Perry Rhodan Neo 356: Basar der Einsamkeit - Lucy Guth - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 356: Basar der Einsamkeit Hörbuch

Lucy Guth

5,0

Beschreibung

Im 25. Jahrhundert: Die Menschheit strebt eine friedvolle Zusammenarbeit der galaktischen Zivilisationen an, womit sie dem positiven Leitbild des Raumfahrers Perry Rhodan folgt. Doch dann wirft man ihm und seinen Gefährten terroristische Anschläge vor – sie müssen mit dem Raumschiff MAGELLAN fliehen. Hinter dieser Intrige vermutet Rhodan die Hamamesch, die seit einiger Zeit in der Milchstraße aktiv sind. In M 33, der fernen Herkunftsgalaxis der Fremden, will er Informationen über die seltsamen Händler sammeln. Nach einer ersten Exkursion taucht überraschend ein Raumschiff der Hamamesch vor der MAGELLAN auf. Die schneckenartigen Wesen bitten Perry Rhodan um Hilfe. Sie benötigen Unterstützung bei einer gefährlichen Rettungsmission – auf dem Basar der Einsamkeit ...

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Zeit:6 Std. 22 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Axel Gottschick

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Band 356

Basar der Einsamkeit

Lucy Guth

Cover

Vorspann

1. Aveline Celestaris träumt von Schatten

2. Thora Rhodan da Zoltral erinnert sich an Schnecken

3. Gucky synchronisiert

4. Aveline Celestaris isst arkonidische Suppe

5. Jamels hat eine Bitte

6. Sud imprägniert

7. Thora Rhodan da Zoltral verschlägt es die Sprache

8. Eidolon kuschelt

9. Perry Rhodan pokert

10. Tibur bekommt einen Schlag

11. Aveline Celestaris stürzt ab

12. Perry Rhodan tritt in Aktion

13. Atlan da Gonozal legt Steine in den Weg

14. Aveline Celestaris hält den Mund

15. Perry Rhodan trifft eine Entscheidung

16. Traumvision: Aveline Celestaris isst ein Eis

17. Atlan da Gonozal tritt in Schmodder

18. Traumvision: Aveline Celestaris kämpft

19. John Marshall bändigt einen Schatten

20. Thora Rhodan da Zoltral zieht ihre Schlüsse

21. Eidolon wird zum Skalpell

22. Perry Rhodan fragt nach

23. Aveline Celestaris trauert mit den Hamamesch

Impressum

Im Jahr 2462: Nach einer langen Zeit des Exils sind die Menschen zur Erde zurückgekehrt und bauen ihr Sternenreich wieder auf. Perry Rhodan und sein Umfeld stellen die Weichen für eine friedvolle Zusammenarbeit mit den Völkern der Milchstraße.

Doch dann wirft man ihm und seinen Gefährten terroristische Anschläge vor. Sie müssen mit dem Fernraumschiff MAGELLAN fliehen. Rhodan glaubt, dass die Hamamesch für diese Intrige verantwortlich sind; sie sind seit einiger Zeit als erfolgreiche Händler aktiv und gewinnen großen Einfluss. Er will in ihrer Heimatgalaxis M 33 mehr über die mysteriösen Schneckenwesen erfahren.

Nach einer ersten Planetenexkursion taucht überraschend ein Raumschiff der Hamamesch vor der MAGELLAN auf. Die Fremden bitten Perry Rhodan um Hilfe. Sie benötigen Unterstützung bei einer gefährlichen Rettungsmission – auf dem BASAR DER EINSAMKEIT ...

1.

Aveline Celestaris träumt von Schatten

Ein sonniger Tag auf Nimbus. In der Innenstadt von Imago herrschte reges Treiben. Andere mochten Nimbus als trostlos und karg bezeichnen, für Aveline Celestaris war dieser Planet Heimat. Trotz aller schrecklichen Erlebnisse und Erfahrungen war sie auf Nimbus aufgewachsen, und obwohl sie mittlerweile viele andere und wirtlichere Planeten gesehen hatte und aus verschiedenen Gründen wenig Neigung hegte, Nimbus häufiger zu besuchen, empfand sie doch eine gewisse Verbundenheit.

Es war Markttag. Bunte Stände mit grünen Binotäpfeln und leuchtend orangefarbenen Quectrauben. Das Aroma des blauen Pfeffers in der Auslage eines Gewürzhändlers stieg ihr scharf in die Nase. Überall waren Farben und Gerüche. Die Stimmung war angenehm und friedlich.

