Perry Rhodan 100: Bardioc (Silberband) - William Voltz - E-Book

Perry Rhodan 100: Bardioc (Silberband) E-Book

William Voltz

5,0

Beschreibung

Perry Rhodan ist ein Gefangener der Superintelligenz Bardioc. Auf der zentralen Welt dieses unbegreiflichen Wesens nimmt er teil an dessen Planung und Gedanken. Seit Jahrmillionen ist Bardioc ein träumendes Gehirn, das seine Gedanken wie ein Netz über mehrere Galaxien auswirft. Vor einer Ewigkeit aber gehörte das Wesen zum Bund der Mächtigen und war unsterblich. In riesigen Sporenschiffen reisten jene Mächtigen durch ferne Regionen des Universums und verbreiteten Lebenskeime. Ihr Ziel war, den Kosmos mit Leben und Intelligenz zu erfüllen ...

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Nr. 100

BARDIOC

Perry Rhodan ist ein Gefangener der Superintelligenz BARDIOC. Auf der zentralen Welt dieses unbegreiflichen Wesens nimmt er teil an dessen Planung und Gedanken. Seit Jahrmillionen ist BARDIOC ein träumendes Gehirn, das seine Gedanken wie ein Netz über mehrere Galaxien auswirft.

Vor einer Ewigkeit aber gehörte das Wesen zum Bund der Mächtigen und war unsterblich. In riesigen Sporenschiffen reisten jene Mächtigen durch ferne Regionen des Universums und verbreiteten Lebenskeime.

1.

Parantos hatte nie in seinem Leben die Erde betreten.

Aber manchmal träumte er von grünen Wiesen, über die sich ein blauer Himmel spannte. Von Insekten, die zwischen duftenden Blumen tanzten. Von Blättern, die im Herbst welk von den Bäumen fielen und den baldigen Kältetod der Natur in Schnee und Eis vorwegnahmen.

Schlimme Träume waren das, denn sie erinnerten ihn an die eigene Vergänglichkeit.

Doch sobald er schweißgebadet erwachte, sah er Stahl. Terkonitstahl, der für die Ewigkeit Bestand hatte. Verkleidet mit Kunststoffen aller Art, oft genug bunt bemalt – ein vertrauter und dennoch oft wechselnder Anblick.

Parantos lebte an Bord der SOL. Sie war ein riesiges Raumschiff aus zwei gigantischen Kugeln und einem Mittelstück, eine sechseinhalb Kilometer lange Hantel, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch das Universum raste.

Die SOL war seine Welt, bewohnt von Menschen, die vor fünfundvierzig Jahren von der Erde hatten fliehen müssen. Mittlerweile lebten längst die Kinder jener Flüchtlinge an Bord, die mit Perry Rhodan die Erde verlassen hatten – Menschen, die wie Parantos das Raumschiff als ihre Heimat betrachteten.

Niemals hätten sie es gegen einen Planeten eintauschen wollen.

Eine Kinderstimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Parantos, was ist ...?«

Er blickte hoch. Vor ihm schwebte der geschrumpfte Holokubus in der Luft, ein dreidimensionaler Würfel, der nur noch von grauen Schlieren erfüllt wurde. »Oh«, sagte er leise und lächelte entschuldigend, »die Bilddatei ist zu Ende.« Er richtete sich auf und blickte auf die Kinder, die vor ihm in ihren Schwebesesseln kauerten.

»Ihr habt gesehen, dass die Erde nicht das Paradies ist, von dem die Alten sprechen«, sagte er laut. Parantos wusste, dass er überzeugend sein musste, damit die Kinder verstanden, was er meinte. Die Zukunft der SOL stand auf dem Spiel. Diese Kinder mussten begreifen, dass es niemals erstrebenswert sein würde, auf einem Planeten zu leben.

»Was also ist jene Welt Erde, die ihrem angestammten Sonnensystem entrissen wurde? – Ja, du, Tronar ...«

»Ein Gefängnis, das um eine fremde Sonne kreist, die ihre Bahn um das Zentrum der Galaxis Ganuhr zieht«, rief ein Junge. Tronar war immer schnell und eifrig, zumindest im Geschichtsunterricht; Parantos mochte ihn.

Parantos beschäftigte sich mit der Historie auf der Erde. Er wusste Bescheid über die Kriege der Vergangenheit, über die Unruhen auf dem angeblich blauen Planeten, und dieses Wissen vermittelte er den Kindern. Schon ihre Eltern waren an Bord der SOL geboren worden, und sie sollten nicht den Erzählungen der Alten glauben, die von der Erde wie von einem Paradies redeten. Die Zukunft wird den Solanern gehören, dachte Parantos, und diese Kinder sind der Garant dafür.

»Richtig!«, bestätigte er. »Die Erde ist ein Gefängnis, nicht mehr und nicht weniger.«

Er schnippte mit den Fingern, das Signal für die Positronik, ein neues Hologramm in den Raum zuwerfen. Der Kubus dehnte sich aus, erfüllte fast den gesamten Raum mit einer Wüstenlandschaft. Glühender Sand und eine vor Hitze flirrende Atmosphäre. Die Kinder wichen in ihren Sesseln zurück und starrten auf die Abbildung, entsetzt, manche sogar angeekelt. In einer derart lebensfeindlichen Umgebung wollten sie nicht leben; das hatten sie längst verstanden.

»Und was ist die SOL für uns?«, fragte Parantos nach.

»Die Heimat!«, rief einer der Jungen, ohne dass er sich zu Wort gemeldet hätte. »Unsere Heimat, mit der wir zu jedem Ort des Universums gelangen können, sobald wir das wollen.«

»Die SOL gibt uns alles, was wir zum Leben benötigen«, antwortete ein anderer. Der Historiker sah, dass der Junge einen dünnen Pullover trug, gefertigt aus einem hauchdünnen Vario-Material, wie es derzeit bei den Jugendlichen Mode war. Über die Ärmel flogen Raumschiffe, und auf dem Brustteil flammte eine Sonne, die kurz vor der Explosion zu stehen schien.

»Wir Solaner sind frei in unseren Entscheidungen«, fügte der Junge hinzu, als spreche er einen auswendig gelernten Text nach. Doch Parantos wusste genau, dass es seine eigenen Worte waren. »Was produziert wird, gehört allen. Niemand hungert, jeder hat ein gutes Leben.«

»Die SOL ist unser Paradies!«, bekräftigte Parantos. Mit einem erneuten Fingerschnippen brachte er das Holo zum Verschwinden. Die übliche Dekoration wuchs an den Wänden des Unterrichtsraums empor: mathematisch bestimmbare Mosaike voller Ecken und Kanten in gedämpften Farben.

»Die Aufzeichnungen stammen wirklich noch von der Erde?«, wollte ein Mädchen wissen.

»Aus den alten Archiven. Ihr habt gesehen, welch sinnlose Kriege die Menschen führten, und habt miterlebt, wie sie aus ihrer Welt eine Betonwüste machten und Wasser und Luft vergifteten. Viele Menschen mussten hungern, weil die Güter ungerecht verteilt wurden. Nicht Verantwortungsgefühl, sondern der Kampf ums nackte Überleben war die Antriebsfeder der Pflichterfüllung.« Parantos warf einen Blick auf die Zeitanzeige, die sich aus Mosaiksteinen zusammensetzte. »Es ist Zeit für die körperlichen Übungen. Der Unterricht wird in einer Stunde fortgesetzt.«

»Diese Entwicklung behagt mir nicht; sie behagt mir ganz und gar nicht«, stellte Reginald Bull fest, nachdem Gucky seinen kurzen Tagesbericht beendet hatte. »Wir leben uns auseinander, und das schneller als befürchtet, wenn die neue Generation nicht mehr objektiv unterrichtet wird.«

»Der Film aus dem Archiv war ein uralter Spielschinken«, sagte der Mausbiber. »Parantos gab ihn als Dokumentation aus, eine der Schlachten aus dem zwanzigsten Jahrhundert. – Warum verhindern wir das nicht, Atlan?«

»Weil wir keine Meuterei brauchen können.« Seit Perry Rhodans Entführung durch BARDIOCS vierte Inkarnation fungierte der Arkonide als Kommandant der SOL. »Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, Perry zu befreien – alles andere kommt danach.«

»Trotzdem dürfen wir nicht zusehen, wie die Heranwachsenden aufgewiegelt werden.« Reginald Bull mochte die Güte in Person sein, und es dauerte lange, bis er wirklich wütend wurde. Aber sobald er Dampf abließ, war es besser, ihm aus dem Weg zu gehen. Viel fehlte nicht mehr bis zu diesem Zustand.

Der Telekinet Balton Wyt hatte stumm der Unterhaltung gelauscht. »Vor einem halben Jahr hatten wir die letzte brandheiße Spur«, erinnerte er. »Seitdem verlassen wir uns auf die spärlichen Hinweise Puukars und seines Kriegskristalls. Wie sollen wir wissen, ob er uns hinhält oder gar in die Irre führt?«

Längst hatte die SOL Ganuhr verlassen und stand tief im intergalaktischen Leerraum, noch knapp eineinhalb Millionen Lichtjahre von ihrem nächsten Ziel entfernt, einer Galaxis, die ihrer Form und Farbe wegen »Blauauge« getauft worden war.

»Über Puukar brauchen wir nicht zu diskutieren«, schnaubte Bully. »Wir haben uns entschieden, ihm zu vertrauen, und daran rütteln wir nicht. – Aber wie verhindern wir die drohende Rebellion der Solaner? Die an Bord Geborenen kennen nur das Schiff, und wenn inzwischen schon Berichte über Terra manipuliert werden ... Noch widerstrebt es mir, Kontrollen vorzuschlagen, weil ich weiß, dass wir damit die Situation nur verschärfen würden.«

»Eins ist mir schleierhaft«, warf Gucky ein. »Die SOL-Geborenen sehen das Schiff als ihre Heimat, die sie nie verlassen wollen. Warum protestieren sie dagegen, dass wir Perry und der Inkarnation BULLOC folgen? Es ändert nichts an ihrer Situation – ganz im Gegenteil!«

»Das Problem liegt tiefer und ist psychologischer Natur«, erklärte Atlan. »Die Terraner sind in der Minderzahl. Deshalb wollen die SOL-Geborenen den Kurs bestimmen und das Kommando übernehmen.«

Die SOL verließ den Zwischenraum und flog mit Unterlichtgeschwindigkeit weiter. Auf der Panoramagalerie schien die Galaxis »Blauauge« zum Greifen nahe, und endlich wurden Einzelheiten erkennbar, die bislang nicht feststellbar gewesen waren.

