Perry Rhodan Neo 294: Weidenburn - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 294: Weidenburn E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

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Beschreibung

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Danach ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden. Seit sechs Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Die Gewaltherrschaft des Kriegsherrn Leticron auf den von Menschen besiedelten Welten ist immerhin beendet. Aber der Überschwere sinnt auf Rache und kann Perry Rhodan gefangen nehmen. In dieser schwierigen Situation betritt 2108 eine neue Person die galaktische Bühne. Der junge Mann mit einer abenteuerlichen Vergangenheit beginnt eine Suche, die ihn Millionen Lichtjahre weit weg von zu Hause führt. In der Milchstraße greift er in die Geschicke der Menschen und Arkoniden ein. Welche Motive ihn dazu bewegen, zeigt die faszinierende Geschichte von Eric WEIDENBURN ...

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Seitenzahl: 214

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Zeit:5 Std. 31 min

Sprecher:Hanno Dinger

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Band 294

Weidenburn

Rüdiger Schäfer

Cover

Vorspann

Prolog: Eric Weidenburn

1. Adrian Kukolies

2. Eric Weidenburn

3. Eric Weidenburn

4. Adrian Kukolies

5. Eric Weidenburn

6. Eric Weidenburn

7. Eric Weidenburn

8. Eric Weidenburn

9. Eric Weidenburn

10. Adrian Kukolies

11. Eric Weidenburn

12. Eric Weidenburn

13. Eric Weidenburn

14. Eric Weidenburn

15. Eric Weidenburn

16. Eric Weidenburn

17. Eric Weidenburn

Epilog: Eric Weidenburn

Impressum

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Danach ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden.

Seit sechs Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Die Gewaltherrschaft des Kriegsherrn Leticron auf den von Menschen besiedelten Welten ist immerhin beendet. Aber der Überschwere sinnt auf Rache und kann Perry Rhodan gefangen nehmen.

In dieser schwierigen Situation betritt 2108 eine neue Person die galaktische Bühne. Der junge Mann mit einer abenteuerlichen Vergangenheit beginnt eine Suche, die ihn Millionen Lichtjahre weit weg von zu Hause führt.

In der Milchstraße greift er in die Geschicke der Menschen und Arkoniden ein. Welche Motive ihn dazu bewegen, zeigt die faszinierende Geschichte von Eric WEIDENBURN ...

»Stell dir nur eine Frage: Bin ich frei? Dies sagt Weidenburn.«

Prolog

Eric Weidenburn

September 2108, Scaithsystem, M 13

Schweiß lief ihm über Stirn und Wangen, brannte in seinen Augen. Seine schulterlangen, braunen Haare fühlten sich an, als hätten sie einen kräftigen Regenguss abbekommen. Sie fielen ihm ins Gesicht, klebten klamm und feucht im Nacken; es war ein abscheuliches Gefühl.

Eric Weidenburn hasste Schweiß. Und er hasste Wärme. In seinem Labor und den Privaträumen an Bord der STAC herrschten konstante 17,5 Grad Celsius. Das war die Temperatur, bei der sein Verstand am effektivsten arbeitete, eine Tatsache, die er bereits mit fünf Jahren im empirischen Selbstversuch zweifelsfrei etabliert hatte.

Über ihm rumorte es. Die Mutanten waren in die Station eingedrungen. Sie suchten nach ihm, weil er als Einziger noch nicht mit einer Amöbophage infiziert war. Und wenn es nach ihm ging, würde das auch so bleiben.

Er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob in ihren grotesken Körpern überhaupt noch etwas von jenen Arkoniden steckte, die gegen Ende der Methankriege auf Scaithra geforscht hatten. Wie konnte eine derart stark mutierte Spezies zehntausend Jahre überdauern? Sicher, vom ursprünglichen Phänotyp war nicht viel übrig geblieben, und die genetische Rekombination war nicht nur eine der wirkungsvollsten, sondern auch elegantesten Waffen der Evolution. Zudem war die Natur ein Meister auf dem Gebiet der Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen. Dennoch erschien es Weidenburn seltsam, dass es diese Monster immer noch gab. Und dass sie so urplötzlich in Scharen aus dem Dschungel gebrochen waren, um die Station anzugreifen.