Celestaris beobachtete eine Gruppe schmuddeliger Straßenkinder, die sich zwischen den Leuten hindurchschoben – vielleicht auf der Suche nach Beute. Dann entdeckte sie die Frau, die dazugehörte. Eine Mutter, keine Bandenchefin. Sie lachte mit den Kindern und wuschelte dem kleinsten durchs karottenrote Haar. Celestaris verspürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Trauer um das Gewesene und Verlorene.

Dann war da ein Flackern. Ein seltsames Knistern in ihren Ohren. Hitze, die sich in ihrem Innern ausbreitete. »Oh nein!«, murmelte sie. Sie kannte die Vorzeichen. Eidolon erwachte.

Sie wollte rufen, die Leute warnen. Aber sie bekam keinen Ton heraus.

Stattdessen brach der Schatten aus ihr hervor.

Als die plumpe, schwarze Kreatur mitten unter ihnen auftauchte, stoben die Menschen schreiend auseinander. Alle Farben verblassten, und ein Grauschleier legte sich über sie. Aus dem sonnigen Tag wurde eine düstere Höllendimension.

Eidolon drehte sich zu Celestaris um und kam langsam auf sie zu. Er schien abzuwägen, zu lauern. Panik überfiel sie. Bislang hatte Eidolon ihr nie etwas getan. Denn er brauchte sie, sie war seine Wirtin. Was für einen Sinn hätte es gehabt, das Wesen anzugreifen, das einen nährte?

Da begriff sie, dass Eidolons Aufmerksamkeit nicht etwa ihr galt, sondern jemandem neben ihr. Einem kleinen Wesen, dessen karottenrote Haare trotz des omnipräsenten Grauschleiers leuchteten. Das Kind war bei seiner Flucht gestürzt, saß nun auf dem Boden und starrte Eidolon angsterfüllt entgegen. Celestaris konnte nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Das Kind war noch in einem Alter, in dem man das leicht verwechseln konnte.

Es spielte keine Rolle, das Kind war in Gefahr. Mit einem wütenden Aufschrei warf sich Celestaris ihrem Schatten entgegen.

Eidolon schien von der unerwarteten Attacke seiner Wirtin irritiert zu sein. Doch dann packten seine gewaltigen Pranken zu. Der Schwung ihres Ansturms reichte trotzdem aus, um sie beide zu Fall zu bringen.

Sie rollten raufend über den Boden, der plötzlich ebenso schwarz war wie Eidolon selbst. Rings um Celestaris verschwand die Welt ihrer Kindheit, stattdessen fand sie sich mit ihrem verhassten Anhängsel in einer schaurigen Schattenwelt wieder, die aus verschiedenen Schwarz- und Grautönen bestand und überall scharf, spitz und kantig war. Jede Bewegung verursachte Schmerzen.

Der Schatten gewann schließlich die Oberhand und drückte Celestaris mit seinen Riesenkräften zu Boden. Seine Berührung war eiskalt. Der plumpe, diffuse Kopf kam näher.

Er wird mich verschlingen!, dachte sie. Und was dann? Werde ich dann zum Schatten? Bei diesem Gedanken schrie sie lauthals – sie spürte, nein, sie wusste, dass er der Wahrheit entsprach: Sie selbst würde zum Schatten werden ...

Aveline Celestaris setzte sich schweißgebadet in ihrem Bett auf. »Licht!«, befahl sie krächzend, weil sie fürchtete, in der Dunkelheit ihrer Kabine sonst ersticken zu müssen. Sie war Albträume gewohnt – sie wurde seit dem Tod ihrer Familie davon verfolgt. Aber dieser war so realistisch gewesen, dass sie immer noch glaubte, Eidolons eiskalte Hände auf ihren Armen zu spüren. Ihr Herz wummerte so heftig gegen ihre Brust, dass es schmerzte.

Mit zitternden Beinen erhob sie sich und holte sich ein Glas Wasser aus der Nasszelle. Die Feuchtigkeit war Balsam für ihre ausgetrocknete Kehle. Sie lehnte sich an die Tür ihres Quartiers, während sie darauf wartete, dass sich ihr Puls beruhigte. Sie spürte Eidolon in sich rumoren. Er war nicht kurz davor, auszubrechen, doch er zuckte unruhig.

Was hat dieser Traum zu bedeuten?

Ihr war klar, dass er über das Offensichtliche hinausging: die Angst davor, die Kontrolle über den seltsamen Dämon zu verlieren, der ihr Leben seit den Ereignissen am Distanzlosen Tor zu einem großen Teil bestimmte. Dafür musste sie kein Psychologe sein, und das hatte sie schon vor dem Albtraum gewusst.

