Peter sucht das Glück - René Burkhard - E-Book

Peter sucht das Glück E-Book

René Burkhard

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Beschreibung

Peter befindet sich in einer Depression. Seine Gedanken kreisen unaufhörlich um eine andere Frau, in die er sich verliebt hat. Doch er weiß nicht, ob er seine Ehe aufs Spiel setzen soll. Es ist eine schwere Entscheidung, die ihm das Herz zerreißt. In einem Moment der Verzweiflung erzählt er seine Geschichte. Von seiner Reise nach Indien, die ihn verändert hat. Von seiner Rückkehr, die ihm die Augen geöffnet hat. Von seinen Zweifeln, die ihn quälen. Doch letztendlich ist es das Herz, das entscheidet. Es schlägt für die Frau, die ihm das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Und so steht Peter vor einer schweren Entscheidung, die er mit Mut und Entschlossenheit treffen wird. Denn manchmal muss man das Risiko eingehen, um das Glück zu finden.

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René Burkhard

René Burkhard wurde 1958 in Zürich geboren. Nach dem Studium arbeitete er über 20 Jahre lang als Lehrer für Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Arzt sagte einmal zu ihm, was er schon alles getan hätte, benötige man normalerweise fünf Leben. Seine sechste Lebensperiode war das Schreiben. Während der Covid-Maßnahmen gab er seinen Lehrerberuf auf und besuchte literarische Kurse und ein Fernstudium in Prosa schreiben.

Inhaltsverzeichnis

Wie alles begann

Kündigung?

Die Beförderung!

Andrea und ihre Heimat

Ein Meeting mit Folgen

Zeitnot

Vera und Heinz?

Mobbing in der Schule

Endlich mal mutig

Geschäftspartner

Ausflüge

Heidi

Gewalt in der Ehe

Ein ruhiger Sonntag

Die Nervosität

Ein gewagtes Projekt

Kommt es gut?

Bald geht es los

Indien

Der Start

Der Verlobungsring

Neue Mitarbeiter

Eine indische Großfamilie

Die Magenverstimmung

Hektische Vorbereitungen

Das Fest

Stimmungsschwankungen

Der Großauftrag

Die Mutter von Andrea

Der Ausflug nach Amritsar

Der Abschied

Die Rückkehr in die Schweiz

Bald wieder nach Noida

Wieder in Noida

Die Erschöpfung

Mein Auszug!

Eine Überraschung

Kein zurück

Ein Ende und ein Anfang

Ein neues Zuhause

Ereignisreiche Tage

Eine indische Hochzeit

Ein neues Glück

Weihnachten 2023

Einleitung

Am Ende des Weges?

9. November 2022

Mein Zimmer ist zu eng, und ich muss raus aus meiner kleinen 2-Zimmerwohnung, die einen fast erdrückt. Ich bin an den Waldrand oberhalb vom Waidspital aufgebrochen, um einen Spaziergang zu machen. Die Bäume sind kahl, wie ich es empfinde. Der November ist der Monat, in dem die Gefühle und der Tod enden. Der Nebel legt sich über die Wiese und die Nacht bricht an. Das Licht wird durch den Nebelschleier in eine geisterhafte Hülle verwandelt. Fahrzeuge wirken bedrohlich, wenn sie sich nähern. Der Weg wird bald nicht mehr sichtbar sein. Die Familie ist zerbrochen, und meine Liebe ist weit entfernt. Wie wird es enden? Die Kälte bringt den Körper in Bewegung und bringt ihn in Einklang mit seinen Gefühlen. Der Nebel wird zunehmend dichter und man steht einer undurchdringlichen Nebelwand gegenüber. Ich spüre, wie die Schneeflocken sanft auf meine Hände fallen und zerfließen. Meine Gefühle in Indien waren so lieblich, als Andrea mich in den Arm nahm und mich küsste. Die Flocken werden stets dicker und der Wind bläst sie mir ins Gesicht. Ich sehe weder vor noch hinter mir etwas. Ich weiß nicht, welchen Weg ich einschlagen will und was das Richtige ist, und bin traurig in der Dunkelheit. Ich fühle mich in meinen Gefühlen jederzeit noch zerrissen, und die Ausweglosigkeit schmerzt mich immer mehr. Nicht bei der Frau zu sein, die mir ihre Liebe geschenkt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige Weg ist, meine Ehe zu retten. Der Spaziergang hinterlässt bei mir ein unangenehmes Gefühl. Ich werde mich wieder auf den Weg zu meiner kleinen Wohnung an der Rosengartenstraße machen. Im Kalender sehe ich den Eintrag der letzten Sitzung mit der Eheberatung.

Vor sechs Tagen telefonierte ich mit Gisela. Da teilte sie mir mit, dass sie Klarheit benötige, warum unsere Ehe vor dem Ende stand. Ob es sich um Fehler handelt, die sich korrigieren lassen. Und trotz allem, was geschehen ist, die Ehe gerettet werden kann. Die reformierte Kirche stellt diese Beratung zur Verfügung. Das Zimmer war kahl und der Tisch war mit einem Strauß aus Herbstblumen geschmückt. Im Raum befanden sich drei Stühle und ein Pult. Frau Huber ist die Beraterin, ich habe ihr Alter auf 60 Jahre geschätzt. Sie hat graue Haare und grüne Augen. Sie informierte uns: „Herr Sommerhalder, Sie haben ihre Frau betrogen. Folglich darf sie sagen, was sie beschäftigt. Lassen Sie sie ausreden. Bitte unterbrechen Sie sie nicht. Frau Huber saß vor uns, während Gisela 2 Meter von mir entfernt, erzählte: „Peter hat mir wehgetan, mein Vertrauen missbraucht und verletzt. Seine Untreue verursachte mir tiefe Trauer. Ich finde, dass er herzlos war. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich nur einen Wunsch, eine Familie zu haben. Es fühlt sich an, als ob ein Haus über mir zusammengebrochen ist und ich mich nicht mehr aus der Situation befreien kann. Ich weiß auch nicht, ob ich das Haus mit Peter noch aufbauen kann. Ich habe das Gefühl, das mein Wunsch nach der Familie zerbrochen ist!“

