Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Zwischen Idealen und Realität: Ein Blick hinter die Kulissen der frühkindlichen Betreuung" Warum stehen so viele Erzieherinnen und Erzieher am Rande des Burnouts? Warum fühlen sich Eltern in Kitas oft unverstanden – und wie hängt das alles mit Politik, Gesellschaft und historischen Entwicklungen zusammen? Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine ehrliche und schonungslose Reise durch den Alltag in deutschen Kindertagesstätten. Basierend auf jahrelanger Erfahrung zeigt es, wie Erzieherinnen und Erzieher täglich mit Personalmangel, unrealistischen Anforderungen und kulturellen Unterschieden umgehen müssen. Es beleuchtet die Wurzeln dieser Herausforderungen, von der DDR-Erziehung bis hin zu modernen Konzepten, und fordert zu einem längst überfälligen gesellschaftlichen Dialog auf. Ein Buch für alle, die hinter die Fassade blicken und verstehen wollen, warum das System oft auf wackeligen Beinen steht – und wie wir es gemeinsam stärken können.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 96
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Personalmangel in deutschen Kitas
Warum Erzieher diesen Beruf nicht mehr ausüben können und wollen!
Ein Buch von Elisabeth-Ann Wolf
Vorwort
Mein Name ist Elisabeth-Ann Wolf und ich bin über 30 Jahre alt.
Ich habe schon in mehreren Bundesländern gelebt und dort in den verschiedensten Kitas gearbeitet. Bis auf eine Kita habe ich es leider nie lange irgendwo ausgehalten. Die Bedingungen und Umstände sind nicht nur meistens die Hölle, sondern teilweise auch echt gruselig. Und dann noch der Umgang unter den Kollegen und auch mit den Kindern raubt einem jeden Atem und keiner redet darüber.
In all den Jahren habe ich sehr viele andere Erzieher kennen gelernt. Welche auch überall in Deutschland verteilt sind. Man tauscht sich aus und die positiven Geschichten sind Ausnahmefälle. Ich weiß nicht, woran es liegt, doch mein absoluter Herzensjob und Traumberuf, wurde mit jedem Jahr mehr zur Qual. Und es geht nicht nur mir und meinen Freunden oder Bekannten so.
Es sind schlichtweg zu viele Kitas und Erzieher betroffen, die tagtäglich kurz vor einem Burnout stehen – oder ihn bereits erlebt haben. Die Situation wird zusätzlich durch die Politik erschwert: Jedes Jahr werden neue Anforderungen beschlossen, die oft realitätsfern sind. Die Kitas stehen dann vor der Herausforderung, diese Vorgaben umzusetzen – unabhängig davon, wie schwierig die Umstände sind.
Der Personalmangel verschärft die Lage weiter: Die Zahl der Kinder steigt stetig, während aufrund der Arbeitsbedingungen immer weniger Erzieher verfügbar sind. Besonders meine letzten Kita-Arbeitgeber haben mich geradezu dazu gedrängt, dieses Buch zu schreiben. Selbst das Jugendamt scheint entweder hilflos oder bewusst untätig zu sein. Statt einzuschreiten und zu handeln, werden Probleme ignoriert oder unter den Teppich gekehrt.
Was genau ich meine, werdet ihr im Buch lesen.
Dann kam die Doku über Kitas vom „Team Wallraff“ und auch danach passierte rein gar nichts. Das hat mich dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben und die eiskalte Wahrheit preis zu geben.
Es muss sich endlich etwas ändern. So geht es nicht weiter!
Ich habe diesen Job geliebt. Ich habe immer alles gegeben. Und auch noch mehr. Jede Minute meiner Freizeit habe ich geopfert. Doch statt Dank, erhielt ich die meiste Zeit nur Spott, weil ich so eifrig war. Durfte mir anhören, wie sensibel ich doch sei, weil ich für Kinder da war, ihnen zuhörte, sie tröstete und beim Schlichten von Streitigkeiten unterstützte.