Allerdings hatte sie gehofft, allmählich die Herrschaft über ihr Leben zurückzuerlangen. In den vergangenen Wochen hatte sie viel erreicht – dank Gucky, der regelmäßig mit ihr trainierte. Während des Flugs nach M 33 hatte der Mausbiber sie angeleitet und ihr ein paar Mentaltechniken beigebracht, die ihr halfen, mit Eidolon umzugehen.

Eine davon wandte sie nun an: Sie schloss die Augen und versuchte, ruhiger zu atmen. »Ich habe die Kontrolle über Eidolon«, sagte sie sich. »Ich bestimme, was er tut und wann er sich manifestiert.« Sie richtete ihre Aufmerksamkeit nach innen, suchte gezielt nach dem Schatten in ihr. Sie sprach das Ungeheuer direkt an: »Du bleibst, wo du bist! Ich bin diejenige, die das Sagen hat!«

Eidolon gehorchte. Er wurde still. Erleichtert atmete Celestaris auf und öffnete die Augen. Wie immer, wenn es ihr gelungen war, die Wolkenkreatur in die Schranken zu weisen, fühlte sie sich gut – fast so gut, wie wenn sie sich dem Rausch eines Ausbruchs von Eidolon hingab, dem meist der Kater des schlechten Gewissens folgte. Zu wissen, dass sie dem Schattenwesen nicht mehr hilflos ausgeliefert war, stärkte ihr Selbstbewusstsein. Sie war mutiger und offener geworden.

Sie glaubte, dass sie Eidolon mittlerweile zumindest halbwegs im Griff hatte. Es war lange her, dass er das letzte Mal einfach aus ihr herausgebrochen war, so wie sie es im Traum erlebt hatte.

Doch ihr Hochgefühl erhielt einen jähen Dämpfer. Sie registrierte, dass sich etwas verändert hatte. Auch wenn sie ihn vorerst beruhigt hatte: Eidolon wurde wieder stärker. Sie hatte keine Ahnung, was die Ursache hierfür war. Was machte sie falsch?

Diese Selbstzweifel stellten leider nur neues Futter für Eidolon dar, das wusste sie sehr gut. Gucky, der ein enger Freund geworden war, hatte es oft mit ihr besprochen. Jedes schlechte Gefühl, das sie hatte – ob auf sich oder auf andere bezogen –, nährte Eidolon und ließ ihn wachsen.

Aber es war eine Sache, das abstrakt zu wissen, und eine ganz andere, konkret etwas dagegen zu tun. Gegen düstere Empfindungen konnte sie nicht kämpfen, die kamen einfach, ohne dass sie es zu verhindern vermochte. Immerhin: Auf der MAGELLAN zu sein, zwischen Freunden, half ihr, weniger oft negative Emotionen zu empfinden.

2.

Thora Rhodan da Zoltral erinnert sich an Schnecken

Im Zentrum des Außenbeobachtungshologramms schwebte eine Haselnuss. Zumindest sieht das Raumschiff auf den ersten Blick so aus, dachte Thora Rhodan da Zoltral.

Sie wusste natürlich sehr gut, dass es sich bei dem fremden Objekt, das einen Ortungsalarm ausgelöst hatte, weil es in unmittelbarer Nähe der MAGELLAN aufgetaucht war, um ein Gefährt der Hamamesch handelte. Immerhin waren die Raumfahrzeuge dieses fremdartigen Volkes seit einiger Zeit in der Milchstraße sehr präsent.

»Miss da Othar, irgendwelche Kontaktversuche vonseiten der Hamamesch?«, fragte sie, ohne den Blick vom Holo zu wenden.

Die Ortungschefin Zyrana da Othar verneinte. »Nicht, dass es besonders einfach wäre, in dieser Gegend Funksprüche zuzuordnen«, setzte sie in ihrer gewohnt brummigen Art hinzu. »Hier geistern unzählige Hyperfunksprüche und Hilferufe durchs All – zwar zumeist verstümmelt, dennoch omnipräsent.«

Sie legte die empfangenen Signale in ein allgemeines Akustikfeld der Zentrale, um zu verdeutlichen, was sie meinte. Es war nur ein verwirrendes Geplapper zu hören, weil sich die Sprüche gegenseitig überlagerten.

»Ein babylonisches Sprachgewirr«, kommentierte Perry Rhodan, der ebenso wie Atlan da Gonozal und Reginald Bull im Leitstand der MAGELLAN war. Er musterte das Hologramm des Hamameschraumschiffs mit zusammengekniffenen Augen und rieb sich das Kinn.

»In Babylon war es nicht ganz so schlimm.« Atlan schmunzelte. »Die Gerüchte übertreiben da eindeutig.«

Der alte Angeber kann es nicht lassen, spottete Thoras Extrasinn. Atlan war berüchtigt dafür, hin und wieder solche Bemerkungen fallen zu lassen, um auf die zahlreichen Abenteuer im Lauf seines langen Lebens hinzuweisen.

