Perry Rhodan 59: Herrscher des Schwarms (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 59: Herrscher des Schwarms (Silberband) E-Book

Clark Darlton

5,0

Beschreibung

Im April des Jahres 3441 ist es soweit: Perry Rhodan geht in die Offensive und schickt mit dem Raumschiff GEVARI seine Fünfte Kolonne, bestehend aus den fähigsten Mutanten in den Schwarm. Der Durchbruch gelingt, und die Besatzung der GEVARI erlebt auf der Suche nach einem geeigneten Stützpunktplaneten das Grauen. Perry Rhodan folgt mit der MARCO POLO und verbreitet seinerseits Panik unter den Beherrschern des Schwarms. Doch nicht nur dort spitzt sich die Lage dramatisch zu. In der Milchstraße lassen die Cynos die Masken fallen. Sie beschränken sich nicht mehr darauf, die Geschicke einzelner Planeten zu lenken, sondern versuchen, die Hundertsonnenwelt der Posbis zu erobern, wo die fähigsten Wissenschaftler an einer Waffe gegen den Schwarm arbeiten. Ein unheimlicher Kampf entbrennt...

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Nr. 59

Herrscher des Schwarms

Im April des Jahres 3441 ist es soweit: Perry Rhodan geht in die Offensive und schickt mit dem Raumschiff GEVARI seine Fünfte Kolonne, bestehend aus den fähigsten Mutanten in den Schwarm. Der Durchbruch gelingt, und die Besatzung der GEVARI erlebt auf der Suche nach einem geeigneten Stützpunktplaneten das Grauen. Perry Rhodan folgt mit der MARCO POLO und verbreitet seinerseits Panik unter den Beherrschern des Schwarms. Doch nicht nur dort spitzt sich die Lage dramatisch zu. In der Milchstraße lassen die Cynos die Masken fallen. Sie beschränken sich nicht mehr darauf, die Geschicke einzelner Planeten zu lenken, sondern versuchen, die Hundertsonnenwelt der Posbis zu erobern, wo die fähigsten Wissenschaftler an einer Waffe gegen den Schwarm arbeiten. Ein unheimlicher Kampf entbrennt ...

Vorwort

In diesem 59. Band der PERRY RHODAN-Bibliothek geht es um Monstrositäten der unterschiedlichsten Art. Der Reigen wird eröffnet (nach der eher heiteren Episode um den kleinen »Froschkönig« und sein Wasservolk) mit der Entdeckung des intelligenten Zellplasmas, das fast einen ganzen Planeten bedeckt. Es geht weiter mit den Gelben Eroberern und ihrer bereits bekannten Methode, für ihren Nachwuchs zu sorgen. Und es endet schließlich mit den in typischer H.-G.-Ewers-Manier gezeichneten Mordsweibern vom Planeten Heytschapan. Die Freunde des Horrors dürften also ebenso auf ihre Kosten kommen wie jene des Humors, für den natürlich auch wieder unsere beiden Freunde a Hainu und Rorvic sorgen.

Etwas enttäuscht werden vielleicht diejenigen Leser sein, die sich vom Titel dieses Bandes ultimative Eröffnungen hinsichtlich der Schwarmherrscher versprochen haben. Ehrlich gesagt: Mir fiel kein passenderer ein, und wer genau und gründlich liest, wird auch schon einige Hinweise bekommen. Klar ist jedenfalls, dass die Gelben Eroberer zwar einen großen Namen tragen, aber letztlich nur das sind, als was sie bereits bezeichnet wurden, die Ersten Diener. Ohne sie, soviel sei jedoch auch verraten, könnten die wahren Herrscher nicht leben.

Die diesem Buch zugrundeliegenden Originalromane sind (in Klammern die Heftnummern): Der Durchbruch (533), Der Schwarze Dämon (534) und Die Attacke der Cynos (540) von William Voltz; Transport ins Ungewisse (535) von Clark Darlton; Götzendämmerung (536) von Ernst Vlcek; Die Panikmacher (538) von H. G. Francis und Das Experiment der Cynos (539) von H. G. Ewers.

Ich bedanke mich bei allen, die meine Arbeit wieder durch Kritik und Vorschläge unterstützt haben. Ihnen im besonderen ist dieses Buch gewidmet.

Zeittafel

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingt die Einigung der Menschheit, es beginnt der Aufbruch in die Galaxis.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten Bedrohung durch die Posbi-Roboter und galaktische Großmächte wie Akonen und Blues.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen.

3437/38 – Expedition mit der MARCO POLO in die Cappin-Galaxis Gruelfin. Ovaron wird von der Urmutter als Ganjo identifiziert. Der Riesenroboter opfert sich beim Kampf um das Solsystem selbst. Der Planet Pluto wird dabei zerstört.

3441/42

Prolog

Als Perry Rhodan Mitte des Jahres 3441 mit der MARCO POLO von Gruelfin in die Milchstraße zurückkehrt, findet er eine ihm fremd gewordene Galaxis vor. Mit Ausnahme relativ weniger Immuner sind alle Intelligenzen verdummt – auch auf Terra herrscht das Chaos. Verantwortlich für die Verdummung ist die Veränderung der galaktischen Gravitationskonstante durch die Vorhut eines ungeheuerlichen Gebildes aus Sternen, Planeten und Raumfahrzeugen, das sich über Tausende Lichtjahre ausdehnt und mit Transitionen in die Milchstraße schiebt: der Schwarm!

Doch nicht nur vom Schwarm und seinen unbekannten Lenkern und Völkern droht Gefahr. Die Angehörigen des so genannten Homo superior, der angeblich nächsten Stufe menschlicher Evolution, sind ebenfalls immun gegen die Verdummungsstrahlung; sie predigen die Abkehr von aller Technik und den bedingungslosen Pazifismus. Dies hält sie jedoch nicht von verheerenden Sabotageakten ab.

Perry Rhodan bricht mit dem Kreuzer GOOD HOPE II auf, um die Geheimnisse des Schwarms zu ergründen und letztlich dafür zu sorgen, dass in der Milchstraße wieder normale Verhältnisse einkehren. Reginald Bull konzentriert sich anfangs darauf, mit der INTERSOLAR so viele Immune wie möglich aufzulesen.

Im Herbst 3441 verlassen erstmals Objekte den Schwarm, Erkundungs- und Vermessungsschiffe. Ihnen folgen gewaltige Pilzraumer, die auf Planeten landen, deren Bewohner keine Mittel und Waffen gegen sie finden. Es erfolgt eine so genannte Sekundäranpassung der Gravitationskonstante, in deren Verlauf die verdummten Menschen einen Teil ihrer Intelligenz zurückerhalten. Die Gattung des Homo superior dagegen stirbt restlos aus. Als neue ernstzunehmende Bedrohung der galaktischen Völker erweisen sich die Cynos, deren heimliches Imperium die Geschicke der Milchstraße viele Jahrtausende lang beeinflusst zu haben scheint. Sie haben ihre Anonymität aufgegeben und verfolgen geheimnisvolle Ziele.

Im Frühjahr 3442 beginnen die Pilzraumschiffe, auf den ersten von ihnen besetzten Planeten die Atmosphäre aufzuheizen und die Gravitation hochzutreiben. Gleichzeitig verlassen große Flotten von Wabenraumschiffen der so genannten Gelben Eroberer den Schwarm und landen auf diesen Welten. Wie sich herausstellt, benötigen die Gelben Eroberer diese neugeschaffenen Umweltbedingungen, um sich zu teilen, während die Bewohner der Planeten qualvoll sterben.

1.

Der Schwarm

April 3442

Blazon Alpha war gerade dabei, dreiundzwanzig Solar von Roi Danton zu gewinnen, als der Massetaster der GEVARI ansprach. Rhodans Sohn warf die Karten auf den Tisch und stand auf.

»Einen Moment noch!«, protestierte Blazon Alpha. »Sie müssen dieses Spiel zu Ende führen.«

»Ich wette, er hat mit den Emotionauten der INTERSOLAR ein Abkommen getroffen«, grinste Blazon Beta. Im Gegensatz zu seinem 1,79 Meter großen Bruder war er ein kleiner, dürrer Mann mit faltigem Gesicht und spitzer Nase. Sein Kopf war teilweise kahlgeschoren, gleichzeitig aber Ausgangspunkt eines armdicken Zopfes, der fast bis zu den Fersen hinabreichte.

Blazon Beta beobachtete, wie sich sein Bruder im Gesicht verfärbte. Unter normalen Umständen war Blazon Alpha ein gutmütiger und verträglicher Mensch. Am Spieltisch jedoch schien er alle seine guten Vorsätze vergessen zu haben.

Blazon Alpha erhob sich ebenfalls und wischte die Karten mit einer Handbewegung vom Tisch.

Danton hatte an den Kontrollen Platz genommen. Auf den Oszillographen der Ortungsanlage erschienen mehrere Amplituden.

Der Bildschirm im Zentrum der Ortungsgeräte zeigte einen hellen Leuchtimpuls.

»Es ist soweit!«, rief Danton. »Das ist die INTERSOLAR.«

Blazon Alpha ließ sich in einen Sessel fallen und machte ein mürrisches Gesicht. Danton wandte sich von den Kontrollen ab und blickte ihn an. Er sah einen muskulösen Mann mit kurzgeschnittenen dunklen Haaren.

Die beiden Brüder, die auf Last Hope zusammen mit ihm an Bord der GEVARI gegangen waren, unterschieden sich nicht nur äußerlich. Sie besaßen auch verschiedene Charaktere. Trotzdem hatten beide den gleichen Beruf: Sextadimphysiker.

Blazon Alpha hatte den Spielabbruch überwunden und zeigte die ihm eigene Gelassenheit.

