Perry Rhodan 87: Das Spiel des Laren (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 87: Das Spiel des Laren (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Ein Geisterschiff verbreitet Ende des Jahres 3580 Angst und Schrecken unter den Besatzern der Milchstraße. Was sie nicht wissen: Es handelt sich um ein Segment der SOL, Perry Rhodans Fernraumschiff, das nach einer jahrzehntelangen Odyssee in die Heimat zurückgekehrt ist. Julian Tifflor und Perry Rhodan, die beiden Unsterblichen, feiern ihr Wiedersehen. Doch die Freude ist von einem sich abzeichnenden Konflikt überschattet: Der Arkonide Atlan will sich weiter vor den übermächtigen Laren verstecken, in Ruhe seine Machtbasis aufbauen. Rhodan dagegen ist nicht bereit, dem Leiden der Milchstraßenvölker länger tatenlos zuzusehen. Er will sofort losschlagen ...

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Nr. 87

Das Spiel des Laren

Ein Geisterschiff verbreitet Ende des Jahres 3580 Angst und Schrecken unter den Besatzern der Milchstraße. Was sie nicht wissen: Es handelt sich um ein Segment der SOL, Perry Rhodans Fernraumschiff, das nach einer jahrzehntelangen Odyssee in die Heimat zurückgekehrt ist. Julian Tifflor und Perry Rhodan, die beiden Unsterblichen, feiern ihr Wiedersehen. Doch die Freude ist von einem sich abzeichnenden Konflikt überschattet: Der Arkonide Atlan will sich weiter vor den übermächtigen Laren verstecken, in Ruhe seine Machtbasis aufbauen. Rhodan dagegen ist nicht bereit, dem Leiden der Milchstraßenvölker länger tatenlos zuzusehen. Er will sofort losschlagen ...

Vorwort

Es ist wie eigentlich so oft im Leben. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Der unsterbliche Arkonide Atlan hat sich mit der verfolgten Menschheit in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen und agiert aus dem Verborgenen heraus. Er glaubt, dass die Zeit für ihn arbeitet und dass eine direkte Konfrontation mit den Invasoren der Milchstraße nur unabschätzbares Leid heraufbeschwören würde. Damit hat er zweifellos Recht. Kurzum: Atlan hat das Wohlergehen der ihm anvertrauten Menschen im Auge.

Ein anderer, der ebenfalls alles für den Fortbestand der Menschheit geben würde, der ihren Weg ins Weltall von Anfang an begleitet hat, ist Perry Rhodan. Auch er will keine kriegerische Auseinandersetzung, die millionenfachen Tod und verbrannte Welten hinterlassen würde. Nur ist er der Ansicht, dass die Zeit für die Laren arbeitet. Mit jedem Jahr, das sie ungehindert agieren können, wird ihre Position stärker. Und die Menschen werden sich eines Tages an den Zustand der Unterdrückung gewöhnt haben – weil sie die Freiheit nicht mehr kennen.

Konflikte dieser Art, lieber Leser, sind so alt wie die Geschichte der Menschheit. Die in diesem Buch enthaltenen PERRY RHODAN-Romane, die erstmals in den Jahren 1975 und 1976 veröffentlicht wurden, sind mit ihrer Thematik heute so aktuell wie damals.

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Rächer zwischen den Sternen (736) von Clark Darlton; Unternehmen NUG (737) von Ernst Vlcek; Das Spiel des Laren (738) von H. G. Ewers; Operation Doppelgänger (739) von H. G. Francis; Die Schaltmeister von Orcsy (740) von William Voltz; Die falsche MARCO POLO (741) von H. G. Ewers sowie Ein Freund der Posbis (750) und Testfall Sonnenbote (751) jeweils von H. G. Francis.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den nächsten Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68-69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische-Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. (HC 83)

3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84, 85)

Nur knapp entgeht die SOL der Vernichtung; die Entstehung des Konzils wird geklärt. (HC 86)

Prolog

Die Menschheit des 36. Jahrhunderts durchlebt die schwerste Krise ihrer ohnehin bewegten Geschichte. Seit die Laren, ein Volk des Konzils der Sieben Galaxien, in der Milchstraße herrschen, existiert das Solare Imperium nicht mehr. Dem Kampf ums Überleben müssen sich die Menschen seitdem in weit voneinander entfernten Regionen des Universums stellen.

Die Erde wurde in den Mahlstrom der Sterne versetzt, ein tückisches Gebiet, das nach der Kollision zweier Galaxien entstand.

Die SOL, das gewaltigste von Menschen je konstruierte Fernraumschiff, musste vor rund vier Jahrzehnten den Heimatplaneten verlassen und befindet sich seitdem auf der Suche nach der Milchstraße. Dass Perry Rhodan und seine Getreuen an Bord der SOL erneut mit dem Konzil der Sieben konfrontiert wurden und mächtige Freunde fanden, mag als glückliche Fügung angesehen werden.

Rückblende

Der junge Überschwere Maylpancer hatte sich schon auf seiner Heimatwelt Obskon durch Klugheit und taktische Zurückhaltung ausgezeichnet. Noch war er nicht der Erste Hetran der Milchstraße, aber er fügte sich der Herrschaft der Laren und ihren Forderungen. An diesem Tag hatte Hotrenor-Taak ihn ohne Angabe von Gründen zu sich befohlen.

Ein Beiboot brachte Maylpancer an Bord des SVE-Raumers, Lichtstunden vom nächsten Sonnensystem entfernt. Hotrenor-Taak war von Natur aus misstrauisch und vorsichtig.

»Ich habe mit Ihnen zu reden«, eröffnete der Verkünder der Hetosonen. »Weil ich mir von Ihnen nützliche Hinweise erhoffe. Sie kennen die Terraner, und es gibt gewisse Dinge, über die ich gern mehr wüsste.«

»Die Vorherrschaft der Terraner ist längst gebrochen, viele Völker werden die Befreiung durch das Konzil niemals vergessen. Ich sehe keinen Grund zur Besorgnis, Hotrenor-Taak.«

»Keine Besorgnis?« Der Lare wirkte nachdenklich. »Nur ein wenig Unsicherheit. Die Terraner sind nach wie vor unberechenbar, wenn auch die meisten von ihnen unter unserer Kontrolle leben. Aber dieser Atlan, der alle anderen um sich geschart hat, ist gefährlich. Er steht Perry Rhodan in nichts nach.«

Maylpancers Schweigen bedeutete absolute Zustimmung.

»Was halten Sie von diesem Vhrato, den die Terraner und andere Völker der Milchstraße den Sonnenboten nennen?«, wollte der Lare wissen.

Diesmal konnte der Überschwere seine Überraschung nicht verbergen. »Sehr viel ist mir nicht darüber bekannt.« Er wich einer direkten Antwort aus. »Es ist eine natürliche Erscheinung, dass Völker, die sich unterdrückt fühlen, vage Hoffnungen hervorbringen. Sie erfinden oft so genannte Erlöser, von denen sie sich die Befreiung erhoffen. Ich glaube, das ist auch bei Vhrato der Fall.«

»Sie halten den Namen für ein Phantom?«

»Was sonst? Niemand hat je diesen Vhrato gesehen oder seine Existenz beweisen können. In aussichtsloser Lage klammern sich selbst logisch denkende Intelligenzen an Hoffnungen, um ihren Sehnsüchten eine Gestalt zu geben. Der Vhrato wurde von Fanatikern erfunden – das scheint mir eine vernünftige Erklärung zu sein.«

»Sie glauben wirklich, er existiert nicht?«

»Davon bin ich überzeugt!«

Hotrenor-Taak versank in grüblerisches Schweigen. Maylpancer beobachtete sein Gegenüber aufmerksam. Seit wann, fragte er sich, geben sich die Laren mit Märchen ab? Waren sie sich ihrer Vormachtstellung doch nicht so sicher sein, wie es den Anschein hatte? Oder war etwas geschehen, was sich ihm, Maylpancer, noch entzog?

»Kein Gerücht entsteht ohne Grund«, stellte Hotrenor-Taak endlich fest. »Ich muss also mehr darüber erfahren!«

»Es wird keine Beweise geben, nur Lügen. Der Vhrato wurde erfunden, um die Entschlossenheit der Terraner wachzuhalten. Damit sie eines Tags losschlagen können.«

»Gegen das Konzil? Ausgeschlossen. Wir verkörpern nicht nur die Macht einer einzelnen Galaxis. Selbst ein Rhodan käme dagegen nicht an, wenn es ihn noch gäbe. Warum ist er mit seiner Heimatwelt geflohen und ließ die anderen Menschen im Stich? Weil er Angst vor uns hatte! Weil er zu schwach war, etwas gegen uns zu unternehmen! Und Atlan ist klug genug, das zu wissen. Sicher, er wird uns hie und da Schwierigkeiten bereiten, aber er wird niemals offen angreifen. Dafür ist er zu gerissen.«

»Selbst Kluge begehen Fehler«, erinnerte der Überschwere.

»Wir kommen vom Thema ab«, mahnte Hotrenor-Taak. »Sammeln Sie alle Gerüchte und liefern Sie mir ein klares Bild! Danach werde ich entscheiden. Kümmern Sie sich um den Vhrato – das ist ab sofort Ihre Aufgabe!«

Maylpancer dachte nach. Es gab in seinen Augen Probleme, die vordringlicher waren. Um sie ansprechen zu können, musste er sie mit dem Vhrato in Verbindung bringen. Allerdings ging er dabei ein Risiko ein. »Könnte mit dem Vhrato Perry Rhodan gemeint sein?«, fragte er abrupt.