Ich war wütend und besorgt zugleich. Fühlte Gisela sich genauso? Sind meine Lebensumstände so geworden, dass ich mich in dieser Zeit so verändert habe? Die Beantwortung war für mich eine große Herausforderung, da ich nicht die richtigen Worte fand. Ich habe damals mit leiser und gepresster Stimme geantwortet: „Es tut mir sehr leid und ich kann es mir nicht verzeihen. In meiner Seele fühlte ich mich unglücklich und eingeengt. Das Klammern von Dir verstärkte sich. Die ständige Angst vor Verlust, die ich von dir empfunden habe, bereitete mir Schwierigkeiten. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Kinder wichtiger waren als ich.“ Gisela sah mich mit Tränen erfüllten und betrübten Augen an: „Das ist nicht so gemeint, das solltest Du wissen, dass ich Angst hatte, Dich zu verlieren. Das ist jedoch kein Grund, mich mit einer anderen Frau zu betrügen. Weshalb hast du nicht mit mir gesprochen?“ Sie hatte sicherlich recht damit. Ich stand in dieser Situation im nebligen Wald und konnte den Pfad nicht mehr erkennen. Der Druck auf meiner Brust wuchs, ich hatte keine Lust mehr zu reden, aber ich musste einen Weg finden, meine Gefühle offen zu zeigen. „Es ist richtig, ich hätte mit Dir sprechen und es Dir mitteilen sollen. Es war nicht geplant, ich habe mich in Andrea verliebt. Gisela konnte keine Antwort darauf geben. Frau Huber sagte: „Wir wissen, dass Ihr beide daran arbeiten wollt. Wir lassen die Probleme einmal ruhen und sehen uns in zwei Wochen um die gleiche Zeit wieder.“ Wir verließen das Kirchgemeindehaus. Es war kühl und neblig. Während ich den Zürichsee betrachtete, vermisste ich die Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Der Blick auf den See ist ein Moment der Ruhe und Entspannung, wenn ich nach Hause kam. In 30 Minuten sehe ich wieder auf die Straße und die heruntergekommenen Häuser. Gisela umarmte mich und gab mir einen Kuss auf die Wange: „Ich wünsche dir gute Besserung und hoffe, dass es dir bald besser geht.“

Wie alles begann

Ich werde mich heute mit Herrn Dr. Keller, meinem Psychiater treffen. Mein Hausarzt hat mich an ihn weitergeleitet. Er sagte, er könne mir nicht weiterhelfen und darf mir auch keine Antidepressiva verschreiben. Nach der Diagnose, dass ich in einem Burn-out stecke, hat mir bestätigt, was mir Andrea schon mitgeteilt hatte. Dann noch zu einem Psychiater zu gehen, war für mich ein Schreck. Ich hätte es mir nie vorstellen können, dass ich einmal in eine solche Situation geraten würde. Jetzt stehe ich am 2. November vor der Türe seiner Praxis und drücke die Klingel. Ich bin gespannt, wie er ist und wie es bei einem Psychiater zugeht. Der Mann, der mir die Tür öffnet, ist etwa fünfzig Jahre alt, schlank, hellbraune Haare und hat ein freundliches Gesicht. Er bietet mir einen Platz an und setzt sich gegenüber von mir und beginnt mit seinen Fragen. Seine Stimme ist sympathisch und seine Wortwahl hinterlässt einen vertrauenerweckenden Eindruck. Wer ich bin, was ich schon alles gemacht habe und wie die Situation der Familie ist. Ich erzähle ihm von meiner beruflichen Laufbahn und meiner misslichen Familiensituation und erläutere ihm die Hintergründe. Danach stellt er mir noch einige Fragen, um zu sehen, wie stark ich psychisch erkrankt bin. Er meint, es sei etwas mehr als ein Burn-out, ich habe eine mittelstarke Depression. Danach will er von mir wissen, ob es in meinem Leben noch andere Umstände gegeben hat, die mich belasten. Da gibt es einige, am meisten habe ich Mühe damit, wie meine Eltern gestorben waren. Dann sei noch meine Ehe, die am Auseinanderbrechen ist und ich erzähle ihm, was der Grund ist, dafür. Er macht sich Notizen und meint, dass mein Leben nicht immer sehr einfach gewesen sei. Für mich wäre eine Therapie mit Antidepressiva die beste Lösung. Er hat mir ein Medikament verschrieben, das nicht abhängig macht, aber mir dabei helfen wird, dass ich mich wohler fühle. Ich wollte wissen, was diese Tabletten dann bewirken und ob ich Nebenwirkungen verspüre. Er erläutert mir, dass man bei einer Depression ein Ungleichgewicht oder einen Mangel an bestimmten Botenstoffen im Gehirn wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin hat. Diese werden mit einem Antidepressivum wieder in den Normalzustand versetzt. Nebenwirkungen seien eine leichte Gewichtszunahme und Potenzstörungen. Er möchte wissen, ob ich damit Schwierigkeiten habe. Ich verneinte, da ich derzeit keinen sexuellen Verkehr habe. Er gibt mir das Rezept und meint, dass es allein jedoch nicht ausreichen würde, um meine Depression zu lindern. Ich benötige einen geregelten Tagesablauf und tägliche Spaziergänge, um meine Gedanken ordnen zu können. Es wäre auch hilfreich, wenn ich einen Bericht über die Geschehnisse verfassen würde. Ich frage ihn zurück, was er darunter verstehe. Er meint, es handle sich um eine Beschreibung der Ereignisse. Ich frage ihn, ob ich nicht eine Geschichte darüberschreiben könne. Er blickt mich fragend an und meint: „Eine Geschichte sei dazu da, um jemanden damit zu unterhalten, und das wäre nicht das Ziel davon.“ – „Ich habe als Kind und Jugendlicher immer gerne Kurzgeschichten geschrieben und es hat mir Spaß gemacht. Zudem führe ich schon lange ein Tagebuch, dass wird es mir noch vereinfachen. Ich werde Sie mit meiner Geschichte unterhalten.“ Er lacht und meint: „Mir spielt es keine Rolle, wenn Sie lieber eine Geschichte darüberschreiben, dann tun sie das. Wobei Sie werden dabei viel Zeit aufwenden. Ich werde sie gerne lesen, bringen Sie mir immer den Teil mit, denn Sie geschrieben haben und wir können uns darüber unterhalten.“ Wir machen den nächsten Termin ab und ich bin überrascht, wie gut mir das Gespräch mit ihm getan hat.

