Perry Rhodan 82: Raumschiff in Fesseln (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 82: Raumschiff in Fesseln (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Wir schreiben das 36. Jahrhundert. In der Milchstraße herrschen die Laren. Unter Führung von Lordadmiral Atlan haben sich die Menschen in den Schutz der Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als ein fremdes Raumschiff erscheint und der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. An Bord des Fernraumschiffs SOL haben Perry Rhodan und seine Gefährten währenddessen nach beinahe vierzigjähriger Odyssee endlich die Position der Milchstraße herausgefunden. Doch ein Zwischenstopp bringt neues Unheil über die Besatzung - und dann werden SVE-Raumer der Laren gesichtet. Perry Rhodan begegnet den Keloskern, einem Volk, das zu höherdimensionalem Denken befähigt ist. Ungeahntes Wissen über die Vergangenheit des Konzils der Sieben Galaxien eröffnet sich Rhodan ...

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Nr. 82

Raumschiff in Fesseln

Wir schreiben das 36. Jahrhundert. In der Milchstraße herrschen die Laren. Unter Führung von Lordadmiral Atlan haben sich die Menschen in den Schutz der Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als ein fremdes Raumschiff erscheint und der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. An Bord des Fernraumschiffs SOL haben Perry Rhodan und seine Gefährten währenddessen nach beinahe vierzigjähriger Odyssee endlich die Position der Milchstraße herausgefunden. Doch ein Zwischenstopp bringt neues Unheil über die Besatzung – und dann werden SVE-Raumer der Laren gesichtet. Perry Rhodan begegnet den Keloskern, einem Volk, das zu höherdimensionalem Denken befähigt ist. Ungeahntes Wissen über die Vergangenheit des Konzils der Sieben Galaxien eröffnet sich Rhodan ...

Vorwort

Eine Faszination von PERRY RHODAN ist die endlose Weite, die nur darauf wartet, dass wir Menschen uns aufmachen, sie zu erforschen. Es begann mit der Landung der STARDUST auf dem Mond – tatsächlich nur ein kleiner Schritt – und führte über den Vorstoß in unsere Nachbargalaxis Andromeda weiter in immer neue und aufregendere Fernen. Bislang unbekannte Lebensformen und faszinierende astronomische Phänomene, was gibt es nicht alles zu entdecken, je weiter wir uns von der Heimat entfernen?

Hier und heute ist es die Besatzung der SOL, des größten von Menschen je gebauten Raumschiffs, die eine beispiellose, bereits 38 Jahre währende Odyssee durchlebt. Perry Rhodan und seine Gefährten suchen im Dschungel der Sterne nach der Milchstraße. Auch Odysseus suchte einst den Weg zurück nach Ithaka und ließ sich von seiner Sehnsucht treiben. Er schaffte es, nach 19 Jahren wieder eine vertraute Küste zu erreichen. Für die Männer und Frauen an Bord der SOL schlägt das Schicksal jedoch nach doppelt so langer Zeit unbarmherzig zu ...

Ich wünsche mir, dass Sie diese Abenteuer genießen wie ich einst die Fahrt von Odysseus und bald darauf die der SOL!

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Verkünder des Sonnenboten (706) von H. G. Francis; Der Arenakämpfer (707) von H. G. Ewers; Zwischenspiel auf Saturn (708) von Clark Darlton; Stahlfestung Titan (709) von William Voltz; Raumschiff in Fesseln (710) von Hans Kneifel; Die Unendlich-Denker (711) von Ernst Vlcek sowie Am Rand der 7. Dimension (712) von H. G. Francis.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540

Prolog

Wir schreiben das 36. Jahrhundert.

In der Milchstraße herrschen die Laren. Lordadmiral Atlan konnte einem Teil der Menschheit in der Dunkelwolke Provcon-Faust eine sichere Zuflucht schaffen und das Neue Einstein'sche Imperium gründen. Doch auf Dauer in Isolation zu leben ist nichts für Atlan und die Menschen. Als ein fremdes Raumschiff erscheint und der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht, erwacht neue Hoffnung ...

Milchstraße

3580

1.

»Ein Lichtstrahl wird kommen und die Galaxis durchdringen. Er wird euer Dasein erhellen, und in ihm wird die Freiheit neu geboren werden.«

Aranes, Prophet, im Jahr 3560, anlässlich der Einweihung des Vhrato-Galakteons von Sol-Town (Gäa)

»Ich brauche ein Gleitertaxi, Mann. Weil ich möglichst viel von Sol-Town sehen will. Ich komme nicht alle Tage in die Hauptstadt.«

»Nach rechts halten, Alter. Der Antigrav bringt Sie nach oben.«

»Danke. Vhrato möge Ihnen auf die Schulter klopfen, sobald er nach Sol-Town kommt.«

»Mit Vhrato scherzt man nicht, Mister.«

»Habe ich das getan?« Der weißhaarige Besucher humpelte weiter, bis ihn das Antigravfeld erfasste und zum Gleiterterminal emportrug. Ohne zu zögern, stieg er in die nächste Maschine.

Das Randgebiet von Sol-Town fiel unter dem Gleiter zurück. Aus der Höhe waren die drei Ringsegmente der Stadt deutlich zu erkennen. Im Zentrum erhoben sich die Verwaltungs- und Geschäftsgebäude der großen Industrien, der Banken und Versicherungsgesellschaften. Ein breiter Grüngürtel trennte die City von den Vergnügungs- und Einkaufsstätten.

Der Weißhaarige warf nur einen flüchtigen Blick auf die Wohninseln des äußeren Rings. Sol-Town trug alle Kennzeichen einer durchgeplanten Stadt. Die Wohn- und Geschäftsgebäude, Stadien und Vergnügungspaläste waren Werke der fantasievollsten Architekten von Gäa.

»Ich benötige eine Interkomverbindung.« Der Alte nannte eine Kennung. Gleich darauf erschien die Holoprojektion eines männlichen Gesichts. Wasserhelle Augen blickten ihm überrascht entgegen.

»Kaiser Karl – bei allen Provcon-Geistern, was suchen Sie in Sol-Town? Ich glaubte, Sie jagen zu dieser Jahreszeit Großwild am Nordpol.«

»Irrtum, Vancon, ich bewundere soeben unsere neue Hauptstadt aus der Luft.«

»... und wie finden Sie Sol-Town?«

»Hübsch, Commander, wirklich. Aber ich fürchte, hier gibt es kein Bier.«

»In Sol-Town wird ein Bier serviert, das besser ist als alles, was es je auf der Erde gab.« Tabhun lachte. »Ich lade Sie ein. Der Gleiter bringt Sie zu mir, positronische Peilung und so. Am besten, Sie überlassen das mir.«

Nur Minuten vergingen bis zur Landung. Als Karl den Ausstieg öffnete, eilte ein hochgewachsener Mann auf ihn zu. Langes blondes Haar umwehte sein Gesicht.

»Hallo, Kaiser!«, rief er und streckte lachend die Hand aus.

»Wo gibt es das Bier?«, war die ganze Antwort.

Der Kommandant zog Kaiser Karl, der über seine morschen Knochen jammerte, durch ein erleuchtetes Portal. Ein Roboter zählte ihnen die angebotenen Vergnügungen auf.

Vancon Tabhun führte den Weißhaarigen in eine schummrig erleuchtete Bar. Obwohl nur wenig Gäste die Theke belagerten, setzten sie sich in eine Nische.

»Was ist das?« Kaiser Karl deutete kopfnickend auf ein kleines Gerät mitten auf dem Tisch. »Eine Transmitterimitation?«

»Bewahre!«, entgegnete der Kommandant. »Wir befinden uns in der Transmitterbar. Passen Sie auf!« Seine Finger tippten rhythmisch auf die Tischplatte. Zwischen den miniaturisierten Transmittersäulen entstand ein schwarzes Transportfeld, und Sekunden später materialisierte ein Glas Bier.

»Bestellen Sie mir auch eins!«, bat Kaiser Karl.

»Das ist für Sie.« Der Oberst orderte ein zweites Glas. »Zum Wohl, Kaiser Karl.« Er prostete dem Alten zu.

»Lassen wir das Förmliche!«

»Danke, Kaiser.«

»Auf deine Gesundheit, Vancon!« Kaiser Karl nahm einen tiefen Schluck, wischte sich dann mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. »Das Leben ist langweilig geworden«, seufzte er. »Ich fürchte, dass mir die Pensionierung nicht bekommt. Ich will wieder hinaus ins All und fremde Planeten sehen ...«

Tabhun lächelte. »Wenn jemand genug Geld für eine solche Privatreise hat, dann wohl du.«

»Ich habe etwas mehr ausgegeben als zuträglich. Deshalb bin ich ja in die neue Hauptstadt gekommen.«

»Das verstehe ich nicht.«

Die nächsten beiden Biere orderte Kaiser Karl. »Ich war zu einem Organgeschäft gezwungen«, sagte er unvermittelt.