»An Bord der INTERSOLAR wird man schon ungeduldig auf unsere Ankunft warten«, vermutete Roi Danton. »Wir bringen die letzten Sextagoniumvorräte von Last Hope mit.«

»Vier Kilogramm«, fügte Blazon Alpha hinzu. »Das ist mehr, als Corello manipulieren kann.«

»Vielleicht sind mehrere Versuche notwendig«, erinnerte ihn Danton. »Dann werden wir froh sein, wenn wir auf eine Reserve zurückgreifen können.«

»Ich bin sowieso skeptisch«, erklärte Blazon Beta. »Wir wissen zuwenig über den Schmiegeschirm, der den Schwarm umschließt.«

Auf dem großen Bildschirm konnte Danton einen Teil des Schwarms sehen. Wenn sie auch nur eine geringe Chance haben wollten, die endgültige Katastrophe von der Galaxis abzuwenden, mussten sie in den Schwarm eindringen und das Übel an der Wurzel bekämpfen. Alles, was sie an einem solchen Einsatz hinderte, war der Schmiegeschirm, der sich bisher nur dann als durchlässig erwiesen hatte, wenn die Schwarmbewohner mit dem Eindringen eines Körpers in den Schwarm einverstanden gewesen waren. Aufgrund seines Aussehens bezeichnete man ihn auch als »Kristallschirm«.

»Wir müssen jede Chance wahrnehmen«, meinte Danton. »Corello weiß außerdem genau, was er will. Er würde uns nicht diesen Flug machen lassen, wenn er keinen Sinn darin sähe.«

Er erinnerte sich noch einmal daran, was Ribald Corello plante. Der Supermutant hatte durch seine Erkrankung zwar viel von seinen ehemaligen Fähigkeiten eingebüßt, konnte jedoch immer noch bis zu 750 Gramm Materie in der Art eines Fiktivtransmitters befördern.

Das Sextagonium, das Danton und die beiden Sextadimphysiker von Last Hope geholt hatten, sollte von Corello abgestrahlt und unmittelbar vor dem Ziel zur Explosion gebracht werden. Während des Transports durch den fünfdimensionalen Hyperraum würde die Übersättigungsstabilität des Sextagoniums schwinden. Das war eine bereits feststehende Tatsache, die sich bei früheren Experimenten ergeben hatte. Durch Aufhebung der Übersättigungsstabilität sollte die im Sextagonium enthaltene psionische Energie freigesetzt werden. Die Wissenschaftler vermuteten, dass diese Energie dem Schmiegeschirm Schaden zufügen würde.

Abgesehen von der Möglichkeit eines totalen Misserfolgs, barg das geplante Unternehmen auch das Risiko einer Katastrophe in sich. Niemand konnte genau sagen, wie die artfremde Energie des Schmiegeschirms während des Kontaktes mit dem Sextagonium reagieren würde. Die Gefahr, dass es in der gesamten Galaxis zu schweren Erschütterungen des Raum-Zeit-Gefüges kommen konnte, war nicht auszuschließen.

Von welcher Seite man auch das geplante Experiment betrachtete: Es war ein verzweifeltes Unternehmen von Intelligenzen, die um die Erhaltung ihrer Art kämpfen mussten.

»Worüber denken Sie nach?«, erkundigte sich Blazon Alpha bei Rhodans Sohn.

»Worüber sollte ich schon nachdenken?« Danton blickte die beiden immunen Wissenschaftler an. »Es gibt für die Menschheit jetzt nur ein Problem: Wir müssen verhindern, dass die Planeten der Galaxis von Gelben Eroberern überschwemmt werden. Dieses Ereignis scheint jedoch unmittelbar bevorzustehen. Bisher hatten wir es nur mit der Vorhut zu tun.«

Bevor einer der Brüder antworten konnte, erhellte sich der Bildschirm des Hyperfunks. Rhodans energisches Gesicht zeichnete sich darauf ab.

»Michael!«, rief er. »Einen Tag später als erwartet.«

»Wir haben uns Zeit genommen und die GEVARI auf Last Hope noch einmal gründlich überprüft. Du weißt, wie wichtig dieses Schiff für uns werden kann.«

»Es war vielleicht gut so«, stimmte Rhodan nachdenklich zu. »Die GEVARI soll unsere Fünfte Kolonne in den Schwarm tragen.« Forschend betrachtete er die beiden Wissenschaftler. »Habt ihr das Sextagonium?«

»Natürlich!«, bestätigte Danton. »Sonst wären wir nicht hier. Es sind vier Kilogramm, genug für mehrere Versuche.«

»Du kannst mit der GEVARI neben der Hauptschleuse der INTERSOLAR anlegen«, sagte Rhodan. »Es ist überflüssig, dass wir das Schiff an Bord nehmen.«

Danton, der genau wusste, dass dies eine Vorsichtsmaßnahme war, nickte.

Die GEVARI war eine Sonderkonstruktion. Äußerlich glich sie einer Space-Jet, war jedoch wesentlich größer. Sie durchmaß fünfzig Meter und war fünfundzwanzig Meter hoch. Mit seinen Schwarzschildreaktoren in Ultrakompaktbauweise erreichte das diskusförmige Schiff Beschleunigungswerte bis zu 800 km/sec. Die Reichweite des Schiffes im Linearflug betrug 800.000 Lichtjahre. An Bord gab es Plätze für zehn Besatzungsmitglieder. Außerdem hatte die GEVARI in ihren großen Hangars sechs extrem flache Raumlinsen als Beiboote an Bord und war mit zwei Transformkanonen in Kompaktbauweise ausgerüstet.

Rhodan machte für Corello Platz, der jetzt von seinem Tragroboter vor das Funkgerät gebracht wurde. Der Mutant mit dem zwergenhaften Körper und dem riesigen Kopf wirkte aufgeregt.

»Ich befürchtete schon, dass es zu einem Zwischenfall gekommen sei, Roi.«

»Ich erklärte bereits meinem Vater, dass unsere Verspätung durch ein nochmaliges Testen der GEVARI zustande gekommen ist.«

Corello bewegte seine Händchen. »Hauptsache ist, Sie haben das Sextagonium an Bord.«

»Vier Kilogramm!«

»Ausgezeichnet!«, lobte der Mutant. »Das wird auf jeden Fall reichen.«

»Es gibt auf Last Hope kein Sextagonium mehr«, stellte Danton fest. »Und es ist niemand dort, der aus Howalgonium neues Sextagonium herstellen könnte. Deshalb sollten Sie vorsichtig mit der Lieferung umgehen.«

Corello schwieg. Er schien nachzudenken.

»Ich habe leider meine Fähigkeiten als Quintadimtrafer verloren«, sagte er schließlich. »Ansonsten hätte ich die Energie, die wir brauchen, mit Hilfe meiner parapsychischen Fähigkeiten hergestellt.«

Danton gestand sich ein, dass er die Minderung von Corellos Fähigkeiten unbewusst begrüßte. Zwar hatte Corello sich seit seiner Heilung als loyal erwiesen, aber er war ein seelisch labiler Mensch, bei dem es immer wieder zu Krisen kommen konnte. Ein Corello, der außer Telepsimat auch noch Quintadimtrafer gewesen wäre, könnte von niemand kontrolliert werden. Sollte der Supermutant jedoch unter den gegenwärtigen Umständen die Kontrolle über sich verlieren, würde man ihn überwältigen können.

Danton gab sich einen Ruck. An ein solches Verhalten Corellos durfte er gar nicht denken. Der Mutant war jetzt ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen die Gelben Eroberer, die aus unverständlichen Gründen ihre Zellteilung innerhalb der Galaxis vornehmen wollten oder mussten.

Die GEVARI fiel aus dem Linearraum. Sie war nur noch sechshunderttausend Kilometer von der INTERSOLAR entfernt. Rhodan und einige andere wichtige Leute waren an Bord der INTERSOLAR gegangen, weil dieses Schiff besser für die Vorbereitungen des geplanten Einsatzes geeignet war als die GOOD HOPE II.

Danton rief sich erneut ins Gedächtnis zurück, dass die vereinte Menschheit im Augenblick nur über zwei voll einsatzfähige Schiffe verfügte: eben die GOOD HOPE II und die INTERSOLAR. Im Vergleich zu der Anzahl der Flugkörper, die der Schwarm einsetzen konnte, war es zuwenig.

Auf den Bildschirmen erkannte Danton, dass die INTERSOLAR sich im freien Fall bewegte. Sie flog in einem Abstand von zwei Lichtjahren am Schwarm entlang. Das war der Sicherheitsabstand, den Perry Rhodan gewählt hatte. Er wollte sich durch nichts überraschen lassen.

Danton steuerte die GEVARI auf die INTERSOLAR zu.

Er rechnete damit, dass noch ein paar Tage vergehen würden, bevor die GEVARI zu ihrem Einsatz starten konnte. Die Mannschaft musste ausgesucht und eingewiesen werden. Vor allem aber Ribald Corello musste sich gründlich auf seine schwere Aufgabe vorbereiten.

Auf dem Bildschirm der Funkanlage erschien jetzt Rhodan neben dem Supermutanten.

»Das Sextagonium bleibt vorläufig in den Spezialbehältern an Bord der GEVARI«, ordnete er an.

Eine weitere Vorsichtsmaßnahme, dachte Danton. Sein Vater war sich also durchaus bewusst, wie gefährlich diese Substanz war, mit der sie experimentieren wollten.

Sextagonium, rief sich Danton ins Gedächtnis zurück, war ein durch Quintatronbeschuss von 910 Milliarden QWA (Quintron-Wari) aus Howalgonium künstlich hergestelltes Element.

Dieses violett strahlende und leicht pulsierende Element war in erster Linie für die Dakkar-Tastresonatoren erschaffen worden. Corello war bei der Stabilisierung während des Quintatronbeschusses maßgeblich beteiligt gewesen.

Auch Blazon Alpha und Blazon Beta waren bereits während der ersten Herstellung von Sextagonium auf Last Hope gewesen. Aufgrund ihrer Immunität hatten sie den Flug der anderen Wissenschaftler zur Hundertsonnenwelt nicht mitgemacht, sondern in den riesigen Labors von Last Hope weitergearbeitet.

Inzwischen hatte sich die GEVARI der INTERSOLAR so weit genähert, dass Danton den Schatten des riesigen Kugelschiffes durch die Panzerplastkuppel über der Zentrale sehen konnte. Rhodans Sohn begann mit dem Anlegemanöver.

Er brauchte nur ein paar Minuten, bis das Diskusschiff fest mit der Außenfläche der INTERSOLAR verankert war. Magnettrossen hielten es an seinem Platz neben der Hauptschleuse.

»Wir ziehen Schutzanzüge an und steigen um«, entschied Danton. »Sie haben gehört, dass das Sextagonium vorläufig an Bord der GEVARI bleiben soll.«

»Eine vernünftige Entscheidung«, stimmte Blazon Beta zu.