Ich kann ihm sicher bald Konkurrenz machen, erwiderte sie. Bei Gelegenheit kann ich ganz locker erwähnen, wie es war, den Erstkontakt mit den Menschen herzustellen.

Wir wissen beide, dass das nicht dein Stil ist.

Thora gab ihrem Logiksektor recht und wandte sich wieder aktuellen Problemen zu. Die stumme Unterhaltung mit ihrem anderen Ich hatte weniger als eine Sekunde gedauert.

»Wissen wir, wie es zu diesem Phänomen kommt?« Sie richtete die Frage an niemand Speziellen.

Die Antwort kam von DIDEROT, der Hauptpositronik der MAGELLAN. »Eine solide Theorie besagt, dass es an den Hyperraumgranulen liegt. Die fünfdimensionalen Funksprüche werden von den aktiven Granulen offenbar aus dem Hypermedium geworfen und dabei förmlich zerhackt. Die lichtschnellen Sprüche indes sind unbeeinträchtigt, wenngleich wie zu erwarten sehr alt.«

»Diese instabilen Granulen sorgen also wieder mal für Chaos.« Reginald Bull schüttelte verärgert den Kopf. »Besteht trotzdem die Möglichkeit, mit dem Hamameschschiff in Kontakt zu treten?«

»Ich versuche es bereits. Da wir wegen der geringen Distanz keinen Hyperfunk benutzen müssen, sollte es eigentlich machbar sein.« Da Othar überprüfte geeignete Frequenzen längst. Die holografischen Bedienelemente um sie herum flackerten, wenn ihre fliegenden Finger darüberhuschten. Es sah aus, als säße die Arkonidin inmitten eines bunten Gewitters.

Atlan blickte nachdenklich auf das Außenbeobachtungshologramm. »Das Schiff sieht zwar aus wie die Raumfahrzeuge der Hamamesch, die wir aus der Milchstraße kennen. Doch wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Schneckenwesen, denen wir hier begegnen, auch denen ähneln, die uns geläufig sind. Immerhin haben die Hamamesch in M Dreiunddreißig wahrscheinlich noch nie Menschen oder Arkoniden gesehen.«

»Du hast vollkommen recht«, pflichtete Perry Rhodan ihm bei. »Wir sollten bei der Kontaktaufnahme hohe Vorsicht walten lassen und auf alles vorbereitet sein. Auch darauf, dass sie uns vielleicht feindlich begegnen.«

»Kommandantin, nun steht eine Verbindung«, sagte Zyrana da Othar.

»Dann los!« Thora wappnete sich. Der Anblick, der sich ihr kurz darauf im Kommunikationshologramm bot, verschlug ihr jedoch für einige Sekunden die Sprache.

In der lebensgroßen Drei-D-Darstellung, die das bisherige Bild des fremden Raumschiffs im Hauptholo verdrängte, waren gleich mehrere Hamamesch zu sehen. Im Vordergrund stand ein beeindruckend großes Exemplar, dessen Hauptfühler Thoras Kopfhöhe noch überragten. Zwei weitere Schneckenwesen standen schräg dahinter.

Thora konzentrierte sich auf den Hamamesch im Vordergrund, weil er mit Sicherheit ihr Hauptansprechpartner war. Er stand völlig reglos vor ihr, nur die kleineren Fühler in der Mitte des Kopfs bewegten sich sacht hin und her. Seine Haut glänzte feucht und verursachte Thora eine Gänsehaut. Sie hatte immer einen Widerwillen gegen irdische Schnecken verspürt. Wenn sie in Manchester oder in Cardiff im Urlaub gewesen waren, hatten die Kinder manchmal diese Kreaturen im vom Morgentau feuchten Gras gesammelt und ihr stolz gezeigt. Thomas hatte ihr einen langen Vortrag darüber gehalten, wie nützlich und faszinierend diese Tiere seien. Sie hatte stets höflich gelächelt, doch als er und Nathalie darum bettelten, afrikanische Riesenschnecken als Haustiere halten zu dürfen, hatte sie energisch abgelehnt.

Und jetzt stehe ich einer aufrecht stehenden Nacktschnecke gegenüber und soll kluge Worte für einen Erstkontakt finden.