Ich bin wieder zu Hause und habe mir einen Tee zubereitet. Setze mich ans Fenster und ich bin motiviert, meine Geschichte zu schreiben. Das Drama begann am Montag, dem 6. Juni 2022. Ich erinnere mich daran, wie es vor sechs Monaten angefangen hat. Ich hatte nicht erwartet, dass es zu einer solchen Situation führen würde und beginne mit dem Schreiben.

Montag, 6. Juni 2022

Ein alltäglicher Morgen, wie viele andere auch. Ich blickte die weiße Decke an und meine Gedanken kreisten in meinem Kopf. Gisela lag schlafend neben mir. Ich sah sie an und dachte an die glückliche Zeit, die wir miteinander verbracht hatten. Meine Lage war so schwierig, dass ich mich wie in einem Räderwerk gefangen fühlte. Die letzten zwei Jahre waren von Schwierigkeiten geprägt. Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 haben den normalen Lebensrhythmus beeinträchtigt. Die Streitereien häuften sich immer mehr. Die Arbeitsbelastung in der Firma nahm stetig zu. Der neue Chef, den ich bekam, machte mein Leben noch komplizierter. In dieser Zeit kam es häufiger zu Streitigkeiten unter den Kindern. Seit mehr als 20 Jahre sind wir verheiratet. Die Kinder, die Arbeit, das Geld und Covid belasteten die Beziehung. Die Motivation, den Tag zu beginnen, fiel mir zunehmend schwerer.

Der Start in diesen Morgen war ein Ausdruck meiner damaligen Lage. Ich dachte wohl an meinen neuen Chef, der mir das Leben schwer machte, und beschleunigte den Wagen. Wie sollte es anders sein? Es wurde erstmals an diesem Tag eine Radarkontrolle durchgeführt. Meine Fahrerlaubnis wurde sofort entzogen, da ich die Geschwindigkeit um 20 km/h überschritten hatte. Ich rief Gisela an und bat sie, mich ins Geschäft zu fahren. Wie erwartet hatte sie keine Zeit, da sie in das Fitness-Center wollte. Ich wusste, dass es erst um 10.00 Uhr begann. Ich beschloss, es nicht zu erwähnen und zu der Bushaltestelle zu gehen, die 500 Meter weiter entfernt lag. Durch den Regen und den Wind wurde mein Morgen noch unerträglicher, da ich keinen Schirm dabei hatte. Ich war bis auf die Haut nass, als ich in den Bus stieg. Einige Fahrgäste blickten mich amüsiert an. Eine Frau mittleren Alters lächelte mich an und bot mir den Sitzplatz neben sich an. Ich nahm ihn dankend an. Es stellte sich heraus, dass wir in derselben Firma arbeiteten und sie mich schon oft gesehen hatte. Sie war seit zwei Wochen am Empfang beschäftigt. Ich empfand es als peinlich, dass ich sie nicht bemerkt hatte. Ich entschuldigte mich bei ihr dafür, dass ich vermutlich immer sehr in Gedanken an ihr vorbeiging. Sie lächelte nur und gab mir zu verstehen, dass sie Heidi Keller sei. Ich sah auf meine Uhr und bemerkte, dass ich zu spät zu dem Meeting mit Herrn Meier kommen würde. Ich fragte Frau Keller, wann wir am Arbeitsplatz ankommen würden. Sie teilte mir mit, dass es um 08.15 Uhr sein werde. Ich rief Herrn Meier mit meinem Smartphone an. Er war sehr verärgert, dass ich mich verspäte, da er von mir Informationen zum laufenden Projekt benötigte und er für 8.30 Uhr eine Sitzung mit der Geschäftsleitung hatte. Ich erwiderte, dass ich ungefähr um 08.15 Uhr bei ihm sein werde und wir noch etwas Zeit hätten, das zu besprechen. Er sagte mir lediglich, ich solle mich beeilen und beendete das Gespräch. Heidi Keller erschrak und fragte: „Ist das Ihr Chef Erich Meier?“ - „Ja“- „Ich hoffe, dass seine Art und Weise sich verbessert hat. Ich habe aufgrund seines Verhaltens die letzte Stelle gekündigt.“- „Wie ist das möglich?“ – „Ich war in der letzten Firma für das Marketing verantwortlich. Herr Meier konnte mit dem neuen Produkt, das er mit seiner Abteilung entwickelt hatte, keinen Erfolg erzielen. Ich teilte ihm damals mit, dass es schwierig sein wird, dieses Produkt zu vermarkten. In der Geschäftsleitung wurde mir die Verantwortung für den Misserfolg des Produkts zugeschoben. Man glaubte ihm und ich habe meine Kündigungen ausgesprochen.“ – „Ich bin Peter, wenn wir schon so offen reden miteinander. Du hattest eine hervorragende Stelle und bist jetzt am Empfang tätig. Wie kam es dazu?“ – „Ich heiße Heidi. Es ist schwierig, eine gleichwertige Stelle zu finden in meinem Alter. Ich möchte nicht untätig herumsitzen, deshalb habe ich diesen Job angenommen. Ich hoffe, ich werde später etwas finden, das meinen Ansprüchen entspricht.“ – „Ich bewundere Dich, das würden nicht viele machen. Ich bedanke mich für den Hinweis zu Herrn Meier und muss aufpassen, dass es mir nicht so geht.“ Wir hatten uns noch über das Geschäft unterhalten. Kurze Zeit später kamen wir an unserem Arbeitsort an. Ich begab mich gleich zu Herrn Meier.