Und zu guter Letzt hatte ich bereits mit 24 meinen ersten BurnOut und eine Krankheit nach der Nächsten. Mit der Zeit erfuhr ich, dass es nicht nur mir so ging. Dennoch gab ich auch weiterhin immer alles, denn die Kinder bedeuteten mir alles und ich dachte, wenn nicht wenigstens ich, für sie da bin und sie auffange, wer dann?
Was ziehen wir dann für eine Generation groß?
Natürlich ist nicht jede Kita schlecht.
Doch bei all den vielen gesammelten Erfahrungen, fühlt es sich an, als gäbe es pro Bundesland nur 1-3 gute Kitas von Hundert, wo die Bedingungen stimmen und wirklich zum höchstem Wohl des Kindes gearbeitet wird.
I. Einführung
A Familienformen
Folgende Familienformen gibt es in der heutigen Zeit, auf welche Erzieher in den Kitas eingehen müssen.
1. Traditionelle Familien: Dies sind Familien, die aus einem verheirateten Paar und ihren biologischen Kindern bestehen. Sie folgen oft einem traditionellen Rollenmodell, bei dem der Vater als Hauptverdiener gilt und die Mutter sich um den Haushalt und die Kinder kümmert.
2. Alleinerziehende Familien: Alleinerziehende Familien bestehen aus einem Elternteil, der die Verantwortung für die Kinder trägt, ohne die Unterstützung eines Partners. Dies kann durch Scheidung, Trennung, den Tod eines Partners oder durch bewusste Entscheidung geschehen.
3. Patchwork-Familien: Patchwork-Familien entstehen, wenn ein oder beide Partner Kinder aus früheren Beziehungen mit in die neue Beziehung bringen. Diese Familienform kann komplex sein, da sie verschiedene Elternteile und Geschwister aus verschiedenen Beziehungen einschließt.
4. Regenbogenfamilien: Regenbogenfamilien sind Familien, in denen mindestens ein Elternteil LGBTQ+ ist. Dies kann bedeuten, dass ein gleichgeschlechtliches Paar Kinder adoptiert oder durch Reproduktionstechnologien bekommt, oder dass ein LGBTQ+-Einzelner Kinder hat.
5. Helikopter-Elternschaft: Helikopter-Eltern sind Eltern, die extrem involviert und überfürsorglich in das Leben ihrer Kinder eingreifen. Sie neigen dazu, ihre Kinder ständig zu überwachen, zu kontrollieren und zu lenken, oft aus Angst vor Gefahren oder Misserfolgen.
6. Freiluft-Elternschaft: Im Gegensatz zur Helikopter-Elternschaft setzen Freiluft-Eltern darauf, ihren Kindern mehr Freiheit und Autonomie zu gewähren. Sie ermutigen ihre Kinder dazu, Risiken einzugehen, selbstständig zu handeln und aus Erfahrungen zu lernen.
Diese verschiedenen Familienformen und Elternschaftsstile zeigen die Vielfalt und Komplexität moderner Familien. Jede Familie hat ihre eigenen Herausforderungen, Bedürfnisse und Werte, die sich auf die Erziehung und Entwicklung der Kinder auswirken können. Es ist wichtig, die Vielfalt der Familien anzuerkennen und ihnen Unterstützung anzubieten, um ihre Kinder bestmöglich zu fördern.
B Schwierigkeiten zwischen Familienformen und Erzieher
Helikopter-Eltern
1. Übermäßige Einmischung: Helikopter-Eltern tendieren dazu, sich stark in die Angelegenheiten der Kinder einzumischen, einschließlich ihrer Bildung und Betreuung. Dies kann dazu führen, dass sie ständig den Erziehern Anweisungen geben oder ihre Entscheidungen in Frage stellen.