Blazon Alpha, der, wenn er nicht gerade an irgendeinem Spiel teilnahm, sehr verschlossen und wortkarg war, begnügte sich mit einem leichten Nicken.

»Das Teufelszeug kann uns alle ins Jenseits befördern«, bemerkte Blazon Beta, während er seinen Helm verschloss. »Wenn es instabil wird, sind die GEVARI und die INTERSOLAR verloren. Da nutzt es wenig, dass wir das Diskusschiff nicht in einen Hangar gebracht haben.«

»Es geht meinem Vater nur darum, die GEVARI schnell wegzubringen, wenn eine kritische Situation eintreten sollte.« Roi Danton blickte sich um. »Fertig?«

Blazon Beta deutete auf seinen Bruder. »Er braucht ein bisschen länger.«

Blazon Alpha ließ sich nicht irritieren. Als er seinen Anzug druckfest verschlossen hatte, gab er Danton ein Zeichen.

Der ehemalige König der Freihändler, der in den letzten Monaten fast ausschließlich auf Terra gearbeitet hatte, öffnete die Schleuse des Raumschiffes. Dann schaltete er das Flugaggregat ein und schwebte zur Hauptschleuse der INTERSOLAR hinüber. Ihm folgten die beiden Sextadimphysiker.

An Bord der GEVARI blieb ein harmlos aussehender Behälter zurück, in dem eine violett strahlende Masse gleichmäßig pulsierte.

Ribald Corellos Tragroboter stelzte in den Konferenzraum und blieb auf Befehl des Mutanten unmittelbar neben dem Eingang stehen. Der Roboter, der den nahezu bewegungsunfähigen Corello herumtragen musste, erinnerte Danton immer wieder an eine Metallspinne.

Rhodan, der am Kopfende des Tisches saß und einen detaillierten Bericht der Ortungszentrale las, blickte auf.

»Damit wären wir komplett«, stellte er fest. Er richtete sich auf und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Dann musterte er die Anwesenden. Alle wichtigen Immunen hatten sich im Konferenzraum eingefunden. Auch die Mutanten waren da.

»Sie wissen, warum wir uns hier getroffen haben«, eröffnete Rhodan die Besprechung. »Es geht um die Entsendung einer Fünften Kolonne in den Schwarm.«

Er trat ein paar Schritte zurück, wo auf einer Leuchttafel ein Bild des Schwarmes abgebildet war. Er deutete auf den Kopf des Gebildes.

»Hier befinden sich die größten Massierungen von Raumschiffen innerhalb des Schwarms. Ein Schiff wie die GEVARI würde dort schnell entdeckt werden. An allen anderen Stellen wären unsere Chancen weitaus größer. Doch dort wird der Schmiegeschirm selten oder überhaupt nicht geöffnet. Wir können nicht warten, bis uns der Zufall eine Chance zum Eindringen gibt. Wir müssen die Initiative ergreifen. Corellos Plan kann, wenn er sich verwirklichen lässt, die GEVARI ins Innere des Schwarmes bringen, und zwar an eine Stelle, wo die Besatzung nicht mit gegnerischen Schiffen zu rechnen braucht. Das ist die Ausgangssituation.«

Er nickte dem Supermutanten zu.

»Corello wird Ihnen nun erklären, wie wir vorgehen wollen. Doch zuvor möchte ich Ihnen mitteilen, wer die acht Besatzungsmitglieder der GEVARI sein werden, wenn das Schiff zu seinem gefährlichen Unternehmen aufbricht.«

Im Konferenzraum wurde es vollkommen still. Gespannt sahen die Versammelten zu, wie Rhodan eine Liste in die Hand nahm. Jeder in der Runde hätte sich sofort freiwillig gemeldet, doch bei dem geplanten Einsatz musste die Besatzung nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt werden.

»Sicher werden sich einige unter Ihnen wundern, dass wir wichtige Personen mit in diesen Einsatz schicken«, klang Rhodans Stimme wieder auf. »Wir gehen damit von einem früher gefassten Standpunkt ab. Bisher versuchten wir, Mutanten und andere fähige Wesen abzusichern, um sie im äußersten Notfall einsetzen zu können. Jetzt müssen wir anders handeln. Es muss uns gelingen, im Schwarm einen Brückenkopf zu errichten. Das hat zu geschehen, bevor die große Masse der teilungsbereiten Gelben Eroberer die Planeten unserer Galaxis überschwemmt.«

Er machte eine Pause und wartete auf Einwände. Niemand meldete sich.

»Je schneller und erfolgreicher wir jetzt operieren, desto größer ist unsere Aussicht, den Gegner aufzuhalten«, fuhr der Großadministrator fort. Er wurde nachdenklicher. »Ich frage mich noch immer, warum der Geburtenvorgang der Gelben Eroberer nicht innerhalb des Schwarms vollzogen wird, obwohl dort offensichtlich genügend geeignete oder zumindest manipulierbare Welten zur Verfügung stehen. Vielleicht bedarf es nur eines geringfügigen Eingreifens, um die Gelben Eroberer an einem Verlassen des Schwarms zu hindern. Das herauszufinden wird eine der Hauptaufgaben der fünften Kolonne sein. Die Mitglieder dieses Teams müssen möglichst viel über den Schwarm und dessen Bewohner in Erfahrung bringen. Vielleicht haben wir eine Gelegenheit, mit diesem Team in Kontakt zu bleiben.«

Er lächelte, als er die steigende Unruhe bemerkte.

»Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Chef der Immunenmannschaft wird Alaska Saedelaere sein.« Rhodan nickte dem Mann mit der Maske zu. »Ich denke, dass Sie damit einverstanden sind.«

Saedelaere, der rechts neben Atlan saß, stand umständlich auf und sagte: »Ich werde alles tun, damit der Einsatz ein Erfolg wird.« Verlegen rückte er seine Plastikmaske zurecht und nahm wieder Platz.

»Es ist klar, dass die GEVARI einen guten Piloten benötigt, denn sie kann in Situationen geraten, die schnelle Manöver zur Rettung erforderlich werden lassen. Ich habe mich daher entschlossen, einen Emotionauten als Piloten einzusetzen. Mentro Kosum, sind Sie einverstanden?«

Der große Raumfahrer am anderen Ende des Tisches grinste selbstsicher. »Der Flotte bester Emotionaut ... bekämpft den Schwarm, dem jetzt schon graut.«

»Lassen Sie das!«, verwies ihn Rhodan. »Heben Sie sich diese Sprüche für die Rückkehr auf.«

»Wie Sie wollen«, blieb Kosum gelassen. »Aber ich stehe schon seit Beginn der Diskussion unter Dampf. Da musste ich einmal einen Spruch loswerden.«

Rhodan winkte ungeduldig ab. »Es ist klar, dass Ribald Corello an Bord der GEVARI sein muss. Er wird versuchen, das Sextagonium direkt vor dem Schmiegeschirm zur Explosion zu bringen.«

»Ich bin gespannt, wann ich endlich an die Reihe komme!«, rief Gucky dazwischen. »Schließlich habe ich ein gewisses Anrecht darauf, an diesem Einsatz teilzunehmen. Ich bin schon sehr erstaunt darüber, dass man mich nicht zum Chef des Unternehmens ernannt hat.«

»Nur Geduld«, beruhigte ihn Rhodan. »Du wirst zum Team gehören. Allerdings ohne deinen Freund Ras Tschubai, den wir als Einsatzreserve hier zurücklassen. Zwei weitere Mutanten werden an Bord der GEVARI gehen. Es sind Balton Wyt und Merkosh. Hat einer der beiden dagegen etwas einzuwenden?«

»Im Gegenteil!« Merkosh stülpte seinen rüsselförmigen Mund nach außen. »Ich stelle mir die ganze Sache sehr unterhaltsam vor.«

Balton Wyt nickte nur. Er war von seiner Wahl nicht überrascht, denn Atlan hatte schon vor der Konferenz mit ihm gesprochen und ihm eröffnet, dass er zum Team gehören würde.

»Die neuangekommenen Wissenschaftler Alpha und Beta Blazon werden die Besatzung der GEVARI vervollkommnen.« Rhodan faltete das Papier zusammen. »Beide müssen an Bord sein, da sie Experten der Sextadimphysik sind und Ribald Corello gegebenenfalls beraten können. Corello wird selbstverständlich wieder mit seinem Roboter zusammensein, damit er größtmögliche Bewegungsfreiheit besitzt. An Bord der GEVARI gibt es zwei Transmitter: einen transportablen, der aufgebaut werden muss, und einen fest installierten. Vielleicht können wir über den Transmitter weitere Personen in den Schwarm schicken, obwohl ich das bei der Eigenart des Schwarms und des Kristallschirms bezweifeln möchte.«

Er schob seine Unterlagen von sich.

»Ich stelle alle Ausführungen zur Diskussion und bitte um Wortmeldungen. Ja, Ribald! Es wäre mir recht, wenn Sie beginnen würden.«

Zwei Stunden später lag Alaska Saedelaere auf dem schmalen Bett in seiner Kabine und versuchte einzuschlafen. Er wusste, wie wichtig es für ihn war, dass er sich jetzt entspannte. Der Einsatz im Schwarm würde seine volle Konzentration erfordern.

Er hatte die Tür zu seiner Kabine von innen abgeschlossen und die Plastikmaske abgenommen. Das Cappinfragment leuchtete nur schwach. Ab und zu glaubte Saedelaere, unter dieser Maske ersticken zu müssen. Eine biologische Maske wäre in jedem Fall sicherer und bequemer gewesen, doch sie wurde von dem Cappinfragment abgestoßen.

Saedelaere hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und dachte nach. Er ahnte, dass er keinen Schlaf finden würde. Die Probleme, mit denen sich die Menschheit und alle anderen Intelligenzen dieser Galaxis auseinanderzusetzen hatten, beschäftigten ihn zu sehr.

Manchmal erschienen ihm die Ereignisse unwirklich, wie Bruchstücke eines Traumes, aus dem er nicht aufwachen konnte. Doch dieses Gefühl war ihm bereits vertraut. Es beherrschte ihn seit jenem Unfall, als er innerhalb eines Transmitters sein Cappinfragment erhalten hatte.