Ich begrüßte ihn und er begann sogleich mit seinen Vorwürfen zum Projekt: „Ich habe mir das Projekt einmal angesehen und meiner Meinung nach wurden da einige wichtige Aspekte vergessen. Der Bezahlvorgang ist abgeschlossen, die Kontrolle, ob der Kunde bezahlt hat, ist noch nicht erfolgt. Die Schnittstelle zur Zentrale ist nicht klar definiert. Es wird mir schwerfallen, dies der Geschäftsleitung als brauchbar zu präsentieren.“ Das Blut stieg mir in den Kopf und meine Hände zitterten. Ich meinte zornig: „Herr Meier, alles ist vorhanden.“ Die Abläufe wären in dem Ablaufschema ersichtlich. Außerdem sind alle Programmierschritte detailliert beschrieben. Sie müssten wissen, dass wir bereits einen Testlauf hatten und der Kunde auch einbezogen wurde. Ihre Vorwürfe sind unbegründet und inkompetent gegenüber diesem Projekt. Ich habe Ihnen gestern vorgeschlagen, dass Sie mich zur Sitzung mitnehmen sollen. Sie hielten es für überflüssig. Wir haben jetzt 08.30 Uhr, Sie sollten zum Meeting! „Sein Gesicht wurde rot und er rief: ‚Was fällt Ihnen ein, mich inkompetent zu nennen, da werden wir uns noch unterhalten.‘ Das wird folgen haben!“, ich verlor kein Wort mehr und verließ sein Büro.

Danach ging ich an meinen Arbeitsplatz und sprach mit meinen Mitarbeitern. Wir besprachen den Testlauf nochmals und waren uns einig, dass alles in Ordnung war. Mein Chef hatte mich an diesem Tag nicht mehr kontaktiert. Wir beschäftigten uns noch mit der Verknüpfung zur Marktforschung und dann war der Tag schon bald vorbei.

Als ich nach Hause kam, erwarteten mich meine Kinder bereits. Ich begrüßte sie und Silvio sagte gleich aufgeregt: „Papa, für Dich ist noch ein Paket angekommen, es liegt auf dem Tisch.“– „Ich sehe es, ich werde es später auspacken. Ich muss zunächst einen Kaffee trinken, um mich vom Ärger im Geschäft etwas zu erholen.“ Ich nahm am Tisch Platz und begutachtete das Paket. Der Absender Glücksfactory in Zürich, dort hatte ich nichts gekauft. Ich öffnete das Paket und fand darin einen Brief und ein Tütchen mit einem Pulver. Im Anhang stand, dass ich zu einer Zielgruppe gehöre, die an einem Versuch teilnehmen kann. Ein Pulver, das man vor dem Schlafen auf die Kopfhaut auftragen soll. Damit werde ich wieder ein Glücksgefühl erleben, wie ich es mir wünschen würde. Ich nahm das Briefchen in die Hand und roch daran. Das Pulver hatte einen unangenehmen Geruch. Silvio blickte mich gespannt an, wie ich darauf reagierte. Es war mir sofort bewusst, dass die Kinder das Paket für mich angefertigt hatten. Es war aufmerksam von ihnen, aber es machte mich auch besonders traurig. Hatten sie schon bemerkt, wie ich mit meinem Leben nicht mehr zurechtkam?

Nach einiger Zeit kam Gisela von der Arbeit nach Hause. Sie lächelte, als sie das ausgepackte Paket erblickte. Sie hatte das Begleitschreiben gelesen und meinte, es wäre großartig, wenn das Pulver wirklich helfen würde. Ich erwiderte, ihr: „Es wäre gut, es gäbe noch ein Mittel, dass mein Chef verschwindet!“ Gisela blickte mich verwundet an und wollte wissen, was los war. Ich informierte sie über das, was ich am Morgen erlebt hatte, und erzählte ihr auch, wie ich meinen Zorn gegenüber meinem Chef nicht zügeln konnte. Er hätte mir angedroht, dass es Konsequenzen für mich haben würde. Sie meinte, dass wir das schon auf die Reihe bekommen werden und dass es Schlimmeres gebe als das. Ich war überrascht, wie gelassen sie auf die Nachricht reagierte. Ich erkundigte mich bei ihr, wie ihr Arbeitstag war. Sie teilte mir mit, dass sie derzeit viele Scheidungsanträge bearbeiten müsse und auch am Morgen arbeiten muss, um alles erledigen zu können.