2. Hohe Erwartungen: Helikopter-Eltern haben oft sehr hohe Erwartungen an die Leistung und das Verhalten ihrer Kinder. Sie können von den Erziehern erwarten, dass sie ihren Kindern kontinuierlich individuelle Aufmerksamkeit schenken und sicherstellen, dass sie sich in jeder Hinsicht optimal entwickeln.
3. Mangelnde Vertrauensbasis: Helikopter-Eltern neigen nicht nur dazu, ihren Kindern wenig Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu geben und stattdessen ständig über ihre Schulter zu schauen, sondern besitzen die gleiche Einstellung gegenüber Erziehern. Dies kann dazu führen, dass sie den Erziehern misstrauen und sich ständig in die pädagogischen Entscheidungen einmischen.
4. Konfliktpotenzial: Wenn die Vorstellungen der Helikopter-Eltern über die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder stark von denen der Erzieher abweichen, kann dies zu Konflikten führen. Die Erzieher müssen möglicherweise einen Balanceakt zwischen den Bedürfnissen und Wünschen der Eltern und den pädagogischen Anforderungen der Einrichtung bewältigen – eine Situation, in der es meist nur Verlierer gibt und mit der keiner am Ende zufrieden ist.
5. Stress für die Kinder: Die übermäßige Einmischung und hohe Erwartungen der Helikopter-Eltern können auch Stress und Druck auf die Kinder ausüben. Dies kann sich negativ auf ihr Wohlbefinden und ihre Lernbereitschaft auswirken und die Arbeit der Erzieher erschweren.
Insgesamt stellen Helikopter-Eltern oftmals für Erzieherinnen und Erzieher eine herausfordernde Dynamik dar, da sie oft eine (zeit-)intensive und anspruchsvolle Handhabung erfordern. Es ist wichtig, dass Erzieherinnen und Erzieher mit solchen Eltern zusammenarbeiten und eine offene und respektvolle Kommunikation aufrechterhalten, um das Wohl der Kinder zu gewährleisten.
Doch auch die anderen Familienformen könnten Erziehern ihre Arbeit erschweren. Jedoch bei weitem nicht so stark, wie die oben genannte Form.
Alleinerziehende Familien
Alleinerziehende Eltern können aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation zusätzliche Unterstützung benötigen. Erzieherinnen und Erzieher müssen möglicherweise flexibel sein und sich darauf einstellen, die Bedürfnisse von Alleinerziehenden und ihren Kindern individuell zu berücksichtigen.
Patchwork-Familien
In Patchwork-Familien können komplexe Beziehungs- und Rollendynamiken auftreten, die sich auf die Betreuungssituation der Kinder auswirken können. Erzieherinnen und Erzieher müssen möglicherweise sensibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Beziehungen innerhalb der Familie eingehen.
Regenbogenfamilien
In Regenbogenfamilien können besondere Herausforderungen im Zusammenhang mit Vorurteilen und Diskriminierung auftreten. Erzieherinnen und Erzieher müssen möglicherweise eine unterstützende und inklusive Umgebung schaffen, in der sich alle Kinder sicher und akzeptiert fühlen können.
Traditionelle Familien
Obwohl traditionelle Familien das klassische Modell darstellen, können auch hier bestimmte Erwartungen und Ansprüche an die Betreuung ihrer Kinder gestellt werden. Erzieherinnen und Erzieher müssen möglicherweise flexibel sein und auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Eltern eingehen.
Insgesamt kann jede Familienform ihre eigenen spezifischen Herausforderungen für Erzieherinnen und Erzieher mit sich bringen. Die bei den Helikopter-Eltern genannten Schwierigkeiten lassen sich in Teilen auch bei den anderen Familienformen wiederfinden, wenngleich meist in abgeschwächter Form. Ein respektvoller und sensibler Umgang mit den verschiedenen Lebenssituationen und Bedürfnissen der Familien ist deshalb entscheidend, um eine positive und unterstützende Betreuungsumgebung für alle Kinder zu schaffen.