»Achtung!«, erklang eine sanfte, beinahe einschmeichelnde Stimme in akzentfreiem Arkonidisch. »Diese Anlage wird sich in sechs Zentitontas selbst zerstören. Bitte begeben Sie sich umgehend zu der Ihnen zugewiesenen Sammelstelle. Das entsprechende Evakuierungsprotokoll wurde initiiert. Achtung! Diese Anlage ...«

Weidenburn hatte einen trockenen Mund. Kein Wunder, wenn man bedachte, welche Wassermengen er in der zurückliegenden Stunde allein über die Poren seiner Haut verloren hatte.

Sechs Zentitontas. Das waren ziemlich exakt acht thetisische Kaitas. Oder fünf terranische Minuten. In allen Fällen keine besonders lange Frist, wenn man auf der Suche nach einem Wunder war.

Er unternahm einen erneuten Anlauf, die im Orbit wartende STAC zu erreichen, bekam jedoch wie all die Male zuvor keine Antwort. Zwischen dem Forschungsschiff und der Station hatte es nach der ersten Landung mit der IVI auf Scaithra einen regen Austausch gegeben. Das Beiboot und die Fähren waren ununterbrochen zwischen der Anlage und dem Raumer hin- und hergependelt. Wahrscheinlich hatte man dadurch trotz aller Desinfektions- und Entseuchungsprogramme ein paar der Einzeller an Bord gebracht und die Katastrophe überhaupt erst heraufbeschworen.

Weidenburn schleppte sich weiter, weg von den Geräuschen. Er war müde. Alles, was er in den vergangenen beiden Tagen zu sich genommen hatte, waren ein Konzentratriegel und ein paar Schlucke Wasser gewesen. Die wenigen Vorräte der Explorationsgruppe hatten die Mutanten als Erstes verschlungen.

Was ich hier tue, ist sinnlos, dachte er. Selbst wenn ich den Kreaturen entkomme, habe ich keine Möglichkeit, diese Welt zu verlassen. Die Station wird in wenigen Minuten nicht mehr existieren. Auch wenn ich es bis dahin tatsächlich in den Dschungel schaffe, bin ich erledigt. Ohne Ausrüstung und Vorräte überlebe ich dort keine zwei Stunden.

Die ganze Expedition hatte von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden, aber im Nachhinein war man ja immer klüger. Er hätte die verlassene Forschungsanlage ignorieren und sich auf die Strahlung der Sonne konzentrieren sollen. Deshalb war er schließlich hergekommen. Aber nein, er musste wieder mal seiner Neugier nachgeben und an Dingen rühren, von denen man besser die Finger ließ.

Er hatte um die Gefahr gewusst, die von den Amöbophagen ausging, hatte die Berichte über die Überzeugungsparadiese der Gon-Mekara auf dem Mars und in den Kolonien der Menschen studiert. Zwar hatten die Überschweren nach ihrem Abzug aus der Lokalen Blase einen Großteil der entsprechenden Daten gelöscht. Aber ihr Rückzug nach M 13 war so überhastet erfolgt, dass die Terraner doch etliche Dokumente hatten bergen können.

Du warst nie ein Biologe und wirst niemals einer werden, rügte er sich. Warum bist du nicht bei Angelegenheiten geblieben, von denen du etwas verstehst? Das ist alles deine eigene Schuld!

Er schob die Selbstvorwürfe beiseite, sie halfen ihm nicht. Wie sagte man auf Haitirin? Kamara ai mara! – Geschehenes ist geschehen. Eine einfache und wahrscheinlich gerade deshalb so wahrhaftige Erkenntnis.

Er erreichte das Ende eines langen Korridors, wo ihm ein Schott den weiteren Weg versperrte. Die daneben in die Wand eingelassene Kontrollfläche war tot. Mit einem Handscanner und einem Multifunktionswerkzeug hätte Weidenburn vielleicht etwas tun können, aber so ... Er ballte die linke Hand zur Faust und zwang sich, mehrere Male tief ein- und wieder auszuatmen. In der Rechten hielt er nach wie vor die unterarmlange Eisenstange, die er in einem Leitstand für die Energieerzeuger der Station gefunden hatte. Eine mehr als lächerliche Waffe, aber besser als nichts.

Denk nach! Denk nach, verdammt. Die Zeit rennt dir davon!