Nach dem Abendessen sahen wir uns noch eine Quizshow im TV an. Es war 22 Uhr und wir bereiteten uns auf die Nacht vor. Als ich im Bad war, brachte mir Silvio das Pulver und sagte mir, ich solle es nicht vergessen und es einreiben. Ich hatte ihm den Gefallen getan und das Mittel in meine Haare gerieben. Es roch nicht nur unangenehm, sondern löste auch Juckreiz auf der Kopfhaut aus. Ich hörte, wie die Kinder flüsterten: „Hoffentlich wird Papa bald wieder so sein, wie er früher war.“ Ich liebte meine Kinder, wie konnte ich nur so unzufrieden sein? Kaum lag ich neben Gisela im Bett, meinte sie: „Hast Du Dir WC-Reiniger in die Haare geschmiert, das stinkt ekelhaft?“ – „Du weißt doch, dass die Kinder dafür verantwortlich sind.“ – „Wenn sie das waren, dann wäre es an der Zeit, dass Du Dir Gedanken machst, warum sie so etwas veranstalten.“ Sie hatte recht, ich war zu traurig, um darüber zu sprechen. Ich wollte nur noch schlafen, obwohl mein Kopf von dem Pulver kribbelte. Hätte ich damals gewusst, was ich im Traum erlebe, wäre ich besser wach geblieben. Nachdem ich eingeschlafen war, begann mein Albtraum. Es handelte sich um einen seltsamen Traum.

Ich befand mich allein in einer Wohnung an der Langstraße. Die Behausung war nach meinen Wünschen eingerichtet. In der Stube befindet sich eine geniale Stereoanlage mit Lieblingsplatten von mir. Das Schlafzimmer verfügte über ein großes Wasserbett. Die eher dünn bekleidete Frau mit ihren braunen langen Haaren, die in der Stube erschien, kam mir merkwürdig vor. Sie sagte: „Das war eine heiße Nacht mit Dir.“– „Ich erinnere mich nicht daran, dass ich mit Dir so eine hatte.“ – „Du hast ständig Koks genommen und konntest nicht mehr aufhören. Der Preis beträgt fünfhundert Franken.“ Ich hatte das Gefühl, dass alles so komisch war. Gisela und ihre Kinder sind spurlos verschwunden. Die Angelegenheit wurde durch den Brief auf dem Tisch in der Stube geklärt, der von der Glücksfactory stammte. Sie können jetzt glücklich sein, dass ihre Frau, die Kinder und ihre Arbeitsstelle verschwunden sind. Ich wusste damals nicht, ob es sich um Träume oder Realität handelte, und schrie: „Ich will nicht alles verlieren.“

Da wechselten die Szenen und ich stand im Tunnel im qualmenden Rauch der Rauchschwaden. Mir war heiß und ich schwitzte. Es brannte um mich herum. Ich sah, wie Mutter und Vater in einem Auto eingesperrt waren. Das Feuer näherte sich dem Fahrzeug mit zunehmender Geschwindigkeit. Ich sah meine Mutter mit einem aufgerissenen Mund und mein Vater hielt sie fest und er weinte. Ich war nicht in der Lage, ihnen zu helfen. Meine Eltern verbrannten vor meinen Augen. Ich brüllte laut auf.

Gisela weckte mich, nahm mich in ihre Arme und küsste mich liebevoll: „Was hast Du geträumt? Niemand wird Dir verloren gehen.“ Die Umarmung von Gisela war ein schönes Gefühl. Am Morgen hatte ich meine Kinder in den Arm genommen und ihnen gesagt, dass ich sie liebe und mich dafür entschuldigt, dass ich mich verändert hatte. Beim Frühstück teilte ich ihnen mit, dass, wenn es nicht besser wird im Geschäft ich kündigen werde. Gisela zeigte sich erfreut über diese Aussage und meinte, es sei schön, wenn ich mehr an die Familie denke. Was wir nicht ahnten, dass sich an diesem Morgen alles ändern würde.

Ich unterbreche meine Arbeit für einen Moment. Meine Augen sind feucht und ich verliere schnell die Kontrolle über meine Gefühle und mich. Welche Beweggründe haben mich dazu gebracht, mich so zu verändern? Was war der Grund für meine Suche? Habe ich mich nur um mich selbst gekümmert und die Bedürfnisse anderer Menschen vernachlässigt? Ich betrachte die Seite, die ich geschrieben habe. Das macht mir in der Seele weh und ich fühle mich traurig. Was soll ich tun? Ich kann nicht mehr tiefer fallen. Es ist Zeit, den richtigen Weg zu nehmen.

Kündigung?

Dienstag, 7. Juni 2022

Der Dienstag war der Tag nach dem Vorfall mit Herrn Meier. Ich hatte Zweifel, welche Konsequenzen es mit sich bringen würde. Gisela bemerkte, dass meine Stimmung gedrückt war. Angesichts dessen brachte sie mich am Morgen zur Arbeitsstelle. Gisela drückte mir einen Kuss auf die Wange und versicherte mir, dass alles in Ordnung gehen würde. Egal, was auch immer geschieht. Ich war erleichtert, dass sie mir in dieser Situation zur Seite stand. An diesem sonnigen Tag blieb ich stehen. Dies war einmal das Zentrum für Maschinen und Turbinenbau sowie ein bedeutendes Industriegebiet. Heute ist nichts mehr zu sehen, es wurde alles modernisiert und in das Gebiet „Züri-West“ umbenannt. Ja, wie es sich hier verändert hatte, wäre es auch bei mir erforderlich. Das Gefühl der Unsicherheit nahm ab. Ich betrachtete das Bürogebäude, das aus zwölf Stockwerken bestand. Ich blickte hoch und stellte mir vor, dass ich es das letzte Mal sehe, bevor ich meine Kündigung erhalte. Ich fühlte mich befreit, denn das wäre für uns das Beste.

