzig groß. Dass die jüngere Schwester einen Kopf größer als die ältere war, sorgte für zusätzliche Verwirrung bezüglich des Alters. Ihr Gesicht war nicht übertrieben, sondern gekonnt geschminkt, und ihre Kleidung war körperbetont. Ein wenig zu körperbetont vielleicht. In Sachen Körperbau stand sie ihrer Schwester bis auf einige etwas weniger voluminöse Körperpartien in nichts nach.

Ein wirklich sehr hübsches Mädchen … Nerv! Stan, was ist los mit dir! Raus aus dem Schädel mit dem Blödsinn!

»Willst du nicht Hallo sagen?« Geyla schubste mich an.

Ich hatte Conny angestarrt, ich Idiot!

»Ja, natürlich. Hallo, Conny! Schön, dich kennen zu lernen.«

»Gleischfalls, Stadüx!«

Wieso ein französischer Akzent?

»Setz dich doch. Habt ihr französische Verwandte?«

Conny nahm Platz.

»Ja, leider«, antwortete Vanessa. Das hatte ich nicht gewusst. »Aber warum Conny diesen dämlichen Akzent übernommen hat, werde ich nie verstehen. Schließlich kommen wir Woodmans aus Sheffield, nicht aus Marseille.«

»Lass misch doch!«, zischte Conny.

»Mir gefällt der Akzent«, sagte Flink. »Etwas zu trinken für Dich, Conny?«

Alle äußerten ihre Wünsche. Es würde schon mein zweiter Drink sein. Das ging ja gut los. Per Handzeichen deutete mir Flink, ihn zur Theke zu begleiten.

»Was ist?«, fragte ich, als wir außer Hörweite der anderen waren.

»Stan, das ist sie! Ist sie nicht der Wahnsinn? Diese Augen, diese Figur!«

»Du bist ein Idiot, Garrett! Sie ist sechzehn! In Worten: eins sechs!«

»Das ist mir egal. Ich liebe sie.«

Ich sah ihn an und suchte nach einem Zeichen dafür, dass er scherzte – leider fand ich keins.

»Spinnst du? Wir wissen beide, dass du auf ihre große Schwester stehst.« Das hatte ich ihm noch nie an den Kopf geworfen, aber es war höchste Zeit.

Er zögerte. »Eine von beiden. Ist mir egal!«, sagte er mit einer nivellierenden Handbewegung.

»Ist es nicht. Du willst Woodi, aber du denkst, Conny wäre leichter zu haben. Da könntest du sogar recht haben, aber das ist ein No-Go, hörst du? Ein No-Go!«

»Und wenn schon. Du stehst doch selber auf Woodi! Schlimm genug. Schließlich hast du Frau und Kind.«

Das hatte er mir sicher auch schon lange sagen wollen.

Touché!

»Wir sind nicht verheiratet.«

Was für eine dürftige Erwiderung.

Wieso wehrte ich mich überhaupt?

»Aber sicher bald«, sagte Flink.

»Vanessa ist ein attraktiver Kumpel, das ist alles«, sagte ich tonlos.

»Ha! Du starrst sie an, wenn sie lacht. Sie macht dich ganz verrückt!« Mittlerweile grinste Flink wieder.

»Du hast ja nicht alle Crewies an Deck, du Störkörper!«, sagte ich und grinste ebenfalls. »Und, wen liebst du denn jetzt?«

»Wir werden sehen«, sagte er und schien das ernst zu meinen.

»Spinner!« Ich klopfte ihm lächelnd auf die Schulter.

Nach unserer Rückkehr zum Tisch stieg ich aus der Plauderei aus und musterte andere Crewies. Es gab erstaunlich viele Nibböä in der Squadronica, seit die Unyon Krieg gegen die Execs, die langjährigen Besatzer der nibboranischen Heimatwelt, führte. Jeder nibboranische Mann und so manche Frau brannte darauf, sich für die langen Jahre der Besatzung zu rächen. Die Gescheitesten von ihnen landeten in der Squadronica.

Veechers gab es ebenfalls auf der Atlantis. Jedes Schiff der Unyon hatte mindestens einen – zumindest kam es mir manchmal so vor. Das war schon ewig so. Ansonsten sah ich viele, viele Menschen. Ob sie nun von der Erde, von Luna, vom Mars oder was weiß ich woher kamen, war egal. Die Squadronica war seit jeher menschlich dominiert.

Das Interkom ließ mich aufhorchen. »Stadux One-Two an die Crew. Die heutigen Frontnachrichten: Im System Apparicum konnte die Squadronica zwei Execianische Zerstörer und ein Versorgungsschiff stellen und sie im darauffolgenden Kampf unschädlich machen.«

Zufriedenes Gemurmel.

»Die Nepal wurde zusammen mit der Napoleon bei Tranit Sechs von einem Prismonium-Verband zerstört. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Verstorbenen.«

Stille.

»Die Psygon meldete soeben die Vernichtung einer Prismonium-Relaisstation sowie die Eroberung einer Far Star Base innerhalb des execianischen Raumes. Stalord Dakker lässt die Crew der Atlantis grüßen und wünscht ihr viel Erfolg.«

Jubel brandete auf. Meine Begeisterung hielt etwa eine Sekunde an. Meldungen über Tod und Verlust des Gegners zu bejubeln, war in Kriegen vielleicht üblich, doch richtig war es deswegen noch lange nicht. Ich sah Flink an.

»Das Vorstoßen in den execianischen Raum ohne Flankendeckung macht die Psygon extrem verwundbar«, seufzte ich.