Normalerweise lief er unter Druck zur Hochform auf. Seine besten Einfälle waren ihm immer unter Stress und hoher Belastung gekommen. Doch diesmal funktionierte es nicht.

»Achtung! Diese Anlage wird sich in vier Zentitontas selbst zerstören. Bitte begeben Sie sich umgehend zu der Ihnen zugewiesenen Sammelstelle. Das entsprechende Evakuierungsprotokoll wurde initiiert.«

»Danke für den Hinweis«, stieß Weidenburn hervor und wischte sich mit dem Ärmel seiner leichten Einsatzmontur über die Stirn.

Hinter ihm dröhnte es. Metall traf auf Metall, und der schmale Gang verstärkte den Lärm wie ein Megafon. Gehetzt lief er mehrere Meter zurück und schaute dabei nach links und rechts. Doch da waren nur die glatte Wand, der graue Kunststoffboden ... Dann legte er den Kopf in den Nacken – und sein suchender Blick traf die schmale Klappe in der Decke.

Er benötigte mehrere Sprünge und ein paar kräftige Stöße mit der Eisenstange, bis er die Luke aus ihrer Halterung gelöst hatte. Danach keuchte er, als habe er den Grava Toris, den höchsten Gipfel seiner Heimat, ohne Impfung mit Sauerstoffnaniten bestiegen. Er war noch nie der sportliche Typ gewesen. Körperliche Anstrengung war ihm zuwider.

Das Klopfen und Dröhnen wurde lauter. Außerdem mischte sich ein Quietschen und Reißen dazu, das in den Ohren schmerzte. Seine Verfolger bahnten sich ihren Weg quer durch die verwinkelte Architektur der Station. Er hatte gesehen, wie sie mit ihren Krallen und Hörnern massiven Stahl zerfetzten.

Da komme ich niemals rauf, durchzuckte es ihn. Es sei denn, ich lerne fliegen.

Abwechselnd betrachtete er die Eisenstange und das dunkle Viereck in der Decke. Dann öffnete er eine der Beintaschen seines Anzugs und zog ein dünnes, gut zehn Meter langes Seil hervor. Es war einen Versuch wert – und die einzige Möglichkeit, die ihm blieb.

Er knotete ein Ende des Seils an die Stange und stellte sich direkt unter die Klappe – vermutlich der Zugang zu einem Lüftungs- oder Wartungsschacht. Beim ersten Wurf kam das nicht gerade leichte Ding umgehend zurück und traf ihn beinahe am Kopf. Er fluchte und korrigierte seine Position. Der zweite Versuch lief besser, aber die Stange rutschte erneut heraus, statt sich wie erhofft quer hinter die Öffnung zu legen und dort zu verkanten.

In seinem Rücken knirschte und krachte es. Dazu gesellte sich wütendes Knurren und Fauchen. Wahrscheinlich konnten ihn die Mutanten riechen – und das versetzte sie in einen Blutrausch. Kurz musste er daran denken, was die Bestien mit Hen Anzo gemacht hatten. Weidenburn hatte mit angesehen, wie sie den Feldspezialisten von Etrinon förmlich in der Luft zerfetzten. Bilder, die er nie mehr aus seinem Kopf kriegen würde.

Hör auf, dich abzulenken!, ermahnte er sich. Richte deine Aufmerksamkeit auf den Moment! Aber das war leichter gedacht als getan. Auch ein überlegener Intellekt wie der seine war gegen Angst nicht gefeit.

Er hätte später nicht mehr zu sagen vermocht, wie lange er dagestanden und die Eisenstange ein ums andere Mal durch das Loch in der Decke geworfen hatte. Wenn er in der Folge am Seil zog, schabte sie jedes Mal mit einem metallischen Kratzen über den Schachtboden – und glitt wieder aus der Öffnung heraus. Die Stange war nur wenige Zentimeter länger als die Seiten der Luke, und seine Anstrengungen, ihre Lage durch das Schütteln und Schwingen des Seils zu beeinflussen, muteten beinahe komisch an.

Als es schließlich doch klappte, war er so überrascht, dass ihm ein lauter Schrei entfuhr. Sofort steigerte sich das Toben und Wüten der Mutanten. Wahrscheinlich standen sie unmittelbar davor, den Durchbruch zu schaffen, und würden jeden Augenblick um die Biegung des Korridors kommen.