Ich betrat das Bürogebäude und Heidi am Empfang begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln. Sie war im Empfangsbereich tätig, wo sie die Gäste begrüßte. Ihr Arbeitsplatz bestand aus einem Schalter und einer Telefonanlage. Im Hintergrund befand sich eine Ablage. Ich ging zu ihr und begrüßte sie. Sie antwortete besorgt und mit leicht gerunzelter Stirn: „Du solltest sofort den Direktor aufsuchen. Ich habe Dich heute Morgen nicht im Bus gesehen. Bitte erzähle mir, was bei Deinem Chef gestern vorgefallen ist. Ich hoffe, dass es keine Tragödie war.“ Ich überlegte kurz und sagte zu, ihr: „Ich habe dem Meier meine Meinung nicht sehr freundlich mitgeteilt. Die Rechnung dafür wird jetzt fällig. Ich gehe davon aus, dass ich die Kündigung erhalten werde.“ Sie sagte sofort: „Das hoffe ich nicht! Bei Meier ist es schwierig, vorherzusagen, was er vorhat.“ Ich lachte und sagte: Wenn ich in ein paar Minuten wieder da bin, wirst Du es wissen.“ Nachdem ich mich zum Lift begeben hatte, drückte ich den Knopf in den 12. Stock und fuhr hinauf. Die Räumlichkeiten der Geschäftsleitung waren modern eingerichtet. Ein grauer Teppichboden mit schönen Fotos der Bauphase des Bürohauses an der Wand. Jeder Mitarbeiter hatte ein eigenes Büro. Der Direktor hatte sein Büro im hinteren Teil des Gebäudes. Ich hatte mit ihm nie einen persönlichen Kontakt. Außer den Weihnachtsessen, wo er mir schöne Weihnachten wünschte. Er war eine auffallende Erscheinung, etwa 1,70 Meter groß, hatte eine Glatze und trug eine dicke schwarze Hornbrille auf der Nase. Er trug stets einen Maßanzug in Grau und eine passende Krawatte. Mit seinem rundlichen Bauch befand er sich weit vom Idealgewicht entfernt. Seine Stimme war eher tief und sonor, was man nicht erwartete, wenn man ihn sah. Obwohl ich die Angelegenheit locker nehmen wollte, bekam ich wiederum Angst vor der Situation. Meine Hände wurden immer feuchter. Während ich Angst empfand, entwickelte sich in meinem Magen ein unangenehmes Gefühl. Ich wäre damals am liebsten wieder nach Hause gegangen. In der Vergangenheit hatte ich immer Probleme mit solchen Situationen, die negative Folgen haben könnten. Ich war gezwungen, den Termin wahrzunehmen. Wie hatte Gisela so treffend gesagt, wir schaffen das zusammen.

Ich klopfte an die Bürotür und betrat einen Raum mit einer Größe von 35 Quadratmetern. Durch die große Fensterfront hatte man einen weiten Blick auf die Rosengartenbrücke. Der Raum wurde von Sonnenlicht durchflutet. Im hinteren Bereich befand sich eine Ledercouchgarnitur. Die Pulte waren innovativ und groß. An der Wand befand sich ein Breitbild-TV-Gerät. Der Bürotisch und die gesamten Einrichtungen waren aus Metall und in einem Grauton gehalten. Auf dem Schreibtisch befanden sich zwei große Monitore und ein Besprechungstisch in der hinteren Ecke. Der Direktor lächelte mich an: „Guten Morgen Herr Sommerhalder, ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen.“ Ich war überrascht und verwirrt über die Situation. Ich sagte ihm: „Ich freue mich, Herr Markwalder, was ist der Grund für unser Treffen?“ Er sagte, dass es sich um das Projekt für den Detailhandel handelte. Er bemühte sich, freundlich zu sein, wenn er mich kündet. Ich habe meinen Chef nach Herrn Meier befragt. Die Antwort auf meine Frage überraschte mich: „Wir haben ihm gestern gekündigt und er arbeitet nicht mehr für uns. Die Sitzung war für uns ein Desaster. Wir erwarten von einem Leiter der Softwareentwicklung mehr.“ Das ist großartig, der Arsch ist weg, war mein erster Gedanke. Wenn ich zurückdenke, hätte ich in diesem Moment anders reagieren und nachfragen müssen, warum es ein Desaster war. Der Direktor sagte zu mir: „Sie haben sich damals für diese Stelle beworben. Aufgrund der besseren Ausbildung von Herrn Meier hatten wir sie nicht berücksichtigt.“ Er öffnete die Schublade und nahm mein Dossier heraus. Ich war mir damals nicht bewusst, was folgen würde. Umso erstaunter war ich, dass er daraufhin sagte: „Wir haben uns gestern in der Geschäftsleitung über sie unterhalten. Ihr Team hat sich in den vergangenen Jahren durch hervorragende Arbeit ausgezeichnet. Wir haben uns nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, Ihnen diese Position anzubieten.“ Ich fühlte mich verwirrt, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich hatte große Mühe damit, dass Herr Meier mir vor die Nase gesetzt wurde. Meine Gedanken überschlugen sich damals wie ein Schnellzug. Ich versprach meiner Familie, mich zu verbessern. Ich hatte mich damals gefragt, ob ich die Herausforderung meistern könnte. Die Gründe, warum sie mir den Meier vor die Nase gesetzt hatten, waren offensichtlich. War ich der Lückenbüßer oder hatte ich eine Chance? Es war mir damals nicht möglich, die Situation zu beurteilen. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt, um mit Gisela über die Angelegenheit zu reden. Wie sollte ich mich in dieser Situation verhalten? Ich hörte Herrn Markwalder: „Sind Sie bereit, diese Aufgabe zu bewältigen? Wir bieten Ihnen 50’000 Franken mehr Lohn, jedoch sind die Mehrleistungen darin enthalten. Wie ist Ihre Meinung dazu?“ Damals geriet ich in einen inneren Konflikt mit meinem Gewissen. Ich blickte ratlos aus dem Fenster auf die Fahrzeuge, die sich auf der Straße bewegten. Ich hatte Schwierigkeiten, die richtige Entscheidung zu treffen. Von einem Gemütszustand eine Kündigung zu erhalten und dann eine Beförderung zu bekommen. Ich war von der Situation überfordert. Ich war mir unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Die Folgen waren unvorhersehbar und Gisela wurde nicht in die Entscheidung einbezogen. In meinem Alter war es wichtig, Gelegenheiten zu ergreifen, um nicht zurückzufallen. Ich wurde nicht beachtet und blieb stehen. Ich würde mich bemühen, Gisela von meiner Entscheidung zu überzeugen und sagte: „Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben und bin bereit, die Leitung dieser Abteilung zu übernehmen.“ Seine Antwort war prompt: „Ich hatte erwartet, dass Sie sich so verhalten würden.“