Hotrenor-Taak starrte ihn an. Über die Züge des Laren glitt so etwas wie Verwunderung, dann lächelte er ungläubig. »Das wäre zu einfach«, antwortete er, wie um sich selbst zu beruhigen. »Rhodan ist seit weit mehr als hundert Jahren verschollen. Warum sollte er zurückkehren? Und wennschon, was hätte das mit dem Vhrato zu tun?«

»Nichts ... oder auch alles«, sagte Maylpancer entschieden. »Stellen Sie sich vor, Rhodan kehrte eines Tags zurück. Ein Aufstand aller Verbündeten Terras gegen das Konzil wäre die unvermeidliche Folge. Es käme zu einer Katastrophe.«

»Wir sind die Stärkeren!«

»Darum allein geht es nicht. Was nützt dem Konzil eine Milchstraße, deren Bevölkerung im Krieg versinkt? Es gäbe vielleicht eine bessere Lösung.« Die Frage »Und welche?« musste kommen, das wusste Maylpancer, und sie eröffnete ihm die Gelegenheit, sich weiter zu profilieren, seinen Mut und seine Klugheit unter Beweis zu stellen – und den Laren von diesem nicht existierenden Vhrato abzulenken.

»Und welche?« fragte Hotrenor-Taak.

»Wir alle wissen, was damals geschah«, dozierte der Überschwere. »Terra, der Heimatplanet der Terraner, verschwand aus der Milchstraße. Wahrscheinlich mit einem fehlgeleiteten Transmittersprung, denn wäre alles wie geplant verlaufen, wären längst schon Rhodans Kundschafter erschienen. Das ist nachweislich niemals der Fall gewesen. Falls Rhodan noch lebt, hat er keine Ahnung, wo er sich befindet. Er hätte seine Menschheit nicht im Stich gelassen, sondern sich um das Geschehen in der Milchstraße gekümmert.«

»Vielleicht hat er das auch«, vermutete der Lare.

»Davon wüssten wir! Er fand den Weg zurück noch nicht, und das lässt darauf schließen, dass die Rematerialisation sehr weit entfernt erfolgt sein muss. Für seine Rückkehr benötigt Rhodan jedenfalls ein gigantisches Fernraumschiff.«

»Angenommen, Sie haben Recht, Maylpancer. Was folgern Sie weiter?«

»Die lange Wartezeit auf Rhodans Rückkehr verrät eine unvorstellbare Entfernung, die nur mit besagtem Fernraumschiff überwunden werden kann. Wir wissen beide, dass die Treibstoffvorräte eines solchen Schiffs terranischer Bauweise nur unter besonders schwierigen Bedingungen ergänzt werden können. Meines Wissens gibt es in unserer Galaxis nicht mehr als drei dafür geeignete Welten.«

»Sie meinen die Depotplaneten?«

Maylpancer schaute den Laren verblüfft an. »Sie wissen davon?«, wunderte er sich. »Aber es stimmt: Die Depotplaneten besitzen als Einzige alle notwendigen Vorrichtungen für eine schnelle Treibstoffübernahme ...« Der Überschwere ergriff seine Chance mit beiden Händen. »Natürlich bin ich kein Spezialist für terranische Ferntriebwerke, aber mir ist bekannt, dass der aus einer extremen Komprimierung von Positronen bestehende Treibstoff nur auf diesen Depotplaneten aufgenommen werden kann. Die Masse, die an die Materiedichte Weißer Zwerge erinnert, wird durch Kraftfelder im Zentrum einer Zwölfmeterstahlkugel gehalten. Sie wissen, welche Schwierigkeiten es mit sich bringt, eine solche Treibstoffkugel zu verladen?«

»Wir kennen die entsprechenden Anlagen«, sagte Hotrenor-Taak.

Maylpancer nickte anerkennend. »Ich kann mir weitere Erklärungen also ersparen.«

»Haben Sie auch schon überlegt, wie wir die Depotplaneten in Fallen verwandeln können?« Jetzt war es der Lare, der die Initiative übernahm. »Rhodan wird mehr oder weniger rasch eine der Depotwelten anfliegen, um manövrierfähig zu bleiben. Er kann nicht sofort Kontakt zu Atlan aufnehmen, weil er dessen Aufenthalt so wenig kennt wie wir auch. Also muss er suchen, und dazu benötigt er sein Schiff. Dessen Treibstoffvorräte dürften jedoch mehr oder weniger erschöpft sein.«

Hotrenor-Taak konnte mit seiner Vermutung Recht haben. »Alle drei Welten müssen also streng überwacht werden«, stellte Maylpancer fest. »Es handelt sich um Olymp, den ehemaligen Handelsplaneten der Terraner. Außerdem um eine Welt im Wega-System und um Sormora im System Kennkant. Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Hotrenor-Taak. Geben Sie mir diese Aufgabe ...?«

»Das mit den Depotplaneten übernehme ich selbst«, unterbrach der Lare fast ungeduldig. »Kümmern Sie sich um diesen Vhrato, den es Ihrer Meinung nach nicht gibt. Sollte dennoch ein Zusammenhang mit Rhodan bestehen, können wir beide Angelegenheiten kombinieren.«

Maylpancer beobachtete den Laren, der abrupt aufsah und ihn mit seinem Blick durchbohrte.

»Ja, so dürfte es am besten sein«, sagte Hotrenor-Taak. »Ich werde dafür sorgen, dass zwei der in Frage kommenden Planeten in jeder Hinsicht präpariert werden.«

»Warum nur zwei?«

1.

Zwei Kugelraumer fielen am Rand des galaktischen Zentrums aus dem Linearraum zurück. An Bord der jeweils fünfhundert Meter durchmessenden Kugeln befanden sich viertausend Terraner, die eine neue Heimat suchten. Die meisten von ihnen hatten die Erde nie gesehen und waren auf Raumschiffen oder einem der Strafplaneten Leticrons geboren worden. Mit Atlan und der Neuen Menschheit hatten sie keinen Kontakt.

Glytha Vermeeren stammte noch von der Erde. Sie war 165 Jahre alt, eine robuste, vierschrötige Frau, die das Ende des Solaren Imperiums miterlebt hatte. Ihr Vater war Kommandant eines Handelsfrachters gewesen und hatte sie oft auf seinen Flügen mitgenommen. Weit vom Solsystem entfernt hatten sie damals die bestürzenden Neuigkeiten erfahren: Die Erde und mit ihr ein Großteil der Menschheit waren verschwunden.

Glythas Vater hatte den Schock nie überwinden können. Mit seinem Schiff und der Mannschaft hatte er sich in die Sternenarmen Regionen der Milchstraße zurückgezogen, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Unaufhaltsam hatten die Laren ihre Position ausgebaut, Strafplaneten für Rebellen eingerichtet und die Menschheit unterdrückt.

Nach dem Tod ihres Vaters hatte Glytha das Schiff und die Mannschaft übernommen und eine der unzähligen unbewohnten Welten am Rand des galaktischen Zentrums angeflogen. New Terra hatte sie diesen Planeten genannt. Jedoch waren für den Aufbau einer lebensfähigen Kolonie mehr als nur dreißig Raumfahrer notwendig. In einem wahren Kabinettstück hatten Glytha und ihre Männer kurz darauf nicht nur nahezu viertausend Menschen aus der Gewalt der larischen Hilfsvölker befreit, sondern zugleich die beiden Kugelraumer aus alten terranischen Beständen erbeutet.

Inzwischen verloren sich die Spuren ihrer Schiffe in der Unendlichkeit. Den altersschwachen Frachter hatte Glytha zurückgelassen, dennoch lächelte sie zufrieden. Ihr Blick streifte den ehemaligen Strafgefangenen Phelton Vaskoss. Er war erst sechzig Jahre alt und auf dem überfallenen Planeten aufgewachsen. Schon als Kind hatte er von Flucht geträumt und sein Leben nur auf dieses Ziel ausgerichtet. Vor Jahren hatte er die beiden Kugelraumer in einem verborgenen unterirdischen Hangar entdeckt und sie mit Hilfe einiger Freunde startbereit gemacht. Wie Glytha hatte auch er irgendwo ein neues und vor allem freies Leben beginnen wollen.

Das alles war vor Wochen geschehen.

»Unsere neue Heimat bietet einen schönen Anblick – fast wie damals die Erde«, schwärmte Glytha Vermeeren.

Vaskoss schaute sie schief an. »Du bist sentimental, Glytha. Du trauerst einer Welt nach, die es längst nicht mehr gibt.«

»Das wirst du nie begreifen ...« Sie seufzte. »Niemand wird es je begreifen, der die Erde nicht kennt. Sie ist die Heimat der Menschen – aller Menschen, Phelton! Und wir haben einen Planeten gefunden, der ihr ähnelt.«

»Hauptsache, wir sind frei«, brummte Vaskoss und betrachtete den Holoschirm. »Ziemlich viel Sterne, finde ich.«

»Umso besser für uns. Niemand wird uns hier aufspüren. Wir handeln schließlich gegen die Befehle des Konzils, und ob Atlan mit unserem eigenmächtigen Vorgehen einverstanden wäre, weiß ich nicht. Für mich sieht es so aus, als hätte er sich mit den Laren geeinigt, um in Ruhe gelassen zu werden. Aber man kann mit den Laren kein Bündnis schließen, ohne den Kürzeren zu ziehen.«

»Ganz deiner Meinung«, stimmte Vaskoss zu. »Übrigens kenne ich diesen Atlan auch nur vom Hörensagen. Wäre er wirklich ein Terraner wie Rhodan, hätte er längst den Versuch unternommen, uns zu befreien. Aber wahrscheinlich ist sogar Rhodan nur eine Sage.«

Glytha reagierte empört. »Red keinen Unsinn, Phelton! Ich kannte Perry Rhodan noch, als er Großadministrator des Solaren Imperiums war, ich habe ihn oft genug gesehen. Er wird eines Tags zurückkehren!«

»Er ist verschwunden und hat deine Erde mitgenommen, liebe Freundin.« Vaskoss schnaufte verächtlich. »Warum sollte er nun seine eigene Sicherheit aufgeben und zurückkommen? Er müsste verrückt sein.«

Glytha Vermeeren inspizierte die Kontrollanzeigen. Die letzte Linearetappe stand unmittelbar bevor. »In einer halben Stunde kann jeder New Terra mit eigenen Augen sehen – eine blaugrüne Kugel auf dem schwarzen Samtkissen des Universums, dessen Sterne wie silberne Tropfen ...«

»Bleib auf dem Teppich!«, unterbrach Vaskoss sie respektlos. »Ein Planet wie jeder andere, aber du machst einen Zauber daraus.«

Die Frau lächelte wissend.