»Organgeschäft? Du scherzt. So etwas gab es früher.«

»Heute auch noch. Die Mediziner brauchen wieder Organe für die Mucys.«

»Ausgeschlossen, Kaiser. Multi-Cyborgs sind synthetisch gezüchtete Lebensformen. Für die braucht niemand Organe.«

»Eben doch, Vancon. Die Herstellung der Cyborg-Gehirne stößt auf enorme Schwierigkeiten. Die Biochemiker und Biophysiker unserer Neuen Menschheit gehen deshalb bei der Produktion der Mucys den Weg des geringsten Widerstands. Sie integrieren in das hochwertige Zellgewebe der synthetischen Gehirne siganesische Mikropositroniken.«

»Davon habe ich gehört, Kaiser.«

»Aber das ist nicht immer möglich. Bei gewissen Einsätzen würden die Energieschwingungen der Positronik einen Mucy verraten.«

»Das ist klar. Aber was hast du damit zu tun? Du bist ein alter Mann.«

»So alt auch nicht, Vancon. 146 Jahre sind nicht viel.« Kaiser Karl hustete gequält. »Aber zurück zum Thema: Für solche Cyborgs verwenden die Konstrukteure organische Zellverbindungen aus den Plasmavorräten der Hundertsonnenwelt, aber auch Hirngewebe kürzlich verstorbener Menschen.«

»Ach, und du ...?«

Kaiser Karl lächelte. »Meine Großmutter sagte immer: Junge, sieh zu, dass du irgendwie überlebst. Sie selbst hat das zwar nicht geschafft, aber ich ...? Einfach abwarten.«

»Verdammt, Kaiser, ist das ein Leben? Als Gehirnteil eines Mucys zu existieren ...« Vancon Tabhun schüttelte sich.

»Ich brauche Geld, und die Mucy-Meister geben es mir, sobald ich unterschrieben habe. Danach mache ich ein Fass Bier auf. Und ich lade dich und deine Offiziere heute schon dazu ein.«

»Tut mir Leid, Kaiser, aber wir müssen ablehnen.«

»Unsinn. Das gibt es nicht.«

»Wir haben einen Spezialauftrag.«

»Außerhalb der Provcon-Faust?«

»Da die Information ohnehin nicht in die Galaxis gelangen kann: Du hast Recht.«

»Aber damit verstößt der Lordadmiral gegen den mit dem Konzil ausgehandelten Status quo«, sagte Kaiser Karl besorgt. »Unsere Feinde warten nur darauf, dass wir die Provcon-Faust verlassen. Einem Kerl wie Leticron käme das gerade recht. Für ihn wäre ein solches Unternehmen Anlass, massiv gegen die Menschheit vorzugehen.«

»Glaube mir, Kaiser, Atlan setzt das Neue Einstein'sche Imperium nicht ohne weiteres aufs Spiel. Er weiß, was er tut. Außerdem spielt Leticron heute kaum noch eine Rolle. Sein Nachfolger soll ein anderer, weniger harter und grausamer Hetran sein, aber das weiß niemand genau.«

Kaiser Karl kratzte sich ungeniert. »Dennoch, Vancon, lieber einmal mehr darüber nachgedacht.«

»Atlan hat das bestimmt getan. Er geht kein unkalkuliertes Risiko ein.«

Kaiser Karl trank hastig. Seine Hand zitterte. Hart stellte er das Glas auf den Tisch zurück. »Tu mir einen Gefallen, Vancon – nimm mich mit!«

»Was hast du gesagt?«

»Ich sagte, nimm mich mit!«, wiederholte Kaiser Karl. Gleichzeitig schlug er sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel und sagte drohend: »Benimm dich!«

»Ich verstehe weder das eine noch das andere.« Vancon blickte sein Gegenüber verwirrt an.

»Eines würde schon genügen«, seufzte der Alte. »Ich halte es auf Gäa nicht mehr aus. Ich will noch einmal hinaus in die Galaxis, bevor ich als Gehirnfragment in einem Cyborg mein Dasein beschließe.«

»Kaiser, Alter, das ist vollkommen unmöglich. Ich kann dich nicht mitnehmen.«

»Nichts ist wirklich unmöglich. Diese Feststellung traf schon meine Großmutter, und sie war eine ungeheuer kluge Frau.«

Oberst Tabhun verzog die Mundwinkel. »Wie lange ist es her, dass du die Milchstraße gesehen hast?«

»Ungefähr hundertzwanzig Jahre, Vancon. Das war im Land der Dreemer, wo ich mein Bein verlor.« Karl kratzte sich am Oberschenkel.

»Du hast ein neues Bein bekommen, Kaiser?«

»Ja, aber was für eins! Es nimmt sich Frechheiten heraus.«

Tabhun lachte. »Hundertzwanzig Jahre sind eine verdammt lange Zeit, Kaiser. Trotzdem kann ich nichts für dich tun.«

Kaiser Karl schob das leere Glas in den Miniaturtransmitter zurück und wartete darauf, dass es entmaterialisierte. »So ist das«, sagte er resignierend. »Sobald man alt wird, muss man verzichten. Ich habe mich wohl damit abzufinden. Obwohl meine Großmutter immer sagte: Gib nie auf, Junge! – Wie heißt dein Schiff, Vancon?«

»Es ist der Schwere Kreuzer DOOGEN. Sobald wir zurück sind, lade ich dich an Bord ein. Dann lernst du meine Mannschaft kennen.«

»Wann startet das Schiff?«

»Morgen, Kaiser. Deshalb kein weiteres Bier mehr. Ohnehin habe ich noch eine Besprechung mit Atlan.« Vancon Tabhun erhob sich. Er klopfte Kaiser Karl wohlwollend auf die Schulter. »Vielleicht ergibt sich doch noch eine Möglichkeit für dich«, sagte er tröstend. Aber das klang nur ausweichend.

»Bestimmt, Vancon«, sagte der Alte schwer. »Irgendeine Möglichkeit findet sich immer.«

Robeyn Woys öffnete die Wohnungstür und blickte fragend auf den weißhaarigen Mann, der leicht schwankend vor ihm stand.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Sie sind Ingenieur Woys? Natürlich. Ich muss mit Ihnen reden.« Kaiser Karls Aussprache wirkte ein wenig schwerfällig. »Darf ich eintreten?«

»Bitte«, entgegnete Woys befremdet. Er wollte nicht unhöflich sein, zumal er eine gewisse Neugierde nicht leugnen konnte.

Kaiser Karl ging mit unsicheren Schritten auf einen Antigravsessel zu und ließ sich hineinsinken. Ächzend streckte er die Beine aus.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Ingenieur erneut.

»Verzeihen Sie, Sir, mir fällt das Reden schwer. Mein Hals ist ausgetrocknet. Haben Sie etwas zu trinken? Übrigens: Karl, Kaiser Karl mein Name.«

»Möchten Sie einen Schluck Wasser?«

»Nein, das nicht.«

Der Ingenieur holte zwei Gläser Fruchtsaft. Karl nippte nur daran. »Schießen Sie los«, forderte Woys ihn auf. »Ich habe nicht allzu viel Zeit.«

»Ich will Sie auch nicht lange aufhalten.« Mit einem Ausdruck von Missfallen musterte Kaiser sein Glas. »Sie sind Ingenieur und arbeiten im Wartungsteam der DOOGEN?«

»Wir führen notwendige Reparaturen aus. Warum fragen Sie?«

Kaiser Karl kratzte sich am Bein. Er streckte es aus und spannte die Muskeln an. Dann legte er es ächzend über das andere. »Verdammtes Biest.« Klatschend schlug er mit der flachen Hand auf den Schenkel.

»Ist Ihnen nicht wohl?«

»Doch, doch. Das Bein will nur nicht immer so wie ich. Es ist ein Organtransplantat, verstehen Sie? – Ach ja, ich wollte eigentlich fragen, ob Sie mich in Ihr Team aufnehmen.«

»Sie?« Robeyn Woys reagierte ungläubig. Er blickte Kaiser abschätzend an und schüttelte den Kopf. »Sie machen zwar den Eindruck, als ob Sie in einer für Ihr Alter beachtlichen Form wären, aber das Team ist komplett.«

»Ich zahle gut.«

Woys' Augen weiteten sich. »Jetzt begreife ich. Sie erwarten, dass ich Sie an Bord bringe und dort zurücklasse? Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage.« Der Ingenieur stand auf. »Unser Gespräch ist beendet.«

»Hören Sie, Mister Woys, ich will doch nur ...«

»Nein.«

»Lassen Sie bitte mit sich reden.«

»Nein.«

»Ihr letztes Wort?« Kaiser Karl erhob sich. Er musste sich an der Sessellehne abstützen. Dann hinkte er zur Tür. Dort blieb er stehen und schaute dem Ingenieur in die Augen. »Ich glaube, mir ist nicht gut.«

»Ich würde eher sagen, Sie haben sich Mut angetrunken, bevor Sie zu mir kamen.«

»Vielleicht können wir uns doch einigen?«

Robeyn Woys schüttelte stumm den Kopf.

»Dann jedenfalls danke für den Saft.« Der Alte tippte grüßend mit dem Zeigefinger an die Stirn und ging. Erst ein Stück weit entfernt blieb er stehen, schlug mit der flachen Hand auf sein rechtes Bein und fluchte.

»Deinen Traum von den Sternen kannst du vergessen«, sagte er leise zu sich selbst.

Lordadmiral Atlan erhob sich hinter seinem Arbeitstisch, als Oberst Vancon Tabhun gemeinsam mit einem Adjutanten eintrat. Er reichte dem Kommandanten die Hand.

Tabhun ist nicht der richtige Mann für diesen Auftrag, meldete sich sein Extrahirn. Atlan war überrascht. Er konnte sich nicht erklären, weshalb der absolut nüchtern denkende Sonderteil seines Hirns zu dieser Feststellung gelangt war.

Warum nicht?, dachte er zurück.

Er ist zu schön.

Das mindert seine Qualifikation nicht.