Es ist für mich ungewohnt, von Hand zu schreiben. Ich lege den Stift auf die Seite und massiere meine schmerzende Hand. Die Uhr wandert gegen Mitternacht und draußen sieht man nur Nebel. Am 6. Juni ereignete sich noch einiges anderes, dass ich in meiner Geschichte schreiben werde. Für mich ist das Schlafen keine Flucht mehr, sondern eine Qual, da ich regelmäßig träume, dass ich die Eltern und die Familie verliere und mich einsam fühle. Ich denke an Gisela, als wir noch nicht verheiratet waren. Sie erzählte mir die Geschichte, wie sie ihre Mutter verloren hatte. Sie war so glücklich darüber, dass meine Eltern sie ins Herz geschlossen hatten, dass sie mir berichtete: „Peter, es macht mich immer noch traurig, wenn ich daran denke. Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Es wurde mir nicht mitgeteilt, was sie hat. Es war ein Donnerstag, da kam die Schulleiterin und sprach mit der Lehrerin. Ich musste später nach draußen zu ihnen gehen. Meine Lehrerin blickte mich besorgt an und sagte damals zu mir, dass wir ins Spital fahren müssen. Meine Mutter benötige meine Unterstützung. In mir verengte sich alles und ich begann vor Angst zu zittern. Nachdem sie vor zwei Tagen zu Hause zusammengebrochen war, kam der Notarzt und beatmete sie sofort. Man hatte einen Schlauch mit einer Nadel in den Arm gesteckt und ihr wurde eine Flüssigkeit gegeben und sie wurde ins Spital gebracht. Das war für mich als Kind eine Tragödie. Das Universitätsspital Zürich war ein riesiges Krankenhaus. Es dauerte eine endlose Zeit, bis wir im Zimmer bei Mutter waren. Ich sah sie auf dem Bett liegen, viele Schläuche waren an ihr befestigt. Das Geräusch des Herzschlages hörte man von einem aufgehängten weißen Gerät. Sie lag still im Bett und weinte und die Tränen liefen die Wangen herunter. Sie ergriff meine Hand und flüsterte mir leise zu: „Kleiner Schatz, ich muss jetzt zu den Engeln gehen. Ich werde immer für Dich da sein und Dich beschützen.“ Ich setzte mich neben sie und hielt ihre Hand fest, während ich ängstlich sagte: „Nein, bitte bleib bei mir“. Sie sagte nichts. Ihre Hände waren immer warm und angenehm. Als sie kalt wurden, waren sie unangenehm. Ich gab ihr einen Kuss und das Geräusch des Herzklopfens verstummte und es war nur noch ein Raum, der mir Angst bereitete. Ich hatte damals alles verloren. Ich hatte keinen Vater und meine Mutter hat mir nie etwas über ihn erzählt. Am selben Tag wurde ich von der Fürsorge in ein Waisenhaus außerhalb der Stadt gebracht.“

Ich erinnere mich daran, wie ich Gisela in die Arme genommen hatte und ihr versprach, dass sie niemals mehr allein sein wird. Ich sitze nun hier und schreibe, wie es so weit gekommen ist und ich das Versprechen gebrochen habe. Ich möchte jetzt nicht weiterschreiben, aber ich versuche, im Schlaf den Frieden zu finden. Die Gedanken beschäftigen mich. Wie entwickelt sich das weiter? War es mein Ego, Erfolg im Leben zu haben, der mir bis dahin nicht in die Arme gefallen ist.