Weidenburn wischte sich die feuchten Hände an den Hosenbeinen ab. Dann packte er das Seil und zog mit aller Kraft daran. Es hielt. Dennoch stand ihm der schwierigste Teil seines Unterfangens noch bevor.

»Achtung! Diese Anlage wird sich in zwei Zentitontas selbst zerstören. Bitte begeben Sie sich umgehend zu der Ihnen zugewiesenen Sammelstelle. Das entsprechende Evakuierungsprotokoll wurde initiiert.«

Zwei Zentitontas. Hundert Sekunden. Was tat er da eigentlich?

Mach weiter!, befahl er sich. Es ist immer noch besser, von einer Fusionsladung verdampft, als von einem halben Dutzend wütender Ungeheuer zerfleischt zu werden!

Das Seil war viel zu dünn. Und er zu schwach. Auch wenn er nur knapp unter sechzig Kilogramm wog, reichten seine Kräfte kaum aus, sich nach oben zu ziehen. Schon nach wenigen Sekunden brach ihm wieder der Schweiß aus. Dann packte ihn die Wut.

Du bist eben doch nichts weiter als ein Klugscheißer!, hörte er Taramitra Sins höhnische Stimme in seinem Kopf. Ein armseliger, nichtsnutziger Klugscheißer!

Das setzte frische Kräfte frei. Seine Arme fühlten sich an, als bearbeite jemand sie mit glühenden Messern, doch er ließ nicht los. Als sich seine rechte Hand um die Kante der Öffnung schloss, schrie er erneut. Der Schweiß in seinen Augen mischte sich mit Tränen. Die Schmerzen griffen auf die Schultern über, und der Drang loszulassen, einfach dem Verlangen nachzugeben und sich fallen zu lassen, um sich Erleichterung zu verschaffen, wurde übermächtig. Doch ihm war klar, dass dann endgültig alles verloren war. Für einen zweiten Versuch würde es nicht mehr reichen.

Klugscheißer, Klugscheißer!, tönte es durch seinen Geist. Bei allen Sternengöttern, wie hatte er Taramitra Sin damals gehasst! Im Grunde tat er das immer noch, obwohl sie schon lange tot war.

Unter Aufbietung der letzten Kräfte wuchtete er seinen Oberkörper durch die Deckenöffnung. Lange Sekunden blieb er einfach nur flach auf Brustkorb und Bauch liegen, wartete darauf, dass das lodernde Feuer in seinen Armen erlosch.

Dann machte ihm ein scharfer Knall bewusst, dass die Mutanten die letzte Barriere überwunden hatten. Zorniges Brüllen ertönte. Dazu das Kratzen und Klacken scharfer Krallen auf dem Stahlplastboden des Korridors. Sie hatten es geschafft – und er wusste, dass sie verflucht schnell waren.

Er richtete sich so hastig auf, dass sein Schädel an die Decke des engen Horizontalschachts prallte. So schnell es seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit zuließ, holte er das Seil ein. Gerade noch rechtzeitig, denn da waren die ersten Kreaturen schon heran. Doch sie brauchten das Seil gar nicht, um zu ihm zu gelangen.

Der erste Mutant sprang noch aus dem Lauf. Wie von einer Bogensehne geschnellt, schoss er nach oben und direkt auf Weidenburn zu. Die Distanz, die für ihn vor einer Minute noch unüberwindlich erschienen war, bereitete dem Wesen nicht die geringsten Probleme.

Weidenburn schrie erneut. Da schlugen schon messerscharfe Klauen in den Rand der Schachtöffnung und durch das dünne Metall. Das begleitende Geräusch schmerzte in den Ohren.

Er drehte sich um und kroch hastig davon. Die Panik setzte letzte Reserven frei. Hinter ihm grub sich der Mutant buchstäblich durch den Schacht und setzte ihm nach. Zu Weidenburns Glück war die Kreatur zwar stärker, aber auch deutlich größer. Während der junge Mann auf allen vieren davonkrabbelte, musste die Bestie ihren wuchtigen Körper mit purer Gewalt durch den für sie zu schmalen Wartungstunnel schieben.

Schau dich nicht um!, trieb er sich weiter an. Schau dich auf keinen Fall um, denn dann hat er dich sofort eingeholt!