Der fremde Spiralnebel war sehr massereich. Die ersten Ortungsdaten bestätigten einen Durchmesser von 110.000 Lichtjahren und eine Dicke von 56.000 Lichtjahren, damit war »Blauauge« wesentlich größer als die Milchstraße. Strahlungsmessungen ergaben eine extreme Zentrumsdichte und zudem eine ungewöhnliche Ballung von Millionen Sternen, die nahezu ausnahmslos im fünfdimensionalen Spektrum strahlten. Die Natur hatte eine wahre Hölle geschaffen, in die einzudringen unmöglich schien.

Reginald Bull deutete auf die verschieden eingefärbten Bildwiedergaben. »Das sind Hunderte Milliarden Sterne, ein Dickicht, wie man es höchst selten vorfindet ...«

»Wir folgen den Hinweisen des Kristalls, mehr können wir nicht tun«, sagte Atlan. »Die Spur führt uns in Richtung ›Blauauge‹.«

»Ich pflichte dir bei. Aber die Unruhe unter den SOL-Geborenen fängt an, mich nervös zu machen. Dabei tun wir nichts, was ihren Interessen widerspräche.«

»Neue Generationen sind selten zufrieden mit dem, was ihre Eltern schufen«, sagte Atlan ein wenig verbittert. »Sie wollen selbst entscheiden, obwohl sie oft zu jung und unerfahren sind.«

Gucky materialisierte zwischen ihnen und warf einen langen Blick auf die Holoschirme. »Das ist der reinste Sternenpudding. – Aber was ich sagen wollte: Parantos schleppt seine Ideologie sogar in die Sporthalle. Er reduziert das künstliche Schwerefeld auf zwei zehntel Gravos und behauptet, nur Solaner könnten unter solchen Bedingungen die gleichen Leistungen erbringen wie die Terraner unter Erdbedingungen. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit!«

Atlan lächelte nachsichtig. »Beruhige dich, Kleiner. Parantos reagiert nur seine Komplexe ab.«

»Soll er, wo er will, meinetwegen in seiner Kabine, wo er ohnehin vor dem Spiegel Volksreden hält. Aber setzt den Kerl doch einfach ab!«

»Er wurde mit Mehrheit zum Lehrer ernannt. Wir haben kein Recht, diese Entscheidung rückgängig zu machen.«

»Das weiß ich selbst«, muffelte Gucky, der sich nur ungern in dieser direkten Art belehren ließ. »Unser Katzer steckt übrigens in letzter Zeit viel mit Joscan Hellmut zusammen, der wiederum mit Parantos befreundet ist.«

Sie wurden unterbrochen, als der Orterschirm flackerte. Die Galaxis »Blauauge« im Hintergrund verschwamm, dafür wurde ein Objekt sichtbar, das auf der Panoramagalerie nicht auszumachen gewesen war. Es sah aus wie eine gigantische Schildkröte.

Ronald Hennes fühlte, dass er bald sterben würde; angesichts seines Alters von hundertfünfzig Jahren war das nicht außergewöhnlich. Sicher, er hätte gern noch ein paar Jahre gelebt, zumindest so lange, bis er wieder den Boden eines Planeten unter den Füßen spüren konnte. Aber nun lag er in der Krankenstation der SOL und wartete auf den Tod.

Manchmal besuchten ihn Freunde, die wie er auf der Erde geboren worden waren. Wenn sie bei ihm waren, fühlte er sich nicht mehr so einsam und verlassen wie in den anderen Stunden. Das Pflegepersonal kümmerte sich aufopfernd um ihn, daran war nichts auszusetzen, aber alle waren an Bord der SOL geboren worden. Die gefühlsmäßige Distanz zwischen diesen Menschen und ihm war schwer zu überbrücken. Wenn er von der Erde erzählen wollte, schauten sie ihn nur verwirrt an. Widerwillig, fand er sogar. Es interessierte sie nicht, was er zu sagen hatte.

Hennes lachte zufrieden, als Bea den Kopf zur Tür hereinstreckte. Als junge Frau war sie mit der Erde in den Mahlstrom der Sterne verschlagen worden, und das lag mittlerweile schon sehr lange zurück. Bea lebte ebenfalls allein, wie so viele der Alten auf der SOL. Sie schien froh darüber zu sein, in Hennes einen Gesprächspartner gefunden zu haben, vor allem einen, der gern zuhörte.

»Du siehst heute schon viel besser aus«, log sie drauflos. »In einigen Tagen, spätestens in zwei oder drei Wochen bist du wieder auf den Beinen.«

»In drei Wochen bin ich tot«, wagte Hennes einen Widerspruch.

»Red keinen Unsinn, Ronald! Außerdem ...«, sie beugte sich zu ihm hinab und fuhr im Flüsterton fort: »... außerdem brauchen wir jeden, der auf Terra geboren wurde. Diese Solaner werden immer frecher, und fast täglich gibt es eine neue Geburt.«

»Lass sie doch«, riet Ronald Hennes schwach. »Solange es Spaß macht ...«

Bea dämpfte ihre Stimme nicht mehr. »So ein Unsinn! Spaß – weißt du überhaupt, wovon du redest? Und kannst du dir ausrechnen, wie das in zehn Jahren aussieht? Dann haben wir an Bord nichts mehr zu sagen, und diese SOL-Geborenen ...«

»Ich werde sterben, dafür wird ein anderer Mensch geboren – na und? Das gleicht sich aus.«

»Du warst immer mies in Mathematik, Ronald. Ein Solaner mehr und ein Terraner weniger – das sind in Wirklichkeit zwei Solaner mehr. So musst du das rechnen!«

Hennes wollte sich aufrichten, sank aber wieder in die Antigravkissen zurück. »Lass mich damit in Frieden, Bea!« Er gab sich gar keine Mühe mehr, seine Stimme stark klingen zu lassen. »Ich bin nicht an der Zukunft beteiligt, außerdem liegt sie meiner Meinung nach in guten Händen. Ich will nur noch einmal einen Planeten unter den Füßen haben, das ist alles. Und wenn es schon gar nicht anders geht, bin ich mit einer Direktübertragung aus dem Orbit zufrieden. Vielleicht halte ich wenigstens noch so lange durch.«

»Wenn du Glück hast – bestimmt. Eben hörte ich die neuesten Informationen über Interkom. Die SOL fliegt irgendein neu entdecktes Objekt an. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Planeten, wenn er auch eine komische Form zu haben scheint. Du kannst ruhig schon mal anfragen, ob dir die Medoroboter einen Spaziergang erlauben.«

»Mich lässt hier keiner mehr raus«, befürchtete der Alte.

Bea winkte energisch ab. »Unsinn! Einem Sterbenden muss man den letzten Wunsch erfüllen, das war schon immer so«, sagte sie brutal. »Ich werde mich darum kümmern.«

Der Schock war Hennes nicht anzusehen. Er blieb zumindest äußerlich ruhig. »Dann tu das, Bea. Hoffentlich ist es ein blauer Planet – mit Gras und Bäumen, Bächen und Bergen. Dort will ich dann bleiben.«

»Immer noch diese Sehnsucht nach der Erde?« Verstohlen wischte sich die Frau die Augenwinkel aus. »Ich muss gehen, wollte dich heute nur kurz besuchen. Aber wenn ich bis zu Atlan selbst vordringen müsste, ich werde dir helfen ...«

Der Arkonide taxierte das Ortungsbild des fremden Objekts. Das gedrungene Gebilde bestand aus Stahl mit unbekannten Beimischungen, und es glich in der Tat einer hochgebuckelten Schildkröte mit leicht gewölbter Unterseite. Die Maße waren beachtlich: mehr als fünf Kilometer lang, beinahe vier Kilometer breit und dreitausendsiebenhundert Meter dick. Ähnlich wie bei einer terranischen Schildkröte schien der Rücken aus einzelnen, jeweils fast ebenen Flächen zusammengesetzt zu sein.

»Eine riesige Station zwischen den Galaxien ...« Bully holte tief Luft. »Warum verschwinden wir nicht, ehe es zu spät ist?«

»Aber Dicker!«, rief der Mausbiber schrill, sein vorwurfsvoller Ton war nicht zu überhören. »Wer nicht neugierig ist, wird nie mehr erfahren, als er schon weiß. Das ist eine uralte Raumfahrerregel.«

»Du kannst meinetwegen hinüberteleportieren und nachsehen«, schlug Reginald Bull gereizt vor. »Aber wundere dich nicht, wenn du in einer Parafalle versauerst und niemand kommt, um dich da wieder rauszuholen.«

»Teleportiert wird auf keinen Fall!«, wehrte Atlan entschieden ab. »Aber ansehen werden wir uns das Ding trotzdem.«

Die Entfernung betrug noch knapp drei Lichtmonate.

»Macht eigentlich einen verlassenen Eindruck«, stellte Bully fest. »Bis jetzt keine Energieemissionen. Vielleicht ist da drüben längst niemand mehr.«

Atlan wandte sich an den Emotionauten: »Eine kurze Linearetappe über zwei Lichtmonate, Mentro, dann sehen wir weiter!«

2.

Als der Antrieb aussetzte, fiel das schwarze Raumschiff, das die Form einer stumpf gerundeten Ellipse aufwies, auf Unterlichtgeschwindigkeit zurück. Mit nur noch knapp dreißigtausend Kilometern in der Sekunde kroch es auf die mehr als sieben Millionen Lichtjahre entfernte Galaxis zu, die sein Ziel war.

Hinter dem Schiff schimmerte die Sterneninsel, aus der es kam. Aber auch dieser verwaschene Lichtfleck in der ewigen Schwärze war unerreichbar fern, falls der Antrieb nicht repariert werden konnte.