Oberst Tabhun ahnte nichts von dem stummen Zwiegespräch Atlans mit sich selbst. Er setzte sich, als der Arkonide ihm Platz anbot. Atlan missachtete die Warnung seines Logiksektors, obwohl er sich sonst intensiv mit derartigen Bemerkungen auseinander setzte. Der Kommandant sah in der Tat ungewöhnlich gut aus. Das goldblonde Haar umrahmte ein schmal geschnittenes Gesicht mit klaren Linien, hellen Augen und einem etwas zu vollen Mund.

»Oberst«, begann der Arkonide, »Sie wissen, dass sich die Situation in der Galaxis in den vergangenen einhundertzwanzig Jahren beruhigt hat. Nach dem Verschwinden der Erde ist alles anders geworden. Wir haben einen akzeptablen Status quo mit dem Konzil erreicht, und wir planen auch nicht, diese Situation entscheidend zu verändern. Die Neue Menschheit fühlt sich wohl auf Gäa. Dennoch können wir nicht dauerhaft auf Informationen aus der Milchstraße verzichten.« Atlan unterbrach sich, weil der Adjutant jedem Kaffee einschenkte. »In der Provcon-Faust sind wir vor dem Konzil sicher, weil niemand ohne Hilfe der Vincraner die Energiewirbel durchfliegen kann. Und die Vincraner stehen fest auf unserer Seite. Wir können uns also vorsichtig in die Galaxis hinaustasten, ohne allzu viel zu riskieren. Wie wir wissen, wurden inzwischen alle Strafplaneten aufgelöst. Das heißt aber nicht, dass in der Galaxis keine Terraner mehr leben, ob frei oder als Sklaven. Aber darüber liegen uns so gut wie keine Informationen vor. Ihre Aufgabe, Oberst Tabhun, wird es sein, in der Milchstraße Nachforschungen nach Terranern und Terra-Abkömmlingen anzustellen. Ebenso hinsichtlich der anderen galaktischen Völker. Über Arkoniden, Akonen, Springer, Aras, Blues sollte alles erfasst werden, was zu erfahren ist. Ich erwarte zwar nicht, dass diese Gruppen Schwierigkeiten bereiten werden, aber das kann niemand mit letzter Gewissheit sagen. Darüber hinaus müssen Sie die strategischen Schwerpunkte des Konzils in der Galaxis aufspüren. Leider haben sich unsere Hoffnungen auf die Untersuchungskommission der Greikos nicht erfüllt. Wir sind daher zu dem Schluss gekommen, dass wir auf lange Sicht wieder gegen das Konzil antreten müssen. Aber das ist nicht Ihre Aufgabe.«

»Für das alles werde ich viel Zeit benötigen, Lordadmiral. Jede kämpferische Auseinandersetzung wäre da fehl am Platz.«

»Richtig, Oberst. Aber die schwierigste Aufgabe habe ich Ihnen noch nicht genannt. Sie müssen ins Solsystem vorstoßen und einen Mann abholen, der seit Jahren als geheimer Beobachter für uns arbeitet. Sein Name ist Kalteen Marquanteur.«

Atlan trank einen Schluck Kaffee. Dabei überlegte er kurz, ob er dem Oberst erklären sollte, dass sich hinter dem Namen Marquanteur sein früherer Stellvertreter, der Zellaktivatorträger Ronald Tekener, verbarg. Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Tabhun durfte nur die unbedingt nötigen Informationen haben. Was er nicht wusste, konnte er im Fall eines Misserfolgs auch nicht verraten.

Atlan erhob sich. »Ich hoffe, damit ist alles geklärt. Sie erhalten alle die Unterlagen schriftlich. Vernichten Sie das Material, sobald Sie es durchgearbeitet haben.« Er reichte dem Kommandanten die Hand. »Und hüten Sie sich vor den Überschweren. Leticron wartet vermutlich nur darauf, dass wir gegen den Status quo verstoßen.«

»Vielen Dank«, sagte Kaiser Karl. »Es ist nicht nötig, dass Sie mich begleiten. Ich finde mich schon zurecht.«

»Gleich rechts um die Ecke, dort ist es.« Die alte Dame blickte Karl wartend an. Sie hoffte, dass er sie auffordern würde, ihm Gesellschaft zu leisten.

»Ich finde es wirklich allein.« Er verneigte sich linkisch und humpelte weiter. An der Gebäudeecke blickte er zurück. Die Frau stand wie angewurzelt immer noch auf dem gleichen Fleck. Sie winkte und bedeutete ihm, dass er nach rechts gehen sollte. Kaiser Karl eilte weiter.

Das Hochhaus ruhte auf einem kantigen Sockel und schraubte sich wie eine Spirale bis zu den tief hängenden Wolken hinauf. Kaiser Karl stand vor einer halbhohen Mauer aus nordgäanischem Kalkgestein. Zwanzig Meter entfernt parkte ein großer Reparaturgleiter. Robeyn Woys, der Ingenieur, verließ gerade die Materialkammer der Maschine und eilte ins Gebäude. Zwei weitere Männer verschwanden mit ihm.

Kaiser legte die Hände auf die Mauerkrone, zog sich hinauf und schwang sich auf die andere Seite. Eilig lief er auf den Gleiter zu, kletterte in den Laderaum und drückte sich hinter einem positronischen Konvertertester an die Wand. Er zog die Beine an und umschlang sie mit beiden Armen. Dann wartete er. Minuten verstrichen, bis sich Stimmen näherten. Karl erkannte Robeyn Woys. Er versuchte, jetzt weniger hastig zu atmen. Der kurze Lauf hatte ihn doch mehr angestrengt, als er zugegeben hätte.

Die Männer blieben vor dem Laderaum stehen. Sie redeten über Belanglosigkeiten. Kaiser schwitzte. Er schnaufte immer noch und fürchtete, sich zu verraten.

Plötzlich wurde es still draußen.

Kaiser Karl versteifte sich. Hatten die Männer ihn entdeckt? Dann war seine letzte Chance verspielt, auf die DOOGEN zu gelangen.

Endlich fiel die Tür zu. Karl hörte, dass die Männer um den Gleiter herumgingen. Erleichtert streckte er die Beine aus.

Die Maschine hob ab.

Minuten später drangen die Geräusche eines startenden Raumschiffs herein. Das war der Moment, in dem Karl erstmals an seinen in aller Eile zusammengetragenen Informationen zweifelte. Hatte er sich geirrt, wurde der Gleiter gar nicht an Bord der DOOGEN erwartet?

Irgendwo in der Nähe glitt ein großes Schleusenschott auf. Kaiser Karl lauschte angestrengt. Also doch! Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass der Gleiter an Bord eines Schiffs einflog. Das konnte nur die DOOGEN sein. Kaum spürbar setzte die Maschine auf.

Kaiser Karl wartete, bis sich die Männer entfernten, dann kroch er zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Er befand sich wirklich in einem Hangar. Nur zwanzig Schritte entfernt stand eine Space-Jet.

Lautlos schob er sich nach außen und spähte um die Ecke. Niemand war zu sehen. Er eilte auf die andere Seite – und fuhr erschrocken zurück. Kaum drei Meter vor ihm kniete ein Mann auf dem Boden vor einem quadratischen Loch und arbeitete an mehreren Steckverbindungen. Er wandte ihm den Rücken zu.

Kaiser Karl prallte zurück, duckte sich wieder hinter den Gleiter, zog die Stiefel aus und eilte auf die Space-Jet zu. Er hatte sie fast erreicht, als das Hauptschott geöffnet wurde. Stimmen erklangen. Mit einem verzweifelten Satz warf Karl sich in die Schleuse der Jet. Er stürzte, konnte aber im letzten Moment verhindern, dass die Stiefel auf den Boden polterten. Dabei prellte er sich die Schulter. Vom Schmerz fast betäubt, blieb er liegen, bis sich Schritte näherten. Auf allen vieren verließ er die Schleuse nach innen und suchte hinter einem Pfeiler klägliche Deckung.

Jemand betrat die Jet.

Karl hielt den Atem an, als ein Mann kaum einen Meter an ihm vorbeiging, ohne ihn zu bemerken. Der andere schwang sich in den Liftschacht und ließ sich nach oben tragen.

Auf Zehenspitzen huschte Kaiser Karl weiter zu einem Mannschott. Der Zugang führte zu den Sprungfeldgeneratoren.

Nicht gerade gemütlich, aber besser als nichts, dachte er. Er betrat den Raum und setzte sich auf einen der Hochenergiewandler. Er tastete seine Jackentaschen ab, fand eine Zigarettenpackung und zog eine Vitaminzigarette heraus. Doch als er sie zwischen die Lippen stecken wollte, kamen ihm Bedenken. Der Geruch konnte ihn verraten, falls jemand wider Erwarten hier erschien.

Eine Stunde verstrich. Dann glitt das Schott wieder auf. Im letzten Moment zog Karl sich hinter einen Generatorblock zurück. Ein Techniker begann, den Hochenergiewandler zu prüfen.

Fassungslos sah Kaiser Karl zu. Er hatte keine Ahnung, was diese ungewöhnliche Aktion bedeutete. Normalerweise wurden Beiboote in der Werft inspiziert.

Nach geraumer Zeit wandte sich der Techniker dem nächsten Aggregat zu. Kaiser Karl glaubte, sich ausrechnen zu können, dass der Spezialist ihn in einigen Stunden entdecken würde. Das Warten wurde zur Qual.

Irgendwann wandte der Mann sich dem Generator zu, hinter dem Karl kauerte. In diesem Moment näherten sich Schritte.

»Alles klar, Ryot?« Das war die Stimme von Ingenieur Woys.

»Alles klar. Nur das eine Aggregat fehlt noch.«

»Das hat Zeit bis später. Wir brauchen deine Hilfe.«

Der Monteur verließ die Kammer, und Karl richtete sich vorsichtig auf. Lautlos suchte er sich ein neues Versteck.