Jemand klopfte an die Tür. Der Transmittergeschädigte zuckte zusammen.

»Augenblick!«, rief er.

Er schwang die Beine aus dem Bett und griff nach seiner Maske. Hastig befestigte er sie über dem Gesicht, dann überzeugte er sich im Spiegel davon, dass sie richtig saß. Ein Blick auf das Cappinfragment hatte bisher fast immer damit geendet, dass die Beobachter wahnsinnig geworden oder gestorben waren.

Saedelaere öffnete. »Mister Blazon!«, rief er überrascht.

»Blazon Alpha!«, sagte der große Mann, der im Korridor stand. »Mein Bruder hält sich zusammen mit Corello in der GEVARI auf. Sie nehmen sechshundert Gramm Sextagonium aus dem Behälter, um es transportbereit zu machen.«

»Und Sie? Warum sind Sie nicht dabei?«

»Hm!« Blazon rieb sich das Kinn. »Wir kennen uns doch kaum. Da wir längere Zeit auf engstem Raum zusammenleben müssen, dachte ich, dass es nicht schaden könnte, wenn wir uns ein bisschen beschnuppern würden.«

»Nur zu!« Saedelaere trat zur Seite und machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie herein und schnuppern Sie!«

Blazon blickte sich innerhalb des kleinen Raumes um. »Wo lernt man sich besser kennen als während eines Spielchens?«

Saedelaere sah den Besucher erstaunt an. »Wie?«

»Ja.« Blazon nickte. »Machen wir ein Spielchen.« Er warf Karten, Rombies und Würfel auf den Tisch. »Sie haben die Wahl!«

Saedelaere musste lachen. Blazons Methode war ziemlich ungewöhnlich. Der Transmittergeschädigte hatte davon gehört, dass sein Besucher ein leidenschaftlicher Spieler war, aber er hatte niemals geglaubt, dass diese Leidenschaft so ausgeprägt sein könnte.

Alpha zog einen Stuhl zu sich heran.

»Ich habe darüber nachgedacht, mit wem ich während des Fluges spielen könnte«, erläuterte er. »Die Mutanten kommen nicht in Betracht, sie können zu leicht betrügen. Kosum wird mit den Kontrollen beschäftigt sein, und mein Bruder mag nicht mit mir spielen. Also bin ich auf Sie gekommen. Spielen Sie gern?«

»Ich bin etwas überrascht«, gestand Saedelaere. »Aber warum sollten wir nicht ein Spielchen machen?«

Blazon drohte ihm mit einem Finger. »Ich warne Sie, Alaska. Ich bin ein guter Spieler. Ich gewinne fast immer.«

Saedelaere lehnte sich zurück und blickte den anderen abwartend an. »Ich werde ein guter Verlierer sein.«

Der Roboter hatte den Behälter mit einer Greifhand hochgehoben und hielt ihn vor Corellos Gesicht. Die Händchen des Mutanten bewegten sich vorsichtig.

Blazon Beta sah bewundernd zu, mit welcher Geschicklichkeit Corello arbeitete.

»Sie müssen dieses Material behandeln, als wäre es etwas Lebendiges«, sagte der Mutant leise. »Denn im gewissen Sinn ist es das auch.«

Blazon Beta sah ihn skeptisch an.

»Sie halten meine Äußerung für übertrieben?«, fragte Corello. »Die Energie dieses Sextagoniums kann von uns zwar bis zu einem gewissen Grade manipuliert werden, aber kontrollieren können wir sie nicht. Diese Energie ist genauso geheimnisvoll wie die Energie des Lebens.«

»Das ist mir zu mystisch«, sagte Blazon Beta.

Corello unterbrach seine Arbeit und blickte sich um.

»Ich vermisse Ihren Bruder«, stellte er fest. »Warum ist er nicht hier, um uns zu helfen?«

»Er und Saedelaere machen ein Spiel.« Blazon Beta lächelte entschuldigend. »Wenn wir ihn wirklich brauchen sollten, wird er sofort hier sein.«

»Und woher will er wissen, wann wir ihn brauchen?«

»Er wird es fühlen«, sagte der kleine Plophoser.

»Fühlen?«, fragte Corello irritiert.

»Wir fühlen beide, wenn einer den anderen braucht«, erklärte der Sextadimphysiker. »Das hat nichts mit parapsychischen Kräften zu tun. Es muss mit irgendeinem anderen Phänomen zusammenhängen.«

Der Roboter gab Corello den zweiten Behälter.

»Wir werden jetzt sechshundert Gramm abfüllen«, sagte der Mutant. »Zusammen mit dem Gewicht des Behälters wird unsere kleine Bombe siebenhundertfünfzig Gramm wiegen. Mehr kann ich nicht bewältigen.«

Er schob beide Behälter in den strahlensicheren Arbeitstank und verschloss die Tür.

»Jetzt sind Sie an der Reihe, Blazon Beta.«

Der Wissenschaftler nickte. Er ergriff das Steuergerät. Der kleine Roboter im Arbeitstank begann sich zu bewegen. Durch die Panzerplastscheibe konnten die beiden Männer genau beobachten, was innerhalb des Tanks geschah. Der Roboter, der wie eine große Heuschrecke aussah, öffnete beide Behälter. Er füllte die vorgeschriebene Menge um. Das Sextagonium sah wie zäher Schleim aus. Die sechshundert Gramm, die abgefüllt wurden, bildeten sofort einen Klumpen, der ebenfalls zu pulsieren begann.

»Sehen Sie!«, forderte Corello den anderen auf. »Es ist völlig gleichgültig, welche Menge man abspaltet. Jedes Teilchen Sextagonium besitzt ein Eigenleben.«

Sie sahen zu, wie der Roboter die Behälter wieder schloss. Corello überprüfte ihre Strahlensicherheit.

»Wie alle Energie ist Sextagonium für gute und böse Zwecke zu verwenden«, sagte er. »Es kann nutzbringend und zerstörerisch angewandt werden.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Auf die Polarisation aller Dinge«, antwortete Corello. Er gab keine weitere Erklärung ab, sondern öffnete den Arbeitstank und nahm den kleineren Behälter heraus.

»Ich habe mir diese Arbeit schwieriger vorgestellt«, gab Blazon Beta zu. »Auf Last Hope ergriffen wir zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen, bevor wir Sextagonium teilten.«

»Es kommt auf die Verhältnisse an«, gab Corello zurück. »Auf das Verständnis zwischen Ihnen und dieser Energie.«

»Das halte ich für übertrieben«, sagte Blazon Beta offen.

Das Gesicht des Supermutanten verzog sich. Blazon Beta begriff, dass Corello lächelte.

»Alles, was existiert, entstand aus einem Uratom«, sagte Corello. »Sie und ich ebenso wie dieses Sextagonium. Wenn es uns auch noch so fremdartig vorkommt, ist es doch ein Teil von uns. Wir sind gemeinsamen Ursprungs.«

Der Sextadimphysiker antwortete nicht. Corello schien von seinen Theorien überzeugt zu sein. Blazon Beta wusste, dass der Mutant sehr sensibel war. Doch der Sextadimphysiker hielt nichts von der Mystifizierung physikalischer Ereignisse. Alles konnte mit Formeln erklärt werden. Dinge, die noch nicht bekannt waren, würden sich später mit Formeln erklären lassen.

Das gesamte Universum war eine mathematische Gleichung. Alles passte zusammen.

»Sie sagen, dass es zwischen Ihnen und Ihrem Bruder eine geheimnisvolle Verbindung gibt«, fuhr Corello fort. »Warum glauben Sie mir nicht, dass ich fühlen kann, was mit diesem Sextagonium los ist? Ich würde sofort merken, wenn es in eine kritische Phase träte.«

»Sie sind parapsychisch begabt.«

»Ich glaube, dass jeder Mensch latente Psi-Kräfte besitzt«, meinte Corello. »Sie werden nur bei wenigen vollkommen frei.«

Sein Tragroboter hakte den kleinen Behälter an seinem Körper fest.

»Das wäre alles«, sagte Corello. »Wir können uns jetzt um die anderen Vorbereitungen kümmern.«

Blazon Alpha legte den letzten Soli auf den Tisch. Auf der anderen Seite, vor Saedelaeres Platz, lag ein ansehnliches Geldhäufchen.

»Sind Sie mit dem Teufel im Bunde?«, erkundigte sich Blazon Alpha. »Sie haben mir in einer halben Stunde achtzehn Solar abgenommen.«

Saedelaere ergriff seine Karten.

»Ich beginne zu verstehen«, fuhr Blazon Alpha fort. »Ich muss das Gesicht des Menschen sehen, mit dem ich spiele. Ich bin darauf trainiert, kleinste Reaktionen zu erkennen: das Zucken eines Muskels, das sanfte Beben der Lippen, die Veränderung der Pupillengröße.«

»Soll ich meine Maske abnehmen?«, fragte Alaska.

Blazon Alpha schüttelte den Kopf und warf die Karten auf den Tisch.

»Ich gebe mich geschlagen.«

Der Transmittergeschädigte zog den letzten Soli seines Gegenspielers zu sich heran und stapelte die Geldstücke aufeinander.

»Ich frage mich nur, gegen wen an Bord der GEVARI ich überhaupt eine Chance haben werde«, überlegte Blazon Alpha.

»Was halten Sie davon, nicht zu spielen?«

»Nicht spielen?« Blazon Alpha schüttelte den Kopf. »Spielen gehört zu meinem Leben. Ich kann ohne Spiel nicht auskommen.«

2.

Die GEVARI löste sich von der Außenfläche der INTERSOLAR und glitt davon.

In den letzten Stunden hatte sich Mentro Kosum mit der Steuerung des diskusförmigen Schiffes vertraut gemacht. Der Emotionaut war von der GEVARI begeistert. Die verbesserte SERT-Haube ließ einen noch engeren Kontakt zum Schiff zu als die bekannten Modelle. Gedankenschnell wurden Impulse ausgetauscht und ausgewertet.

Perry Rhodan und Atlan standen in der Zentrale der INTERSOLAR vor dem Panoramabildschirm und beobachteten, wie sich das kleinere Schiff langsam entfernte. Auch die GOOD HOPE II hielt sich in der Nähe auf. Die beiden Schiffe waren einsatzbereit. Rhodan rechnete damit, dass die GEVARI angegriffen werden konnte, noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatte.