Sicher, Thora hatte seit dem vergangenen Jahr schon Dutzende Hamamesch getroffen. So allgegenwärtig, wie sie mittlerweile in der Milchstraße waren, war das kaum zu vermeiden gewesen. Sie war sogar beim Erstkontakt auf dem Kosmischen Kontor TEKMAR dabei gewesen. Der hatte sich jedoch anders angefühlt als die gegenwärtige Begegnung. Der Postillon Kjauras und seine Leute hatten sich den Menschen mit ihrer Freundlichkeit damals fast schon aufgedrängt. Trotzdem hatten diese Fremdwesen, die sich mit ihren Raumstationen im Sternenreich der Terraner und in den Einflussbereichen zahlreicher anderer galaktischer Zivilisationen als Händler breitgemacht hatten, aus verschiedenen Gründen von Anfang an nicht zu Thoras Lieblingsspezies gehört.

Etwas an ihnen war trotz aller Exotik seltsam gewesen. Nicht nur wegen der Beflissenheit und Sprüchen wie »Ihre Zufriedenheit ist unser Lebensinhalt!« Diese drei Hamamesch im Komholo nun wirkten distanziert und weit weniger entgegenkommend. Ihnen haftete etwas an, das Thora einen Schauer über den Rücken laufen ließ.

Vielleicht war es ihre vollkommene Reglosigkeit. Vielleicht auch der Eindruck, dass sie eine Extraportion Schleim zu produzieren schienen und besonders feucht glänzten. Weil sie keine Kleidung trugen, nicht mal Tücher wie ihre Verwandten in der Milchstraße, war das besonders deutlich zu sehen. Stattdessen waren diese Hamamesch mit glitzernden Ketten und Armreifen geschmückt. Oder es lag an dem Umstand, dass sie keine Mimikmasken aufgesetzt hatten.

Allerdings waren es gerade die Mimikmasken gewesen, die nach Thoras Empfinden immer besonders viel zur Fremdartigkeit der Milchstraßen-Hamamesch beigetragen hatten. Und das, obwohl sie eigentlich für das Gegenteil gedacht waren: Es waren einfache Gesichtsnachbildungen aus einem seltsamen Material, die sich verformen und im Einklang mit der Körperchemie der Hamamesch ihre Empfindungen in Gesichtsausdrücke übersetzen konnten, die für Humanoide verständlich waren.

Dass diese drei Hamamesch nun keine Mimikmasken trugen, war daher ungewohnt und gab Thora das Gefühl, auf eine schleimige, leere Leinwand zu blicken.

Sie bemerkte, dass sie die Fremden schon seit mehreren Sekunden anstarrte, und räusperte sich verlegen. Sie hielt sich eigentlich zugute, die typische Arroganz der Arkoniden anderen Spezies gegenüber abgelegt zu haben. Sie wollte nun nicht wieder damit anfangen.

Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, ergriff der große Hamamesch das Wort. »Ich muss um Verzeihung bitten, verehrte Fremde, dass wir Sie derart sprachlos angaffen. Aber meine Aschnat und ich sind überrascht. Wir haben niemals zuvor Wesen wie Sie gesehen.«

Die Translatoren der MAGELLAN und die Übersetzerimplantante von Thora sowie zweifellos auch der anderen Besatzungsmitglieder des Fernraumschiffs hatten mit der Sprache der Hamamesch keine Probleme. Schließlich war sie bekannt und ins Bordsystem eingepflegt. Lediglich das Wort »Aschnat« schien den terranischen Datenbanken unbekannt zu sein. Die Stimme des Fremden war tief, und er klang wie jemand, der einen starken Schnupfen hatte.

»Auch ich bitte, unsere Unhöflichkeit zu entschuldigen – wir hingegen hatten bereits die Ehre, Hamamesch zu treffen«, sagte Thora diplomatisch. »Wir kommen von weit her, aus einer grob drei Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis, die wir Milchstraße nennen. Dorthin ist ihr Volk vor Kurzem vorgedrungen.«

»Das wissen wir. Die Berichte haben uns erreicht. Sind Sie Menschen?«

»Menschen und Arkoniden, ja. Mein Name ist Thora Rhodan da Zoltral, ich bin die Kommandantin der MAGELLAN.«

»Und ich bin Kjontak, Saasupoar der HITSCH DA NAVAL ESTOSCH. Das ist wahrscheinlich eine ähnliche Funktion wie die Ihre. Ich sorge für dieses Schiff und seine Mannschaft.«

Thora schmunzelte. »Ja, das kann man miteinander vergleichen.«

Kjontaks Primärfühler streckten sich in ihre Richtung, so als wolle er genauer hinschauen. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut?«

Thora stutzte. »Ja. Wie kommen Sie auf diese Frage?«

»Ihre Gesichtshaut schrumpelt ein. Fehlt es Ihnen an Feuchtigkeit?«

Hinter Thora schnaubte Atlan da Gonozal– ein unterdrücktes Lachen.