Nur Minuten später kehrte der Techniker zurück. Spätestens jetzt hätte er den blinden Passagier entdeckt.

2.

Als das Raumschiff startete, hielt Kaiser Karl es nicht mehr im Generatorraum aus. Er hoffte einfach, dass sich außer ihm niemand an Bord des Space-Jet aufhielt.

Im Antigravschacht ließ er sich nach oben in die Zentrale tragen. Er war wirklich allein.

Über den Servo versorgte er sich mit einem Frühstück aus heißem Kaffee, gebratenen Eiern und Speck. Bislang hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, etwas zu essen. Er nahm im Sessel des Funkleitoffiziers Platz. Die Holoschirme bauten sich auf. Über den Informationskreis des Mutterschiffs konnte Karl nun eine Fülle von Daten beziehen. Sehr schnell stand fest, dass er wirklich an Bord der DOOGEN gelangt war.

Karl war mit sich und der Welt zufrieden.

Kurz nachdem Lordadmiral Atlan die Nachricht erhalten hatte, dass drei Vincraner an Bord der DOOGEN gegangen waren, um das Schiff aus der Provcon-Faust auszufliegen, wurde ihm ein Nachtrag zu Artikel 29 der Gäa-Gesetze übermittelt.

Artikel 29 legte fest, dass die Neue Menschheit des Neuen Einstein'schen Imperiums – kurz NEI genannt – als Symbol der Verbundenheit mit Terra die Zeitrechnung der verschollenen Erde beibehielt. Atlan hatte stets diese Regelung befürwortet, die von einigen Gegnern leidenschaftlich bekämpft worden war. Vor allem die jüngeren Generationen plädierten für eine gäanische Zeitrechnung, die mit der Landung des ersten terranischen Raumschiffs auf Gäa begann. Sie hatten sich nicht durchsetzen können.

Der Arkonide als unumschränktes Oberhaupt des NEI setzte seine positronische Signatur unter die Datei: Lordadmiral Atlan, Gäa, Sol-Town, 10. 8. 3580.

Dann wechselte er in ein Forschungszentrum im zweiten Ring von Sol-Town über. Er landete seinen Gleiter in einem weiten Innenhof.

»Vorsicht, Sir!«, brüllte jemand, als er ausstieg.

Ein Überschwerer rannte auf ihn zu, in der Armbeuge einen schweren Thermostrahler. Ein zweiter Überschwerer folgte. Der Arkonide sprang im letzten Moment vor den beiden Kolossen zur Seite. Der Boden bebte unter der Wucht ihrer Schritte.

Völlig unerwartet wirbelte der fliehende Überschwere herum, riss seine Waffe hoch und feuerte auf den Verfolger. Der war fast heran, tauchte gedankenschnell unter dem Energiestrahl hinweg und warf sich mit einem gewaltigen Sprung vorwärts. Seine Rechte entriss dem anderen den Strahler, die Linke schlug wie eine Dampframme ins Gesicht des Gegners. Der lachte nur und setzte sich zur Wehr.

Die Umweltangepassten droschen aufeinander ein, ohne sich vom Fleck zu bewegen. Fast schienen sie mit dem Untergrund verwachsen zu sein. Doch änderte sich die Situation blitzschnell. Einer von beiden setzte einen Hamakathgriff an und schleuderte den anderen kraftvoll zu Boden, wobei er es ihm unmöglich machte, sich abzurollen. Dennoch brach sich der Unterlegene nicht das Genick, weil er seinen Nacken im letzten Moment mit den angewinkelten Armen schützte. Nur benommen blieb er liegen und bäumte sich auf, als der Gegner glaubte, leichtes Spiel zu haben. Seine Beine schlangen sich um die Hüften des anderen, seine Fäuste prallten mit voller Wucht gegen die Brust des Gegners. Und mit diesem Hieb schien er eine entscheidende Stelle getroffen zu haben, denn der Mann sank ächzend auf die Knie. Weder schnell noch entschlossen genug versuchte er, einen weiteren Angriff auf sich abzuwehren. Ein sonnengebräunter blonder Mann näherte sich Atlan.

»Es ist gut, Kertan Tigentor«, sagte er. »Gehen Sie ins Haus zurück. Sie auch, Vross Barratill.«

Die beiden Überschweren gehorchten. Ohne Lordadmiral Atlan zu beachten, verschwanden sie im Innern des Forschungsgebäudes.

»Entschuldigen Sie, Sir, das sollte keine Demonstration sein«, sagte der Blonde. »Es handelte sich um eine kurzfristig angesetzte Übung. Wir glaubten, sie rechtzeitig vor Ihrem Eintreffen abschließen zu können.«

»Schon gut, Menniger«, erwiderte Atlan. »Es hat mich interessiert, die Mucys kämpfen zu sehen. Sie scheinen gut gelungen zu sein.«

»Wir sind zufrieden, Sir.«

Der Arkonide blickte auf sein Chronometer. »Ich will mich nicht lange aufhalten. Die Besprechung findet eine halbe Stunde später statt.«

»Das kommt uns gelegen, Sir. Wir sind ohnehin zeitlich knapp.«

Der Lordadmiral reichte dem Chemotechniker die Hand, stieg wieder in seinen Gleiter und startete. Firt Menniger kehrte ins Forschungsgebäude zurück.

Die beiden Überschweren erwarteten ihn. Aus einem nebenan liegenden Ruheraum kam ein weiterer Überschwerer herüber. Schweigend blickten sie Menniger an.

»Wie fühlt ihr euch?«, fragte der Techniker.

»Ausgezeichnet«, antwortete Kertan Tigentor. Die beiden anderen nickten zustimmend.

»Ich fühle leichte Schmerzen in der Schulter«, erklärte Vross Barratill. »Jedoch sind keine Schäden feststellbar.«

»Damit habe ich auch nicht gerechnet«, sagte Menniger abweisend. »Knochenbrüche sind so gut wie ausgeschlossen.« Übergangslos fuhr er fort: »Eure Aufgabe ist fest umrissen. Findet den Überschweren Leticron und tötet ihn, bevor es ihm gelingen kann, sich eine neue Machtposition in der Galaxis aufzubauen – falls das nicht schon geschehen sein sollte.«

»Und wenn es so ist?«, fragte Barratill. »Wenn er schon wieder ein Machtfaktor ist?«

»Dann ändert das nichts, in so einem Fall ist es noch wichtiger für euch, den Auftrag konsequent zu erledigen.«

Menniger verließ den Raum. Die drei Multi-Cyborgs blieben allein zurück.

»Warum benimmt er sich manchmal so?«, fragte Barratill. »Ich verstehe ihn nicht.«

»Er meint es nicht böse.« Tigentor erhob sich und öffnete die Tür zu einer Hygienekabine. Er legte seine Kombination ab und stellte sich in die Waschzelle. Mit Reinigungsmitteln versetztes Wasser übersprühte seinen makellos gewachsenen Körper. »Manchmal tut Firt Menniger so, als ob wir keine Menschen wären«, sagte er laut, um das Rauschen zu übertönen. »Sind wir Menschen?« Er streckte seinen kantigen Kopf durch das tosende Wasser und blickte die beiden anderen Multi-Cyborgs herausfordernd an. Sie blickten stolz zurück.

»Natürlich«, erwiderte Ertyn Grammlond. »Wenngleich wir zurzeit die grünhäutigen Masken der Überschweren tragen.«

»Das ändert nichts«, erklärte Barratill. »Wir sind nur so ausgestattet worden, weil wir sonst keine Chance hätten, uns Leticron zu nähern. Wenn es stimmt, was Menniger von ihm erzählt hat, muss er ein wahrer Teufel sein.«

»Du glaubst, Menniger hat gelogen?«, fragte Grammlond überrascht.

»Wenn er es getan hat, dann bestimmt nicht absichtlich«, antwortete Barratill. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas tun würde. Vielleicht wollte er uns nur auf die Probe stellen, als er diese Dinge über Leticron erzählte.«

»Leticron muss jedenfalls ein wichtiger Mann sein«, stellte Tigentor fest. Er verließ die Kabine, nachdem ihn ein heißer Luftstrom abgetrocknet hatte. Ruhig legte er seine Kleidung wieder an. »Glaubt ihr wirklich, Atlan würde uns mit den Mutanten vereinen wollen?«

Barratill lächelte. »Es muss ein wundervolles Gefühl sein, so eng mit einem Mutanten verbunden zu sein, dass du eins mit ihm wirst. Ich glaube, ich werde mit Wuriu Sengu zusammengehen.« Er erhob sich und atmete tief ein. Seine Augen leuchteten.