Die anderen nickten betrübt. Keine Nachricht solcher Art war gut. Keine Kriegsnachricht würde je gut sein, außer jener, dass er vorbei war.

Am Abend fand die erste Einsatzbesprechung der Führungsoffiziere statt.

Bei diesem Anlass lernte ich die veecherianische Chefärztin Doktor Maruk kennen. Sie war eine freundlich-emotionslose Muster-Veecherin mit kurzem schwarzem Haar.

Auch den Chef-Mechanik traf ich erstmals. Stalev Nicza war irgendwie halb Mensch, halb Maschine. Er hatte fast alle elektronischen Körperteile vorzuweisen, die die menschliche Medizin je hervorgebracht hatte. Seine Augen waren leuchtend grün, durchzogen von Leitungen und Drähtchen.

Dieses künstliche, optische Gerät, auch Matron genannt, ermöglichte es ihm, im Dunkeln ebenso viel zu erkennen wie am Tage. Ich hatte seine Akte gelesen. Neben der angeborenen Blindheit hatte Nicza bei einem Unfall seine Trommelfelle verloren und irreparable Schäden in den Gehörgängen erlitten. Daher hatte man ihm ein künstliches Gehör implantiert. Unnötig zu erwähnen, dass er nun anders und viele Dinge sogar besser hörte als wir anderen. Des Weiteren trug er ein künstliches Herz in seiner Brust. Welche weiteren Geräte er irgendwo versteckte, musste ich unbedingt mal in der medizinischen Akte nachschlagen.

Das waren also nun die Führungsoffiziere der Atlantis, die im kleinen Besprechungsraum neben der B-i-C an einem silbernen Tisch saßen: Erster Offizier One-Two, Zweiter Offizier – This is Stan! – Pendra, Sicherheitschef Tyka, Navigator Garrett, Chefärztin Doktor Maruk, Chef-Mechanik Nicza, Taktischer Offizier Woodman – es fehlte nur noch Stalord Woyer.

Diese Führungsriege hatte ein Durchschnittsalter von gut einunddreißig Jahren – das war nicht viel. Ohne Woyer, One-Two und Maruk wäre es in Richtung Kadettenschule gegangen – irgendwas um die fünfundzwanzig. Geyla, Flink, Vanessa und ich waren aufgrund unserer Erfahrungen im Dienst wenigstens geistig genug gealtert, um Verantwortung übernehmen zu können.

Woyer betrat den Raum, begrüßte alle und sonderte ein paar aufmunternde Floskeln ab. Dann fragte er Nicza nach dem Antrieb.

»Schnurrt wie ein Kätzchen«, sagte er kühl, ganz so, als nerve ihn die Frage bereits. Er kam offensichtlich aus Neu-Moskau. Man hörte einen leichten Akzent heraus.

Woyer nickte. » Doktor Maruk, Medi-Trakt bereit?«

»Im Notfall wird er effektiv funktionieren. Ich habe jedoch noch einige Veränderungen vorzunehmen, um die Effektivität weiter zu steigern«, sagte die Veecherin.

Woyer nickte wieder.

Die Meldungen setzten sich in dieser Weise fort. Geyla bestätigte die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme und der Sicherheitskräfte, ich die Leistungsfähigkeit aller Sensoren, der Tendrae, die ich zuvor auf der B-i-C inspiziert hatte. Die Bridge-in-Command gefiel mir gut. Sie war jener der alten Psygon ähnlich, nur in Details gab es Unterschiede.

Die glattgebügelte »Alles super!«-Besprechung war zum Glück schnell vorüber. Routine langweilte mich. Die fühlte sich immer so schrecklich nach Arbeit an.

Ich begab mich zu meinem letzten Termin für heute, einem Treffen mit dem Psych der Atlantis. Psychs waren professionelle Seelenklempner. Es gab inzwischen genug Trauma-Potential bei so mancher Mission. Als Zweiter Offizier wollte ich unseren Psych zumindest kurz kennenlernen, bevor ich in ein paar Tagen die ersten Crewies dorthin schicken musste. Im Gegensatz zum Prozedere auf manch anderem Schiff gehörte der Psych auf der Atlantis nicht zum Führungskreis. Woyer hatte das vermutlich so entschieden.

Unser Psych hieß Sandriene von Fimiano. Allein der Name machte mich neugierig. Auch ihre genetische Persönlichkeit war interessant. Ihr Großvater väterlicherseits war ein Mensch gewesen, seine Frau eine Illyranerin, das hieß telepathisch begabt. Ihr Großvater mütterlicherseits war Nibboraner, seine Frau eine Veecherin. Sandrienes Vater, halb Illyraner, halb Mensch, hatte also eine Veecher-Nibböa-Kreuzung geheiratet. Von Fimianos Herkunft verteilte sich auf vier Heimatwelten.

Das hielt ich für eine erstaunliche Kombination. Äußerlich ergab das jedoch ein eher unauffälliges Bild: Ganz leicht nach oben verlängerte Ohren, und statt nibboranischer Nasenhügel wies sie nur kleine Wellen auf dem Nasenrücken auf. Sonst wirkte sie wie ein Mensch, doch wie es in ihrem Geist, in ihrem Bewusstsein, in ihrer Psyche vorging, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ihr kleines Büro war sehr aufgeräumt und geradezu elegant eingerichtet. Es wimmelte von Pflanzen und Gemälden.

»Als Zweiter Offizier gehört es zu meinen Aufgaben, über die Crewies und ihren seelischen Zustand Bescheid zu wissen. Wenden Sie telepathische Fähigkeiten an oder gehen Sie rein analytisch vor?«, fragte ich.