Das Schiff KYLÖX trieb einsam durch den Raum.

Kommandant Darx-Vernschion ähnelte einem etwas zu kurz geratenen, aber wuchtig gebauten Terraner, doch sein Körper war von einem schwarzen, stachligen Pelz bedeckt. Nur die faltige Lederhaut des Gesichts war frei von jeder Behaarung, wenngleich es deshalb nicht menschlicher wirkte. Die gesamte Stirn wurde von einem strahlend blauen Sehorgan eingenommen, darunter blähten sich die langen Atemschlitze. Der Mund war hornig und schmal. Darx-Vernschion war ein Hulkoo.

Er wusste, dass er sich mit seiner Besatzung in einer nahezu aussichtslosen Lage befand. Sein Stellvertreter Corl-Hendox war der gleichen Meinung.

»Die Techniker haben bisher nicht einmal die Ursache des Defekts herausgefunden«, meldete Corl-Hendox. »In einiger Entfernung wurde ein Objekt geortet. Sehr diffus. Da die Ortung ebenfalls nicht mehr zuverlässig arbeitet, ist eine genaue Definition noch unmöglich.«

Darx-Vernschions Handbewegung drückte Zweifel aus. »Vielleicht ein Planet?«, überlegte er. »Aber hier, im intergalaktischen Leerraum?«

»Kein Planet, Kommandant. Wahrscheinlich eine unserer verlassenen Stationen, die zu Beginn der intergalaktischen Raumfahrt als Inseln benutzt wurden.«

»Entfernung?«

»Bei der augenblicklichen Geschwindigkeit benötigen wir zwei Wochen, um die Station zu erreichen. Wenn wir Glück haben, finden wir dort alles Material für eine Reparatur vor – meinen die Techniker.«

»Ich entsinne mich, dass diese Stationen bestens ausgerüstet sind. Wir ändern den Kurs.«

Corl-Hendox kümmerte sich darum.

Darx-Vernschion zog sich in seine Kabine zurück, nachdem er noch einmal mit den leitenden Technikern gesprochen hatte. Sie übten sich in gedämpftem Optimismus, doch der Kommandant erkannte ihre Hilflosigkeit. Ohne die geeigneten Werkzeuge und Ersatzteile würde die KYLÖX nie ihr Ziel erreichen.

Im Leerraum gestrandet ... Dieser entsetzliche Gedanke ließ Darx-Vernschion nicht mehr los. Nach planetarischen Maßstäben gerechnet, legte das Schiff in jeder Sekunde eine ungeheure Strecke zurück, in Wirklichkeit kroch es unendlich langsam durch das Nichts. Zurück nach Barxöft würde die KYLÖX mit ihrer Restgeschwindigkeit fünfzehn Millionen Jahre benötigen. Darx-Vernschion schwindelte bei dieser Vorstellung.

Rettung konnte nur die verlassene Station bedeuten. Es gab noch etliche dieser alten Inseln, wenngleich einige längst von unbekannten Intelligenzen geplündert worden waren. Darx-Vernschion hoffte inbrünstig, dass gerade diese eine nicht zu den ausgebeuteten Objekten gehörte.

Sein Stellvertreter meldete sich aus der Zentrale. »Wir haben die Station identifiziert, Kommandant. Es handelt sich um PARXTORV, die in den Daten nur als Vorposten bezeichnet wird. Trotzdem dürfte sie über ein umfangreiches Ersatzteillager verfügen.«

»Das brauchen wir.« Der Kommandant gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. »Vorposten« bezeichnete in den meisten Fällen eine Station, die nur aus Bewaffnung bestand.

»In zwei Wochen werden wir mehr wissen ...«

Die Techniker erzielten keine Fortschritte, nicht einmal der überlichtschnelle Funk konnte wieder in Gang gebracht werden.

Die vierzehn Tage vergingen in einer Mischung aus Eintönigkeit, Langeweile und Anspannung. Alle Daten der Fernortung ließen darauf schließen, dass sich kein lebendes Wesen auf PARXTORV befand. Die Energieabstrahlung der Station war gering, deutete aber darauf hin, dass wenigstens kleinere Anlagen in Betrieb sein mussten; wahrscheinlich die Lebenserhaltungssysteme.

Darx-Vernschion schöpfte neue Hoffnung. Neben seinem Stellvertreter saß er vor den Kontrollen in der Kommandozentrale der KYLÖX.

»Was meinen Sie, Corl? Keinen Verdacht?«

»Warum auch, Kommandant? Die Station wirkt verlassen und unbeschädigt – die Söldner der Kaiserin von Therm scheinen sie niemals entdeckt zu haben. Ich habe keine Bedenken, außerdem bleibt uns keine andere Wahl.«

»Dann bereiten Sie alles für das Andocken vor. Die Normaltriebwerke funktionieren einwandfrei, es dürfte also keine Schwierigkeiten geben.«

Die Geschwindigkeit der KYLÖX verringerte sich.

»Landung erfolgt auf der mittleren Zenitebene«, gab Corl-Hendox bekannt, als er den forschenden Blick des Kommandanten bemerkte. »Von dort aus gestaltet sich die Suche am einfachsten.«

Darx-Vernschion gab keine Antwort, sie war auch überflüssig. Sein Stellvertreter war ein erfahrener Pilot, auf ihn war Verlass.

Die gewölbte Oberfläche der Station war leer. Nichts deutete darauf hin, dass in den letzten Jahrzehnten Raumfahrer hier gewesen waren.

»PARXTORV scheint doch kein Vorposten gewesen zu sein, sondern eher eine Versorgungs- und Reparaturstation«, bemerkte Corl-Hendox. »Genau das Richtige für uns. Im Innern befinden sich also Werftanlagen, mit deren Ausrüstung sich sogar ein neues Schiff zusammensetzen ließe. Wir sind gerettet, Kommandant!«

Darx-Vernschions ohnehin schwarzes Gesicht verdüsterte sich noch mehr. »Sie scheinen zu vergessen, dass diese Stationen seit Langem nicht mehr benutzt werden, weil sie überflüssig wurden. Wenn Ersatzteile vorhanden sind, dann nur für uralte Schiffstypen. Wir werden viele nutzlose Aggregate und Werkzeuge vorfinden.« Der Kommandant seufzte. »Aber ich will auch nicht zu pessimistisch sein, Corl. Unsere Techniker haben Erfahrung und verfügen über Intuition. Sie werden das Unmögliche schaffen.«

Das schwarze Schiff senkte sich der Zenitebene entgegen und setzte mit einem sanften Ruck auf. Die natürliche Schwerkraft der Station war gering, ihre künstlichen Gravitationsfelder waren nicht eingeschaltet. Die KYLÖX wurde mit Magnetankern abgesichert, währenddessen ließ Darx-Vernschion Robotkameras ausfliegen.

Die Bildübertragungen waren alles andere als ermutigend, denn jetzt erst zeigten sich vielfältige Zerstörungen. Explosionskrater auf der Unterseite, vorher nicht sichtbar gewesen, zeugten von Zerstörungen im Innern. Spezialkommandos hatten offensichtlich dafür gesorgt, dass der Feind nichts mit dieser Station anfangen konnte. Das ließ befürchten, dass überlebenswichtige Anlagen gänzlich unbrauchbar waren.

»Die Relativ-Eigengeschwindigkeit der Station beträgt etwa ein fünftel Licht, sie nützt uns also gar nichts«, sagte Darx-Vernschion. »Entweder gelingt es, zumindest die Funkanlage wieder in Betrieb zu setzen, oder wir versuchen, ein altes Antriebsaggregat in die KYLÖX einzubauen. Wenn beide Versuche erfolglos bleiben, hat ein Start wenig Sinn. Eine solche Riesenstation ist im Raum leichter zu entdecken als unser kleines Schiff.«

»Wir sollen hier warten ...?«

»Bis uns jemand findet – wer auch immer.«

Zehn Kommandotrupps drangen von verschiedenen Zugängen aus in die Station ein. Jedem Trupp gehörten technische Spezialisten an, die vor Ort das Ausmaß der Zerstörungen überprüfen sollten.

Vor vielen Jahrhunderten waren Stationen wie PARXTORV noch als »Sprungbrett« unerlässlich gewesen, damit Hulkoo-Schiffe die gigantischen Entfernungen zwischen den Galaxien überwinden konnten, später hatten neue Antriebsarten Zwischenaufenthalte und Reparaturen überflüssig werden lassen.

Je mehr Suchtrupps in die KYLÖX zurückkehrten und Bericht erstatteten, desto geringer wurde Darx-Vernschions Hoffnung auf eine baldige Rettung. Sein Schiff war gestrandet, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben. Einige Lebensmittellager der Station waren noch gefüllt, und es gab sogar gut funktionierende Einrichtungen, die von der Zerstörung verschont geblieben waren. Verhungern würde also keiner der Besatzung, und im Notfall konnten sie sich sogar gegen einen eventuellen Angriff verteidigen.

Die KYLÖX wurde geräumt, die Hulkoos siedelten in einen intakten Wohnbereich der Station über. Hier lebten sie nicht mehr so gedrängt zusammen wie im Schiff, was die Stimmung zumindest vorübergehend ein wenig hob. Der Gedanke, über Jahre hinweg ausharren zu müssen – oder vielleicht nie gerettet zu werden –, bewirkte jedoch bald eine Gereiztheit, deren Darx-Vernschion nur mit äußerster Strenge Herr wurde.

Mehrere Monate nach der Landung auf PARXTORV saßen der Kommandant und Corl-Hendox in einem Raum des Wohnviertels beieinander. Regelmäßig tauschten sie ihre neuen Erfahrungen aus.

»Unzufriedenheit macht sich breit«, sagte Corl-Hendox. »Die Besatzung braucht Ablenkung und Beschäftigung. Ich habe dafür gesorgt, dass noch einmal alle Sektionen systematisch durchsucht werden. Vielleicht wurden anfangs wichtige Dinge übersehen.«

»Ich fürchte und hoffe zugleich, dass wir sehr bald Abwechslung bekommen werden«, erwiderte der Kommandant ruhig.