An Bord der INTERSOLAR und der GOOD HOPE II war man darauf vorbereitet, sofort einzugreifen, wenn die GEVARI in Gefahr geraten sollte. Solange sich die Besatzungsmitglieder der GEVARI noch außerhalb des Schwarms befanden, konnten sie auch durch den Transmitter des Diskusschiffs fliehen.

»Glaubst du, dass sie es schaffen?«, fragte der Terraner seinen arkonidischen Freund.

»Ich mache mir Sorgen«, gestand Atlan. »Es gibt viele Unsicherheiten. Schon während des Durchbruchsversuchs kann es zu einer Katastrophe kommen. Aber auch wenn die GEVARI in den Schwarm eindringen sollte, ist sie ständig in Gefahr. Objektiv gesehen sind die Aussichten der acht Besatzungsmitglieder nicht sehr gut.«

»Hätten wir diesen Einsatz denn nicht riskieren sollen?«

»Das habe ich mich ebenfalls bereits gefragt«, entgegnete Atlan. »Alle Informationen, die wir besitzen, deuten darauf hin, dass die Teilung aller Gelben Eroberer, die sich innerhalb des Schwarms aufhalten, unmittelbar bevorsteht. Wenn es dazu auf den Planeten unserer Galaxis kommen sollte, sind alle Zivilisationen bedroht. Die Völker würden Jahrtausende brauchen, um sich von einem solchen Schlag zu erholen. Ein altes terranisches Sprichwort sagt, dass ein Ertrinkender nach einem Strohhalm greift, um sich zu retten. Das trifft genau auf unsere Situation zu. Wir sind verzweifelt genug, dass wir alles versuchen müssen. Die GEVARI ist unser Strohhalm, nicht mehr und nicht weniger. Wir glauben nicht, dass dieses Schiff und seine Besatzung eine Wende herbeiführen können, aber wir hoffen es.«

Rhodan war derselben Auffassung. Sie befanden sich tatsächlich in einer verzweifelten Lage.

Wenn er an die räumlichen Ausmaße des Schwarms dachte, erschien es ihm unmöglich, dass ein so kleines Schiff wie die GEVARI in diesem Gebiet etwas erreichen konnte. Wieder blieb ihnen nur die Hoffnung, dass ihnen der Zufall zu Hilfe kam.

»Wir arbeiten zu langsam«, fuhr Atlan fort. »Das ist nicht anders möglich, denn die meisten Menschen haben genügend mit der Erhaltung ihrer Existenz zu tun. Die Folgen der Verdummung sind, dass wir keine wirksamen Gegenmaßnahmen treffen können.«

»Vielleicht kann Waringers Team auf der Hundertsonnenwelt ein Gerät entwickeln, das die Verdummung aller Intelligenzen endgültig aufhebt.«

»Wiederum nur eine Hoffnung«, meinte Atlan. »Wir müssen uns an das halten, was uns jetzt zur Verfügung steht.«

Rhodan richtete seine Blicke wieder auf den Bildschirm. Die GEVARI war nur noch ein kleiner Lichtpunkt auf der Mattscheibe. Der Funkverkehr funktionierte jedoch reibungslos. In der Nähe des Schwarms blieb alles ruhig. Wenn irgendwelche Intelligenzen die GEVARI beobachteten, hielten sie sie für harmlos.

Das würde sich ändern.

Sechshundert Gramm Sextagonium würden vor dem Schmiegeschirm explodieren und den Herrschern des Schwarms klarmachen, dass die Immunen der Galaxis zum Gegenschlag ausholten.

Von Kosums Gesicht war nur die Kinnpartie zu sehen. Die neue SERT-Haube war größer und schwerer als alle vorangegangenen Modelle. Eine breite Öffnung in Augenhöhe, zusätzlich mit Objektiven ausgerüstet, ermöglichte dem Emotionauten das Sehen. Aus dem Kopfende der Haube führten zahlreiche Anschlüsse zu den Kontrollen und zur Positronik.

Saedelaere, der neben Kosum saß, spürte, dass der Emotionaut bereits eine enge Verbundenheit mit dem Diskusschiff erreicht hatte. Alle Manöver der GEVARI liefen schnell und fehlerfrei ab.

Der Transmittergeschädigte schaute in die Zentrale. Er sah Corello im »Sattel« des Tragroboters sitzen. Der Supermutant hatte beide Augen geschlossen. Er machte einen konzentrierten Eindruck. Balton Wyt und Gucky unterhielten sich leise. Die beiden Sextadimphysiker studierten Zahlentabellen. Merkosh schien zu schlafen, aber Saedelaere wusste, dass dieser Eindruck täuschte.

»Wir haben direkten Kurs auf den Schwarm«, klang Kosums Stimme auf. »Wie abgesprochen werden wir fünfunddreißig Kilometer vor dem Schmiegeschirm auf Parallelkurs gehen. Diesen Kurs werden wir so lange beibehalten, bis Corello seine Arbeit beendet hat. Danach werden wir entscheiden, ob wir in den Schwarm einzudringen versuchen.«

Der Sextagoniumsprengkörper hing an einem Arm von Corellos Tragroboter. Es war ein zylindrischer, von antimagnetischem Kunststoff umgebener Behälter.

Blazon Alpha blickte auf. »Mein Bruder und ich haben noch einmal alles durchgesprochen. Die Reaktionen des Schmiegeschirms sind nicht vorherzusehen. Wir wissen auch nicht, wie das Raum-Zeit-Kontinuum reagieren wird.«

»Glauben Sie, dass es zu heftigen physikalischen Reaktionen kommen wird?«, fragte Saedelaere.

»Wir haben Perry Rhodan bereits davor gewarnt«, entgegnete Blazon Alpha. »Das Unternehmen ist in jedem Fall ein Risiko. Es kann innerhalb dieses Raumsektors zu einem Energieschock mit verheerenden Folgen kommen. Die Sicherheit dieses Schiffes wäre dann ebenso gefährdet wie die der GOOD HOPE II und der INTERSOLAR. Natürlich würden auch alle in diesem Gebiet gelegenen Sonnensysteme davon betroffen werden.«

»Wie gefällt dir das, Alaska?«, fragte Gucky. »Bekommst du jetzt kalte Füße?«

Saedelaere reagierte nicht auf den Einwurf des Mausbibers.

»Wir wussten von diesen Gefahren schon vor unserem Start«, erklärte er. »Vielleicht werden wir uns ihrer nur so deutlich bewusst, weil das entscheidende Manöver unmittelbar bevorsteht.«

Corello schlug die Augen auf. »Ich bin bereit«, sagte er.

Blazon Alpha rieb sich nervös die Hände. »Jetzt könnte ich zur Ablenkung ein Spielchen brauchen.«

Wenige Augenblicke später ließ Corello sich die Spezialbombe in die Hände legen. Er hielt sie vor sich. Wie versteinert kauerte er im Tragesitz des Roboters.

Die GEVARI wurde langsamer.

Saedelaere richtete einen Funkspruch an die INTERSOLAR und gab bekannt, dass das Ziel fast erreicht war.

»Alles bleibt ruhig«, lautete Rhodans Antwort. »Unsere Ortungsgeräte zeigen keine Reaktionen, die auf eine ungewöhnliche Entwicklung innerhalb des Schwarms schließen lassen.«

Saedelaere lachte auf. »Wer sollte sich auch um die GEVARI kümmern?«

Er beobachtete aus den Augenwinkeln, dass Kosum ruckartig den Kopf bewegte.

»Vorläufiges Ziel erreicht!« Die Stimme des Emotionauten klang dumpf unter der Haube hervor. »Ich gehe jetzt auf Parallelkurs.«

Saedelaere fühlte, dass es auf seiner Haut zu kribbeln begann. Die Spannung, die ihn überkam, ließ seine Stimme fast schrill erscheinen, als er fragte: »Sind Sie bereit, Ribald Corello?«

»Ja!«

Auf dem Bildschirm war der schillernde Kristallschirm zu sehen. Er bedeckte das gesamte Blickfeld. Die GEVARI hatte ihre Geschwindigkeit der des Schwarms angepasst. Das bedeutete, dass Corello die Sextagoniumladung vor einem relativ unbeweglichen Ziel zur Explosion bringen konnte.

An der Positronik flammten einige Kontrolllichter auf. Kosum trat über die SERT-Haube mit dem Bordrechner in Verbindung. Sobald die Explosion erfolgt war, sollte das Diskusschiff auf eine eventuell entstehende Strukturlücke zurasen.

Das ist die Theorie!, dachte Saedelaere. Was in Wirklichkeit geschehen würde, konnte niemand voraussagen.

In der Zentrale der GEVARI trat Stille ein. Alle blickten wie gebannt zu Corello, von dem es nun abhing, wann der Angriff gegen den Schmiegeschirm erfolgen würde.

Saedelaere bekam einen trockenen Hals. Er war froh, dass sich jetzt niemand von Bord der INTERSOLAR über Funk meldete.

Kosum saß leicht nach vorn gebeugt in seinem Sessel und wartete.

Noch lag die Bombe in Corellos Händen. Die Ärmchen des Mutanten zitterten. Corello besaß kaum die Kraft, siebenhundertfünfzig Gramm festzuhalten.

Gucky war als einziger nicht auf seinem Platz. Er watschelte zwischen Balton Wyt und den Blazon-Brüdern hin und her. Merkosh schien noch immer zu schlafen. Der Gläserne hatte die Lehne seines Sitzes nach hinten sinken lassen und die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

Saedelaere blickte auf die Uhr. Seit zwei Minuten befanden sie sich auf Parallelkurs.

In diesem Augenblick meldete sich Rhodan von der INTERSOLAR.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Keine Schwierigkeiten, Sir!« Der hagere Mann sprach leise, um Corello nicht zu stören. »Corello lässt sich Zeit.«

Rhodan schien nicht überzeugt zu sein. »Vielleicht ist er zu schwach.«

Besorgt musterte Saedelaere den Telepsimaten.

»Wir werden Sie jetzt nicht stören«, erklärte Rhodan. »Rufen Sie uns, wenn etwas nicht nach Plan verlaufen sollte.«

Saedelaere war sicher, dass Corello mitgehört hatte, aber er wandte sich nicht an den Mutanten. Corello musste selbst wissen, ob er das Experiment abbrechen wollte. Wieso zögerte er noch?