Sie sahen New Terra dreißig Minuten später. Meere waren zu erkennen und von grüner Vegetation bedeckte Kontinente. Gebirgszüge unterteilten das Land.

Die gelbe Sonne besaß nur diesen einzigen Planeten, um den ein kleiner Mond kreiste.

Vaskoss nickte anerkennend. »Das sieht wirklich vielversprechend aus. Besser jedenfalls als der verdammte Strafplanet, auf dem ich geboren wurde.«

Beide Raumschiffe landeten in Meeresnähe, nur wenige Kilometer von einigen Hütten entfernt. Hier sollte nach Glythas Vorstellungen ihre Siedlung entstehen ...

... und nach einem halben Jahr gab es tatsächlich schon eine richtige kleine Stadt aus Holzhütten und Bauten aus vorgefertigten Elementen.

Bisher hatte niemand gefährliche Tiere auf New Terra entdeckt, obwohl Jagdtrupps oft tagelang unterwegs waren. Auf den Feldern ging die erste Saat auf. Im Kühlhaus der Stadt lagerten tiefgefrorene Vorräte, und ein kompaktes unterirdisches Kraftwerk lieferte die benötigte Energie.

Außerhalb der Siedlung gab es sogar eine leistungsstarke Empfangsstation für Hyperfunk. Niemand wollte den Kontakt zu den aktuellen Ereignissen verlieren. Mit Hilfe zwischengeschalteter Translatoren war es möglich, die Klartexte aller Völker zu verstehen.

Die Reichweite des Empfängers war naturgemäß begrenzt, aber Glytha Vermeeren war damit zufrieden, dass ihr im Umkreis von einigen hundert Lichtjahren nichts verborgen blieb. Sie musste damit rechnen, dass eines Tags eine Suchpatrouille der Laren oder ihrer Verbündeten, der Überschweren, in die Nähe New Terras geriet und die verbotene Siedlung entdeckte.

In mühevoller Arbeit waren die schweren Impulsgeschütze aus den Kugelraumern ausgebaut und in die nähere Umgebung der Siedlung gebracht worden. Wochenlang waren Arbeitsroboter damit beschäftigt gewesen, unterirdische Abwehrstellungen auszubauen.

Dann stieg die Zahl der aufgefangenen Hyperfunksendungen vorübergehend an. Phelton Vaskoss, der die Auswertung übernommen hatte, gab die Neuigkeiten sofort weiter: »Sieben Funksprüche von Schiffen Atlans, aus denen hervorgeht, dass eine neue Organisation gegründet wurde, natürlich gegen den Willen der Laren. Sie nennt sich GAVÖK, was so viel bedeutet wie Galaktische-Völkerwürde-Koalition. Daran sind nicht nur Terraner, sondern auch Blues, Arkoniden, Akonen, Springer und andere beteiligt. Scheint alles mit Schwierigkeiten verbunden zu sein, aber Atlan hat es wohl geschafft. Auch hat es Kämpfe mit Überschweren gegeben, die im Auftrag des Konzils die Gründungsversammlung sprengen wollten.« Vaskoss zeigte sich zufrieden. »Endlich geschieht etwas«, fügte er bedeutungsvoll hinzu.

Glytha Vermeeren nickte. »Sicher«, sagte sie schwer. »Aber damit erhöht sich die Gefahr einer verstärkten Patrouillentätigkeit des Konzils. Wir müssen mit unserer Entdeckung rechnen. Die Überschweren werden die Suche nach ihren entflohenen Gefangenen noch nicht aufgegeben haben.«

»Wohl kaum. Obwohl unsere Flucht nie erwähnt wurde. Andererseits ist in den aktuellen Nachrichten die Rede von einem Vhrato oder Sonnenboten. Dubiose Kreise sagen das Erscheinen eines Erlösers voraus. Es ist allerdings auch möglich, dass derartige Gerüchte nur ausgestreut werden, um die Moral zu stärken.«

»Vhrato ...«, wiederholte Glytha Vermeeren sinnend. »Den Begriff habe ich schon früher gehört.« Sie schaute Vaskoss fragend an. »Weiter nichts mehr? Gut, das war es dann für heute. – Oder hast du einen Verdacht, wer mit dem Vhrato gemeint sein könnte?«

Er wirkte erstaunt. »Vielleicht steckt Atlan dahinter. In seiner Situation muss ihm jedes Mittel recht sein.«

Glytha nickte zögernd. »Widme diesen Meldungen trotzdem besondere Aufmerksamkeit. Sie interessieren mich – und wahrscheinlich sehr viele von uns.«

So geschah es, dass der Mythos vom Sonnenboten – ob Glytha Vermeeren das nun wollte oder nicht – allmählich um sich griff. Insbesondere waren es ältere Menschen, die den Sonnenboten und sein Kommen mit dem Namen Perry Rhodan in Verbindung brachten.

Genau vier Wochen später erschien Phelton Vaskoss aufgeregt in einer Routineversammlung und warf mehrere Datenspeicher auf den Tisch. »Die Vhrato-Anhänger arbeiten immer raffinierter. Statt einer bloßen Sage gibt es nun schon Schatten.«

»Genauer!«, drängte einer der Älteren.

Vaskoss war sichtlich wütend. »Der neueste Bericht stammt von einem nicht näher bezeichneten Schiff der Galaktischen Koalition. Er wurde auf allen Frequenzen und unverschlüsselt ausgestrahlt, also eindeutig in der Absicht, möglichst viele Empfänger zu erreichen. Das kann nur Propaganda sein.«

»Oder auch nicht«, widersprach Glytha Vermeeren energisch. »Was ist mit der Aufzeichnung?«

Vaskoss aktivierte einen der Datenspeicher. Absolute Stille trat ein, als die Stimme aus den Tiefen des Weltalls erklang ...

»... Position ist drei Parsec südlich Violettsektor. Wir befinden uns auf einem der üblichen Routineflüge zur Absicherung. Vor sieben Stunden Standardzeit wurden wir von drei überlegenen Patrouillenschiffen der Überschweren zum Stoppen aufgefordert. Wir inspizierten einen Planeten und konnten nicht rechtzeitig in den Linearraum entkommen. Da unsere Positroniken umfangreiche Informationen enthalten, wäre es einer Katastrophe gleichgekommen, die Vasallen der Laren an Bord zu lassen.

Unser Fluchtversuch wurde von den Überschweren vereitelt. Sie eröffneten das Feuer. Schon ihre erste Salve ließ unsere Schutzschirme zusammenbrechen und beschädigte die Triebwerke. Obwohl wir das Feuer erwiderten, wurde offensichtlich, dass die Überschweren unser Schiff unbeschädigt aufbringen wollten. Sie schienen zu ahnen, dass wir wichtige Informationen besaßen. Deshalb entschied unser Kommandant, die Selbstvernichtungsanlage zu aktivieren.

In dem Augenblick erstrahlte der Panoramaschirm in grellweißem Licht, als explodiere das ganze Universum. Zuerst glaubten wir, es sei unser eigenes Schiff, das in dieser Sonnenglut verging, aber dann registrierten wir die glühenden Wracks der gegnerischen Schiffe.

Zurück blieb nur ein Schatten. Er hatte Kugelform und – wie die Massetaster registrierten – auch Materie, trotzdem kann er nur als Schatten bezeichnet werden. Sein Durchmesser betrug zweitausendfünfhundert Meter. Einige besonders helle Sterne schienen durch ihn hindurch.

Das Geisterschiff hatte uns gerettet und die Überschweren mit einem einzigen Energieschlag vernichtet. Vergeblich versuchten wir, Kontakt aufzunehmen. Noch während wir funkten, wurde der Schatten schwächer, bis er völlig verschwand, als hätte er sich aufgelöst oder sei in eine andere Dimension zurückgeglitten.