»Ich verstehe nicht ganz.«

»Es gibt Anzeichen dafür, dass wir nicht allein sind.«

Fassungslos starrte Corl-Hendox den Kommandanten an. Sein Stachelpelz sträubte sich, was deutlich seine Überraschung und sein Entsetzen verriet. »Nicht ... allein ...?«

»Ein Erkundungstrupp hat in einem der zerstörten Ersatzteillager Veränderungen bemerkt. Jemand hat darin nach etwas gesucht.«

»Das können unsere eigenen Leute gewesen sein.«

»Eben nicht! Sie wissen, Corl, dass jeder Trupp nach Abschluss seines Auftrags einen Bericht abliefert und dass aufgrund dieser Daten Karten erstellt werden. Jeder Schritt ist mit Datum verzeichnet, bildlich gesprochen. Damit lässt sich nachweisen, dass das betreffende Lager zwar untersucht, aber in der Zwischenzeit nicht mehr betreten wurde. Also muss ein Fremder dort gewesen sein.«

»Aber – wer?« Es fiel Corl-Hendox schwer, seine Überraschung zu überwinden.

»Jedenfalls keiner von uns«, versetzte der Kommandant. »Ein Hulkoo, vielleicht gestrandet wie wir, hätte sich sofort zu erkennen gegeben. Und die Station ist riesig, vergessen Sie das nicht. Wenn sich jemand verstecken will, können wir monatelang nach ihm suchen, ohne fündig zu werden.«

»Könnte es doch ein Irrtum ...?«

»Ich habe alles nachprüfen lassen. Jemand hält sich außer uns in dieser Station auf, und er vermeidet eine Begegnung. Ich werde diesen Tatbestand heute bekannt geben – damit haben wir das, was Sie sich wünschen: Ablenkung. Wir werden systematisch Jagd auf den oder die Unbekannten machen.«

Corl-Hendox lehnte sich zurück. »Vielleicht haben Sie recht, Kommandant. Die Tatsache, dass wir nicht ein einziges brauchbares Ersatzteil finden, hat unsere Leute halb verrückt gemacht. Vor allem der Gedanke, den Rest ihres Lebens hier verbringen zu müssen. – Aber ich wollte auch das andere Thema ansprechen. Mein Vorschlag liegt Ihnen bereits vor. Wie ist es mit einem Notzeichen auf der Station?«

Darx-Vernschion machte eine abwehrende Handbewegung, alle vier Finger weit abgespreizt. »Niemals, Corl! Ein Hulkoo-Schiff wird auf jeden Fall hier landen, wenn es die Station entdeckt. Aber auch die Söldner der Kaiserin von Therm würden PARXTORV sofort untersuchen. In einem solchen Fall wäre es besser, sie sähen nur das verlassene Schiff auf der Zenitebene und ahnten nichts von unserer Anwesenheit. Aus diesem Grund bin ich dafür, dass wir uns ruhig verhalten und abwarten.«

»Hoffentlich akzeptieren das unsere Leute.«

»Sie haben es zu verstehen!«, sagte Darx-Vernschion hart. »Stellen Sie morgen die ersten Jagdkommandos zusammen und geben Sie Handwaffen aus. Wir müssen die Unbekannten finden.«

Corl-Hendox führte einen der Jagdtrupps an, die am nächsten Tag ausgeschickt wurden. Die Nachricht, dass sich Fremde in der Station befinden mussten, stachelte die Besatzung auf. Fast alle meldeten sich freiwillig für die Suche, aber der Kommandant teilte die Leute sparsam ein – er rationierte die Medizin, damit sie länger wirksam blieb.

Nicht einmal Corl-Hendox wusste, wo er mit der Suche anfangen sollte. Abgesehen von der Spur im Ersatzteillager gab es keine Hinweise. Mit Handstrahlern bewaffnet, die sonst unter Verschluss standen, drang der Trupp in das noch unerforschte Innere der Station vor. Aus alten Unterlagen wusste Corl-Hendox, dass diese Stationen in 350 Etagen unterschiedlicher Höhe eingeteilt waren. Manche Ebenen waren nur zehn oder zwölf Meter hoch und dienten als Wohnstätten, Speicher oder Werkstätten. Andere maßen im Durchschnitt sechzig bis hundert Meter und waren Kavernen mit mächtigen Maschinenblöcken und Energieerzeugern.

Von mir aus können wir jahrelang suchen ... Corl-Hendox erschrak über seine Gedanken. Hatte er sich bereits mit dem Schicksal abgefunden und damit, dass es keine Hoffnung gab? Würde es besser sein, mit der KYLÖX weiterzufliegen und auf eine zufällige Begegnung mit einem anderen Schiff zu hoffen?

Ein anderes Schiff ... Die Chance für eine Begegnung zweier Raumschiffe zwischen den Galaxien stand eins zu unendlich.

Im Zentrum der Station schienen die Zerstörungen geringer zu sein. Allem Anschein nach war PARXTORV in aller Eile geräumt worden, und die Spezialkräfte hatten lediglich die äußeren Anlagen unbrauchbar gemacht, um jede weitere Nachforschung für ungebetene Eindringlinge überflüssig erscheinen zu lassen.

»Eine Energiesperre! Hier geht es nicht weiter!« Der Ausruf schreckte Corl-Hendox jäh aus seinen Überlegungen auf.

Der Maschinenraum, den sie durchquert hatten, endete an einem schweren Schott. Dicht davor flimmerte der Energieschirm, dessen Generator überall und nirgends stehen mochte.

»Dieses Schirmfeld kann seit Jahrhunderten in Betrieb sein«, behauptete Corl-Hendox gelassen. »Das hat nichts zu bedeuten.«

»Aber wir können nicht weiter!«

»Dann nehmen wir einen anderen Weg. Wir würden Wochen benötigen, den zuständigen Generator zu lokalisieren.«

»Und was befindet sich hinter dem Schott?«

»Ein Raum wie jeder andere, Lagerflächen, Maschinen ...«

»Wozu dann die Sperre?«

»Wir suchen einen anderen Weg.« Corl-Hendox wich einer direkten Antwort aus.

Sie fanden an diesem Tag keinen Hinweis auf die Anwesenheit von Fremden.

Das durchschnittliche Lebensalter eines Bautoks betrug etwa tausend Jahre. So erfreulich das für die aufrecht gehenden Echsenabkömmlinge sein mochte, im Fall einer Gefangenschaft hatte Langlebigkeit schwerwiegende Nachteile.

Die Bautoks waren ein Hilfsvolk der Kaiserin von Therm, das sie gern für langfristige Aufträge einsetzte.

Vor fast dreihundert Jahren war während eines solchen Einsatzes ein Raumschiff der Bautoks von Hulkoos geortet, angegriffen und vernichtet worden. Bis auf drei Besatzungsmitglieder hatte keiner überlebt. Diese drei waren gefangen genommen und in die Station PARXTORV gebracht worden, in der Absicht, sie später weiterzutransportieren.

Doch dazu war es nicht mehr gekommen; der Befehl zur Räumung und teilweisen Zerstörung der Station war eingetroffen. Die Bautoks schienen vergessen worden zu sein, denn niemand hatte sich mehr um sie gekümmert. Als die Kommandos der Hulkoos schließlich die Station verlassen hatten, waren die Gefangenen zurückgeblieben.

Ihrer anfänglichen Erleichterung über die plötzliche »Freiheit« war bald die Ernüchterung gefolgt. Zwar war es den drei Unglücklichen nicht schwergefallen, sich mit der teilweise noch funktionierenden Technik vertraut zu machen und sich in den hydroponischen Anlagen häuslich einzurichten, aber die Gewissheit, Jahrhunderte im Leerraum verbringen zu müssen, war wenig erbaulich gewesen.

Chelzamin-Neben und seine Schicksalsgefährten Jarzmir-Neben und Pollez-Mitten versuchten, das Beste aus ihrer ausweglosen Situation zu machen. Aus der ursprünglichen Gartenanlage der Hulkoos war ein Dschungel geworden, in dem sich die Bautoks relativ wohlfühlen konnten.

Dieser Sektor der Station konnte nach jahrelangen Reparaturarbeiten durch Energiesperren vom Rest der Anlage isoliert werden. Abgesehen davon, dass die Hydroponik genügend Nahrung produzierte, gab es ohnehin noch riesige Lebensmittelvorräte.

Die Positronikzentrale ermöglichte eine Bildüberwachung der gesamten Station und ihres Außenbereichs. So kam es, dass die Landung der KYLÖX für Chelzamin-Neben und seine Gefährten nicht verborgen blieb. Vom ersten Tag an standen die Hulkoos deshalb unter ständiger Beobachtung. Für die Bautoks war es trotzdem eine Enttäuschung, feststellen zu müssen, dass der Erzfeind schiffbrüchig war wie sie selbst.

»Wir können nur abwarten und dafür sorgen, dass wir weiterhin unentdeckt bleiben«, fasste Chelzamin resignierend zusammen. »Von nun an darf keiner von uns mehr die isolierte Hydroponik verlassen. Sie haben schon Verdacht geschöpft und schicken Suchtrupps aus, aber wir kennen die Station besser als sie.«

»Warum sehen wir untätig zu?«, erkundigte sich Pollez-Mitten. »Wir könnten sie töten, einen nach dem anderen.«

»Wir wissen nicht einmal, ob zwischen ihnen und uns noch Krieg herrscht. Außerdem würde uns das nichts nützen. Sobald wir einen von ihnen ausschalten, hätten sie die Gewissheit, dass sie nicht allein sind. Sie würden vorsichtiger werden. Also ist es klüger, sie im Ungewissen zu lassen.«

»Das ist sicherer für uns«, pflichtete Jarzmir bei.

Pollez gab nach. »Vielleicht verschwinden sie eines Tages wieder, wenn es ihnen gelingt, ihren Antrieb zu reparieren.«

»In diesem Fall verändert sich die Situation«, sagte Chelzamin mit Nachdruck. »Selbstverständlich müssen wir dann versuchen, ihr Schiff zu kapern.«

»... und wir lassen sie hier zurück, so, wie sie uns ebenfalls zurückgelassen haben.« Pollez verzog das verhornte Gesicht zu einer herausfordernden Grimasse. »Aber ich fürchte, sie werden den Antrieb nie reparieren können.«

»Wie auch immer, wir verbergen uns, bis sich die Situation ändert.« Chelzamin beendete damit die Diskussion.