Über das furchtbare Knurren und Brüllen der Kreatur legte sich zum letzten Mal die sanfte Stimme der Stationspositronik. Mit der Gleichgültigkeit einer zwar hochkomplexen, jedoch seelenlosen Maschine zählte sie die letzten Millitontas herunter. Dass die Explosion auch sie selbst auslöschen würde, kümmerte sie nicht.

Weidenburn bemerkte erst, dass der Schacht sich nach unten neigte, als er ins Rutschen geriet. Die Schräge wurde steiler, und er kam immer schneller voran, während sein Verfolger zurückblieb. Auch die Stimme der Positronik wurde mit jeder Sekunde leiser.

Er versuchte, sich abzubremsen, als der Schacht fast in die Senkrechte überging, doch die Wände waren zu glatt – und er war zu Tode erschöpft. Hinter sich hörte er ein dumpfes Grollen, als kündige sich ein Gewitter an. Dann bebte die Welt, und ein Schwall heißer Luft fuhr durch den Wartungsschacht. Die Druckwelle verlieh Eric Weidenburn noch mal zusätzliche Fahrt. Wie das Projektil im Lauf einer antiken Schusswaffe raste er durch die Vierkantröhre in die Tiefe, während die Station über ihm im Fusionsfeuer der Sprengladungen verging.

1.

Adrian Kukolies

August 2108, Scaithsystem, M 13

»Eine langweilige Gradux F. Leuchtkraftklasse vier. Ein Zwergstern – wie neunundneunzig Prozent aller anderen Sonnen in diesem Universum.« Kary Sychu legte den Kopf schief und schien ins Nichts zu lauschen. Für einen Moment schloss sie die Augen. Ihr Gesicht wirkte angestrengt. »Da ist ... etwas«, fuhr sie zögernd fort. »Es hört sich fast an wie ...« Sie verstummte.

»Wie was?«, fragte Adrian Kukolies, der Kommandant der STAC. Ihm war die große und für seinen Geschmack zu schlanke Frau noch immer unheimlich. Angeblich war sie in der Lage, mit ihren besonderen Sinnen Funkwellen auch ohne Empfangsgeräte wahrzunehmen, und offenbar machte sie von ihren Fähigkeiten gerade Gebrauch.

»Eine Melodie ...«, kam die leise Antwort. »Scaith ... singt.«

Kukolies verzog das Gesicht. Er hielt nicht viel von derart unwissenschaftlichem Geschwätz. Sonnen sangen nicht, und falls seine Funk- und Ortungschefin eine Melodie hörte, existierte diese nur in ihrem Kopf.

»Bekomme ich auch noch ein paar Daten, mit denen ich tatsächlich etwas anfangen kann?«, stieß er mürrisch hervor. Sychu öffnete die Augen wieder und warf ihm einen wütenden Blick zu. Er wusste, dass sie ihn nicht leiden konnte, aber das war ihm egal.

»Durchmesser knapp anderthalb Millionen Kilometer«, sagte sie. »Die Oberflächentemperatur liegt im Mittel bei sechstausendzweihundert Grad, die Masse bei zwei mal zehn hoch einunddreißig Kilogramm. Geschätztes Alter: etwa fünf Milliarden Jahre.«

Sie hat recht; das ist absoluter Durchschnitt, dachte der Kommandant. Aber die Messwerte lügen nicht. Wir haben sie dutzendfach überprüft. Das Strahlungsspektrum dieses Sterns ist alles andere als gewöhnlich ...

»Was ist mit der Zusammensetzung?«, wollte er wissen. »Irgendein Hinweis auf die Ursache der auffälligen Emissionen?«

»84,2 Prozent Wasserstoff, 8,8 Prozent Helium, dazu etwa fünf Prozent Kohlenstoff, Sauerstoff, Neon und Stickstoff sowie zwei Prozent diverse Metalle. Alles im Rahmen des Üblichen, Sir.«

Das letzte Wort klang wie so häufig bei Sychu wie eine Beleidigung. Kukolies ignorierte es. Solange sie ihre Arbeit machte und tat, was er von ihr verlangte, konnte sie ihm seinetwegen den katrubischen Madenfraß an den Hals wünschen.