Die Selbstvernichtungsanlage wurde entschärft. Wir setzen unseren Aufklärungsauftrag fort und senden diesen Bericht in Klartext, zur Warnung für unsere Gegner, aber auch, um die Zuversicht unserer Verbündeten zu stärken. – Wir alle sind überzeugt, dem Vhrato begegnet zu sein!«

Glytha Vermeeren schwieg lange, ehe sie sagte: »Zweitausendfünfhundert Meter Durchmesser und Kugelform – das entspricht den Maßen der terranischen Ultraschlachtschiffe. Die Geschichte mit der schattenhaften Erscheinung kann natürlich ein Trick sein, aber wozu? Nur der Vhrato-Legende wegen?« Sie musterte Vaskoss durchdringend. »Propaganda, Phelton? Nein, das glaube ich nicht.«

»Es liegt ein zweiter Bericht vor«, entgegnete Vaskoss, der seine Meinung über den Vhrato geändert zu haben schien. »Er ist nicht so bedeutungsvoll wie der erste, vor allem stammt er aus einer anderen Quelle, nämlich von den Überschweren selbst. Eine Suchpatrouille stellte einen arkonidischen Schiffsverband der neu gegründeten Allianz. Zuerst gab es Verhandlungen, die sich natürlich totliefen, dann stellten die Überschweren ein Ultimatum und eröffneten nach dessen Ablauf das Feuer.« Phelton machte eine Pause, als wolle er die Spannung seiner Zuhörer steigern. Angespannt fuhr er fort: »Aus dem Bericht geht nicht hervor, was mit den Schiffen der Allianz geschah. Vielleicht konnten sie entkommen. Im Flaggschiff der Überschweren materialisierte jedenfalls ein Schatten mit menschlichen Umrissen. Er hielt eine Waffe in Händen und tötete den Kommandanten und mehrere seiner leitenden Offiziere. Dann verschwand er, bevor eine Gegenreaktion erfolgen konnte. Zur gleichen Sekunde tauchte dieser Schatten im nächsten Schiff der Überschweren auf, mit dem gleichen erschreckenden Ergebnis. Der Vorgang wiederholte sich in kaum messbaren Zeitabständen auf allen Einheiten der Laren-Verbündeten, die so ihrer Kommandanten beraubt wurden. Die Flotte suchte ihr Heil in der Flucht und setzte diese Meldung ab. Ist das noch Propaganda?« Vaskoss schüttelte den Kopf. »Zugegeben, zuerst hielt ich den Vhrato für eine Erfindung, aber inzwischen frage ich mich, warum ausgerechnet die Überschweren solche Geschichten erfinden sollten.«

»Ich bin froh, dass du das endlich einsiehst«, sagte Glytha Vermeeren. »Natürlich begreife ich nicht, warum der Vhrato als Schatten agiert, aber er wird seine Gründe dafür haben. Auf jeden Fall hat er technische Möglichkeiten, von denen wir uns keine Vorstellung machen können. Ich glaube nicht, dass es sich um Perry Rhodan handelt, das wäre eine zu einfache Erklärung und zudem unwahrscheinlich. Wir wissen, wie tausendfältig sich Lebensformen entwickeln können. Eines der vielen Völker in der Milchstraße könnte sich gegen die Laren und das Konzil gestellt haben.«

In den folgenden Wochen häuften sich die Meldungen über das Schattenschiff. Die Vhrato-Prophezeiungen fanden guten Nährboden. Es wurde sogar behauptet, der Schatten hätte unmittelbar an der GAVÖK-Konferenz teilgenommen, ohne sich zu erkennen zu geben. Es sei offensichtlich geworden, dass er auf Seiten der Allianz gegen das Konzil stand.

Glytha sah damit ihre heimlichen Vermutungen bestätigt, dass Perry Rhodan in die Milchstraße zurückgekehrt war und sich vorerst nur zurückhielt, um ungestört operieren zu können. Sie sah keine Veranlassung mehr dafür, sich den Vhrato-Anhängern gegenüber zurückhaltend zu geben. Das war die Geburtsstunde des Vhrato-Kults auf New Terra, der hoffen ließ, dass alles wieder so werden könne wie früher.

Die Katastrophe fing damit an, dass Phelton Vaskoss aufgeregt zu Glytha Vermeeren kam und sich schnaufend in den nächstbesten Sessel fallen ließ. Wortlos reichte er der Frau einige Folien.

Glytha überflog die Ausdrucke. »Na und? Wir mussten damit rechnen. Die Patrouille der Überschweren ist immer noch mehr als fünfzig Lichtjahre entfernt.«

»Eine einzige Linearetappe genügt, sie hier auftauchen zu lassen. Was dann geschieht, dürfte dir ebenso klar sein wie mir.«

»Verbreite bitte keine Panik. Unsere Abwehrstellungen können mit einigen Schiffen fertig werden. Erst gegen eine ganze Flotte ...«

»Und wenn es eine Flotte ist?«, drängte Vaskoss.

Glytha zuckte mit den Schultern. »Dann kapitulieren wir rechtzeitig.«

»Zurück auf den Strafplaneten?« Phelton Vaskoss sprang auf. »Niemals! Du weißt nicht, wie es dort zugeht! Lieber würde ich sterben, als dorthin zurückkehren.«

»So leicht stirbt niemand, mein Freund. Schön, die Überschweren sind noch fünfzig Lichtjahre entfernt, und früher oder später werden sie unser System erreichen. Das kann in diesem Jahr sein oder erst in zehn. Sollen wir deshalb schon heute alles im Stich lassen? Ich denke nicht daran!«

»Ich weiß keine Lösung«, gab Vaskoss zu. »Ich bin nur gekommen, um dir zu berichten. Soll die Information geheim bleiben?«

»Nein.« Glytha gab ihm die Folien zurück. »Wir werden alles in der Versammlung besprechen. Ich will wissen, wie die anderen darüber denken. Immerhin kommt noch eine Kleinigkeit hinzu: der Glaube an den Vhrato!«

Phelton Vaskoss antwortete nicht sofort. »Der Glaube allein wird uns nicht helfen«, sagte er schließlich. »Wir müssen schon selbst etwas tun.«

Am anderen Tag machte Glytha Vermeeren ihren üblichen Rundgang durch die Felder. Die Ernte stand kurz bevor. Sie sprach mit den Leuten, doch mit keinem Wort erwähnte sie die drohende Gefahr. Das tat sie erst in der Versammlung.

Der Verband der Überschweren hatte zwar seine Position verändert, war aber nicht näher gekommen. Das erinnerte in der Tat an eine systematische Suche.

Die Aufregung legte sich bald. Wenn nur ein oder zwei Schiffe kamen, mussten sie vernichtet werden, bevor die Besatzungen Zeit hatten, einen Funkspruch abzusetzen. Erschien hingegen ein größerer Verband, mussten Verhandlungen aufgenommen werden.

Zwei weitere Wochen vergingen. Dann stand fest, dass vier Schiffe Kurs auf New Terra nahmen.

»Zwei zu viel«, schimpfte Phelton Vaskoss fast widerwillig. »Vielleicht können wir zwei vernichten, eventuell auch drei, aber einen Notruf des vierten verhindern wir damit nicht. Der Verband kam zwei Lichttage entfernt aus dem Linearraum, gleichzeitig wurden die Koordinaten an einen Stützpunkt gemeldet. Selbst die Zerstörung aller Schiffe würde uns also nichts nützen.«

Glythas Gesicht wurde grimmig. »Wir eröffnen auf keinen Fall zuerst das Feuer. Aber wir verteidigen uns, falls wir angegriffen werden.«

Der Rest des Tags und die Nacht wurden endlos lang. Erst am Vormittag des neuen Tags erschienen die vier Schiffe über New Terra. Unmittelbar darauf sendeten sie verschlüsselte Hyperfunksprüche, und zwei Stunden später materialisierten weitere acht Walzenraumer der Überschweren.

Jede Gegenwehr war absolut sinnlos. Glytha Vermeeren hielt sich in der Funkstation auf und versuchte, Kontakt zu den Beauftragten der Laren zu bekommen. Sie musste Zeit gewinnen, wenn sie auch ahnte, dass ihr das nicht wirklich weiterhelfen würde. Vielleicht ließ sich ein Kompromiss erzielen.

Die Geschütze blieben feuerbereit.

Nur eines der Schiffe senkte sich der Siedlung entgegen. Eine einzige Bombe würde genügen, alles Leben auf New Terra auszulöschen.

Endlich, nach über einer halben Stunde, erschien in der holografischen Wiedergabe das Gesicht eines Überschweren. Es zeugte von Unnachgiebigkeit und Brutalität. Verachtung umfloss die Mundwinkel, als der Mann barsch feststellte: »Eine Frau ...? Habt ihr sonst niemanden, mit dem ich reden kann?«

»Ich trage die Verantwortung für diese Kolonie«, gab Glytha ruhig zurück. »Mein Name ist Glytha Vermeeren, und ich bin eine freie Terranerin. Was wollen Sie?«

Der Überschwere holte tief Luft. »Eine freie Terranerin sind Sie? Es gibt keine freien Terraner mehr, nur Untertanen des Konzils. Wann wurde diese verbotene Kolonie gegründet? Wer sind die Bewohner? Entflohene Sträflinge?«

»Wir leben seit Jahren auf diesem Planeten. Wir sind friedlich und kümmern uns nicht um Politik. Wenn Sie unsere Gastfreundschaft annehmen, sind Sie willkommen und erhalten Landeerlaubnis.«

Der Überschwere lachte dröhnend. »Sie lieben Scherze!«, rief er. »Ich bin Jartham, der Vertraute von Maylpancer, dem Ersten Hetran der Milchstraße. In seinem Auftrag nehme ich Sie und alle auf dieser Welt lebenden Terraner in Haft. Wie hoch ist die Bevölkerungszahl?«

Nun wusste Glytha Vermeeren endgültig, dass es keine Hoffnung mehr für sie und ihre Kolonisten gab. Der Name Maylpancer war oft genug in Funksprüchen erwähnt worden. Und Jartham schien keineswegs besser zu sein als der Erste Hetran.