3.

Delia Benjam gehörte zu den Anhängern von Parantos und verfolgte wie er einen durchaus radikalen Kurs. Obwohl Atlan informiert war, versuchte er nicht zu verhindern, dass Delia zur »Mutter« eines Kindergartens ernannt wurde.

Auch Weran Putzag war auf der SOL geboren worden. Er hatte nach Erreichen des Mindestalters die Technikerlaufbahn eingeschlagen. Die politischen Strömungen in der SOL waren ihm zwar bekannt, aber er kümmerte sich nicht um sie. Parantos' Methoden erschienen ihm sogar unfair, vor allem seine Forderung nach Übergabe des Schiffes an die Solaner. Die Terraner hatten es schließlich gebaut.

Sowohl Delia Benjams als auch Weran Putzags Einstellung waren Atlan und Reginald Bull bekannt.

Als die SOL nach einer zweiten kurzen Linearetappe fünf Lichtminuten von der unbekannten Station entfernt im Normalraum stand, wurde das flache Schiff der Hulkoos entdeckt. Messungen bewiesen, dass Emissionen fehlten. Möglicherweise handelte es sich bei dem Schiff um ein Wrack.

Gucky und Fellmer Lloyd bestätigten, dass sie keine fremden Gedanken auffingen. Hulkoos waren telepathisch nicht direkt zu erfassen, doch Atlan war überzeugt, dass zumindest der Mausbiber ihre Anwesenheit wahrgenommen hätte. Das sollte sich indes als verhängnisvoller Irrtum herausstellen.

»Wir schicken eine Space-Jet«, entschied der Arkonide. »Wie besprochen. Hast du zwei Solaner als Begleitung ausgewählt, Gucky?«

»Habe ich. Nur wissen beide noch nichts von ihrem Glück.«

»Dann informiere sie! Start in einer halben Stunde.«

Der Mausbiber entmaterialisierte.

»Ich habe meine Zweifel ...« Reginald Bull verstummte, als Atlan abwinkte.

»Es geht mir vor allem darum, die wachsende psychische Spannung abzubauen«, erklärte der Arkonide. »Es ist reiner Zufall, dass wir auf diese Station gestoßen sind, aber warum sollen wir das nicht nutzen? Wir verlieren dabei ein paar Stunden. Aber der positive Effekt für das aufgeheizte Klima an Bord ist mir das allemal wert.«

Joscan Hellmut meldete sich über Interkom. »Ein gewisser Ronald Hennes hat mich gebeten, der Kommandozentrale mitzuteilen, dass er zu der entdeckten Station möchte«, sagte der Kybernetiker.

»Die Besatzung ist komplett ...«

»Hennes ist Terraner und wird nicht mehr lange leben. Er sagt, das sei sein letzter Wille.«

Atlan warf Bull einen bestürzten Blick zu. »Letzter Wille?«, wiederholte er. »Ist der Mann unheilbar krank?«

»Alt, Atlan, sehr alt und krank«, antwortete Hellmut. »Ich habe Erkundigungen eingezogen. Die Ärzte geben ihm wirklich nur noch wenige Tage. Hennes sagt, er wolle noch einmal festen Boden unter den Füßen spüren.«

»Zwischen dieser Station und der SOL besteht wohl kaum ein Unterschied.«

»Es handelt sich um den Wunsch eines Sterbenden ...«

Bully nickte Atlan auffordernd zu. »Also gut«, entschied der Arkonide daraufhin. »Hennes soll zum Hangar B-7 gebracht werden. Mentro Kosum bereitet dort eine Space-Jet für den Start vor.«

Als die Verbindung nicht mehr bestand, wandte der Arkonide sich an Bull: »Ich weiß nicht, ob wir richtig handeln. Ein Todkranker kann für alle Beteiligten zu einem lebensbedrohlichen Hindernis werden. Auf der anderen Seite respektiere ich einen letzten Wunsch.«

»Noch etwas«, sagte Reginald Bull. »Wie könnten wir den Solanern eindrucksvoller demonstrieren, dass wir ebenfalls unsere Probleme haben? Ein Mann, der ein letztes Mal in seinem Leben festen Boden unter den Füßen haben möchte, nicht nur den Plastikbelag der Schiffskabinen ...«

Gucky erschien wieder. »Die beiden Solaner habe ich zu Mentro transportiert. Sie waren über die angebotene Abwechslung recht erfreut.« Er schaute Atlan mit weit aufgerissenen Augen an. »Ein Todkranker? Auch das noch.«

»Akzeptiere es einfach«, bat der Arkonide. »Und sei nett zu ihm.«

Gucky seufzte. »Sicher werde ich nett sein, ich kann gar nicht anders. Aber dieser Delia werde ich bestimmt mehrmals versehentlich auf die Füße treten. Wer die mal heiratet, tut mir jetzt schon leid.«

»Du hast sie selbst ausgesucht«, erinnerte Bully den Mausbiber.

»Zugegeben, und das nicht ohne Grund. Außerdem will ich sie bestimmt nicht heiraten. Mentro hat sich ihrer schon angenommen. Übrigens treffen die Pfleger soeben mit dem alten Hennes ein. Die Space-Jet ist startbereit. Können wir?«

»Seid vorsichtig und haltet Kontakt!«, bat Atlan. »Und noch etwas: Gestaltet eure Berichte so spannend wie möglich, von mir aus kannst du alles Geheimnisvolle einflechten, damit die Solaner auf andere Gedanken kommen. Aber trage nicht zu dick auf!«

»Wennschon, dann richtig dick.« Gucky teleportierte in den Hangar.

Der alte Ronald Hennes machte einen recht munteren Eindruck, wehrte jede Hilfe ab und kletterte mit etwas wackligen Knien in die Schleuse der Space-Jet. Delia Benjam folgte ihm mit skeptischen Blicken. Sie war offensichtlich über die Gesellschaft des alten Terraners nicht erfreut.

Mentro Kosum saß schon hinter den Kontrollen. Als auch Weran Putzag und Gucky Platz genommen hatten, schwang er mit seinem Kontursessel herum.

»Bildet euch nicht ein, dass wir einen Spazierflug vor uns haben. Die Station sieht verlassen aus, aber sie ist es nicht. Unsere Telepathen haben verworrene Gedankenimpulse geortet. Macht euch also auf einiges gefasst ...«

Er wurde von Atlan unterbrochen: »Schon gut, Mentro. Beunruhige deine Passagiere nicht unnötig. Ich hatte den Interkom noch eingeschaltet und konnte mithören.«

Gucky grinste in sich hinein, denn der Dialog war verabredet. Die SOL-Geborenen sollten ihn mithören, das würde sie für eine Weile beschäftigen.

Das große Tor öffnete sich, die Space-Jet verließ den Hangar und entfernte sich schnell. Mit bloßem Auge war die fremde Station noch nicht zu erkennen, nur auf dem Schirm wurden Einzelheiten sichtbar.

Die SOL hielt einen Abstand zwischen drei und vier Lichtminuten und würde im Notfall schnell zur Stelle sein.

Gucky saß neben dem Piloten und blickte angestrengt in Richtung des langsam aufscheinenden Lichtflecks. Die Station reflektierte selbst den geringsten Lichteinfall ferner Galaxien.

Aber das allein war es nicht, was Guckys Aufmerksamkeit erregte. Er empfing tatsächlich Gedankenimpulse. Sehr undeutlich und verschwommen, als müssten sie stark behindernde Sperren durchdringen.

Nicht einmal Emotionen konnte er herauslesen. Dieses mentale Rauschen stammte nicht von Hulkoos, das war dem Ilt klar.

Atlan wollte eine fantastische Geschichte hören, warum also nicht gleich mit der Wahrheit anfangen? Der Mausbiber berichtete ...

Darx-Vernschion hatte nicht die geringste Ahnung davon, dass seine Befehlszentrale angezapft war. Was immer er im Weltraum durch die Instrumente oder mithilfe der Fernortung beobachtete, wurde von den Bautoks registriert.

Als die mächtige SOL fünf Lichtminuten entfernt den Linearflug beendete, verschlug es Darx-Vernschion die Sprache. Abgesehen von der unglaublichen Größe des Schiffes war auch dessen Bauweise unbekannt.

Aber Schiff blieb Schiff!

In aller Eile ließ der Hulkoo-Kommandant den Außenbereich der Station räumen und sorgte dafür, dass in der havarierten KYLÖX keine Geräte mehr arbeiteten. Alles musste verlassen wirken, damit die Unbekannten wirklich näher kamen und vielleicht landeten.

Darx-Vernschion entging nicht, dass sich von dem riesigen Schiff ein vergleichsweise winziger Körper löste und Kurs auf die Station nahm. »Sie schicken ein Untersuchungskommando!«, triumphierte er, als Corl-Hendox neben ihm einen Laut der Überraschung von sich gab.

In ihrer hermetisch abgeriegelten Positronikzentrale wechselten sich die Bautoks in der Beobachtung ab und machten sich ihre eigenen Gedanken. Wenn es ihnen gelang, die Fremden von den bösen Absichten der Hulkoos zu überzeugen, konnte man sie vielleicht als Verbündete gewinnen. Aber noch war es zu früh für jede Spekulation.

»Ich habe nie ein solches Schiff gesehen«, stellte Pollez-Mitten fest und betrachtete die zwei mächtigen Kugelzellen, die durch ein Mittelstück verbunden waren. »Von den Hulkoos stammt es nicht.«

»Natürlich nicht!«, hielt Chelzamin-Neben ihm ungeduldig entgegen. »Sonst wäre ihre Geheimhaltung paradox. Es stammt überhaupt nicht aus den uns bekannten Galaxien.«

»Wir können nichts tun«, jammerte Jarzmir-Neben. »Gelingt der Plan der Hulkoos, die Fremden zu überlisten, ändert sich nichts. Entdecken die Fremden rechtzeitig die Falle, sind sie verschwunden, ehe wir uns bemerkbar machen können.«

»Oder sie vernichten die Station«, befürchtete Pollez düster.