»Ich gestehe, dass mich Mennigers Vertrauen stolz macht.«

»Nicht Menniger«, verbesserte Tigentor. »Lordadmiral Atlan hat die Entscheidung getroffen.«

Tigentor vollführte einen Hamakath-Schattenkampf gegen einen unsichtbaren Gegner. »Atlan geht ein ungeheuer großes Risiko ein. Er bricht die mühsam ausgehandelten Vereinbarungen mit dem Konzil, weil die Neue Menschheit nicht für alle Zeiten in der Provcon-Faust eingesperrt sein will, und wir müssen uns um die Brüder und Schwestern kümmern, die noch in der freien Galaxis leben.« Er blieb stehen und blickte die beiden anderen Multi-Cyborgs an. »Ist euch eigentlich klar, wie viel Vertrauen Atlan uns wirklich schenkt? Und wisst ihr, welche Verantwortung wir haben? Falls wir gefangen werden und herauskommt, dass wir zum Neuen Einstein'schen Imperium gehören, wird Lordadmiral Atlan Schwierigkeiten bekommen. Er muss sich voll auf uns verlassen können, sonst scheitert sein Unternehmen.« Er führte den Schattenkampf fort. »Denkt einmal darüber nach, warum Atlan uns für diesen wichtigen Einsatz ausgesucht hat. Uns, Kertan Tigentor, Vross Barratill und Ertyn Grammlond. Wir haben die Chance, uns auf den ersten Seiten der Geschichte des NEI zu verewigen. Was wollen wir mehr? Keiner von uns hat Grund, wegen seiner Herkunft Komplexe zu entwickeln. Im Gegenteil.«

Ertyn Grammlond sprang auf und stellte sich Tigentor zum Kampf. Sie fochten miteinander, ohne sich zu berühren. Barratill beobachtete sie, und ein stolzes Lächeln umspielte seine Lippen.

Dass Lordadmiral Atlan sie nicht allein, sondern gemeinsam mit den Altmutanten Tako Kakuta, Wuriu Sengu und Betty Toufry in die Galaxis hinausschicken würde, bedachte er nicht. Und selbst wenn, wäre ihm die tiefere Bedeutung dieser Entscheidung vermutlich nicht aufgefallen.

Als Lordadmiral Atlan erneut im Innenhof des Forschungszentrums eintraf, erwartete ihn Projektleiter Professor Dr. Arnok Kamma schon.

»Alles ist vorbereitet«, sagte der Wissenschaftler. »Menniger wird die drei Mucys zu den Mutanten bringen.«

»Ausgezeichnet, Arnok.« Der Arkonide reichte dem Professor die Hand.

Kamma führte seinen Gast ins Haus.

»Wir sind mit dem Ergebnis unserer Arbeit außerordentlich zufrieden«, berichtete er. »Selten gelingt es, theoretische Überlegungen so präzise und schnell umzusetzen.«

Sie betraten einen Raum, der mit bequemen Sitzmöbeln, einem Tisch und Kommunikationsgeräten ausgestattet war. An einer Wand hingen 3-D-Fotos, die der Professor von den Landschaften Gäas gemacht hatte. »Wir können sagen, dass alle Versuche abgeschlossen sind«, erklärte Kamma. »Nun müssen sich die Mucys im harten Einsatz bewähren.«

Atlan griff nach einem Modell, das auf dem Tisch stand. Es veranschaulichte das Wesen der Multi-Cyborgs als synthetisch gezüchtete Lebensform. Dabei konnte von einer wirklichen Intelligenz nicht die Rede sein, obwohl die Multi-Cyborgs über einen Grundintellekt verfügten, der sie befähigte, im Rahmen eines Auftrages folgerichtig zu handeln. Obwohl sie sich als Menschen fühlten, waren sie das nicht wirklich.

»Wird sich ihre Intelligenz jemals beträchtlich steigern lassen?«, fragte Atlan.

»Darauf kann ich noch keine abschließende Antwort geben. Vorerst stößt die Produktion der Cyborg-Gehirne noch auf nahezu unüberbrückbare Schwierigkeiten. Wir sind auf positronische Zusatzhirne angewiesen. Bei Barratill und den beiden anderen haben wir Teile von Gehirnen Verstorbener verwendet, aber es gibt klare Grenzen. Ich glaube noch nicht daran, dass im Laufe der nächsten Jahrhunderte ein Durchbruch erzielt werden kann, der uns Genies züchten ließe.«

»Das wäre vermutlich auch kein Segen für das NEI.«

»Wahrscheinlich nicht. Augenblicklich ist uns wichtiger, dass die Mucys gut ausgebildet werden und es gelingt, sie zu integrieren. Kein Cyborg darf das Gefühl haben, als Außenseiter oder Monstrum angesehen zu werden.«

»Leider geschieht das immer wieder.«

»Das liegt in der Natur des Homo sapiens. Es wird stets Menschen geben, die den Cyborgs Verachtung zeigen, weil sie selbst unsicher sind. Aber selbst wenn ein Cyborg die Körpergröße eines Ertrusers oder Haluters hat, wird es nie eine Entladung aufgestauter Aggressionen geben. Wir prägen ihre Gehirne so, dass sie stets höflich bleiben.«

»Es sei denn, dass andere Eigenschaften für einen Einsatz benötigt werden.«

»Genau.« Professor Dr. Kamma blickte auf sein Chronometer. »Wir sind so weit. Wollen Sie selbst mit den Mucys sprechen?«

Der Arkonide erhob sich. »Ich werde ihnen ihre Aufgabe erklären. Es ist natürlich möglich, dass Kalteen Marquanteur Leticron bereits ausgeschaltet hat, aber das spielt vorerst keine Rolle. Die Multi-Cyborgs müssen so oder so ins Solsystem. Vermutlich werden wir lange Zeit nichts mehr von ihnen hören.«

»Haben Sie festgelegt, welches System die DOOGEN zunächst anfliegt?«

Atlan lächelte. »Oberst Tabhuns erstes Ziel ist nicht sehr weit entfernt«, sagte er ausweichend.

Wie alle Vakulotsen war der Vincraner dünn, als habe er seit Monaten nicht mehr richtig gegessen. Sein lang gezogener Schädel war fast haarlos. Mit großen grünen Augen, die einen seltsamen Kontrast zu der schneeweißen Haut bildeten, blickte er Oberst Tabhun an. Zusammen mit zwei Begleitern hatte er die DOOGEN aus der Provcon-Faust herausgeführt.

»Danke«, sagte Tabhun schlicht. Ohne die Hilfe der Vincraner hätte das Schiff niemals die freie Galaxis erreicht. Noch gab es keine Geräte, die Ähnliches leisten konnten wie die mutierten Sinne der Lemurernachfahren. Nur sie fanden den Weg durch die sich ständig verändernden Energiewirbel. Sie waren sich ihrer besonderen Fähigkeit ebenso wie der Abhängigkeit des NEI von ihnen bewusst, aber seit mehr als einhundertzwanzig Jahren hatten sich keine Schwierigkeiten mehr ergeben. Man verstand sich, wenngleich nie ein wirklich freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen und dem NEI entstanden war.

»Bitte«, entgegnete der Vincraner nicht weniger knapp.

Die drei Vakulotsen entmaterialisierten. Sie würden zurückkommen, sobald Tabhun sie bei seiner Rückkehr rief.

Die DOOGEN beschleunigte mit Höchstwerten. Sie raste ins Ungewisse und drang in das vom Konzil beherrschte Gebiet ein.

Vancon Tabhun betrachtete den Panoramaschirm, der ein Meer von Sonnen zeigte. In der Nähe des Zentrums der Galaxis standen die Sterne außerordentlich dicht.

Jeder bewunderte dieses einzigartige Bild. Endlich konnte die Besatzung des Schweren Kreuzers sehen, wie die Sterne außerhalb der Provcon-Faust wirklich waren. Diesen Eindruck hatten weder Filme noch 3-D-Fotografien vermitteln können.

Einhundertzwanzig Jahre sind eine lange Zeit, dachte Tabhun. Keiner von uns ist so alt.

Hätte ihm zu diesem Zeitpunkt jemand mitgeteilt, dass sich ein Mann an Bord befand, dem dieser Anblick vertraut war, er hätte die Meldung vermutlich als schlechten Witz abgetan.

Die Provcon-Faust war vielleicht das beste Versteck in der gesamten Galaxis. Es hatte jedoch den Nachteil, dass seine Staubhülle die Sterne verdeckte. Im Innenraum der Wolke gab es nur zweiundzwanzig Sonnen, die sehr dicht standen und viel Licht spendeten. Aber einem Vergleich mit der sprühenden Helligkeit des galaktischen Zentrums konnten sie nicht standhalten.

Fast bedauerte Oberst Tabhun es, als die DOOGEN zum Linearflug überging. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er auf einem fremden Planeten stand und den Sternenhimmel direkt bewundern konnte. Er empfand diesen Gedanken wie jemand, der nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurückkehrt. Dabei war er nie in seinem Leben außerhalb der Dunkelwolke gewesen. Die Ereignisse aus der Zeit vor einhundertzwanzig Jahren kannte er nur aus den Schulungsprogrammen.

»Es wurde Zeit, dass wir unsere Ansprüche anmelden«, murmelte er kaum hörbar.

Auf Gäa war er geboren worden. Gäa war das Machtzentrum des NEI. Mit dem Planeten identifizierte er sich ebenso wie die anderen an Bord. Das änderte aber nichts an seinem Gefühl, jetzt in eine Galaxis zurückzukehren, die von einer fremden Macht unrechtmäßig beherrscht wurde. Die Milchstraße war und blieb die Heimat der Menschen.

Vancon Tabhun empfand diesen Zustand als bedrückend. Für ihn stand fest, dass die Neue Menschheit dem Konzil neue Bedingungen abringen musste. Die Menschen mussten wieder frei sein, sie konnten nicht ewig unter einer Bedrohung existieren.

Und wenn es tatsächlich mit Hilfe des Sonnenboten geschieht, dachte er. Irgendwann muss die Macht des Konzils gebrochen werden.

Er fragte sich, woher die Gerüchte über den Sonnenboten stammten. Gab es Vhrato wirklich oder war er nur eine Erfindung, die Zentralfigur einer Pseudoreligion?

Vancon Tabhun erhob sich und verließ die Hauptleitzentrale. Seine Gedanken schweiften ab zum Caldohra-System. Prompt fragte er sich, ob die Bewohner dort auch an Vhrato glaubten oder ob es den Vhratoismus nur in der Provcon-Faust gab.