»Wir sind ein wenig mehr als viertausend, Jartham.«

»Machen Sie sich bereit zur Evakuierung! Wir werden in zwanzig Stunden in der Ebene landen. Fünf Kilogramm Gepäck pro Person sind gestattet. Keine Waffen!«

»Morgen schon ...?«

»Ich gebe selten eine so lange Frist! Wenn nur einer versuchen sollte, gegen uns vorzugehen, vernichten wir die Kolonie. Ist das klar?« Damit unterbrach der Überschwere die Verbindung.

Glytha saß lange regungslos da, das Gesicht in den Händen vergraben, dann endlich stand sie auf.

»Ihr habt es gehört«, wandte sie sich an die wartenden Männer und Frauen. »Keine Kompromisse. Keine Gegenwehr. Nichts. Wir sind erledigt.«

»Wir müssen uns wehren«, widersprach Vaskoss. »Sobald sie gelandet sind, können wir sie unter Beschuss nehmen. Wir müssen es versuchen! Ich gehe nicht auf einen Strafplaneten zurück! Niemals!«

»Uns bleibt keine andere Wahl«, befürchtete Glytha. »Aber fragen wir die anderen. Ich beuge mich der Mehrheit. Ruf die Leute zusammen, Phelton!«

Die Meinungen waren geteilt, deshalb kam es zu keiner Einigung. Leutnant Melaxon schlug sogar vor, mit den im Gebirge versteckten Raumschiffen zu fliehen. Er sah darin wenigstens eine winzige Hoffnung.

»Ich verhandle morgen noch einmal mit diesem Jartham«, schloss Glytha. »Dann sehen wir weiter.«

Nur elf Schiffe der Überschweren landeten kurz nach Sonnenaufgang. Das zwölfte hing hoch über der Siedlung.

Jartham selbst erschien mit einer schwer bewaffneten Leibwache, um die Räumung zu überwachen. Schon nach dem ersten Wortwechsel wurde Glytha klar, wie sinnlos jedes Unterfangen war, den Überschweren umzustimmen.

Resigniert kehrte sie zu den Siedlern zurück.

In dem Augenblick drehte der Kommandant der Abwehrstellungen durch.

Vom Hügel aus war das Gelände bestens einzusehen. Die Geschütze waren günstig stationiert und konnten die Ebene leicht erfassen.

Melaxon überbrachte dem Kommandanten die Nachricht von der Aussichtslosigkeit der Verhandlungen. Der ehemalige Major der Solaren Flotte, Parentos, gut 150 Jahre alt, programmierte wortlos die Gefechtsstationen. Er wartete, bis sich die Siedler aus der Gefahrenzone zurückgezogen hatten, dann hoben sich die schweren Energiegeschütze aus den unterirdischen Stellungen und eröffneten das Feuer.

Die Überraschung gelang. Vier Schiffe der Überschweren wurden so schwer getroffen, dass ein Teil ihrer Triebwerke explodierte. Die anderen hoben im Alarmstart ab und entkamen dem Verfolgungsbeschuss. In großer Höhe sammelten sie sich zum Gegenschlag.

Glytha Vermeeren war über die Missachtung ihrer Anordnungen so entsetzt, dass sie nur noch untätig zusah, wie Männer und Frauen in Panik mit den Fahrzeugen abhoben, um im fernen Gebirge Schutz vor dem Vergeltungsangriff zu suchen.

Jartham tobte und befahl die Vernichtung der Kolonie. Der Planet selbst sollte erhalten bleiben, denn Welten wie diese eigneten sich bestens als Stützpunkt.

Zwei Schiffen befahl Jartham, die fliehenden Kolonisten unter Beschuss zu nehmen. Zwei weitere Einheiten sollten die beiden Siedlerschiffe zerstören, die von den Massetastern im Gebirge geortet worden waren.

Doch jäh zuckte der Überschwere zusammen. Inmitten seines Verbands materialisierte ein Schatten. Eine riesige Kugel mit schemenhaften Umrissen entstand.

»Das Geisterschiff des Vhrato!«, rief einer der Offiziere entsetzt.

Jartham starrte nur noch auf die Bildwiedergabe, als wolle er abwarten, was der unheimliche Gegner unternahm.

Er musste nur wenige Sekunden warten.

Die beiden Schiffe, die den fliehenden Siedlern folgen sollten, wurden von einem einzigen Feuerstoß vernichtet. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance.

Zwei weitere Einheiten vergingen in den tobenden Energiebündeln des Geisterschiffs.

Jartham war nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Nicht einmal zur Flucht konnte er sich entschließen.

Von einem Moment zum anderen entstand vor ihm ein Luftwirbel. Er spürte den schwachen Hauch und riss entsetzt die Augen auf, als ein Schatten in der Kommandozentrale materialisierte.

»Jartham!«, sagte eine dunkle Stimme mit drohendem Unterton. »Du hast die Wahl, zu fliehen oder deine restlichen Schiffe zu verlieren. Ich weiß, dass du die Koordinaten der Kolonie schon weitergeleitet hast. Aber du sollst allen Helfern der Laren deinen Augenzeugenbericht übermitteln. Sage ihnen, dass der Rächer der Terraner überall dort sein wird, wo er gebraucht wird und wo sich Terraner in Not befinden!«

Jartham sah, dass seine Offiziere vor Schreck ebenfalls wie gelähmt waren. Keiner von ihnen wagte es, den schattenhaften Umriss anzugreifen. Er hatte schon von dieser rätselhaften Erscheinung gehört, besonders von dem Schattenschiff, das stets unerwartet auftauchte. Nun bedrohte diese Erscheinung ihn selbst.

»Wer bist du?«, stieß er endlich hervor.

Ein heiseres Lachen war die Antwort. »Willst du das wirklich wissen, Jartham? Ich sagte es schon: der Rächer der Terraner, die von euch versklavt wurden. Die Tage der Laren sind gezählt. Und die Überschweren sind Verräter, die bestraft werden, sobald die Zeit gekommen ist. Ihr habt zehn Minuten Zeit, aus diesem Sektor zu verschwinden, oder ihr erleidet dasselbe Schicksal wie die Mannschaften der anderen Schiffe.«

Der Schatten verschwand.

Jartham starrte ungläubig auf die Stelle, an der sich die vage Gestalt befunden hatte, dann brüllte er seine Offiziere an: »Was steht ihr herum, ohne etwas zu tun? Hätte ich euch befehlen sollen, ihn zu erschießen? Dann wäre er gewarnt gewesen.«

»Den Vhrato töten ...?«, ächzte einer.

»Vhrato – Unsinn!« Jartham bebte vor Zorn. »Alles lässt sich mit technischen Mitteln erklären. Eine Halluzination, nichts weiter!«

»Das Geisterschiff ist keine Halluzination. Es hat in wenigen Sekunden vier unserer Einheiten vernichtet. Unsere Waffen konnten es nicht einmal gefährden. Wir müssen hier weg!«

Es fiel Jartham schwer, die Niederlage zuzugeben. Was sollte er Maylpancer berichten? Dass er vor dem Rächer der Terraner geflohen war?

Nach Ablauf der zehn Minuten erhielt Jarthams Flaggschiff einen Impulstreffer, der seine Manövrierfähigkeit jedoch nicht beeinflusste. Endlich gab er den Befehl zum Rückzug.

Das Geisterschiff veränderte seine Position nicht.

Die letzten vier Walzenraumer der Überschweren beschleunigten mit Höchstwerten und traten schließlich in den Linearraum über. Zuvor hatten sie die schockierende Nachricht vom Erscheinen des Schemens weitergemeldet.

Das Geisterschiff wurde wieder unsichtbar, nachdem es über Normalfunk die Kolonisten von New Terra aufgefordert hatte, ihre Welt innerhalb weniger Tage zu verlassen. Denn die Überschweren würden zurückkommen, und diesmal nicht nur mit zwölf, sondern mit hundert und mehr Schiffen.

2.

Senco Ahrat hatte die SERT-Haube abgenommen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und das weiße Haar reichte ihm bis auf die Schultern.

Die SOL-Zelle-2 näherte sich nach einem Flug von vielen Monaten der heimatlichen Milchstraße. Perry Rhodan, der mit dem Rest des Fernraumschiffs SOL in der weit entfernten Kleingalaxis Balayndagar festgehalten wurde, hatte Ahrat und der Besatzung der SZ-2 befohlen, zur Milchstraße vorauszueilen, die man endlich im Sternendschungel gefunden hatte.

Der Emotionaut war mittlerweile 195 Jahre alt, und ohne biologisch äußerst wirksame Medikamente wäre er wohl schon gestorben.

Ras Tschubai, der Teleporter, hingegen wirkte trotz seiner rund eineinhalbtausend Jahre wie ein Jüngling gegen Ahrat, denn Tschubai trug einen Zellaktivator. Oft genug nannte Ahrat den Mutanten sogar seinen Sohn, was der Afroterraner stets mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte.

Längst stand die heimatliche Galaxis als verwaschener Fleck in der optischen Erfassung. Niemand konnte wissen, was die SZ-2 erwartete, denn seit der Versetzung von Erde und Mond über rund 500 Millionen Lichtjahre hinweg waren mehr als 120 Jahre vergangen.

Ras Tschubai ließ seinen Blick über die unglaubliche Vielzahl der Galaxien schweifen.