Er drehte sich kurz zu Saron da Urid um. Der Arkonide stand mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor seinem Kontursessel und starrte auf einige Hologramme seines Positronikpults. Er war der kurzen Unterhaltung ohne äußerliche Regung gefolgt.

»Möchten Sie dem irgendwas hinzufügen?«, sprach Kukolies ihn an.

Zunächst sah es aus, als beachte ihn der mit zwei Metern ungewöhnlich große Mann mit den kurzen, grauen Haaren und den faltigen, verhärmten Zügen gar nicht. Dann wandte er doch den Kopf und sah den Kommandanten aus tiefroten Augen an.

»Nein«, antwortete er einsilbig und richtete den Blick wieder auf die Holos.

Wunderbar. Kukolies biss sich auf die Zunge, bis es schmerzte. Weidenburn hat den Kerl doch angeblich als Berater engagiert. Dafür ist er allerdings ziemlich wortkarg.

»Wir nähern uns vorsichtig und setzen die Messungen fort«, gab er seine Anweisungen. »Alle Daten gehen ungefiltert direkt an den Laborkern der Schiffspositronik. Schicken Sie ein paar Sonden raus. Das volle Programm!«

»Verstanden, Kommandant«, sagten Kary Sychu und Menaim Vorcia gleichzeitig. Bei Vorcia, dem Piloten der STAC, klang es, als würde er es auch so meinen.

Kukolies ließ kurz den Blick schweifen. Seine Besatzung bestand aus einer Ansammlung hoch qualifizierter Experten, jeder Einzelne eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Allerdings schien es, dass jeder auch seine Ecken und Kanten hatte. Der Umstand, dass Kukolies mit der STAC das derzeit modernste Raumschiff der bekannten Regionen Andrumidas – und wohl auch der Milchstraße – fliegen durfte, entschädigte ihn jedoch für alle damit verbundenen Unannehmlichkeiten.

Als ihm Eric Weidenburn die Position als Kommandant angeboten hatte, hatte Kukolies es zunächst gar nicht glauben wollen. Er hatte an einen Scherz seiner Kameraden aus dem Flottenhauptquartier gedacht und den jungen Mann ausgelacht, der fast noch ein Kind war. Doch dann hatte ihm Weidenburn ein Hologramm gezeigt, und in den drei Minuten danach hatte Kukolies mit offenem Mund dagestanden und sich mehrmals heftig in den Unterarm gekniffen, um sicherzugehen, dass er nicht träumte.

»Unser Herr und Gebieter gibt sich die Ehre«, riss ihn Ruul Tempiras Stimme aus den Gedanken. Mit seinem Ersten Offizier hatte Kukolies bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert im thetisischen Starok-Geschwader gedient, einer Eliteeinheit, die ihre Befehle meist direkt von den Meistern der Insel erhalten hatte – oft sogar von Faktor I persönlich. Später war er dann auf ein paar Patrouillenschiffen gewesen, bis man ihn schließlich in den Ruhestand schickte. Kein Wunder also, dass er Weidenburn und sein Angebot zunächst nicht ernst genommen hatte.

Tempira deutete auf eins der bordinternen Kontrollholos, das den breiten Korridor zeigte, der sich von der Zentrale der STAC zum Antigravschacht erstreckte. Letzterer durchschnitt die Kernkugel des Schiffs in ihrem vollen Durchmesser von sechzig Metern und verband die Laboratorien in den Polkalotten mit dem Steuerzentrum und den Wohnbereichen in der Äquatorregion.

Der Mann, der gerade mit raumgreifenden Schritten durch den Gang auf das Doppelschott zueilte, das in die Zentrale führte, sah aus wie ein Teenager – und mit seinen 18 Jahren war er das auch. Zumindest körperlich. Die schulterlangen, braunen Haare hingen wie üblich wirr und unfrisiert in das schmale Gesicht mit dem markanten Kinn. Zwei Augen mit rötlichen Iriden blickten wach und ruhelos. Bekleidet war Weidenburn mit einem langärmeligen Pullover, einer Leinenhose und Schuhen aus dünnem Kunststoff. Die vorherrschende Farbe seiner Garderobe war Schwarz.