»Wahrscheinlich hat niemand eine Ahnung vom Sonnenboten«, seufzte er, als er sich in den Antigravschacht schwang.

Die DOOGEN blieb auf dem 17. Planeten des Caldohra-Systems zurück. Kommandant Tabhun flog mit einer Space-Jet zu den inneren Planeten.

»Nummer sechs und sieben waren zur Zeit des Solaren Imperiums Kolonialplaneten«, erklärte er. Dabei blickte er zu Captain Pete Woreman hinüber, der am Waffenleitstand saß. Sergeant Al Larris bediente die Funk- und Ortungsgeräte.

»Ich bin gespannt, was von den früheren Einrichtungen übrig geblieben ist«, sagte Woreman.

In schneller Fahrt näherte sich das kleine Raumschiff dem siebten Planeten.

»Ortung negativ, Sir. Keine anderen Raumschiffe im System«, meldete der Sergeant.

Ferisshon erwies sich als unwirtliche Welt mit niedrigen Durchschnittstemperaturen. In den lang gestreckten Tälern hatten sich einst die terranischen Kolonisten angesiedelt.

Sergeant Larris schüttelte den Kopf. »Nichts, absolut nichts. Keine Anzeichen einer Zivilisation, Sir. Da unten lebt niemand mehr.«

Vancon Tabhun schwieg. Er flog die Space-Jet in einen engen Orbit um den Planeten. Dann ließ er sie absinken und näherte sich einer größeren Stadt. Aus einigen tausend Metern Höhe war deutlich zu erkennen, dass sie unbewohnt war. Und es sah nirgends anders aus.

Die Space-Jet kehrte in den Weltraum zurück, beschleunigte und näherte sich dem sechsten Planeten.

»Ich bin gespannt, wie es auf Fretiklia aussieht«, sagte Captain Woreman. »Die Voraussetzungen waren dort besser. Die Bevölkerung war achtmal so groß wie die von Ferisshon.«

»Vielleicht sind die Siedler von Ferisshon nach Fretiklia übergesiedelt.«

»Das ist möglich, es scheint aber doch unwahrscheinlich.«

Aus großer Entfernung wies die Welt Ähnlichkeit mit der verschollenen Erde auf. Sie hob sich blau leuchtend vom schwarzen Hintergrund des Alls ab. Weiße Wolkenschleier überzogen das Äquatorgebiet.

Je näher die Space-Jet dem Planeten kam, desto deutlicher wurden die Unterschiede. Der Anteil der Meere an der Gesamtoberfläche war noch größer als auf der Erde. Die Kontinente verliefen hauptsächlich in westöstlicher Richtung, waren vielfach aufgerissen und von zahllosen Inselgruppen aufgelockert.

»Energieortung!«, meldete Sergeant Larris. »Da unten gibt es noch Kraftstationen geringer Kapazität.«

Der Kommandant ließ die Jet in die Atmosphäre des Planeten eintauchen und näherte sich einem Gebiet, das der Sergeant bestimmt hatte. Ausgedehnte Wälder zogen sich über Inseln und kleine Kontinente hinweg. Sie schienen aus riesigen Blättern zu bestehen, die ohne Stamm direkt aus dem Boden hervorwucherten. Aber dieser Eindruck täuschte, wie Tabhun bald feststellte, als die Jet über ein vulkanisches Gebiet hinwegglitt. Ein Vulkan hatte mit Gesteins- und Lavamassen Schneisen in die umliegenden Wälder gerissen. Deshalb konnte Tabhun deutlich erkennen, dass die Blätter auf einem Unterbau aus vielfach verästelten Stämmen ruhten, die ein nahezu undurchdringliches Dickicht bildeten. Die Blätter waren so groß, dass auf ihnen wiederum Büsche und kleinwüchsige Bäume wuchsen.

»Sehen Sie, dort!«, rief Captain Woreman, als sie eine Insel überflogen.

Eine Herde von Tieren, etwa so groß und so schwer wie terranische Elefanten, trottete gemächlich über eine Blattfläche hinweg.

Minuten später kamen die ersten Gebäude der Stadt in Sicht, die Sergeant Larris entdeckt hatte. Oberst Tabhun landete die Jet im Zentrum eines der kreisrunden Blätter. Vorsichtig setzte er das Raumschiff auf, ständig darauf gefasst, dass es durchbrechen würde. Doch die Pflanze hielt der extremen Belastung stand.

»Prüfen Sie den Unterbau, Captain!«, befahl der Kommandant. »Wir müssen wissen, ob wir die Jet hier stehen lassen können.«

Woreman verließ die Zentrale mit einigen Messgeräten. Er kehrte schon nach wenigen Minuten zurück und teilte mit: »Auf dem Blatt könnte ein Hochhaus errichtet werden, Sir. Es würde vermutlich auch einen Kreuzer tragen. Keine Gefahr für die Jet.«

Tabhun schaltete das Triebwerk ab. Das Raumschiff stand auf dem seltsamsten Landeplatz, den man sich vorstellen konnte. Etwa zwanzig Meter entfernt begann ein Wald. Blühende Büsche bildeten zudem dichtes Unterholz.

Der Oberst verließ die Zentrale, sank im Antigravschacht nach unten und öffnete das Schleusenschott. Captain Woreman und Sergeant Larris folgten ihm. »Eine schöne Welt«, sagte der Captain.

»Das soll sich erst noch erweisen«, entgegnete Tabhun nüchtern. »Wir wissen nicht, was Laren und Überschwere aus diesem Planeten gemacht haben, nur weil hier einmal terranische Siedler lebten. Sehen wir uns die Stadt also aus der Nähe an. Sie, Sergeant, bleiben hier und sichern die Jet.« Er bemerkte Larris' enttäuschtes Gesicht und lächelte. »Sie werden später Gelegenheit erhalten, sich umzusehen. Und denken Sie an die anderen an Bord der DOOGEN, von denen hat noch keiner eine fremde Welt betreten.«

»Ich werde dir helfen, die Zeit zu verkürzen«, sagte eine krächzende Stimme hinter ihnen.

Vancon Tabhun fuhr abrupt herum. Fassungslos blickte er auf die hagere Gestalt, die in der Schleuse stand.

»Was ... was, zum Teufel, treiben Sie hier?«, fragte er keuchend.

Kaiser Karl lachte fröhlich. »Aber Vancon, hast du schon vergessen, dass wir Freunde sind?«

Der Pensionär humpelte aus der Schleuse hervor und streckte dem Kommandanten die Hand entgegen. Oberst Tabhun übersah sie. Mit eisigem Blick fixierte er Kaiser Karl.

»Das werden Sie noch bereuen, Mister«, erklärte er drohend. »Sergeant, sperren Sie den Mann ein!«

Larris legte Kaiser Karl die Hand auf die Schulter.

»Darf ich bitten«, sagte er spöttisch. »Wir haben ein fabelhaftes, fensterloses Zimmer für Sie. Es wird Ihnen gut gefallen.«

»Vancon, was soll das?«, schnaubte der Alte ärgerlich. »Ich habe nicht vor, deine Kreise zu stören. Von mir aus kannst du mich später auf dieser Welt zurücklassen. Sieh doch ein, dass es sinnlos ist, einen alten Kerl wie mich zu bestrafen.«

»Es gibt Vorschriften, und an denen lässt sich nicht rütteln.«

»Ich verstehe nicht, wie der Alte unbemerkt an Bord gelangen konnte«, sagte Captain Woreman.

Sie standen am Blattrand, etwa hundert Meter von der Space-Jet entfernt. Vor ihnen wuchs eine grüne Wand rund zwanzig Meter hoch auf. Sie bildete jedoch keine geschlossene Barriere, sondern war an vielen Stellen aufgeplatzt und zeigte tiefe Risse. Durch die Spalten konnte Tabhun zum nächsten Blatt hinübersehen. Es lag etwa sieben Meter höher als das, auf dem er stand. Deshalb zeigte sich, dass es etwa sechs Meter dick war. Unter dem Blatt herrschte nahezu undurchdringliche Dunkelheit. Der Blick reichte dort kaum zwei Meter weit. Weiße Pflanzentriebe bildeten ein verfilztes Dickicht.

Woreman kletterte an kleinen Vorsprüngen und quer liegenden Stämmen zum benachbarten Blatt hinüber. Tabhun folgte ihm.

»Ich wäre nicht mehr überrascht, wenn die Siedler ihre Stadt auf solchen Blättern errichtet hätten«, sagte der Oberst.

»Das stünde aber doch im Widerspruch zu unseren Informationen.«

»Die sind hundertzwanzig Jahre alt.«

Antilopenähnliche Tiere flüchteten vor ihnen und verschwanden zwischen den Rissen und Schründen im Blattrand.

»Kennen Sie den blinden Passagier?«, fragte der Captain unvermittelt.

»Das Thema sollte erledigt sein«, erwiderte Tabhun abweisend.

»Verzeihung, Sir.«

Der Oberst nickte nur und wich einem flachen Hügel aus, der von kleinen grünen Insekten wimmelte. Wenig später konnte er auf das nächste Blatt sehen und entdeckte das erste halb verfallene Gebäude. Vorsichtig stieg er über einige Baumstämme hinweg, die eine primitive Brücke zwischen den beiden Blättern bildeten. Er zog seinen Kombistrahler und justierte ihn auf Paralysewirkung. Als er über die Schulter zurückblickte, stellte er fest, dass der Captain sich ebenfalls auf einen möglichen Zwischenfall vorbereitete.