Chelzamin-Neben erhob sich und machte den Platz vor den Kontrollen frei. »Es wird Zeit, dass mich jemand ablöst. Ich brauche ein Bad, sonst vertrockne ich. Du bist an der Reihe, Pollez! Und du bleibst hier, bis ich dich wieder ablöse.«

Die Space-Jet umrundete die Station und übermittelte die eingefangenen Bilder zur SOL, wo die Analytische Abteilung mit der Auswertung befasst war. Das verlassene Schiff auf der Rückenseite der »Schildkröte« war zweifellos hulkooscher Bauart, aber es gab keine Hinweise darauf, wie lange es schon hier stand.

»Immer noch geheimnisvolle Impulse«, gab Gucky mit aufgeregter Reporterstimme durch, als Atlan ihm mitteilte, dass der Bordinterkom der SOL eingeschaltet war. »Wir können auf der sonst so glatten Metalloberfläche der Station Schleifspuren erkennen, die darauf schließen lassen, dass sich hier noch kürzlich jemand aufhielt – oder noch da ist. Wir werden bald landen ...«

Mentro Kosum schaltete den Sender aus, als Delia Benjam sagte: »Spuren? Ich sehe keine Spuren auf dem Metall. Bin ich blind?«

»Wir sind schon vorbei.«

Delia war nicht überzeugt, aber sie schwieg.

»Wann landen wir?«, fragte Hennes schwach. »Setzt mich doch einfach irgendwo ab.«

»Aber vorher den Helm schließen!«, riet der Mausbiber.

»Wir werden landen, und Ronald Hennes bleibt als Wache bei der Space-Jet zurück«, entschied Kosum. »Ich habe nichts dagegen, wenn er sich dabei die Beine vertritt, aber er muss in der Nähe des Schiffes bleiben. Kann ich mich darauf verlassen?«

»Ich bin damit zufrieden«, versprach der alte Mann.

Die Verwüstungen an der Unterseite der Station waren nicht zu übersehen. Gucky schilderte die Schäden in allen Einzelheiten und in einem Stil, der die Solaner in ständiger Anspannung hielt. Atlan war mit ihm vollauf zufrieden.

Mentro Kosum landete die Space-Jet schließlich keine hundert Meter von dem Schiff der Hulkoos entfernt.

»Es muss Eingänge geben, die wir bislang nicht erkennen können. Nur das Innere der Station kann Antwort auf unsere Fragen geben.«

Alle schlossen die Schutzanzüge. Die Reichweite des Helmfunks genügte, um mit der SOL Verbindung zu halten.

Hennes machte ein paar zögernde Schritte. Die geringe Schwerkraft half ihm, sich ohne besondere Mühe aufrecht zu halten. Fast fröhlich winkte er den anderen zu. »Ich fühle mich so wohl wie lange nicht mehr. Es ist ein herrliches Gefühl, einen anderen Boden unter den Füßen zu haben und einen Horizont zu sehen. Das ist wie auf einem Asteroiden. Ich bin glücklich, das noch erleben zu dürfen. Ihr werdet mich zurücklassen müssen, damit ich in Ruhe sterben kann ...«

»Darüber reden wir später«, sagte Kosum. »Bleiben Sie in der Nähe der Space-Jet.«

Die Gruppe bewegte sich Richtung des verlassenen Scheibenschiffs, um es zu untersuchen.

Puukar, Kriegsherr der Choolks und Todfeind der Hulkoos, war von seinen Verletzungen wieder genesen. Er beobachtete unablässig beide Kristalle der Kaiserin von Therm, die ihm Hinweise auf Perry Rhodans Verbleib gaben.

Das pulsierende Leuchten hatte sich in den letzten Stunden verstärkt, aber auch verändert. Es deutete offenbar nicht mehr auf Rhodans Spur hin, sondern auf etwas ganz anderes, was Puukars Kampfgeist ungemein anstachelte.

Er nahm Verbindung mit Ras Tschubai auf, den er besonders schätzte. Der Teleporter informierte Atlan und begab sich anschließend zu dem Choolk. »Du wolltest mich sprechen?«

Puukar deutete auf die Kristalle. »Hulkoos sind in der Nähe, Freund Ras. Nicht nur die Kristalle verraten es mir, ich spüre es selbst ebenso. Es müssen sehr viele Hulkoos sein. Tausende ...«

»In der Station?«

»Sie wäre die einzige Möglichkeit. Atlan muss die Besatzung der Space-Jet sofort warnen.«

»Du könntest dich irren ...«

»Ein Irrtum ist so gut wie ausgeschlossen! Die Hulkoos sind eure Gegner ebenso wie meine. Wenn sie in der Station sind, warum nehmen sie keinen Kontakt auf? Weil sie euch überraschen wollen.«

»Was schlägst du vor?«

»Ich muss zur Station. Ich nehme ein Schiff, oder du bringst mich hin.«

»Das kann nur Atlan entscheiden.«

»Worauf warten wir dann noch?«

Ras Tschubai überlegte kurz. Wenn Puukar recht hatte, befanden sich Mentro Kosum und seine Begleiter in größter Gefahr. Gucky konnte Hulkoos nicht mit Sicherheit orten, und wenn er noch so verrückte und spannende Berichte durchgab, so waren diese nicht ernst zu nehmen. Atlan selbst hatte ihn ja darum gebeten.

»Komm!« Der Teleporter griff nach Puukars achtfingriger Hand, und in derselben Sekunde materialisierten sie in der Hauptzentrale.

Atlan hörte sich geduldig an, was der Choolk zu sagen hatte. Er nahm Puukar ernst, verzichtete aber darauf, eine Warnung an Kosum weiterzugeben. Ohnehin hatte die Gruppe einen Eingang zur Station entdeckt und war eingedrungen. Der Funkkontakt war seither gestört. Eine einwandfreie Verbindung bestand nur noch zu Ronald Hennes.

»Gut, Ras, du teleportierst mit Puukar zur Station. Gibt es wirklich Hulkoos dort, vermeidet jeden Kontakt mit ihnen, versucht aber trotzdem, ihre Absichten herauszufinden.« Atlan wandte sich an den Choolk. »Keine unüberlegten Handlungen, bitte!«

»Ich kenne meine Aufgaben – und Grenzen«, erwiderte Puukar ruhig und straffte seinen pfahlförmigen Leib.

Tschubai und der Choolk vervollständigten ihre Ausrüstung, dann peilte der Mutant die Station an und teleportierte mit Puukar.

Einsam standen sie unter dem fast sternenlosen Firmament, an dem die beiden Galaxien dominierten, und sahen sich um. Außer dem Schiff der Hulkoos und der Space-Jet konnten sie nichts entdecken.

Puukar spürte, dass sich in dem Schiff kein Hulkoo aufhielt. Nach einer Weile deutete er auf den Boden unter seinen Füßen. »Dort!«, sagte er nur und setzte sich in Bewegung.

Ronald Hennes hielt sich gerade eine Stunde lang an Mentro Kosums Anweisung, sich nicht von der Space-Jet zu entfernen, dann packte ihn die Abenteuerlust mit aller Gewalt. Hinzu kam sein Wille, noch einmal zu etwas nützlich zu sein. Er wollte nicht nur herumstehen und auf ein Schiff aufpassen, das ohnehin niemand stehlen würde. Er überprüfte seinen Handstrahler, entsicherte die Waffe aber nicht.

Die Gruppe mit Kosum, Gucky und den beiden Solanern hatte er infolge des kurzen und stark gekrümmten Horizonts sehr schnell aus den Augen verloren. Eine Weile hatte er noch Funkkontakt mit ihnen gehabt, der aber rasch schwächer geworden und schließlich verstummt war.

Seine Begleiter waren in die Station eingedrungen. Hennes selbst lief nun in die entgegengesetzte Richtung, unbeschwert und voll neuem Lebensmut. Vorbei war sein Dahinvegetieren in den engen Korridoren der SOL, in denen sich die Jugend so wohlfühlte, als gäbe es keinen freien Himmel und keinen wirklichen Boden mehr. Nie wieder würde er in das Schiff zurückkehren, und wenn er sich verstecken musste.

Er hatte schon viele Raumstationen gesehen, aber diese übertraf an Größe und Anordnung fast alle. Außerdem war sie fremd. Doch das interessierte Hennes erst in zweiter Linie. Für ihn war nur wichtig, dass er in jede beliebige Richtung gehen konnte, ohne von Wänden und Decken eingeschlossen zu sein. Das war auch der Grund, warum er einen der Eingänge einfach ignorierte und daran vorbeilief. Die winzige Robotsonde, die sich hinter ihm erhob und ihm folgte, sah er nicht.

»Seltsame Wesen«, murmelte Darx-Vernschion und betrachtete die Gruppe auf dem Schirm. »Von wo mögen sie kommen? Ob sie zu den Söldnern der Kaiserin gehören?«

»Mir ist ihre Erscheinung ebenfalls unbekannt«, sagte Corl-Hendox. »Obwohl es sich um ein technisch weit fortgeschrittenes Volk handelt.«

»Ein Haustier haben sie auch dabei.« Darx-Vernschion deutete auf das kleine Pelzwesen, das in seinem Raumanzug tollpatschig wirkte. »Was machen wir mit ihnen?«

»Vorerst nichts, würde ich vorschlagen. Es ist besser, wenn sie noch keinen Verdacht schöpfen.«

Ein Summen ertönte. Der Kommandant nahm den Anruf an.

»Einer der Bordärzte möchte den Kommandanten sprechen. Sein Name ist Careen-Dhoor.«

»Was will er?«

»Er meint, es sei wichtig. Er ist noch nicht lange an Bord der KYLÖX, diente früher unter dem Kommandanten Xehmer-Naad bei Unternehmungen gegen die Kaiserin.«

»Ich habe wenig Zeit ...«

»Er behauptet, die Fremden zu kennen.«

Darx-Vernschion verschlug es fast den Atem. »Soll herkommen, sofort!«, rief er.