Die Sensibilität des Mutanten war bekannt. Jede seelische Krise konnte die parapsychischen Fähigkeiten Corellos beeinflussen. Siebenhundertfünfzig Gramm waren das höchste Gewicht, das Corello nach der Art eines Fiktivtransmitters durch den Hyperraum auf ein bestimmtes Ziel schleudern konnte. Vielleicht mussten sie umkehren und einen leichteren Behälter für Corello konstruieren. Je schwächer die Bombe jedoch war, desto weniger bestand Aussicht auf Erfolg.

Während Saedelaere noch darüber nachdachte, wurde die Bombe in Corellos Händen unsichtbar.

Saedelaeres Hände krallten sich um die Lehnen seines Sessels. Unmittelbar nach der Auflösung des Spezialbehälters war ein leichter Hyperschock durch die GEVARI gelaufen. Bevor der Transmittergeschädigte sich davon erholt hatte, brach in einer Entfernung von fünfunddreißig Kilometern eine energetische Hölle los.

Das instabil gewordene Sextagonium gab schlagartig die in ihm geballten psionischen Energien frei.

Mit aufgerissenen Augen erkannte Saedelaere, wie ein gewaltiges, mindestens einen Lichtmonat durchmessendes Loch in den Schmiegeschirm gerissen wurde. Ungeheure Energiefluten sprengten das normale Raum-Zeit-Kontinuum und suchten sich einen Weg in den Hyperraum. Die Farbenpracht des Schauspiels konnte Saedelaere nicht über die Gefährlichkeit dieser Entwicklung hinwegtäuschen.

»Corello!«, schrie er. »Es entsteht eine Energieverbindung über den Hyperraum in die Dakkarzone.«

»Davor hatte ich gewarnt«, gab der Mutant zurück. »Passen Sie auf, die GEVARI wird in einen energetischen Sog geraten.«

Saedelaere fuhr herum. Obwohl die Bildschirme völlig blendfrei waren, tat die Helligkeit seinen Augen weh. Er konnte nur den oberen Rand der durch die Sextagoniumexplosion entstandenen Öffnung sehen. Der Hintergrund des Schwarminnern wirkte dagegen dunkel, obwohl er normalerweise ebenfalls Licht abgab. Die Ränder des Loches sahen wie brennende Gummiwülste aus, die nach außen hin rötlich leuchteten.

»Ich bekomme das Schiff nicht unter Kontrolle!«, rief Kosum. »Die SERT-Haube funktioniert nicht mehr.«

Unwillkürlich griff Saedelaere zum Mikrophon der Funkanlage, ließ es jedoch sofort wieder sinken. Solange sich solch gewaltige Energien austobten, war an eine Funkverständigung mit der INTERSOLAR oder der GOOD HOPE II nicht zu denken.

Auf dem zweiten Bildschirm sah er jene Stelle über der Öffnung, wo der Einsteinraum sich geöffnet hatte. Ein schlauchförmiger Wurm aus reiner Energie reichte bis in den Dakkarraum.

Saedelaere schluckte nervös. Noch fand der Energieabfluss in einer Richtung statt. Nach allen bekannten hyperphysikalischen Gesetzen würde das jedoch nicht so bleiben. Die Natur musste einen Ausgleich suchen und finden, wenn nicht sämtliche Systeme instabil werden und in sich zusammenbrechen sollten.

Eine unmittelbare Bedrohung der GEVARI bestand im Augenblick nicht. Der HÜ-Schirm des Schiffes absorbierte die Abstrahlenergie der gewaltsam geschaffenen Öffnung im Schmiegeschirm. Die gefährlicheren Energien flossen in den Dakkarraum ab.

Saedelaere sah, wie Energie aus den umliegenden Gebieten des Kristallschirms nachströmte, die einmal entstandene Lücke jedoch nicht schließen konnte. Dadurch erhielt der Schlauch immer neue Nahrung. Zusätzliche Energie staute sich in den Randgebieten des Loches.

Alles geschah innerhalb weniger Sekunden.

Saedelaere fühlte sich wie gelähmt. Er wusste, dass sie diese Ereignisse nicht kontrollieren konnten. Alles, was ihnen übrigblieb, war, auf die Weiterentwicklung zu warten.

Saedelaere hörte Blazon Alpha aufstöhnen. Offenbar war der Sextadimphysiker zu einer Erkenntnis gelangt, die für die Besatzung der GEVARI alles andere als angenehm war.

»Was geschieht jetzt?«, rief Alaska. Die Stille innerhalb der Zentrale erschien ihm unerträglich.

»Es wird zu einem energetischen Rückschlag kommen!«, prophezeite Blazon Alpha. »Niemand von uns rechnete damit, dass so viel Energie abfließen würde. Das lassen sich weder der Hyper- noch der Dakkarraum gefallen. Beide übergelagerten Medien werden sich auf ihre Weise sichern.«

»Und was heißt das?«, fragte Balton Wyt.

»Es werden energetische Kräfte in unser Kontinuum einfließen, die sich erst stabilisieren müssen«, erklärte Blazon Beta.

»Also fremdartige Energie?«, fragte Saedelaere.

Der Sextadimphysiker nickte bestätigend. »Es wäre besser für uns und das Schiff, wenn wir von hier verschwinden würden.«

»Dazu ist es jetzt zu spät«, meldete Mentro Kosum. »Die Kontrollen sprechen nicht an.«

Bevor jemand noch etwas sagen konnte, trat der von den Wissenschaftlern angekündigte Effekt ein. Der Schlauch im Weltraum, durch den Energie in höhere Dimensionen abgeströmt war, blähte sich auf. Überschlagblitze gewaltigen Ausmaßes entstanden. Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, dann war innerhalb des Energieschlauchs eine zweite Strömung entstanden. Energie floss aus dem Dakkarraum in das Einsteinuniversum.

Sie mündete in der Öffnung, die durch die Sextagoniumexplosion entstanden war.

Saedelaere schluckte. Er sah, wie sich die Ränder des Loches erneut veränderten. Dort prallten die verschiedenartigen Energien aufeinander.

»Der Sog!«, schrie Corello. »Passen Sie auf, dass wir nicht in den Sog geraten, sonst werden wir in den Schlauch gerissen und in den Dakkarraum abgestrahlt.«

Mentro Kosum fluchte unbeherrscht und riss sich die SERT-Haube vom Kopf. Seine Hände tasteten nach den Kontrollschaltern der manuellen Steuerung.

Auch dieser letzte Versuch zur Rettung des Schiffes brachte nicht den gewünschten Erfolg. Das Diskusschiff wurde von fremdartigen Energien eingehüllt und mitgerissen.

Saedelaere wollte aufspringen, aber er kam auch nicht mehr zu dieser mehr oder weniger instinktiven Abwehrreaktion.

Ein heftiger Entmaterialisierungsschmerz zwang ihn in den Sessel. Während er nach Atem rang, wurde er sich der Tatsache bewusst, dass das gesamte Schiff in den Hyperraum gerissen worden war.

Das Beben des Schiffes schien in diesem Augenblick die einzige Verbindung zur Realität zu sein. Die Außenwände der GEVARI waren durchsichtig geworden. Die Bildschirme schienen ausgeglüht zu sein, sie ähnelten schwarzen Höhlenöffnungen. Saedelaere hatte das Gefühl, dass sein eigener Körper aufgebläht war. Er drehte den Kopf, wobei die Umwelt um ihn zu kreisen schien. Die anderen Besatzungsmitglieder hingen in ihren Sitzen. Ihre Bewegungen wirkten zeitlupenhaft, ihre Körper schienen schwerelos zu sein.

Saedelaere wollte sprechen, doch es gelang ihm nicht. Hinter den durchsichtig gewordenen Außenwänden des Schiffes tauchten große unförmige Schatten auf. Sie trugen glühende Kugeln mit sich. Noch weiter draußen bewegten sich andere Dinge: geheimnisvolle Leuchterscheinungen und wallende Nebel.

Alles sah unwirklich aus. Auch der Boden, den Saedelaeres Füße berührten, war durchsichtig.

Als der Transmittergeschädigte die Arme ausstreckte, stellte er fest, dass sein eigener Körper ebenfalls transparent zu werden begann. Erschrocken blickte Saedelaere zu den anderen hinüber und stellte fest, dass bei ihnen ein ähnlicher Effekt eintrat. Noch immer wurde das Schiff geschüttelt.

Alaska stellte fest, dass er weder einen Orientierungssinn noch einen Zeitbegriff besaß. Alles schien jetzt zu geschehen. Vergangenes und Zukünftiges waren ohne Bedeutung. Es fiel dem Mann mit der Maske auch schwer, räumliche Begriffe auf seine Umgebung anzuwenden. Nur gewaltsam gelang es ihm, den Schiffsboden als den unteren Bereich zu akzeptieren.

Wo sind wir?, dachte er. Sein zweiter klarer Gedanke war: Wie kommen wir wieder hier weg?

Er wandte den Kopf und blickte zu Kosum hinüber. Der Emotionaut sah wie ein gläserner Mensch aus. Er erwiderte Saedelaeres Blick und gab ihm ein Zeichen.

Offenbar konnte auch er nicht sprechen. Da die Handbewegung des Raumfahrers zeitlupenhaft wirkte, vermochte Alaska nicht zu erkennen, was der andere damit andeuten wollte.

Saedelaere begriff, dass sie sich nicht mehr im Einsteinuniversum befanden. Wie die Sextadimphysiker befürchtet hatten, war die GEVARI in ein fremdes Kontinuum gerissen worden. Die Frage war jetzt, ob die feindliche Umgebung das Schiff festhalten oder wieder ausstoßen würde. Das hing nicht zuletzt davon ab, ob der Energieschlauch zwischen den Dimensionen noch immer bestand. Wenn er inzwischen zusammengefallen war, gab es für die GEVARI keine Hoffnung mehr.