»Das, ähm, ist ein Lächeln. Unsere Spezies sind sehr verschieden. Wir Arkoniden und Menschen drücken mit unseren Gesichtern Gefühle aus. Ein Lächeln ist freundlich.«

»Ah ja ... Ich erinnere mich an die Berichte ... Unsere Wissenschaftler haben etwas entwickelt, das die Kommunikation erleichtern soll.«

»Die Mimikmasken, ich weiß.« Die Arkonidin musste sich eingestehen, dass sie noch nie daran gedacht hatte, dass es für die Hamamesch ebenso verwirrend sein musste, mit Mimik konfrontiert zu werden, wie für Thora Rhodan da Zoltral, ohne eine Mimik des Gegenübers klarkommen zu müssen.

»Möchten Sie, dass ich eine Mimikmaske anfertigen lasse?«

»Bitte, machen Sie sich keine Umstände. Es interessiert uns viel mehr, wie wir Ihnen weiterhelfen können. Ich bin sicher, dass wir nicht zufällig auf Ihr Schiff getroffen sind.«

Kjontaks feingliedrige Tentakelfinger zuckten, und die Nervenperlen an deren Enden schwangen hin und her. »Es gibt tatsächlich etwas, das Sie für uns tun können. Ich bitte Sie darum, dass unser Postillon Jamels zu Ihnen auf die MAGELLAN kommen darf, um Verhandlungen zu führen.«

3.

Gucky synchronisiert

»Ein Postillon also – etwa wie Kjauras?«, fragte Atlan da Gonozal, während er mit Perry Rhodan zum größten Besprechungsraum der MAGELLAN ging, in dem sie den Gast begrüßen wollten. Kjauras war der Konvoiführer des Kosmischen Kontors TEKMAR und hatte als Erster mit den Terranern Kontakt aufgenommen.

»Ein Postillon scheint bei den Hamamesch so etwas wie ein Diplomat zu sein«, mutmaßte Rhodan. »Warum die Translatoren seinerzeit ausgerechnet den altertümlichen Begriff für den Fahrer einer Postkutsche gewählt haben – wer weiß?«

»Die Hamamesch sind uns eben noch sehr fremd, obwohl ihre Kontore im Einflussgebiet der Menschen schon ein gewohnter Anblick sind. Ich bin mir nicht sicher, was wir von diesem Raumschiff und seiner Besatzung halten sollen. Was wollen sie von uns?«

Rhodan verkniff sich ein Grinsen und trat durch die Tür des Konferenzraums. Es handelte sich um den »Kuppelsaal«, der wegen seines kreisförmigen Grundrisses und der gewölbten Decke so genannt wurde. Die großflächigen, domartigen Wandungen konnten zur Projektion von allen Arten dreidimensionaler Darstellungen genutzt werden.

»Du bist ungeduldig wie eh und je, Kristallprinz. Wir werden sicher bald herausfinden, was die Hamamesch wollen – genau aus diesem Grund kommt dieser Jamels doch hierher.«

»Die Kristallprinz-Zeiten sind lange vorbei.« Atlan ließ sich auf einen der hochlehnigen Sessel fallen. »Und Ungeduld muss keine negative Eigenschaft sein, weißt du?«

Neben ihm materialisierte unvermittelt Gucky. »Ich hörte, wir haben ein Schneckenproblem?«

»Sei nicht so abwertend, sonst holen die Hamamesch demnächst einen Rattenfänger«, konterte der Arkonide, der es in Bulls Abwesenheit gern übernahm, sich mit Gucky zu kabbeln. Reginald Bull war zusammen mit Thora Rhodan da Zoltral auf den Weg zum HAFEN, dem Haupthangar der MAGELLAN, um ihre Besucher zu begrüßen.

Gucky stieß einen entrüsteten Pfiff aus. »Ratte, also bitte! Mäuse und Biber sind edle Tiere, aber Ratten ...«

»Sei froh, dass man bei deiner ersten Begegnung mit den Menschen keinen Rattenotter aus dir gemacht hat!« Mit einer Handbewegung aktivierte Atlan ein Holo, welches das Innere des riesigen Hangardecks zeigte. »Ich bin gespannt, wie die Ankunft unseres Besuchers sich gestaltet.«

Sie mussten nicht lange warten, bis ein kleines Raumfahrzeug in die Hangarhalle einflog und ein eigens für Besucher reserviertes Landeareal ansteuerte. »Keine Haselnussform«, stellte Atlan das Offensichtliche fest. Stattdessen erwies sich das Beiboot der Hamamesch als etwa dreißig Meter langes, eher schmales Ellipsoid.