Careen-Dhoor erschien gleich darauf. »Sie haben diese Fremden schon einmal gesehen?«, fragte der Kommandant, kaum dass der Arzt Platz genommen hatte.

»Sie nennen sich selbst Terraner und sind schon lange mit diesem großen Schiff unterwegs. Unter ihnen gibt es Exemplare mit besonderen Fähigkeiten – Mutanten. Sie können Gedanken lesen oder sich ohne Zeitverlust von einem Ort zum nächsten versetzen.«

»Das kann gefährlich für uns sein«, bemerkte Corl-Hendox. »Wozu haben wir in unserem Schiff den psionischen Projektor? Er neutralisiert solche Fähigkeiten.«

»Aber warum ...?« Careen-Dhoor wurde sofort vom Kommandanten unterbrochen.

»Dank für Ihre Information, Doktor, Sie können gehen. Wir sind gewarnt, das genügt. Der Rest unserer Unterhaltung ist militärischer Art und hat mit Ihrem Fach nichts mehr zu tun.«

Kaum hatte der Mediziner den Raum verlassen, traf eine weitere Meldung ein. Sie besagte, dass die Gruppe der Terraner in die Station eingedrungen war und unter ständiger Beobachtung stand.

Darx-Vernschion sah seinen Stellvertreter triumphierend an. »Sie gehen in die Falle, Corl. In der Station finden sie sich nicht mehr zurecht, aber vorerst sollen sie noch nichts von unserer Anwesenheit erfahren.«

»Das wird sich kaum vermeiden lassen ...«

»In dem Augenblick schalten wir die Schutzschirme der Station ein, dann wird jede Verbindung zwischen den Terranern und ihrem Schiff unterbrochen. Das darf vorerst aber noch nicht erfolgen. Sie sollen sich sicher fühlen.«

Sekunden später baute sich ein Holo auf, das einen einzelnen Terraner zeigte. Anscheinend ziellos entfernte er sich von dem gelandeten kleinen Diskusschiff. Darx-Vernschion versuchte vergeblich zu ergründen, weshalb der Fremde sich von seiner Gruppe getrennt hatte und warum er nicht bei seinem Schiff blieb. Auch Corl-Hendox hatte keine logische Erklärung.

»Er geht in Richtung Sektoreingang sieben«, murmelte der Kommandant, und nach einer Weile fügte er verblüfft hinzu: »Er geht vorbei ...«

»Wir sollten ihn gefangen nehmen«, schlug Corl vor. »Mithilfe eines Translators könnten wir ihn verhören und herausbekommen, was die Terraner hier wollen.«

Darx-Vernschion stimmte zu.

In seiner Euphorie achtete Ronald Hennes kaum noch auf seine Umgebung. Die Space-Jet hatte er längst aus den Augen verloren. Zum zweiten Mal passierte er einen Eingang in die Station und blieb endlich stehen.

In einiger Entfernung entdeckte er mehrere Gestalten, die auf ihn zukamen. Sie schwärmten aus, als wollten sie ihm jede Fluchtmöglichkeit abschneiden. Diesmal verspürte der alte Mann Angst, obwohl ihm dieses Gefühl angesichts des nahen Todes unbekannt sein sollte. Es war wohl mehr die Angst davor, ohne Nutzen für die Freunde sterben zu müssen.

Aber so leicht sollten ihn die Fremden nicht einfangen. Hennes trat einfach einen Schritt zur Seite und schwebte in den halbdunklen Schacht hinab, der in die Station führte.

Seine Waffe hatte er in den Gürtel geschoben. Mit beiden Händen regulierte er seinen langsamen Fall in die Tiefe, indem er sich wiederholt von der Wandung abstieß, um möglichst in der Mitte des Schachtes zu bleiben, der kein Ende zu nehmen schien.

Es musste sich um einen stillgelegten Antigravschacht handeln. Die geringe Anziehungskraft der Station genügte jedoch, Hennes sanft in die Tiefe gleiten zu lassen.

Er ging leicht in die Knie, als er auf dem Boden des Schachtes landete. Es war dunkel, vorsichtig tastete er herum, bis seine Hände kein Hindernis mehr fanden. Er folgte dem Gang, der schräg abwärts weiterführte.

Nach einer Weile schaltete Hennes seine Lampe ein. Mehrmals bog er in Seitengänge ab, die jeweils in Verteilerhallen endeten. Und schließlich wurde ihm bewusst, dass er sich hoffnungslos verirrt hatte.

Von irgendwo erklangen Geräusche, doch die Wände reflektierten den Schall so oft, dass keine Richtung zu bestimmen war. Ronald Hennes schaltete die Lampe aus, denn die Räume, die er rastlos durcheilte, waren mittlerweile von einem dämmerigen Licht erfüllt.

Plötzlich standen sie vor ihm, sechs oder sieben Gestalten in Raumanzügen. Ihre Gesichter waren unkenntlich, aber die Waffen in ihren Händen konnte Hennes nicht übersehen.

Er hatte keineswegs die Absicht, sich kampflos zu ergeben, doch er wurde überrumpelt, ehe er nach seinem eigenen Strahler greifen konnte.

»Ras Tschubai und Puukar sind oben auf der Station angekommen«, sagte Gucky, als sie in einer weiträumigen Maschinenhalle überlegten, welchen Weg sie einschlagen sollten. »Puukar ist überzeugt, dass Hulkoos hier sind. Wie schade, dass ich das Atlan nicht mitteilen kann ...«

»Euer Propagandafeldzug ist sinnlos«, bemerkte Delia Benjam verächtlich. »Ihr glaubt, uns so von allen Problemen ablenken zu können, nicht wahr?«

Mentro Kosum achtete nicht auf das sich anbahnende Streitgespräch. »Kannst du die beiden orten, Gucky?«, wollte er wissen.

Der Ilt konzentrierte sich auf Tschubai, der nur Teleporter, aber kein Telepath war, dann schloss er seinen Helm wieder und teleportierte. Er lachte, als Puukar überrascht vor ihm zurückwich.

»Wir sind unten«, sagte Gucky über Helmfunk, der an der Oberfläche der Station weit besser funktionierte als in der Tiefe. »Atmosphäre ist vorhanden. Kommt mit, dann sind wir wieder zusammen.«

Gemeinsam teleportierten sie zu den anderen Expeditionsteilnehmern. Puukar behauptete, dass es in ihrer Nähe von Hulkoos wimmelte, obwohl Gucky immer wieder beteuerte, außer undeutlichen Emotionen nichts espern zu können.

»Wenn Puukar recht hat, dürfen wir den Hulkoos nicht die Initiative überlassen«, mahnte Kosum. »Ich fürchte, unser Ausflug weitet sich aus. Am besten, wir verschwinden so schnell wie möglich wieder.«

»Jetzt nicht mehr!«, sagte Puukar grimmig. »Hier gibt es Hulkoos, die Todfeinde meines Volkes.«

»Es ist nicht unsere Aufgabe, deine Feinde zu töten«, protestierte Gucky. »Wir sollen nur feststellen, ob sich jemand in der Station aufhält – und wenn ja, warum. Falls wir angegriffen werden, verteidigen wir uns, das ist alles.«

Vorsichtig spähte der Hulkoo nach allen Seiten. Erst als er nichts Verdächtiges entdecken konnte, verließ er seine Deckung und lief auf das verlassene Schiff zu. Die geringe Schwerkraft erlaubte ihm weite Sprünge.

Ein Kodeimpuls öffnete das schwarze Schiff. Der Hulkoo, ein spezialisierter Techniker für fünfdimensionale Phänomene, begab sich sofort in die Schaltzentrale des Projektors für das überlappende Neutralisationsfeld.

Diese neuartige Waffe gab es bisher nur in wenigen Schiffen. Sie arbeitete auf fünfdimensionaler Basis und befand sich noch im Erprobungsstadium. Nicht alle Projektoren arbeiteten gleich gut, aber nahezu alle erzielten die beabsichtigte Wirkung und lähmten Psi-Fähigkeiten.

Falls sich unter den auf der Station gelandeten Terranern auch Mutanten befanden, würde sich deren Situation sehr schnell ändern. Das hoffte der Techniker, als er den Projektor befehlsgemäß aktivierte.

Atlan erlebte eine unangenehme Überraschung. Die Station wurde plötzlich von einem starken Energiefeld abgeriegelt. Die Messungen ergaben eine Intensität, die jeden Funkverkehr zwischen der Station und der SOL unmöglich machte. Es schien sogar sicher, dass Teleporter den Schirm nicht durchdringen konnten.

»Puukars Vermutung stimmte also.« Bully ließ eine Verwünschung folgen. »Hulkoos sind in der Station. Unser kleiner Trupp befindet sich demnach in größter Gefahr.«

Der Arkonide nickte verbissen. Ihm war schlagartig bewusst geworden, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, nur um das Problem der SOL-Geborenen vorübergehend zu beschönigen. »Die Station ist unangreifbar geworden«, stellte er fest. »Nicht einmal die SOL kann diesen Schirm durchdringen. Es sei denn, wir nehmen in Kauf, dass wir schwerste Schäden anrichten.«

»Besteht die Möglichkeit, dass der Schirm automatisch aufgebaut wurde, als unsere Leute in die Station eindrangen?«, fragte Balton Wyt.

»Natürlich gibt es diese Option«, antwortete Atlan. »Ich würde sogar davon ausgehen – wenn das mit den Hulkoos nicht wäre.«

»Wir wissen also, dass wir nichts wissen«, knurrte Balton Wyt missmutig.

»Das ist immerhin etwas«, kommentierte Bully.

Atlan entschied, zunächst auf eine Reaktion der Gegenseite zu warten. Die Hulkoos in der Station befanden sich trotz allem in einer schlechteren Situation, deshalb glaubte er, dass ihnen keine andere Wahl blieb, als sich mit einem Verhandlungsangebot zu melden.

Chelzamin-Neben kehrte vom Bad erfrischt in die Zentrale zurück, um Pollez-Mitten abzulösen. Jarzmir-Neben war ebenfalls anwesend.