Dieses Buch ist nicht dazu da, den Familien mit besonderen Herausforderungen den schwarzen Peter zuzuzschieben. Im Gegenteil!Dieses Buch soll die Augen öffnen. Dieses Buch soll klar machen, warum der Personalmangel in Deutschen Kitas so hoch ist und warum immer mehr Erzieher diesen Beruf hinschmeißen, obwohl es ihr Traumberuf war.
Meine Intention ist es, dass ich mit diesem Buch mehr Verständnis auf Seiten der Eltern schaffen. Denn dieser Beruf ist alles andere als ein Zuckerschlecken! Noch heute werden wir gerne als „Basteltanten“ bezeichnet.
C Erste Beispiele von Erziehern im Zusammenhang mit Familienformen
Beispiel 1:
In einer relativ neuen Kita in Leipzig ereigneten sich folgende Situationen, die das Berufsleben verschiedener Erzieherinnen und Erzieher beleuchten:
In diesem Beispiel handelt es sich um eine Helikopter-Mutter, die sich in dieser Kita während der Eingewöhnungsphase ihres Kindes befand.
Wie in jeder Krippe verfügte auch diese Krippengruppe, die sich im Erdgeschoss befindet, über Krippenmöbel, die sowohl niedrig als auch sicher sind. Doch für die Mutter waren sie nicht sicher genug! Sie äußerte gegenüber der Erzieherin den Wunsch, dass unter das kleine Klettergerüst sowie unter den Esstisch und die Essstühle ein dicker Teppich gelegt werden sollte, da die Kinder ja stürzen und sich schwer verletzen könnten.
Die Erzieherin versuchte, die Mutter in ihrer Sorge und Angst zu beruhigen und ihr klarzumachen, dass die Möbel sicher sind und sich in den Anforderungen befinden. Zudem sind die beiden Erzieherinnen und die Auszubildende immer präsent und haben alles im Blick. Doch die Mutter war damit nicht zufrieden. Sie ging zur Chefin und beschwerte sich darüber, dass im Gruppenraum weder unter der Rutsche, die einen Rand hatte, von dem man nicht so einfach herunterfallen kann, noch unter dem Esstisch dicke Teppiche liegen. Die Kinder könnten sich ja schwer verletzen. Eine der beiden Chefinnen ließ sich tatsächlich davon überzeugen. Sie ging noch in derselben Woche los und kaufte Teppiche.
Die Mutter hatte gewonnen und nicht nur das – durch das Verhalten der Chefin fühlte sie sich auch noch in ihrem Handeln bestätigt. Und es ging seitdem immer weiter. Als nächstes forderte die Mutter, dass die Kinder im Garten Helme tragen, wenn sie mit dem Bobbycar fahren. Zudem schrieb sie den Erzieherinnen mehrmals pro Woche Briefchen mit Forderungen, Auskünften oder Änderungswünschen, was die Erzieherinnen zunehmend belastete und sie nicht wussten, worauf sie sich nun eigentlich konzentrieren sollten. Von der Chefin kam nur der Spruch: "Ihr müsst schon zusammen arbeiten. Dann wird es mit der Zeit leichter."
Doch unterstützt weder die Erzieherinnen, noch macht es ihnen die Arbeit leichter. Vor allem wenn die Chefin die Wünsche und Anforderungen der Mutter alle erfüllt, obwohl diese abstrus sind.
Beispiel 2:
Alleinerziehende Familien stellen Erzieher manchmal vor besondere Herausforderungen. Ich möchte jedoch betonen, dass diese Familienform oft mit schwierigen Umständen zu kämpfen hat und daher nicht zusätzlich mit negativen Darstellungen konfrontiert werden sollte.
In einer Kindertagesstätte in Connewitz gab es eine Familie, deren Kind im Alter von drei Jahren über mehrere Monate eingewöhnt wurde. Die Eltern waren frisch getrennt und hatten Schwierigkeiten miteinander zu kommunizieren. Obwohl beide Elternteile das Sorgerecht hatten, waren sie im Alltag alleine für das Kind verantwortlich.