Tabhun erwartete nicht, wirklich freundlich empfangen zu werden. Vor einhundertzwanzig Jahren waren von hier aus noch Informationen nach Gäa geflossen, zunächst zu einer Zwischenstation außerhalb der Dunkelwolke und weiter via Kurier nach Gäa. Die Städte auf diesem Planeten waren mit höchstem Komfort ausgestattet gewesen. Das alles konnte kaum in so relativ kurzer Zeit verschwunden sein.

Das Holzhaus lag am Rande einer Siedlung, die sich über mehrere Blätter erstreckte. Das erkannte der Oberst, als er direkt davor stand, denn die nächsten drei Blätter befanden sich auf niedrigerem Niveau. Überall waren ähnliche Gebäude errichtet worden. Dazwischen ein gelber Turm, der offenbar aus einem widerstandsfähigen Kunststoff bestand. In geringer Entfernung von ihm standen drei größere Gebäude, kuppelförmig und mit Antennen verschiedener Art versehen.

»Die Stadt scheint unbewohnt zu sein«, erkannte Woreman. »Warum lebt hier niemand?«

Oberst Tabhun stieß die Tür des ersten Hauses auf. Ein kleines, mausähnliches Tier floh vor ihm. Er trat ein. Durch die verdreckten Fenster drang nur wenig Licht in den Innenraum. An den Wänden hingen Holos. Ein flauschiger Belag bedeckte den Boden. Möbel waren nicht vorhanden.

Tabhun durchquerte den Vorraum und öffnete nacheinander mehrere Türen, während Captain Woreman an der Haustür stehen blieb und hin und wieder hinausblickte.

»Schon seit Jahren verlassen«, stellte der Kommandant fest. »Trotzdem wirkt alles, als wollten die Bewohner bald zurückkehren. Seltsam.«

Er ging wieder nach draußen und betrat das nächste Gebäude. Es war ein kleiner Bungalow mit vier Räumen, einer automatischen Küche, Hygienekabine und kleinem Vorratskeller. Die noch teilweise vorhandenen Möbel waren in Plastikfolien eingeschweißt worden. Eine faustgroße Spinne hatte ihr Netz quer durch den Raum gespannt.

Der Captain fand in der Küche ein tiefgefrorenes Steak. Er riss die selbsterhitzende Verpackung auf, und schon nach wenigen Sekunden breitete sich verführerischer Bratenduft aus. Woreman probierte von dem Fleisch.

»Es ist einwandfrei«, sagte er erstaunt.

Die Stadt auf den Blättern wurde immer rätselhafter. Tabhun trat auf die Terrasse hinaus und blinzelte in die rote Sonne. »Etwas stimmt hier nicht. Aber was, Captain?«

»Ich bin überfragt, Sir.«

Tabhun rieb sich das Kinn. »Hoffentlich ist Fretiklia keine Falle der Überschweren.«

»Wie meinen Sie das?«

»Leticron wartet nur darauf, dass Atlan die Bedingungen des Status quo verletzt. Falls er herausgefunden hat, dass auf Fretiklia einst alle wichtigen Informationen aus der Galaxis zusammenliefen und weitergeleitet wurden, muss er dann nicht annehmen, dass Atlan gerade hier ansetzen wird, sobald er sein Versteck verlässt?«

»Vielleicht«, antwortete Woreman unsicher.

3.

»Hören Sie das?« Vancon Tabhun blieb an einem Baum stehen und lauschte. Leise Musik klang zu ihnen herüber. »Da sind Menschen, Pete.«

Captain Woreman nickte. »Sie müssen beim Turm sein.«

Oberst Tabhun ging voraus. Er hielt sich in der Deckung von Häusern, Büschen oder Bäumen und pirschte sich an die Quelle der Geräusche heran. In unmittelbarer Nähe des Turms sah er den ersten Mann. Der Fremde war groß, muskulös und trug über seiner Kleidung einen blauen, auf dem Rücken mit einer goldenen Sonne verzierten Umhang. Vom Dach eines Hauses aus beobachtete er das Geschehen am Turm. Niemand konnte ungesehen an ihm vorbeikommen.

Vancon Tabhun deutete zur Seite. »Wir gehen nach rechts«, raunte er. »Vielleicht haben wir dort bessere Chancen.«

Sie eilten zwischen einigen halb verfallenen Häusern hindurch auf einen Platz zu, der früher als Abstellfläche für Gleiter gedient haben mochte. Dort war ihr Weg vorerst zu Ende. Der Boden war eingebrochen, die dicke Blattschicht an dieser Stelle verfault.

»Die Bewohner dieser Stadt haben es sich mit ihren Abfällen einfach gemacht.« Der Oberst deutete auf Sielgitter an den Straßenrändern. Die eingebrochene Stelle ließ erkennen, dass jemand mit einem Desintegrator Schächte in das Blatt gebohrt hatte. Abfälle und Regenwasser wurden so in die Tiefe geleitet. Unter der verlassenen Stadt lag vermutlich eine gewaltige Abfall- und Schutthalde.

»Sie haben ihre eigene Umwelt verseucht«, stellte Woreman verständnislos fest. »Sie mussten doch erkennen, dass sie damit alles unter dem Blatt zerstören.«

»Anzunehmen ...« Tabhun führte den Captain um zwei Häuser herum. Sie kletterten über eine Mauer hinweg und gerieten erneut in eine Gasse, die zum Turm führte. Die Anwohner dieses Weges hatten die Blattoberfläche mit einer dünnen Kunststoffschicht überzogen und sie dadurch fester und haltbarer gemacht, ihr aber auch die Möglichkeit der Atmung genommen. Die fatale Auswirkung dessen erkannten Tabhun und Woreman erst, als es schon zu spät war.

Sie hatten sich dem Turm bis auf etwa hundert Meter genähert und sahen vor sich eine Menschenmenge im Bereich des zentralen Gebäudes versammelt. Auf einem Podest stand ein ebenfalls mit einem blauen Umhang bekleideter Mann. Er redete mit pastoraler Betonung auf etwa hundert Männer und Frauen ein. In der rechten Hand hielt er einen Degen mit gebogener Klinge, mit der linken ein antilopenartiges Tier, dessen vier Beine mit Riemen zusammengebunden waren.

»Haben Sie das gehört, Pete?« Oberst Tabhun reagierte wie elektrisiert. »Er erwähnte den Namen Vhrato!«

»Ausgeschlossen, Sir. Ich halte den Vhratoismus für eine Modetorheit von Gäa.«

»Offensichtlich nicht.«

Die Hand mit dem Degen senkte sich. Die Klinge durchbohrte das Tier und tötete es. Ein Junge fing das Blut mit einer Schale auf.

Oberst Tabhun löste sich aus seiner Deckung. Er ging langsam auf die Versammlung zu. Zögernd folgte ihm Captain Woreman.

Der Mann, der als Priester fungierte, war weißblond und von gedrungener Gestalt. Die Art, wie er sich bewegte, ließ beträchtliche Körperkräfte erahnen. Sein sonnengebräuntes Gesicht wurde von tiefen Falten durchzogen. Als er das Tier fallen ließ, wendete er Tabhun zufällig das Gesicht zu. Vor Überraschung entglitt ihm der Degen. Er richtete sich ruckartig auf und hob die Hände leicht an, als wolle er sich vor einer Erscheinung schützen, die nicht wirklich sein konnte.

»Vhrato!«, rief er zuerst leise, dann lauter. Er sank auf die Knie. »Vhrato, Brüder und Schwestern, Vhrato ist endlich gekommen, um uns die Freiheit zu bringen! Zeigt eure Demut!«

Die Fretiklianer drehten sich um. Einige schrien auf, als sie die beiden Offiziere sahen. Der Ruf »Vhrato!« pflanzte sich durch die Menge fort.

Vancon Tabhun schritt entschlossen aus. Abwehrend hob er die Hände. »Reden Sie keinen Unsinn!«, befahl er energisch. »Ich bin Oberst Vancon Tabhun von der DOOGEN, und ich habe nichts mit Vhrato zu tun.«

Der Priester lächelte verständnisvoll. Er eilte auf den Kommandanten zu. Drei Meter vor ihm blieb er stehen, streckte die Arme aus und verneigte sich feierlich. »Ich verstehe, Vhra... hm, Oberst Tabhun. Ich verstehe.« Er richtete sich auf und legte die Hände an die Brust. »Sie können versichert sein, dass ich Ihr Geheimnis nicht preisgeben werde.«

»Geheimnis? Quatsch!«, fuhr der Kommandant auf. »Bringen Sie keine Gerüchte in Umlauf!«

»Verzeihen Sie meine Ungeschicklichkeit, Meister.«

»Er begreift es nicht, Sir«, argwöhnte Woreman. Mit Unbehagen verfolgte er, dass die Männer und Frauen sie umringten.

Der Oberst stemmte die Hände in die Hüften. »Hören Sie mir zu«, rief er. »Ich will Missverständnisse von Anfang an vermeiden.«

»Wie energisch er ist«, sagte eine Frau in seiner Nähe.

»Und so männlich«, fügte eine andere hinzu, die neben ihr stand.

»Ich habe mir Vhrato ganz anders vorgestellt«, erklärte eine Frau, die sich zu ihnen gesellte und Tabhun mit glänzenden Augen betrachtete. »Nicht so schön.«

»Apter Haras hatte Recht«, stellte eine andere träumerisch fest. »Wenn Vhrato kommt, werden wir ihn sogleich erkennen. Und wir haben ihn erkannt.«

Aufgeregt redeten alle aufeinander ein. Oberst Tabhun versuchte zwar, zu Wort zu kommen, aber niemand hörte ihm zu. Ungehalten blickte er sich zu Captain Woreman um. Der Offizier grinste.