»Eher eine Eichel.« Gucky kicherte. »Warum kann es nicht mal Schiffe in Karottenform geben?«

»Es steht dir frei, eine eigene Flotte zu konstruieren.«

»Guckys Karottenflotte rettet das Universum – das wär doch mal was!« Der Ilt hatte von irgendwoher ein großes Exemplar seines Lieblingsgemüses herbeigezaubert und knabberte genüsslich daran. »Ich wäre ja immer noch dafür, beim Flaschengarten ein Eckchen für Karotten zu reservieren.«

Die MAGELLAN war zwar alt, aber für ihre Reise hatte Josch da Hozarius, ein Spezialist für 5-Vegetation, im oberen Bereich der Zentralkugel eine ganze Halle begrünt, in deren Mitte ein großes Behältnis mit speziellen Gypspflanzen stand, um mit deren Hilfe die Erschwernisse durch Hyperraumgranulen besser bewältigen zu können.

»Bloß nicht. Am Ende haben wir dann Gypskarotten!« Atlan verzog das Gesicht. »Wer weiß, was die anrichten.«

Im HAFEN herrschte Schwerelosigkeit und Luftleere, doch vom Besucherlandeplatz aus konnten die Passagiere des fremden Raumboots über eine kleine Schleuse direkt in einen Empfangsraum gelangen – ein entsprechender Transportschlauch wurde gerade angedockt.

Atlan wechselte die Holoansicht, die daraufhin ebenjenen Empfangsraum zeigte. Dort warteten Thora und Bull bereits auf den Postillon der Hamamesch.

»Wenigstens ist Reg genauso ungeduldig wie ich.« Atlan wies auf Bulls unruhig wippenden Fuß.

»So kennen wir ihn«, kommentierte Gucky und teleportierte auf einen Sessel.

»Warum bist du eigentlich zu uns und nicht in den Empfangsraum teleportiert, wenn du neugierig bist?«, fragte Rhodan.

Der Ilt ließ seinen Nagezahn blitzen. »Weil ich es viel spannender finde, was ihr über die Hamamesch zu sagen habt, wenn sie euch nicht hören können.«

Ehe Rhodan etwas erwidern konnte, deutete Atlan auf das Hologramm. »Da kommt er!«

Der Hamamesch, der auf einem Kriechsohlenschutz aus der Schleuse glitt, war nicht so groß wie der Kommandant der HITSCH DA NAVAL ESTOSCH. Er reichte Thora nur bis zur Brust, machte diesen Mangel jedoch durch Masse in der Breite wett. Und er trug eine Mimikmaske, die ein verstörend breites Grinsen zeigte.

»Diese Masken sind wirklich gruselig!« Gucky schüttelte sich.

»Dennoch äußerst hilfreich für Nichttelepathen«, sagte Rhodan.

Gucky warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Auf allerhöchsten Befehl darf ich diplomatische Gäste nicht belauschen, wie ihr wisst.«

Atlan lachte kurz auf. »Als ob du dich daran halten würdest!«

Der Mausbiber richtete sich würdevoll auf. »Natürlich gehorche ich den Befehlen des Meisters. Meistens jedenfalls.«

»Halt dich zurück«, mahnte Rhodan. »Dieser Erstkontakt, der eigentlich keiner ist, könnte durchaus knifflig werden.« Er betrachtete das stumme Holo stirnrunzelnd. »Der Postillon ist sehr ruhig und friedlich. Das hatte ich allerdings nicht anders erwartet. Gibt es eigentlich keinen Ton zu den Bildern?«

Atlan hob die Hand. »Ist eine Frage der Einstellung, glaube ich. Ich kann danach suchen.«

Gucky winkte ab. »Ach, was soll bei diesem ersten Gespräch schon Aufregendes gesagt werden?« Er wies auf Thora, die gerade redete: »Sie sagt: ›Willkommen auf der MAGELLAN, Schneckenvolk! Ich bin die Thora und die Chefin hier. Ich hoffe, eure Haselnuss hatte einen guten Flug.‹« Der Ilt deutete auf den Hamamesch, der seiner Haltung nach nun zu antworten schien, und sagte mit tiefer, nasaler Stimme: »›Aber klaro, war ja nun keine Weltreise. Hübscher Kahn übrigens. Wer ist der Rotschopf?‹, und Reg antwortet: ›Ich bin der große Reginald. Folge mir, Schleimgetier – kriech mir nach, ich bringe dich zu unserem Anführer!‹«

Atlan da Gonozal bog sich vor Lachen, weil Gucky es tatsächlich geschafft hatte, die kleine Szene im Hologramm zu »synchronisieren«. Passend zu seiner Interpretation drehten sich Thora und Bull nun um, machten eine einladende Geste zu Jamels und gingen los.

Auch Rhodans Mundwinkel zuckten. »Gucky ...«, tadelte er.