Diese Art Kleidung trug Eric Weidenburn fast immer. Kukolies hatte ihn einmal und aus reinem Zufall mit nacktem Oberkörper in seiner Privatkabine gesehen. Er hatte offenbar vergessen, die Tür zu verriegeln, und das Schott hatte sich geöffnet, als Kukolies den Meldesensor drückte. Dabei waren dem Kommandanten neun, jeweils etwa zehn Zentimeter lange Narben am linken Unterarm von Weidenburn aufgefallen. Schnitte wie mit einem scharfen Messer zugefügt, und in kurzen Abständen vom Handgelenk bis fast zur Armbeuge reichend. Weidenburn hatte sich hastig umgedreht und seinen über einem Sessel hängenden Pullover übergestreift. Kukolies hatte nichts gesagt und so getan, als habe er die Verletzungen nicht bemerkt. Die naheliegende Vermutung war natürlich gewesen, dass es sich dabei um die Überbleibsel eines oder mehrerer Suizidversuche handelte, bei denen sich der Betroffene jedoch alles andere als geschickt angestellt hatte.

Adrian Kukolies seufzte stumm. Meistens hielt sich der Erbauer und Eigner der STAC in seinen Laboratorien auf und kümmerte sich nicht um die Schiffsführung. Wenn er es doch tat, bedeutete das selten etwas Gutes.

Das Eingangsschott fuhr auseinander und Weidenburn betrat den zehn Meter durchmessenden, kuppelförmigen Raum. Die gewölbte Decke bestand in ihrer Gesamtheit aus einer 3-D-Projektionsfläche, die im Augenblick den freien Weltraum zeigte. Die Sonne, die in den arkonidischen Sternkatalogen den Eigennamen Scaith trug, stand als orangegelb glühende Kugel im Zenit der Kuppel. Ohne nach links oder rechts zu schauen, steuerte der junge Mann direkt auf Kukolies zu.

»Warum haben wir angehalten?«, wollte Weidenburn wissen. Wie meistens ignorierte er Nebensächlichkeiten wie zum Beispiel Begrüßungen und kam sofort zur Sache.

»Das haben wir nicht«, gab Kukolies zurück. »Wir haben lediglich die Geschwindigkeit verringert. Das entspricht den vorgeschriebenen Sicherheitsstandards.«

Der Wissenschaftler sah ihn an, als habe er gerade etwas furchtbar Dummes gesagt. Der Kommandant spürte, wie er errötete, und ärgerte sich über sich selbst. Auf Haitiri galt Weidenburn als Jahrtausendgenie. Kukolies hatte schon bei mehreren Gelegenheiten festgestellt, dass der junge Mann, der da mit hängenden Armen und gerunzelter Stirn vor ihm stand, die unheimliche Fähigkeit hatte, sein jeweiliges Gegenüber binnen Sekunden auf das intellektuelle Niveau einer Fetzfliege zu reduzieren. Wenn man sich mit ihm unterhielt, kam man sich schon nach wenigen Sätzen vor, als wäre man gerade erst dem Urschlamm entstiegen und hätte noch keine Zeit gehabt, ein funktionierendes Gehirn zu entwickeln.

»Die STAC ist in ein fremdes Sonnensystem eingeflogen«, fuhr Kukolies fort. »Bevor ich nicht sicher bin, dass uns keine Gefahr droht ...«

»Ja, ja, ja«, unterbrach Weidenburn. »Ich kenne die Regeln. Schließlich habe ich sie selbst aufgestellt. Aber wenn ich schon mal hier bin, kann ich Sie und Ihre Leute doch ein bisschen unterstützen und die Sache beschleunigen, nicht wahr?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er einen schmalen, silbern schimmernden Kopfbügel aus einer Öse seines Gürtels und schob ihn sich auf die Stirn. Das Ding legte sich eng um den Kopf und begann, in mattem Blau zu leuchten. Weidenburn ließ sich in einen Sessel fallen, der direkt neben dem des Kommandanten stand, und schloss die Augen. In die vor den Pulten der Zentralebesatzung schwebenden Holodarstellungen kam Bewegung.

Kukolies beobachtete, wie Sychu, Tempira und einige andere in ihrer Arbeit innehielten und sich resigniert zurücklehnten. Sie wussten, was nun kam.