»Was lachen Sie?«, herrschte der Kommandant ihn an.

»Nichts, Sir«, erwiderte Woreman, vergeblich bemüht, seine Erheiterung zu verbergen.

Oberst Vancon Tabhun fuhr herum. Er packte den Priester an der Brust. »Bringen Sie Ihre Leute zur Vernunft!«, befahl er. »Sagen Sie ihnen, dass es so nicht geht.«

»Das können Sie angesichts der Situation nicht verlangen, Vhrato«, entgegnete der Priester lächelnd. »Wir freuen uns, dass der Befreier der Galaxis gekommen ist. Das müssen Sie akzeptieren.«

Oberst Tabhun verstand, dass es sinnlos gewesen wäre, weitere Erklärungen abzugeben. Er musste abwarten, bis die Fretiklianer sich wieder beruhigt hatten.

»Ich möchte Sie in unsere Siedlung führen, Vhrato.« Sogar der Priester hatte Mühe, die Menge zu übertönen. »Hier sind Sie gefährdet. Ich werde Ihnen später alles erklären.«

Seltsamerweise musste Oberst Tabhun an Kaiser Karl denken. Er wusste genau, dass der Pensionär sich über sein Missgeschick köstlich amüsieren würde.

»Sergeant Al Larris«, sagte Kaiser Karl. »Ich nehme an, Sie gehören zur Spezies so genannter vernünftig denkender Menschen.«

»Unterlassen Sie Ihre plumpen Ablenkungsversuche.« Larris schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn.«

»Das ist es eben. Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Sinn und Unsinn.«

»Ich denke nicht daran, mit Ihnen zu diskutieren.« Der Sergeant hob seinen Kombistrahler. »Gehen Sie in den Raum und halten Sie den Mund!«

Kaiser Karl warf nur einen kurzen Blick in die Kammer, die das Ende seiner Träume bedeutete. Er kratzte sich den rechten Oberschenkel und schlug sich dann mit der flachen Hand kräftig gegen das Bein. Aber auch damit schien er den erwünschten Effekt noch nicht erreicht zu haben. Er fluchte mit gedämpfter Stimme.

»Was ist mit Ihrem Bein? Haben Sie sich verletzt?«

»Quatsch, Sergeant! Bei einem Einsatz für Lordadmiral Atlan habe ich mein natürliches Bein verloren. Dies hier ist ein Transplantat.«

»Es funktioniert nicht?«, erkundigte sich Larris neugierig.

»Doch, schon«, erwiderte Kaiser Karl. Er rieb beide Beine aneinander. »Daran liegt es nicht.«

»Was ist dann damit los?«

»Das sehen Sie doch selbst.« Kaiser Karl bewegte das Bein.

»Ich verstehe nicht.«

»Es ist ganz einfach, Sergeant. Diese irren Ärzte haben mir ein neues Bein verpasst, aber leider ein weibliches. Und jetzt flirtet dieses verdammte Ding ständig mit dem anderen. Vor allem dann, wenn ich es am wenigsten ertragen kann.«

Al Larris musterte den Alten verwirrt.

»Ein weibliches? Und es flirtet?«

»Ja, doch, ja. Das sehen Sie doch. Sie junger Bursche dachten natürlich, dass es Erotik in meinem Alter nicht mehr gibt. Aber das hier macht einen verrückt. Ich ...«

Sergeant Larris lachte. Er hob seine Waffe, um Kaiser Karl in die Zelle zu dirigieren. Der Alte packte blitzschnell zu, riss den Kombistrahler an sich, zerrte den Sergeant herum und stieß ihn, als er das Gleichgewicht verlor, in den Haftraum. Larris stürzte und rutschte eineinhalb Meter weit über den glatten Boden. Dadurch gewann Kaiser Karl den Zeitvorsprung, den er brauchte, um das Schott zu schließen.

Durch den enger werdenden Spalt blickten sich die beiden Männer an. Sergeant Larris schimpfte. Der Alte lächelte maliziös. Er konnte die Bewegung des Schotts nicht beschleunigen, Larris konnte es nicht aufhalten. Er packte es zwar mit beiden Händen, zog seine Finger jedoch schnell wieder heraus, bevor das Schott einrastete. Kaiser Karl feuerte den Strahler auf das Schloss ab. Damit war der Durchgang wirksam blockiert.

Kaiser Karl begab sich in die Zentrale. Dort fand er einen Schreibstift. Mit diesem bewaffnet, kehrte er nach unten zurück und schrieb mit großer, auffallender Schrift auf das Schott: Hier sitzt Sergeant Larris!

Er war davon überzeugt, dass Oberst Tabhun und Captain Woreman früher oder später zurückkommen und den Gefangenen befreien würden. In aller Ruhe versorgte er sich mit einigen Konzentrattabletten und drei Energiemagazinen für den Kombistrahler. Dann verließ er die Space-Jet.

Vor der Schleuse blieb er stehen und sah sich um. Er atmete tief durch. Da der Raumer nicht hermetisch abgeriegelt worden war, setzte er voraus, dass die Atmosphäre weder Schadstoffe noch pathogene Keime aufwies. Nachdenklich kratzte er sich am Oberschenkel. Er überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Den Shift wollte er nicht nehmen, obwohl dieser fraglos große Vorteile bot. Aber es war möglich, dass Tabhun auf den Flugpanzer angewiesen war.

Er kehrte in die Jet zurück und legte einen leichten Kampfanzug an, verzichtete aber auf den Helm. Danach marschierte er über das Blatt, auf dem er die Spuren von Tabhun und Woreman sehen konnte. Da er nicht beabsichtigte, ihnen in die Arme zu laufen, schlug er einen weiten Bogen. Von einer Anhöhe entdeckte er die verfallene Stadt.

Vom Antigrav seines Kampfanzugs ließ er sich auf ein anderes Blatt hinübertragen. Einer grünen, mit Stacheln besetzten Halbkugel, die etwa einen Meter hoch war, wich er vorsichtig aus. Aber nicht weit genug. Jäh schnellte etwas Dunkles auf ihn zu und ringelte sich um seine Hüfte. Kaiser Karl griff nach seinem Kombistrahler, erfasste, dass das stachlige Etwas einen Fangarm nach ihm ausgestreckt hatte, und fühlte sich gleichzeitig mit unwiderstehlicher Gewalt nach vorn gerissen.

Er schoss und durchtrennte den Arm mit einem Energiestrahl. Doch damit änderte er die Flugrichtung nicht. Mit großer Wucht prallte er gegen das räuberische Wesen. Die Spitzen der Stacheln konnten den Schutzanzug nicht durchbohren, aber sie drückten schmerzhaft auf seinen Rücken.

Kaiser Karl stöhnte laut auf. Er wirbelte davon und benötigte viel zu lange, bis er seinen Flug stabilisiert hatte. Sein Rücken schmerzte stark. Er beobachtete, dass der Angreifer – den er für eine Pflanze gehalten hatte – auf zahllosen winzigen Beinen davonrannte.

Er setzte mit beiden Füßen auf und schaltete den Antigrav ab. Ächzend stemmte er die Hände in die Hüften und bog das Hohlkreuz durch, um die Muskeln zu lockern. Vor seinen Augen flimmerte es, und für einen kurzen Moment fürchtete er, ohnmächtig zusammenzubrechen. Endlich wich die Schwäche.

»Pass auf, alter Knabe!«, sagte er laut zu sich selbst. »Sonst ist es schnell mit dir vorbei. Du bist hier nicht auf Gäa.«

Er wandte sich um – und blieb wie angewurzelt stehen.

Vancon Tabhun ging neben dem Priester vor der Menge her durch die Straßen der Stadt. Captain Pete Woreman folgte ihnen mit wenigen Schritten Abstand.

»Mein Name ist Apter Haras«, sagte der Priester. »Kommen Sie, Vhrato, es ist nicht mehr weit.«

»Hören Sie endlich auf, mich Vhrato zu nennen!«, erwiderte der Oberst scharf. »Sie wissen, dass ich nicht der Sonnenbote bin.«

Haras, der Tabhun nur bis zur Schulter reichte, blickte zu ihm auf. »Natürlich, Oberst. Ich respektiere das.« Aus seinen Worten war deutlich herauszuhören, dass er ihm nicht glaubte.

»Das haben Sie schon einmal gesagt. Warum halten Sie sich nicht daran?«

»Die Freude hat mich überwältigt, Vhra..., Oberst.«

Tabhun wusste nicht, was er tun sollte. Dennoch konnte er nicht zulassen, dass man ihn für den Sonnenboten hielt.

Sie erreichten den Stadtrand, der bis an den Grenzbezirk des Blattes heranführte. Eine rissige, vielfach geborstene grüne Wand erhob sich vor ihnen. Tabhun konnte nicht erkennen, wohin Haras sich wenden wollte.

Der Priester löste einen großen, verholzten Splitter aus der Wand. Eine Öffnung entstand, die groß genug war, einen Mann hindurchzulassen.

Captain Woreman trat an Tabhun heran. »Warum wehren Sie sich dagegen, Vhrato zu sein, Sir?«, fragte er wispernd.

»Sind Sie verrückt geworden, Pete? Ich kann mich doch nicht für den Sonnenboten ausgeben.«

»Warum nicht? Halten Sie so etwas für Gotteslästerung?«

»Seien Sie still!«

»Der Sonnenbote ist schließlich kein Gott. Niemand behauptet das. Er ist lediglich ...«

»Halten Sie den Mund!«