Auf den Bildschirmen der INTERSOLAR und der GOOD HOPE II war die Strukturlücke im Schmiegeschirm des Schwarms deutlich zu sehen. Rhodan und Atlan hatten aufgeregt zugesehen, wie die GEVARI in einen energetischen Sog geraten und dann plötzlich verschwunden war. Der Energieschock hatte auch die beiden großen Schiffe erreicht und durchgeschüttelt. Die Positronik hatte zuvor alle empfindlichen Geräte ausgeschaltet, so dass es nicht zu Schäden gekommen war. Inzwischen arbeiteten alle Geräte wieder. Noch immer strahlte die Öffnung im Kristallschirm Schockwellen ab. Sie waren jedoch zu schwach, um eines der Schiffe gefährden zu können.

»Ich bedaure, dass Abel nicht an Bord ist«, sagte Rhodan, ohne die Bildschirme aus den Augen zu lassen. »Er könnte uns bestimmt einen Rat geben. Vielleicht war es ein Fehler, beide Sextadimphysiker an Bord der GEVARI gehen zu lassen.«

Atlan schüttelte den Kopf. »Die Blazon-Brüder sind unzertrennlich. Einer allein ist nur die Hälfte wert.«

»Auf jeden Fall ist die GEVARI verschwunden«, sagte Rhodan. »Wir haben keinen Funkkontakt. Auch die Transmitterverbindung spricht nicht an.«

»Wir waren uns über das Risiko im klaren!«, warf Bully ein.

Rhodan sah seinen alten Freund an. »Ich will nicht daran glauben, dass der GEVARI-Besatzung etwas zugestoßen ist.«

»Wir dürfen die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen«, sagte Ras Tschubai ernst. »Auch ich hoffe noch immer auf ein Wiedersehen mit meinen Freunden, doch es scheint in weiter Ferne zu liegen.«

Rhodan wandte sich an Maddock Holm, einen der verantwortlichen Wissenschaftler der INTERSOLAR: »Wie beurteilen Sie die Situation?«

Der grauhaarige Gelehrte ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Es war offensichtlich, dass er sich über die Vorgänge unmittelbar vor dem Schwarm ebenfalls nicht im klaren war.

»Die Tatsache, dass die Öffnung noch immer besteht, beweist, dass die Verbindung zu übergeordneten Räumen noch nicht zusammengebrochen ist«, sagte er schließlich. »Wenn die GEVARI in den Hyper- oder gar in den Dakkarraum gerissen wurde, was nach unseren Messergebnissen nicht ausgeschlossen werden kann, besteht immer noch die Chance auf eine Rückkehr, zumal es für den Hyperraum charakteristisch ist, dass er keine Fremdkörper festhalten kann. Andererseits wissen wir zuwenig über den Dakkarraum, um etwas über dessen Reaktionen sagen zu können.«

»Die Öffnung im Schmiegeschirm besteht noch immer«, sagte Bully gedehnt.

»Ich weiß, worauf du hinauswillst.« Rhodan lächelte. »Aber wir werden weder mit der INTERSOLAR noch mit der GOOD HOPE II in den Schwarm eindringen. Wir wissen noch nicht, was mit der GEVARI geschehen ist, außerdem sind die beiden großen Schiffe zu wichtig, als dass wir sie für ein solches Manöver aufs Spiel setzen können.«

Bully verzog das Gesicht. Er war mit Rhodans Entscheidung nicht einverstanden.

»Vielleicht hat der Dicke recht«, meinte jetzt auch Atlan. »Wir haben den Schmiegeschirm aufgebrochen und nutzen die Chance nicht, die sich uns bietet.«

Doch Rhodan ließ sich nicht umstimmen. Keines der beiden großen Schiffe verließ seinen Ortungsplatz.

Eine halbe Stunde später wurde mit einem extrem scharf gebündelten Richtstrahl erneut versucht, Funkverbindung mit der GEVARI zu bekommen, doch auch das misslang.

Rhodans Gesichtsausdruck wurde immer düsterer. Er zog sich zu einem Platz an den Kontrollen zurück und schwieg. Niemand konnte ihm die Verantwortung für die acht Besatzungsmitglieder der GEVARI abnehmen.

»Dass wir keinen Funkkontakt zur GEVARI bekommen, muss nicht unbedingt das Ende des Schiffes bedeuten«, versuchte Atlan schließlich seinen Freund aufzumuntern.

»Nein«, gab Rhodan sarkastisch zurück. »Vielleicht ist die GEVARI nur im Dakkarraum hängengeblieben.«

»Es kann auch sein, dass sie sich bereits innerhalb des Schwarms befindet«, mischte sich Maddock Holm ein. »Der Sog hatte das Schiff auf die Öffnung im Schmiegeschirm zugerissen, bevor es endgültig entmaterialisierte. Möglich ist in einem solchen Fall alles. Es kann sogar sein, dass das Schiff an einer anderen Stelle des Universums materialisiert ist. Oder in einem anderen Universum.«

Die Diskussion an Bord der INTERSOLAR ging weiter. Rhodan beteiligte sich kaum daran. Er war in Gedanken bei den Besatzungsmitgliedern der GEVARI. Ihr Ende hätte einen unersetzlichen Verlust für die Menschheit bedeutet und den Gelben Eroberern den Weg in die Milchstraße endgültig frei gemacht.

Die GEVARI hing nach wie vor in diesem seltsamen Raum, in den sie ein energetischer Sog gerissen hatte.

Saedelaere war aufgestanden und bewegte sich quer durch die Zentrale. Er fühlte sich unsicher. Jede seiner Bewegungen wirkte übertrieben langsam. Er konnte noch immer nicht sprechen. Er bewegte sich wie durch zähen Schleim. Seine Blicke waren auf die beiden Sextadimphysiker gerichtet, die wie aufgequollene, durchsichtige Säcke in ihren Sitzen lagen. Alaska zwang sich, die seltsame Umgebung zu ignorieren. Er musste voraussetzen, dass nichts von dem, was seine Augen erblickten, Realität war.

Menschliche Augen waren nicht imstande, innerhalb des Hyperraums feste Konturen wahrzunehmen. Die Sinnesorgane eines Menschen waren für das normale Raum-Zeit-Kontinuum geschaffen. Innerhalb höherer Dimensionen war das menschliche Gehirn überfordert.

Ein schwacher Trost!, dachte Saedelaere.

Er blieb vor den Blazon-Brüdern stehen. Auf keinen Fall durfte er vergessen, dass er für sie ebenso unheimlich aussah wie sie für ihn. Aber es waren Wissenschaftler, die sich mit dem Ungewöhnlichen beschäftigten. Unter diesen Umständen durfte Saedelaere erwarten, dass sie auch in dieser Situation einen gewissen Abstand zu den Ereignissen bewahren konnten.

Saedelaere hob die Hand. Rein gefühlsmäßig dauerte dieser Vorgang über eine Minute, doch Saedelaere wusste, dass dies eine Täuschung sein konnte. Kein Mensch war in der Lage, den realen Zeitablauf innerhalb des Hyperraums zu bestimmen.

Die Wissenschaftler sahen ihn an. Blazon Beta hob ebenfalls die Hand.

Noch einmal versuchte Alaska zu sprechen, aber er brachte keinen Ton hervor. Er trat einen Schritt auf Blazon Beta zu und wollte ihn am Arm ergreifen. Seine Hand glitt durch das transparente Körpergewebe des Sextadimphysikers. Erschrocken zog er sie zurück.

Blazon Alpha erhob sich. Er ähnelte einem kleinen Ballon, der langsam in die Höhe schwebte.

Saedelaere deutete zu den Kontrollen.

Neben ihm tauchte Gucky auf. Der Mausbiber machte offenbar einen verzweifelten Versuch, seine parapsychischen Kräfte einzusetzen. Es gelang ihm nicht.

Langsam zog er sich zu den Kontrollen zurück. Der Ilt und Blazon Beta folgten ihm.

Sie sahen, dass Kosum sich mit den Kontrollen beschäftigte. Die Hände des Emotionauten glitten jedoch durch alle Schaltelemente hindurch. Kosum konnte nichts verändern. Als er versuchte, die SERT-Haube aufzusetzen, konnte er sie nicht festhalten.

Erst jetzt bemerkte Saedelaere, dass seine Füße, wann immer sie den Boden berührten, ein ganzes Stück darin zu versinken schienen.

Unter diesen Umständen hatten sie keine Chance, die GEVARI auf schaltmechanischem Weg zu beeinflussen.

Saedelaere überlegte, wie er mit den anderen in Verbindung treten konnte. Ein Schreibstift schied von Anfang an aus, denn seine Spitze würde das Papier durchdringen.

Licht!, dachte Alaska. Ich muss es mit Lichtimpulsen versuchen.

Er trat näher an die Kontrollen heran und deckte ein Lämpchen mit einer Hand ab. Das Licht strahlte durch seine transparente Hand.

Danach versuchte er, mit seinen Lippen bestimmte Worte zu formen, doch das ging so langsam, dass die anderen den Sinn nicht verstanden.

Alaska ließ sich in einen Sessel fallen. Er sank ein Stück in ihm ein, ohne Widerstand zu spüren. Alles schien schwerelos und durchsichtig zu sein.

Vor dem Schiff wallten leuchtende Nebel. Dahinter erkannte Saedelaere blasenförmige Gebilde verschiedenen Ausmaßes.

Waren es Galaxien – oder sogar Universen? Waren es Gebilde aus reiner Energie, Urstoff der Schöpfung?

Saedelaere schloss die Augen. Das Bild verschwand nicht. Der Transmittergeschädigte sah durch seine transparenten Augenlider.

Er blickte zu Mentro Kosum hinüber, der sich noch immer um die Schaltelemente bemühte. Die Erschütterungen, die das Schiff durchliefen, hatten nachgelassen. Saedelaere sah darin jedoch eher eine Gefahr als eine beruhigende Entwicklung. Wenn das Schiff sich überhaupt nicht mehr bewegen würde, konnte das die endgültige Gefangenschaft in einer übergeordneten Dimension bedeuten.

Wie lange konnte man in einem solchen Raum existieren? Wahrscheinlich erlag man dem Wahnsinn, bevor man starb.

Weit im Hintergrund glaubte Saedelaere ein bewegliches Gebilde zu sehen. Es hob sich durch seine Helligkeit von den Nebeln und Blasen ab.

Vielleicht war es die Öffnung zum Einsteinuniversum, unendlich weit entfernt.

Saedelaere wunderte sich darüber, dass sie noch atmen konnten. Oder brauchten sie überhaupt keinen Sauerstoff?