Der gesamte Holodom flackerte für einen Sekundenbruchteil. Dann bildeten sich ringsum rasend schnell neue Projektionen, während andere erloschen oder die Positionen wechselten. Plötzlich war die Zentrale von dreidimensionalen Indizes, Hyperfrequenzreihen, Pulstabellen, Messdiagrammen, Analysen und Auswertungen erfüllt, die sich wie ein riesiger Schwarm Buntfalter mal dahin und mal dorthin bewegten – und das in einem Tempo, dem keiner der Anwesenden zu folgen vermochte, außer Weidenburn.

Der silberne Stirnreifen, den er Mentanulus nannte, war wie die gesamte STAC eine Eigenentwicklung von Weidenburn und soweit Kukolies das beurteilen konnte, jeder bekannten Technik um mindestens ein Jahrhundert voraus. Während des kurzen Aufenthalts auf Terra, der Heimatwelt der Menschen, die derzeit in einem fremden Sonnensystem feststeckte, hatte Kukolies von sogenannten Emotionauten gelesen, die nach jahrelanger intensiver und anstrengender Ausbildung vermochten, sich mit ihren Raumschiffen geistig zu vernetzen. Was Weidenburn mit seinem Mentanulus tat, ging gleich mehrere Schritte über diese Praxis hinaus.

Der Kommandant ignorierte die umherwirbelnden Holos und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den jungen Mann im Kontursessel. Dessen Miene wirkte entspannt. Allerdings war zu erkennen, dass die Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern rasend schnelle Bewegungen vollführten, weit schnellere, als sie sogar bei einem desynchronisierten Schlaf mit ausgeprägten Theta- und langsamen Alphawellen üblich waren. Kukolies war kein Fachmann auf diesem Gebiet. Aber Saigam, der twonosische Chefmediziner der STAC, hatte ihm mal gesagt, dass sich Weidenburns Hyperenzephalogramm mit nichts vergleichen ließ, was der Arzt jemals in seinem Leben gesehen hatte.

Dem Kommandanten war klar, dass viele Besatzungsmitglieder den Besitzer des Forschungsschiffs für einen Eigenbrötler hielten, einen verschrobenen Sonderling, der mehr Geld besaß, als er jemals würde ausgeben können. Niemand wusste genau, wie viel die STAC gekostet hatte, doch auf Haitiri hatten die Medien übereinstimmend behauptet, dass Weidenburn einen Großteil seines Vermögens in die Entwicklung dieses Raumers gesteckt hatte – und sein Vermögen war exorbitant groß.

Kukolies hatte in den vergangenen Wochen selbst erlebt, welches Wunderwerk der Raumfahrt Weidenburn mithilfe dieser Finanzmittel und der von dem genialen jungen Thetiser selbst entwickelten, revolutionären Technologien konstruiert hatte. Die STAC war in Rekordzeit von Andrumida in die Milchstraße geflogen und hatte dabei zweieinhalb Millionen Lichtjahre zurückgelegt. Das war eine Distanz, die sich sogar die erfahrensten Raumfahrer nicht mal vorstellen konnten. Angeblich waren sogar die legendären Schaltschiffe der Meister der Insel nicht so schnell.

Übergangslos schlug Weidenburn die Augen auf. Er sprang aus dem Sessel, als habe ihn eine Kallmacke gestochen. Die zahllosen Hologramme fielen binnen Sekundenbruchteilen in sich zusammen und wurden wieder durch die bekannten Anzeigen und Projektionen über den Arbeitspulten der einzelnen Stationen ersetzt.

»Es ist alles in Ordnung, Kommandant«, behauptete Weidenburn. »Wir sind allein. Das System hat vier Planeten. Der dritte trägt den arkonidischen Eigennamen Scaithra. Eine unbewohnte Dschungelwelt. Die beiden inneren Welten sind glühend heiße und halb flüssige Steinbrocken, die äußere ein Gasplanet aus Helium und Wasserstoff.« Er drehte sich ruckartig um und fixierte Saron da Urid. »Was wissen Sie über Scaithra?«, fragte Weidenburn.

»So gut wie nichts«, antwortete der Arkonide. Weidenburn gegenüber gab er sich weit weniger unnahbar als noch ein paar Minuten zuvor. »Eine unbedeutende Randwelt, die nie kolonisiert wurde und über keine nennenswerten Bodenschätze verfügt.«