»Die Hulkoos haben den Schutzschirm der Station aktiviert und damit ihre Anwesenheit verraten«, berichtete Pollez-Mitten. »Bei den Fremden handelt es sich um Terraner, anscheinend Freunde der Kaiserin von Therm und damit automatisch unsere Verbündeten. Der Kommandant der Hulkoos hat die Jagd auf sie freigegeben.«

»Die Terraner können den Stachelpelzen nicht mehr entkommen, also werden wir uns einschalten müssen«, befürchtete Chelzamin.

»Damit verraten wir ebenfalls unsere Anwesenheit«, stellte Jarzmir nüchtern fest.

»Das nehmen wir in Kauf. Unterstützung können wir nur von diesen Terranern erwarten, niemals von den Hulkoos. Ich übernehme die nächste Wache.«

Es war ein Glück, dass sich fast die gesamte Station von der Positronikanlage aus optisch überwachen ließ. Leider waren die Schaltungen nicht mit der automatischen Abwehranlage gekoppelt, sonst hätte sich sogar der Energieschirm abschalten lassen, der die Station isolierte.

Chelzamin-Neben beobachtete nicht nur die Gefangennahme des einzelnen Terraners, sondern auch, dass dieser bei dem Verhör durch die Choolks beharrlich schwieg. Wahrscheinlich wusste der Mann nicht viel. Er wiederholte nur, dass er in Ruhe sterben wollte, da seine Zeit gekommen sei. Darx-Vernschion befahl wütend, den Mann einzusperren.

Chelzamin-Neben konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf alle Schirme. Er sah, dass der Hulkoo-Kommandant noch kurz vor der Aktivierung des KYLÖX-Projektors einen Beweis für die besonderen Fähigkeiten der Eindringlinge erhielt. Der kleinste Teilnehmer der Vierergruppe entmaterialisierte vor seinen Augen und kehrte nach wenigen Sekunden mit zwei anderen Gestalten zurück. Das war zweifellos eine Teleportation durch mehrere Etagen der Station hindurch.

Einer der beiden Neuankömmlinge war ein Choolk! Von seinem sicheren Platz aus konnte der Bautok Chelzamin-Neben die Reaktion des Hulkoo-Kommandanten treffend beobachten und analysieren. Der Schock war unverkennbar, denn Darx-Vernschion saß regungslos vor seinen Schirmen, zu keiner Handlung mehr fähig. Erst als der Hulkoo mehrmals angerufen wurde, meldete er sich schließlich. »Corl-Hendox soll sofort zu mir kommen!«, befahl er und widmete sich wieder der Projektion. Als sein Stellvertreter eintraf, sagte er: »Das ist Puukar, unser Todfeind, der Kriegsherr der Choolks! Er steht aufseiten dieser Terraner ...«

Corl-Hendox schwankte. Zweifellos erkannte er, dass es bei einer Auseinandersetzung mit Puukar keine Kompromisse geben konnte.

Was würde wohl geschehen, überlegte Darx-Vernschion, wenn es ihm gelänge, Puukar gefangen zu nehmen und der Inkarnation auszuliefern? Wäre er dann nicht mit einem Schlag der größte Held seines Volkes? Darx-Vernschion, der Hulkoo, der Puukar unschädlich machte!

Dieser Gedanke ließ den Kommandanten nicht mehr los, obwohl er wusste, dass es vorsichtig zu sein galt. Vielleicht musste er schon jetzt Corl-Hendox einweihen, um dessen Ehrgeiz anzuspornen und ihn zu seinem Mitwisser zu machen. Aber dann schien es ihm wieder besser zu sein, vorerst noch zu schweigen.

»Die Gruppe besteht nun aus sechs Personen, Corl«, stellte Darx-Vernschion fest. »Sie können weder Verbindung zu ihrem Schiff aufnehmen noch teleportieren.«

»Und dieser Puukar?«

»Um ihn geht es in erster Linie«, gab Darx-Vernschion zu, ohne etwas von seinen wahren Absichten zu verraten. »Er darf auf keinen Fall getötet werden. Lebendig ist er das Faustpfand für unsere eigene Freiheit und Rettung.«

»Glauben Sie, die Terraner würden für einen Choolk ihr Schiff opfern?«

Natürlich werden sie das nicht tun, dachte Darx-Vernschion und empfand so etwas wie Heiterkeit über die Naivität seines Stellvertreters. Aber wenn er Puukar erst in seiner Gewalt hatte, gab es andere Möglichkeiten. Da war zum Beispiel das auf der Station gelandete Diskusschiff der Terraner. Es war groß genug, ihn, einige Vertraute und den gefangenen Puukar fortzubringen. Mit einem solchen Schiff ließ sich zweifellos Kontakt zu eigenen Einheiten aufnehmen, der Rest würde dann Routine sein. Ob seine Mannschaft noch eine Zeit lang in der Station bleiben musste oder nicht, welche Rolle spielte das schon?

»Nein, Corl, ich glaube nicht, dass sie ihr Schiff opfern würden, aber ich bin sicher, dass sie mit uns verhandeln werden«, antwortete der Kommandant auf die Frage seines Stellvertreters. »Die Terraner haben Hyperfunk und können Hilfe für uns anfordern. Bis unsere Flotte eintrifft, müssen wir dann nur hier in der Station mit unseren Gefangenen abwarten. Verstehen Sie nun, warum ich Puukar und alle anderen lebend haben will?«

Chelzamin-Neben bekam natürlich nur das mit, was gesprochen wurde, von den wirklichen Absichten des Hulkoo-Kommandanten ahnte er nichts. Es hätte auch keinen Unterschied gemacht. Nach wie vor war der Bautok entschlossen, den Terranern zu helfen, ohne jedoch die eigene Sicherheit zu gefährden.

»Jarzmir hat recht, wir müssen uns vorerst noch zurückhalten. Das ist umso leichter, als wir nun wissen, dass die Hulkoos die Terraner und den Choolk nicht töten wollen ...«

Seine Überlegung stimmte. Natürlich wäre es möglich gewesen, die sechs Personen in der abgeschirmten Hydroponik unterzubringen, aber damit hätte er lediglich einen Aufschub erreicht – und dass sich die Hulkoos mehr als bisher um den geheimnisvollen Sektor kümmern würden, zu dem sie keinen Zutritt hatten. Nein, abwarten und beobachten war besser.

Chelzamin-Neben verfolgte die Aktionen der Hulkoos. Ihm fiel auf, dass Darx-Vernschion darauf verzichtete, das kleine Schiff zu besetzen. Im Augenblick war es ohnehin wertlos, denn es konnte den Energieschirm der Station bestimmt nicht durchdringen.

Jarzmir-Neben erschien, um zu übernehmen.

Chelzamin berichtete kurz und fügte hinzu: »Ich glaube, dieser Darx-Vernschion sagt nicht immer, was er denkt. Achte darauf bei seinen Unterhaltungen. Und verliere die Terraner nicht aus den Augen. Früher oder später werden die Hulkoos alle gefangen nehmen, auch den Choolk. Wir müssen ständig informiert sein, wohin man sie bringt.«

»Wir greifen noch nicht ein?«

»Du hattest recht, wir würden damit nur unsere Position verraten. Außerdem sind uns die Terraner weit mehr zu Dank verpflichtet, wenn wir sie aus den Händen ihrer Feinde befreien, statt sie vor der Gefangennahme zu bewahren.«

»Sehr klug, mein Freund. Ich werde daran denken.«

»Gut, dann verschwinde ich jetzt im See. Wo steckt Pollez?«

»Er liegt im Dschungel und meditiert.«

4.

»Ich empfange überhaupt keine Gedankenströme mehr«, sagte Gucky unsicher und stieß Ras Tschubai an, der neben ihm durch eine Gasse zwischen mächtigen Generatoren ging. »Spürst du mehr als ich?«

»Ein komisches Gefühl, als wäre ich in Watte eingepackt.«

»Genau, das ist es! In Watte oder in ein nasses Bettlaken. Wieso?«

»Keine Ahnung, Gucky. Vielleicht die schlechte Luft ...«

»Die Luft ist frisch und gut, direkt aus der Klimaanlage.«

»Ich spüre zwar nichts dergleichen, aber ich habe das Gefühl, dass wir beobachtet werden«, warf Weran Putzag ein.

»Das sind die Hulkoos!«, zischelte Puukar zornig.

Mentro Kosum blieb stehen. »Wir müssen uns entscheiden, wie es weitergehen soll. Es ergibt doch keinesfalls Sinn, wenn wir planlos in der Station herumlaufen. Bei ihrer Größe kann es Wochen dauern, bis wir jemanden finden.«

»Vielleicht finden die anderen uns«, sagte Delia Benjam betont.

Ras Tschubai legte plötzlich einen Finger auf die Lippen und deutete schräg nach oben. »Eine Robotkamera«, flüsterte er. »Sie folgt unseren Bewegungen.«

»Ich habe gewusst, dass wir beobachtet werden«, stellte Putzag laut fest. »Die Gegenseite ist über jeden unserer Schritte unterrichtet. Es dauert bestimmt nicht mehr lange, dann werden sie Verbindung aufnehmen.«

»Und ich werde dem Ding den Kragen umdrehen«, piepste Gucky und konzentrierte seine telekinetischen Kräfte auf die Kamera. »Ganz einfach so ...«

Aber ganz so einfach schien es doch nicht zu sein. Die anderen blickten hinauf zu der Kamera, die unter der hohen Decke hing. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie getarnt anzubringen, und vor allem war sie, verglichen mit den modernen Geräten an Bord der SOL, eine hoffnungslos veraltete Konstruktion. »Was ist, Gucky?«, fragte Kosum ungeduldig, als nichts geschah.

Mit stierem Blick visierte der Mausbiber die Kamera an. Die Anstrengung ließ ihn zittern. Schließlich sackte er regelrecht in sich zusammen und wäre zu Boden gestürzt, hätte Tschubai ihn nicht gedankenschnell aufgefangen.

»Was ist los, Gucky?«, wiederholte der Teleporter Kosums Frage.

»Es geht nicht, Ras! Es geht einfach nicht! Diese Watte ...«

»Eine Parafalle?«