»Alles klar, ab sofort bin ich der ernsthafte, seriöse Ilt, als den ihr mich kennt!«

Rhodan seufzte. Insgeheim war er froh, dass Gucky mittlerweile wieder ganz der Alte war. Meistens jedenfalls. Nur hin und wieder merkte man dem Ilt an, dass er viel zu lange völlig allein auf der verlassenen Erde gewesen war. Gucky hatte dieses Trauma bemerkenswert schnell überwunden. Viel zu schnell, wie Rhodan oft dachte. Er befürchtete, dass der Mausbiber sehr viel in sich hineinfraß und mit seiner flapsigen Art überspielte, und dass ihm das eines Tages mit aller Gewalt vor die Füße fallen würde. Sich professionelle Hilfe zu holen, hatte Gucky bislang jedoch abgelehnt.

Auf der MAGELLAN war jedes Ziel innerhalb weniger Minuten zu erreichen, also dauerte es nicht lange, bis das Hauptschott des Kuppelsaals aufglitt sowie Thora und Bull mit ihrem Besucher erschienen. Jamels war als Einziger aus dem Hamameschraumschiff ausgestiegen. Atlan, Rhodan und Gucky erhoben sich zur Begrüßung, und Jamels nahm in einer eigens für ihn herbeigeschafften Sitzschale Platz. Dank ihrer Erfahrung mit den Hamamesch wussten die Menschen, dass die Schneckenwesen diese wannenartigen Möbel als Sitzgelegenheiten bevorzugten.

Von Angesicht zu Angesicht konnte Rhodan Jamels eingehender betrachten als über das Holo. Die Hauptfühler dieses Hamamesch waren ungewöhnlich lang, und er war mit mehreren Ketten behängt, die aus rötlichem und gelbem Metall bestanden. Eine davon, die aus einzelnen, kupfern schimmernden Gliedern zusammengesetzt war, hatte einen auffälligen Anhänger. Er hatte die Größe einer Menschenfaust, war annähernd rund und bestand aus einem pechschwarzen Stein.

»Vielen Dank, dass Sie mich auf Ihrem Schiff empfangen«, sagte Jamels mit einer tiefen, nasalen Stimme, die der des Kommandanten Kjontak ähnelte.

»Es ist uns eine Ehre.« Rhodan neigte den Kopf. »Es wundert mich etwas, dass Sie keine Quorven dabei haben.« Damit spielte er auf die Ehrengarde an, die er von Kjauras kannte und auch bei Kjontak im Kommunikationshologramm zu sehen gewesen war.

Jamels Mimikmaske zeigte ein amüsiertes Lächeln. »Nicht jeder von uns legt Wert auf ein großes Gefolge. Ich komme gut ohne Begleiter aus.«

»Das sehe ich. Wir stellen außerdem fest, dass Ihr Beiboot sich anschickt, die MAGELLAN zu verlassen. Das ist nicht nötig. Wenn Ihre Besatzung nicht im HAFEN warten möchte, haben wir einen Gästebereich ...«

»Ein freundliches Angebot, doch nein danke. Die Aschnat haben auf der HITSCH DA NAVAL ESTOSCH zu tun und können mich ebenso gut später wieder abholen.« Auf Jamels Mimikmaske lag ein Ausdruck der Irritation, als wisse er nicht recht, warum ihm dieses Angebot überhaupt gemacht wurde. Rhodan hörte das Wort Aschnat nun zum zweiten Mal und vermutete, dass es ein Synonym für Mannschaft oder Diener war.

Thora wechselte das Thema. »Nun, Mister Jamels, was können wir für Sie tun?«

Jamels Fühler wandten sich in ihre Richtung. »Zunächst mal interessiert uns natürlich, warum ein terranisches Raumschiff in Triangulum auftaucht.« Er benutzte ein anderes Wort für den Namen der Galaxis M 33, doch der Translator übersetzte es mit dem gängigen Begriff.

Bull verschränkte die Finger auf der Tischplatte. »Die MAGELLAN ist ein Expeditionsraumer, ein Forschungsschiff.« Das war nicht mal gelogen.

Jamels Mimikmaske zeigte große Augen. »Ein Forschungsschiff? Und was erforschen Sie?«

Mit unbewegter Miene antwortete Bull: »Die letzte Grenze. Unendliche Weiten. Wir sind unterwegs, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen.«

Rhodan musste sich ernsthaft zusammenreißen. Allerdings war Bulls Antwort ziemlich schlau. Sie brauchten Jamels nicht auf die ... Fühler zu binden, dass sie in diese Galaxis gekommen waren, um sein Volk auszukundschaften. Eine offene Forschungsreise schien plausibel zu sein.