»Dank Dr. Prokosch benötigen wir nur noch dieses letzte Eintauchmanöver«, erklärte Ahrat. »Wir können im Linearflug weiterfliegen, bis wir die Milchstraße erreichen. Damit sparen wir Treibstoff.«

Tschubai kannte die Schwierigkeiten der Treibstoffbeschaffung ebenso wie die Planeten in der Milchstraße, auf denen Nugas-Kugeln lagerten. Er deutete auf den milchigen Fleck. »Das also ist sie – und dabei sind wir an so vielen Sterneninseln vorbeigeflogen ...«

»Das Konzil hat sich ausgerechnet in unserer Galaxis festgesetzt! Hoffentlich finden wir noch vertraute Strukturen. Hundertzwanzig Jahre sind eine verdammt lange Zeit.«

Sie mussten vorsichtig sein. Zu viel konnte geschehen sein, was den sofortigen Tod oder lebenslange Gefangenschaft bedeutete. Die SZ-2 würde den Linearflug im Halo der Milchstraße beenden und mit allen Sensoren lauschen – bis ein einigermaßen verlässliches Bild der aktuellen Situation vorlag.

Nur noch wenige Tage ...

Eine Lichtwoche von den ersten einsamen Sternen entfernt fiel die SZ-2 in den Normalraum zurück. Der Hyperfunkempfang zeichnete.

Schon am dritten Tag war es möglich, die Situation zu definieren. Das Konzil hatte endgültig die Macht übernommen und übte sie mit aller Härte aus. Die Überschweren waren den Laren willige Helfer.

Die Informationen über Atlan und die Neue Menschheit blieben spärlich. Aber dann tauchte zum ersten Mal der Begriff Vhrato auf. Senco Ahrat interessierte sich besonders für diese Meldungen. Schließlich fasste er zusammen, als sie in der Zentrale eine der üblichen Besprechungen abhielten: »Eine Mystifikation, klar und verständlich. Die Terraner werden unterdrückt, viele leben in Gefangenschaft oder im Untergrund. Ohne Hoffnung gehen sie zugrunde, also schufen sie die Legende vom Sonnenboten Vhrato. Indirekt spielen sie damit auf Rhodans Rückkehr an. Ihr Glaube, dass er eines Tags wiederkommen wird, gibt ihnen Kraft. Wir müssen ihnen sagen, dass es uns noch gibt und wir sie nicht vergessen haben – und dass Perry Rhodan nur darauf wartet, die Situation in den Griff zu bekommen.«

»Wir können mit der SZ-2 nichts gegen die Laren unternehmen, ohne von ihnen gejagt und schließlich gestellt zu werden«, schränkte Ras Tschubai ein. »Damit wäre niemandem geholfen. Ich schlage vor, dass wir die Institution Vhrato für unsere Zwecke nutzen. Damit geben wir den Menschen neue Kraft und Hoffnung, während wir die Laren und ihre Handlanger verwirren. Allerdings ist mir noch nicht klar, wie wir das anstellen sollen. Schließlich können wir uns und das Schiff nicht unsichtbar machen.«

Dr. Don Paros warf ihm einen fragenden Blick zu und versank in tiefes Nachdenken. Ahrat sagte: »Unsichtbar? Warum das?«

»Aus vielen Gründen«, erwiderte Tschubai. »Unser Erscheinen muss geheimnisvoll wirken, um auf der einen Seite Zuversicht, auf der anderen aber Schrecken zu verbreiten. Wir müssen überall dort auftauchen, wo Terraner in Gefahr sind, aber wir dürfen weder zu orten noch anzugreifen sein. Ein normaler Energieschirm genügt da nicht ...«

»Ja, das ist es!«, rief Don Paros und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Geben Sie mir einige Tage Zeit, und ich löse das Problem.«

»Welches Problem?«, wollte Ahrat wissen.

»Ich benötige einen der mit einem Deflektorschirm ausgerüsteten Kampfanzüge. Die Praxis ist mir lieber als blanke Theorie.«

»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, erinnerte Senco Ahrat. »Was haben Sie vor?«

»Eine geringfügige Veränderung der Schutzschirmstruktur. Der Schutz gegen Strahlschüsse bleibt bestehen, aber die von ihm eingeschlossene Materie, also wir und unser Schiff, werden halb entmaterialisiert – wenigstens scheinbar. Jeder wird die SZ-2 nur noch als vagen Schatten erkennen können. Ist das nicht herrlich geisterhaft?«

»Sie wollen aus der SZ-2 ein Gespensterschiff machen?«, entrüstete sich Ahrat.

»Ein normales Schiff kann die Laren nicht abschrecken und die Hoffnung der verzweifelten Menschen nicht festigen, aber ein Gespensterschiff ... Ich garantiere Ihnen, damit werden wir Erfolg haben.«

»Ich stelle Ihnen meinen Spezialanzug zur Verfügung«, bot Ras Tschubai dem Spezialisten für Lichtstrahleffekte an, noch ehe Ahrat protestieren konnte. »Aber ich möchte ihn unbeschädigt zurück.«

»... und natürlich verbessert!«, rief Don Paros und verließ die Kommandozentrale.

Ahrat schaute ihm nach, bis er verschwunden war. »Den Anzug bist du los, Ras«, sagte er dann ruhig. »Oder du erkennst ihn nicht mehr wieder.«

»Das ist die Generalprobe.« Dr. Don Paros deutete auf Ras Tschubai, der seinen Kampfanzug zurückerhalten und angelegt hatte. »Ich habe am Generator des Deflektorschirms Veränderungen vorgenommen, die mit jener am Schutzschirm der SZ-2 identisch sind. Dadurch ist Ras nun die Möglichkeit genommen, sich völlig unsichtbar zu machen, aber ich glaube, der Schatteneffekt ist wirkungsvoller ...« Er nickte dem Teleporter zu, der den Deflektor einschaltete.

Ras Tschubais Körperumrisse verschwammen und wurden unscharf. Seine Gestalt flimmerte, verschwand jedoch nicht, sondern wurde zu etwas wie einem dreidimensionalen Schatten.

Senco Ahrat trat vor und streckte einen Arm aus. Seine Hand drang in den schattenhaften Körper ein, ohne auf Widerstand zu stoßen.

»Wie ist das möglich, Doktor? Ras ist doch nach wie vor materiell?«

»Sicher, das ist er, aber er befindet sich in einer uns unbekannten Zwischenzone. Er hält sich zwischen uns und der nächsten Dimension auf, versteht jedes Wort, das wir sprechen, und kann uns auch antworten. Stimmt das, Ras?«

»Ich sehe euch klar und deutlich, und ich höre euch«, kam es ein wenig dumpf zurück. »Wie sehe ich aus? Gebe ich ein prächtiges Gespenst ab?«

Ahrat setzte sich. »Allerdings, mein Sohn. Du bist einmalig.« Er wandte sich an Don Paros: »Meine Hochachtung, Doktor! Fabelhaft! Hinzu kommt, dass Ras Teleporter ist. Hoffen wir, dass er durch diesen geisterhaften Zustand seine Fähigkeit nicht verliert.«

Der Schatten verschwand, und wenige Sekunden später war er wieder da. Ras Tschubai sagte: »Keine Behinderung, Senco. Ich kann also in die Schiffe der Laren und Überschweren springen, ohne die Schattenstruktur aufzugeben. Wahrscheinlich werden sie einen gehörigen Schreck bekommen, wenn sie mich sehen. Zusätzlich ist es möglich, den Individualschirm einzuschalten, damit ich gegen Angriffe geschützt bin. Perfekt, Dr. Paros, in der Tat.« Aus dem Schatten wurde wieder der Teleporter. »Doch was ist mit der SZ-2? Unter diesen Umständen muss das Schiff großartig aussehen.«

»Ich schlage vor, dass Sie sich mit weiteren Zeugen in ein Beiboot begeben und die Verwandlung aus größerer Entfernung beobachten«, sagte der Spezialist für Lichtstrahleffekte.

Eine halbe Stunde später ließen Senco Ahrat, Ras Tschubai und mehrere Wissenschaftler, unter ihnen der Dimensionsspezialist Dr. Prokosch, den Kugelraumer nicht mehr aus den Augen. Knapp zehn Kilometer entfernt schwebte das Schiff scheinbar bewegungslos im Nichts.

Unvermittelt setzte der Effekt ein. Der Schiffsriese wurde dunkler und schließlich schwarz, wurde aber nicht absolut transparent, denn seine Umrisse blieben erkennbar. Die SZ-2 wirkte wie ein drohender Schatten, ohne Substanz, doch irgendwie real – ein Anblick, der nicht nur furchtsame Gemüter erschrecken konnte.

Über Funk fragte Don Paros: »Zufrieden, meine Herren?«

»In der Tat, Doktor«, erwiderte Senco Ahrat. »Sie könnten Recht haben mit Ihrer Theorie. Wie steht es mit dem Schutzschirm? Bleibt seine Wirkung erhalten?«

»Uneingeschränkt. Ich denke, das wird unsere Gegner weiter verblüffen, und sie werden rasch einsehen, dass sie nicht gegen einen Schatten kämpfen können. Kommen Sie zurück in den Hangar ...«

Später versammelten sie sich in der Kommandozentrale.

»Wir haben alle aufgefangenen Meldungen verarbeitet und können uns ein Bild von den Verhältnissen machen«, wiederholte Ahrat seine schon einmal getroffene Feststellung. »Ich halte es für besser, wenn wir vorerst noch keinen Kontakt zu Atlan aufnehmen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Auch die Terraner dürfen nicht wissen, wer wir sind. Unser Geheimnis könnte den Laren zu schnell bekannt werden. Wer uns für den Vhrato halten will, soll das ruhig tun. Eine Wirklichkeit gewordene Legende wirkt immer. Wir werden in erster Linie bedrängten Terranern helfen, damit die Laren begreifen, dass sie es mit einem ernst zu nehmenden Gegner zu tun haben. Umso eher werden sie dann auch versucht sein, alle anderen Geschichten über den Vhrato zu glauben, so unmöglich diese klingen mögen. Wir schlagen also zwei Fliegen mit einer Klappe.«

Die SZ-2 drang zwei Tage später in die Milchstraße ein.