Der Mann mit der Maske ließ sich wieder aus dem Sitz gleiten und versuchte, die transparente Außenwand des Schiffes zu durchdringen. Es gelang ihm nicht. Obwohl er keinen Widerstand spüren konnte, kam sein Körper plötzlich zu Ruhe. Er gelangte nicht weiter nach draußen.

Also gab es auch hier feste Grenzen, Linien, die man nicht überschreiten konnte.

Blazon Beta, der Saedelaere nicht aus den Augen gelassen hatte, unternahm jetzt einen ähnlichen Versuch. Die anderen beobachteten ihn dabei.

Während der kleine Mann zum Teil in die Außenwand des Schiffes eintauchte, ohne jedoch unsichtbar zu werden, nahmen die Vibrationen, die den Schiffskörper durchliefen, wieder an Intensität zu.

Saedelaere winkte Blazon Beta zu. Die beiden Männer kehrten zu ihren Plätzen zurück.

Alaska wartete, was nun geschehen würde. Ihre Situation konnte sich kaum noch verschlimmern.

Die GEVARI vibrierte immer heftiger. Die Bilder, die Saedelaeres Augen aufnahmen, wurden immer undeutlicher. Die Konturen verschoben sich. Das Schiff schien auf eine der im Nichts schwebenden Blasen zuzusinken. Es war hilfloses Opfer unverständlicher Gewalten.

Plötzlich verschwand die geisterhafte Umgebung. Helles Licht flutete durch die Panzerplastkuppel und blendete Saedelaere.

Er hatte das Gefühl, dass die GEVARI sich mit ungeheuren Beschleunigungswerten auf irgend etwas zubewegte.

»Kosum!«, rief er mit sich überschlagender Stimme. »Kosum! Tun Sie etwas!«

Meine Stimme!, dachte er. Ich habe meine Stimme zurückgewonnen.

3.

»Eine Sonne!« Wie hingezaubert stand Gucky plötzlich neben Saedelaeres Sessel. Der Transmittergeschädigte begriff, dass der Mausbiber mit Erfolg einen kurzen Teleportersprung versucht hatte. »Eine Sonne mit vier Planeten.«

Verwirrt sah Saedelaere auf die Ortungsanlagen. Vor seinen Augen flimmerte es, aber er konnte die Werte ablesen.

»Wir sind wieder draußen!« Während er sprach, stülpte Mentro Kosum sich die SERT-Haube über den Kopf.

»Der Rückfluss der Energie hat uns mitgerissen!«, erklärte Blazon Alpha so gelassen, als kämen sie von einem ungefährlichen Rundflug zurück. »Zum Glück scheint die Öffnung im Kristallschirm nach wie vor zu existieren.«

Saedelaere richtete sich auf. Die Bilder waren noch zu verwirrend. Er blickte durch die Panzerplastkuppel nach draußen. Jetzt konnte er die riesige Öffnung im Schmiegeschirm sehen. Die GEVARI musste eine weite Strecke zurückgelegt haben, denn Saedelaere sah den Schirm jetzt aus einem völlig anderen Winkel.

Dann begann sein Herz schneller zu schlagen. Er begriff, was geschehen war. Der Energiesog hatte die GEVARI auf die Öffnung im Schmiegeschirm zugerissen, mit in den Hyperraum gezogen und dann innerhalb des Schwarms ausgestoßen.

Saedelaeres Hände wurden feucht. Sie hatten ihr Ziel erreicht.

Doch schon kam eine neue Alarmmeldung.

»Die rote Sonne!«, meldete Mentro Kosum. »Sie zieht das Schiff an.«

»Praspa!«, sagte Ribald Corello leise. Er hockte vornübergebeugt auf dem Tragesitz seines Roboters und beobachtete die Bildschirme. »Das ist Praspa.«

Saedelaere wusste, dass der Mutant früher einen eigenen Sprachschatz besessen hatte.

»Was bedeutet das?«, fragte er Corello.

»Die feindliche Rote«, übersetzte der Mutant. Seine dünnen Finger glitten über eine Schaltanlage vor seinem Spezialsitz. Auf diese Weise gab er Befehlsimpulse an seinen Roboter. Der Automat näherte sich den Kontrollen.

Auf den Bildschirmen tauchte die dritte Welt des geheimnisvollen Sonnensystems auf.

»Glauben Sie, dass es Zufall ist, dass wir ausgerechnet hier herausgekommen sind?«, fragte Balton Wyt die beiden Sextadimphysiker.

Keiner der beiden Brüder antwortete. Ebenso wie die anderen Besatzungsmitglieder beobachteten sie jetzt die Bildschirme, wo die Fernortung ein großes Bild des dritten Planeten aufzeichnete. Der etwa erdgroße Planet wurde von einem kugelförmigen Netz verschiedenartig gefärbter Energiebahnen umgeben.

Saedelaere hatte niemals zuvor etwas Derartiges gesehen. Es sah so aus, als hätte man den gesamten Planeten in Strahlbahnen eingehüllt.

»Der Planet ist in einen Kokon aus Energie gehüllt«, sagte Blazon Beta mit gedämpfter Stimme.

»Kokon wäre ein guter Name für den Planeten«, meinte Saedelaere.

»Die Energiebahnen sehen wie Schienen aus«, stellte Mentro Kosum fest. »Ich möchte nur wissen, wer dafür verantwortlich ist. Natürlichen Ursprungs können die Bahnen nicht sein.«

»Auf jeden Fall können wir sicher sein, dass wir von diesem System nach unserem Rücksturz aus dem Hyperraum angezogen wurden«, sagte Blazon Beta.

Saedelaere registrierte erleichtert, dass die Erschütterungen der GEVARI nachließen. Auch Kosum entspannte sich. Er bekam das diskusförmige Schiff mehr und mehr unter Kontrolle.

Die Gefahr, dass die GEVARI in die rote Sonne stürzen würde, war damit gebannt.

»Das Loch im Schmiegeschirm besteht noch immer«, sagte Merkosh. »Wir könnten jetzt umkehren.«

Saedelaere schüttelte den Kopf. Er beugte sich über die Kontrollen und versuchte, eine Funkverbindung zur INTERSOLAR herzustellen. Es misslang. Eine Wand aus Energie lag zwischen ihnen und den beiden großen Schiffen und verhinderte jede Kontaktaufnahme.

»Ich schätze, dass der Schmiegeschirm noch eine Stunde geöffnet bleiben wird«, meldete sich Corello zu Wort. »Erst dann wird sich die Lage stabilisieren.«

»Wir bleiben der Schienenwelt vorläufig fern«, entschied Saedelaere. »Es wäre zu riskant, sie schon jetzt anzufliegen. Erst wollen wir uns einmal orientieren. Es wird am besten sein, wenn wir auf einem der anderen Planeten landen.«

Kosum beugte sich vor. Er beobachtete die Bildschirme der Ortungszentrale. »Ich schlage den äußeren Planeten vor, Alaska. Sehen Sie ihn sich an.«

»Es scheint eine Wasserwelt zu sein«, stellte Balton Wyt fest.

Saedelaere sah den Telekineten an. »Ziemlich kalt vermutlich. Die Meere sind jedoch nicht gefroren.«

»Wir interessieren uns sehr für Kokon«, erklärte Blazon Beta. »Doch unter den gegebenen Umständen sehen wir ein, dass es besser ist, wenn wir uns zunächst einen sicheren Stützpunkt suchen.«

Saedelaere wandte sich an Gucky. »Spürst du irgendwelche Gedankenimpulse?«

Der Mausbiber entgegnete unsicher: »Ich spüre starke Mentalimpulse, bin jedoch nicht sicher, ob sie von irgendwelchen Individuen ausgestrahlt werden. Es gibt zahllose Störeffekte.«

Saedelaere war erleichtert darüber, dass nirgends Raumschiffe der Schwarmbewohner auftauchten. Damit hatte sich Atlans Vermutung bestätigt, dass die Wachflotte des Schwarms nur dort zugegen war, wo im Wege liegende Planeten bewusst übernommen werden sollten. Es würde auch für die Bewohner des Schwarms schwer sein, ein so kleines Objekt wie die GEVARI zu orten, zumal die Impulse des Schiffes noch von den Energien der Schmiegeschirmöffnung überlagert wurden.

Die Eindringlinge konnten relativ sicher sein, dass man sie noch nicht entdeckt hatte.

Alaska hatte keine Bedenken mehr, dass sie sich in aller Ruhe einen Stützpunkt aussuchen konnten. Damit hatten sie mehr erreicht, als er unter den gegebenen Umständen erwartet hatte. Jetzt kam es darauf an, den einmal errungenen Vorteil zu nutzen. Vor allem musste nach einer Möglichkeit gesucht werden, Verbindung zu den beiden großen Schiffen außerhalb des Schwarms aufzunehmen.

Die GEVARI entfernte sich jetzt wieder von der roten Sonne. Kosum hatte das Schiff völlig unter Kontrolle. Die Ortungsgeräte arbeiteten allerdings nach wie vor unzuverlässig. Sie mussten fremde und starke Energien anpeilen, die zum Teil vom Schienenplaneten und zum Teil vom Schmiegeschirm kamen.

Der Emotionaut steuerte die GEVARI auf die Wasserwelt zu. Kokon war nicht mehr zu sehen, aber die von ihm ausgehenden Impulse waren das beherrschende Element bei den Ortungsgeräten.

»Es gibt nur einen kleinen Kontinent mit mehreren vorgelagerten Inseln«, stellte Saedelaere fest, als sie näher an die Wasserwelt herankamen. »Keine Anzeichen für eine Zivilisation.«

»Trotzdem schlage ich vor, dass wir ins Meer tauchen«, sagte Balton Wyt. »Dort sind wir am sichersten.«

»Das ist auch mein Plan«, stimmte Saedelaere zu. »Mentro, Sie bringen das Schiff unter die Wasseroberfläche. Wir werden es an einer flachen Stelle auf Grund setzen.«

Der Emotionaut konzentrierte sich jetzt ganz auf die bevorstehenden Manöver.

»Keine lange Kreisbahn!«, befahl Alaska Saedelaere. »Das würde nur die Entdeckungsgefahr vergrößern. Je schneller wir unten sind, desto besser für uns.«