Die Aktivität des Geisterschiffs fügte den Legenden über den Vhrato neue hinzu und nährte die Hoffnung jener, die an seine Befreiungsmission glaubten. Auf der anderen Seite nahmen nun auch die Laren und ihre Handlanger die bislang belächelten Geschichten ernst.

Immer wieder und scheinbar überall zugleich tauchte das gespenstische Riesenschiff auf und griff zu Gunsten der galaktischen Völker, insbesondere der Terraner, ein. Der Schatten wurde zu einem echten Gegner und einer nicht abzuschätzenden Gefahr für das Konzil. Hotrenor-Taak beauftragte den Ersten Hetran Maylpancer, das Schiff unter allen Umständen aufzubringen und zu vernichten.

Die Jagd begann.

Sie störte Senco Ahrat und seine Besatzung nicht sehr, denn die SZ-2 war den Walzenraumern der Überschweren in allen Punkten überlegen.

In sicherer Entfernung wartete Ahrat ab, was mit dem Kolonialplaneten New Terra geschah. Wenn die Siedler ihre Welt nicht rechtzeitig verließen, war eine Katastrophe unausbleiblich. Ein großer Verband der Überschweren sammelte sich in einiger Distanz, um die Strafexpedition durchzuführen. Gegen zweihundert Einheiten kam auch die SZ-2 nicht an.

Auf New Terra strömten die enttäuschten Siedler in ihre beiden Schiffe, die auf der Ebene gelandet waren. Von neuem mussten sie nach einer unbewohnten Welt suchen, die ihre Heimat werden sollte. Aber wie lange würde es dauern, bis das Konzil sie auch dort aufspürte?

Endlich war alles Wertvolle verladen. Wieder hatte Glytha Vermeeren das Kommando über den kleinen Verband übernommen. Pilot war Leutnant Melaxon, Phelton Vaskoss fungierte als Erster Offizier. Die alte Olga Tillymel lief durch die Korridore und predigte von der Rückkehr des Vhrato.

Der Start verlief reibungslos.

Glytha Vermeeren wandte sich von den Schirmen ab. Sie wollte nicht mehr sehen, wie alles, was sie sich aufgebaut hatten, zur Bedeutungslosigkeit schrumpfte.

Jäh erstarrte sie. Zwischen ihr und dem Schott materialisierte ein menschlicher Schatten und streckte ihr die Arme entgegen. Eine dunkle Stimme sagte: »Warten Sie noch, ehe Sie den Kurs programmieren. Ich habe mit Ihnen zu reden – mit Ihnen allen ...«

Jeder starrte auf den Schatten, der sich veränderte und allmählich feste Konturen annahm. Schließlich stand in der Kommandozentrale ein Mann mit dunkler Hautfarbe, eingehüllt in einen Kampfanzug, den Helm zurückgeklappt.

Weder Vaskoss noch die anderen hatten diesen Mann jemals gesehen. Glytha Vermeeren aber stieß einen Schrei aus und wich einen Schritt zurück.

»Das ist doch nicht möglich«, ächzte sie. »Ras Tschubai! Ich kenne Sie von früher. Waren Sie nicht auf der Erde, als ... als ...«

»Als die Erde verschwand? Richtig. Es dauerte hundertzwanzig Jahre, bis wir zurückfanden.«

Glytha starrte den Mutanten an und hauchte: »Wir ...? Auch Perry Rhodan?«

Tschubai schüttelte den Kopf. »Noch nicht, leider. Doch das ist eine lange Geschichte, und ich bin hier, um sie Ihnen allen zu berichten. Es wird Zeit, dass die Terraner die Wahrheit erfahren. Achten Sie auf den Schirm! Unser Gespensterschiff verwandelt sich in die SZ-2, einen terranischen Kugelraumer. Wir haben nicht viel Zeit, und ich glaube, es wird besser sein, wenn wir möglichst bald eine neue Position einnehmen. Die Überschweren sammeln sich bereits. Sie erhalten von uns Koordinaten. Ihr Pilot soll sie einspeisen, ebenfalls der Kommandant Ihres zweiten Schiffs. Ich bleibe bei Ihnen an Bord.«

Der Verbandsflug zu einem Raumsektor vierhundert Lichtjahre von New Terra entfernt erfolgte ohne Probleme. Nun erst fand Ras Tschubai Gelegenheit, zu den mehr als viertausend Siedlern zu sprechen.

Zum ersten Mal erfuhren die Menschen in der Milchstraße, was vor 120 Jahren geschehen war. Nur das Schicksal des Planeten Terra selbst blieb ungewiss, denn die SOL und ihre Besatzung waren vor rund vierzig Jahren verbannt worden.

Tschubai berichtete von der Landung auf Last Stop, einem Planeten in der Kleingalaxis Balayndagar, auf dem Perry Rhodan mit allen anderen festgehalten wurde. Geduldig beantwortete er alle Fragen, soweit er dazu in der Lage war. Eines Tags würde Rhodan den Heimweg ebenfalls schaffen, versicherte er. Nur war es unmöglich, sich schon jetzt offiziell als Vorhut Rhodans zu bezeichnen. Vielleicht würde man eine Hilfsexpedition aussenden müssen. Doch im Augenblick gab es brennendere Probleme.

»Was ist mit Atlan und der Neuen Menschheit?«, fragte Tschubai.

Glytha Vermeeren wusste ein wenig mehr darüber als Vaskoss, der auf dem Strafplaneten keine Verbindung nach außen gehabt hatte. Sie beantwortete die Frage, so gut sie konnte. Viel war ihr über Atlan und seine Tätigkeit nicht bekannt. Auch kannte niemand den Raumsektor, in dem sich das so genannte Neue Einsteinsche Imperium befand. Von dort waren auch die Bemühungen zur Gründung der GAVÖK ausgegangen, der neuen Allianz gegen das Konzil.

»Wie können wir Atlan erreichen?«

»Verschlüsselte Funknachrichten sind bereits unterwegs«, verriet Glytha Vermeeren. »Wir werden hoffentlich bald eine Antwort erhalten.«

»Warum seid ihr nicht zum NEI geflohen?«

Die Frau druckste herum. »Uns gefällt nicht, was geschieht«, gestand sie letztlich ein. »Die Macht des Konzils festigt sich, weil nichts dagegen unternommen wird. Die Gründung der GAVÖK kann auch ein Bluff sein, um ungeduldige Menschen zu beruhigen. Wir alle wollten frei sein ...«

»Ihr habt New Terra wieder verloren«, erinnerte Ras. »Ist das die ersehnte Freiheit?«

»Wegen eines Rückschlags geben wir nicht auf!«, beharrte Glytha.

»Atlan wird dafür Verständnis haben«, sagte der Teleporter. »Wir brauchen den Kontakt mit ihm. Sobald er hergestellt ist, könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt.«

»Das zu erreichen kann Wochen dauern.«

»Wir werden hier in der Nähe warten. Selbst die Überschweren finden euch und uns in diesem Gebiet nicht so schnell.«

»Dann geben wir unseren Kontaktleuten die Position bekannt«, schlug Glytha vor. »Wenn Atlan erfährt, wer ihn erwartet, wird er schnell kommen.«

»Das hoffe ich.« Außer einer riesengroßen Freude, den Arkoniden wiederzusehen, verspürte Tschubai tief im Unterbewusstsein Unbehagen. »Treibstoffmangel wird bald unsere Aktionen einschränken«, erklärte er. »Wir werden die Zeit nutzen und einen Depotplaneten anfliegen. Vielleicht gelingt es uns, die Vorräte zu ergänzen, ehe Atlan eintrifft. Zuvor müssen wir jedoch herausfinden, ob die Laren von diesen Welten Besitz ergriffen haben. Ich befürchte es.«

Ras Tschubai teleportierte in die SZ-2 zurück.

Nach mehreren Linearetappen fiel die SOL-Zelle-2 unweit der Wega in das Einsteinuniversum zurück. Aller Augen suchten nach einer kleinen gelben Sonne. Sol wirkte unscheinbar und nicht besonders wichtig, ein Stern unter zigtausenden eben. Die Entfernung: siebenundzwanzig Lichtjahre.

»Soll«, sagte Senco Ahrat schließlich. »Unsere Heimat!«

Ras Tschubai nickte stumm. Seit 120 Jahren hatte er die Sonne nicht mehr gesehen, die einst auf der Erde die Entstehung des Lebens ermöglicht hatte.

Sol!

In der Orterzentrale herrschte Hochbetrieb. Ein Reflexpunkt entstand neben dem anderen, bis kein Zweifel mehr daran bestehen konnte, dass das Wega-System abgeriegelt war. Hier wimmelte es von SVE-Schiffen und Einheiten der Überschweren.

»Als hätten sie uns erwartet«, sagte Tschubai ungläubig. »Sind die Burschen Hellseher?«

»Das vielleicht nicht«, erwiderte Ahrat. »Aber sie denken logisch. Sicherlich befürchten sie Rhodans Rückkehr, und da seit dem ersten Erscheinen des Schattenschiffs schon einige Zeit vergangen ist, nehmen sie an, dass seine Treibstoffvorräte zur Neige gehen. Sie haben entsprechende Vorbereitungen getroffen.«

»Bis Sormora im Kennkant-System sind es mehr als 38.000 Lichtjahre«, wandte Tschubai ein.

»Hier ist jeder Durchbruchsversuch sinnlos. Da hilft auch ein Erscheinen als Vhrato nichts.« Ahrats Blick wanderte zurück zu dem kleinen gelben Stern. »Wie gern hätte ich die Gelegenheit genutzt, mir Sol aus der Nähe anzusehen, aber das wäre ein zu großes Risiko. Ich verschiebe meine Sentimentalität besser auf später.«

Die Laren orteten die SZ-2, und der mächtige Kugelraumer wurde einmal mehr zum Geisterschiff. Das brachte den Angriff der Überschweren ins Stocken, die natürlich für die Laren die Kastanien aus dem Feuer holen sollten. Zu sehr saß ihnen der Schock in den Knochen, den der Kugelschatten schon mehrfach verursacht hatte.

Während die Gegner sich neu formierten, beschleunigte die SZ-2 mit Höchstwerten, bis sie die erforderliche Eintauchgeschwindigkeit erreicht hatte.

3000 Lichtjahre entfernt erfolgte ein Orientierungsmanöver. Die Überschweren hatten die Spur des Kugelraumers offenbar verloren. Das einzige Objekt, das klar und deutlich registriert wurde, war ein kleines Schiff, das nur wenige hunderttausend Kilometer entfernt im freien Fall dahintrieb.

Ras Tschubai wandte sich an den verbissen wirkenden Emotionauten. »Was bedeutet das? Haben wir es mit einem Wrack zu tun? Ähnlich sahen die Privatjachten aus, die einst in Serie gefertigt wurden.«

»Sehen wir es uns an? Ich schätze, es ist verlassen.«

»Ich teleportiere allein, Senco, das ist einfacher.« Ras Tschubai legte seinen Anzug an, schloss den Helm und peilte das Ziel an.

Er materialisierte in der kleinen Zentrale des knapp siebzig Meter langen Raumfahrzeugs. Mit halber Lichtgeschwindigkeit trieb es durch den Raum. Die Instrumente zeigten keine Atmosphäre an, aber es musste eine gegeben haben, denn hinter den Kontrollen saß ein menschliches Skelett. Kleiderfetzen hingen von ihm herab, und vor der Knochenhand lag ein altertümliches Tagebuch. Es war aufgeschlagen und beschrieben. Anscheinend hatten zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht mehr genügend Energiereserven für das automatische Logbuch zur Verfügung gestanden.

Tschubai konnte keine weiteren Toten entdecken. Seiner Schätzung nach war der Mann hinter den Kontrollen schon vor Jahrzehnten gestorben, vorausgesetzt, dass die Atmosphäre erst sehr viel später entwichen war.

Der Mutant betrat den angrenzenden Korridor und teleportierte in die Mannschaftskabinen, deren Schotten sich ohne Energie nur mühsam öffnen ließen. In den Räumen fand er die sterblichen Überreste von Besatzungsmitgliedern. Meist lagen sie in ihren Betten, als hätten sie friedlich auf den Tod gewartet. Es waren fünfzig Leichen.

Die Maschinenräume befanden sich heckwärts. Soweit Ras Tschubai das beurteilen konnte, war die Anlage in Ordnung, aber die Treibstoffvorräte waren total erschöpft. Damit hatte es an Bord auch keine Energie mehr gegeben. Das Licht war ausgefallen, danach hatte sich die Kälte ins Schiff geschlichen, und irgendwann hatte die Lufterneuerung versagt.

Mit dem Tagebuch, von dem er sich Auskünfte erhoffte, teleportierte Tschubai in die SZ-2 zurück. Senco Ahrat war über Funk informiert; er nickte knapp, als Ras ihm bedeutete, dass er sich sofort mit dem Buch beschäftigen wolle.

Die Schrift war sehr undeutlich. Offensichtlich war es für den Verfasser ungewohnt gewesen, Eintragungen mit der Hand vorzunehmen. Ras Tschubai wusste bereits nach der ersten Seite, dass ihm dieses Tagebuch kaum brauchbare Informationen liefern würde. Er las trotzdem weiter.

Nichts konnte erstaunlicher sein als menschliche Schicksale ...

18. Juli 3510. Wir müssen mit der restlichen Energie sparsam umgehen, wenn wir nicht erfrieren oder ersticken wollen. Das Logbuch ist ausgefallen, alle Speicherungen wurden gelöscht. Ich werde versuchen, alles so wiederzugeben, wie es sich ereignete.

Wir verließen die Kolonie vor zwei Jahren, um auf einem unbewohnten Planeten in Ruhe und Frieden das Erscheinen des Vhrato abzuwarten. Wir sind noch immer überzeugt, dass er den Weg zu uns findet, auch wenn unser Schiff inzwischen ein Wrack geworden ist.

In der Kolonie lebten wir isoliert von den anderen, die nicht an den Vhrato glaubten. Sie machten uns zum Gespött aller Völker, die dort vertreten waren. Als sie unsere kleine Kirche niederbrannten, haben wir uns zur Flucht entschlossen. Einige von uns waren der Ansicht, im Raum seien wir dem Vhrato näher als auf dem Planeten.

Deshalb erstanden wir das Schiff und starteten. Wir waren eine kleine, glückliche Gemeinde, und wir wussten, dass wir richtig handelten. Ich will nicht vergessen zu erwähnen, dass wir sogar verfolgt wurden, weil jeder uns die Hoffnung auf eine bessere Zukunft missgönnte. Aber wir konnten entkommen.

Nach zwei Überlichtetappen fiel der Linearantrieb aus. Wir hatten keine Techniker an Bord, also flogen wir mit einfacher Lichtgeschwindigkeit weiter. Vor uns, etwa sieben Lichtjahre entfernt, stand eine gelbe Sonne, und die letzten Messungen hatten ergeben, dass sie von unbewohnten Planeten umkreist wird. Obwohl wir ohne Energieverbrauch flogen, gingen die Reserven zu Ende. Klimaanlagen, Heizung, Lufterneuerung und die notwendigsten technischen Einrichtungen verschlangen zu viel.

Doch wir geben die Hoffnung nicht auf. Vater De Monde liest uns täglich aus dem Buch des Vhrato vor, das er selbst verfasst hat. Seine Worte gebenuns Kraft und stärken den Glauben. Die Lebensmittelvorräte würden noch einige Zeit reichen, aber wir frieren, und die Atemluft wird stickig. Die Funkanlage ist längst ausgefallen, wir können keinen Notruf aussenden.

Ich habe heute einen Entschluss gefasst, denn ich kann unser aller Leiden nicht länger mit ansehen. Ich werde die Luke öffnen und die Luft aus dem Schiff entweichen lassen. Vater De Monde soll seine letzte Predigt halten, denn heute – das ist der 8. September 3510 – ist es so weit.

Alle sind in ihre Kabinen gegangen, um zu schlafen. Ich bin allein in der Zentrale. Vor mir, sieben Lichtjahre entfernt, sehe ich die gelbe Sonne, die unsere Rettung bedeutet hätte. Der Vhrato ist nicht gekommen.

Ist unser Glaube deshalb falsch gewesen?

Mit dem letzten Rest der Energie werde ich die Luke öffnen.

Ich weiß nicht, ob jemand meine Aufzeichnung finden wird. Vielleicht wird bis dahin eine Ewigkeit vergehen, vielleicht nur Monate. Lasst unser Schiff so, wie es bald sein wird. Es wurde unser Sarg, und die Ruhe der Toten soll nicht gestört werden. In einer Minute werden wir tot sein ...

Vater Perandez Doran

Oberhaupt der Sekte von der Wiederkehr des Vhrato.

Ras Tschubai klappte das dünne Buch zu.

»Das geschah vor über siebzig Jahren, Senco. So lange glauben Menschen bereits an den Vhrato. Es wird Zeit, ihnen die Wahrheit zu sagen.«

Der Emotionaut nickte langsam. »Jeder Glaube verlangt Opfer. Doran und seine Anhänger hätten früher oder später ihre Welt verlassen, wenn auch aus anderen Motiven. Sie waren Außenseiter ihrer Gesellschaft. Das soll keinesfalls bedeuten, dass ich ihren Tod nicht bedauere, ich will damit nur ausdrücken, dass wir mit dem Gespensterspiel aufhören müssen.«

Nach drei weiteren Linearetappen erreichte die SZ-2 ihr Ziel. Voraus stand eine dunkelrote, fahle Sonne.

Die Sonne Kennkant wurde von drei Planeten umlaufen, der zweite hieß Sormora und war eine feuchtheiße Urwelt mit tropischem Klima. Riesige Sumpfmeere, unzugängliche Urwälder und zahllose tätige Vulkane bestimmten sein Bild. Im Wasser entstand das erste Leben.

Niemand hätte vermuten können, dass die Terraner ausgerechnet auf dieser Welt eine wichtige Nachschubbasis errichtet hatten. Sie hatten dafür ein Gebiet gewählt, das festen Boden ohne vulkanische Tätigkeit garantierte.

Tief unter der Oberfläche von Sormora lagerten die zwölf Meter durchmessenden Treibstoffkugeln aus Ynkelonium-Terkonit-Stahl, die eine überschwere Masse komprimierter, positiv geladener Protonen enthielten. Diese Minisonnen mit nur 5,58 Kubikmetern wogen 200.000 Tonnen und wurden innerhalb der größeren Stahlkugel von Energiefeldern fixiert.