Ich blicke auf den Wecker und stelle fest, dass es 06.30 Uhr ist. Die Fenster in der Wohnung sind mangelhaft isoliert. Der Lärm des vorbeifahrenden Verkehrs weckt mich jeden Morgen. Mein kleines Schlafzimmer ist 12 Quadratmeter groß. Ich liege da und betrachte die Tapete in einem farbigen Ton mit Blumen, die sich langsam lösen. Wer lebte früher in diesem Zimmer und was würde es mir über seine Bewohner erzählen? Mein Rücken schmerzt erneut, das Bett hat bereits bessere Zeiten erlebt. Der Vormieter hat es mir überlassen. Das Bett besteht aus einem Holzrahmen aus Eiche. An der rechten Seite des Raumes befindet sich ein Eichenschrank mit zwei Türen, die sich nicht mehr richtig ausrichten lassen. Das kleine Zimmer ist bereits voll. Die Heizkörper an der Wand erhitzen die Luft und trocknen sie aus. Es ist stickig und ich kann so nicht liegen bleiben. Das Zimmer ist beengt, dass Liegenbleiben zur Qual werden kann. Ich fühle mich leer und spüre einen Druck auf meiner Brust, als ob Steine auf ihr liegen. Im Hintergrund höre ich die Kirchenglocken siebenmal läuten. Ich stehe auf und gehe Duschen. Trotz der geputzten Fliesen an der Wand sieht es mit den verkalkten Platten schmutzig aus.

Die Lüftung erzeugt ein unangenehmes Brummen. Das Bad ist bescheiden. Außer dem WC, Badewanne und dem Spiegel mit dem kleinen Einbaumöbel, das integriert ist, war keine weitere Fläche vorhanden. Ich sehe das Bild von meinem Badezimmer in meinem Haus vor mir. Eine große Badewanne, die mit integrierten Düsen ausgerüstet ist. Das Badezimmer ist mit 20 Quadratmetern ausreichend geräumig und mit eleganten grünen Verzierungen ausgestattet. Ich stehe nun nass und frustriert da. Ich sehe mich um und würde gerne laut schreien. Ich lasse das, es ist hellhörig in diesem Haus. Man hört die laute Musik der Nachbarn und ihre TV-Geräte. Ich möchte nicht, dass die Polizei vor meiner Tür steht. Ich werde mir jetzt einen Kaffee zubereiten. Das Auto wieder beim Gasthof Waid abstellen und den vom Psychiater angeordneten Spaziergang im Wald durchführen.

Das Restaurant öffnet um 10.00 Uhr. Der Parkplatz ist um 08.30 Uhr leer. Ich betrachte die Stadt Zürich, die unter einer Nebeldecke liegt. Der Nebel wirkt auf mich unheimlich. Erst aus der Nähe erkennt man die Menschen. Die Bäume stehen ohne Laub und kahl da. Ich spüre einen unangenehmen, kalten Wind im Gesicht. Die Schafe weiden unterhalb meines Standortes auf der Wiese oberhalb des Waidspitals. Mit ihrem dicken Fell macht ihnen die Kälte nicht zu schaffen. Diese Ruhe, die sie ausstrahlen, fehlt mir momentan. Mein Psychiater ist überzeugt, dass ein Spaziergang mir helfen wird, den Druck zu reduzieren. Im dichten Nebel meinte er bestimmt nicht. Als Melanie mich anruft, spüre ich eine feuchte Kälte an meinem Körper. Sie ist betrübt. Sie ist darüber informiert, dass ich krank bin. Sie fragt, ob es mir schwerfällt, allein zu sein. Wie es mir geht damit? Ich sage Melanie, dass ich Fortschritte erreiche und mich freue, dass sie mich anruft. Ich würde lieber bei ihnen wohnen, als allein im Wald spazieren zu gehen. Sie meinte daraufhin, dass sie mich vermisse und hoffe, dass alles wieder in Ordnung kommt bei mir. Sie erzählt mir, wie es in der Schule und der Familie abläuft, dass Mama nicht mehr in die Fitness geht. Der Schulleiter habe angerufen und gesagt, Silvio gehe grundlos auf andere Schüler los und schlage sie. Im Unterricht ist er unruhig und stört ständig. Ich fehle ihnen und sie wünschte sich, dass wir uns bald wieder sehen. Wir sind alle traurig, wie wir es jetzt haben. Ich spüre den kalten Wind immer stärker, nachdem ich das Gespräch beendet habe. Mir wird bewusst, egal welchen Weg ich wähle, ich mache sicherlich jemand traurig damit. Ich muss in meine warme Wohnung zurück.

Ich bin wieder in meiner trostlosen Wohnung mit alten Möbeln aus dem Brockenhaus, die ich mir gekauft habe. Man sieht ihnen die Jahre an, die vergangen sind. Ich bin in der Küche und brühe einen Tee auf und stelle ihn auf die Tischplatte. Gestern habe ich die Beine des Küchentisches repariert. Es hat sich ein Tischbein gelöst und die Stühle wackeln verdächtig. Ich gehe mit dem Tee ins Wohnzimmer. Ich habe ein altes, kleines Tischchen am Fenster platziert. Ich sitze an diesem Tisch und schaue auf die Straße hinunter. Der Bus in Richtung Bucheggplatz fährt vorbei. Die Autos stauen sich noch immer, obwohl es bereits 10.00 Uhr ist. Wenn ich aus dem Fenster schaue, fühle ich mich bedrückt. Die Häuser auf der anderen Straßenseite sind in Nebel gehüllt. Es gibt vereinzelt Lichter in den Wohnungen. Ich sehe die Menschen, die dort leben. Auf diese Entfernung sind sie nicht mehr erkennbar. Die trostlose Umgebung spiegelt meine Stimmung wider. Das Quartier war vor vielen Jahren eine der schönsten Gegenden in der Stadt Zürich. Die Straßenverbindung wurde 1965 errichtet, sie war die Hauptverbindung zur Autobahn ins Tessin. Die Menschen feierten damals, dass diese Verbindung erstellt wurde. Ich schaue das Haus nebenan an. Die Fassade bröckelt ab, die Fenster sehen undicht aus. Kürzlich fand ich eine Geschichte dieser Straße mit dem Titel: „Von der Idylle zum Schandfleck in 90 Jahren“. Die Häuser haben in den vergangenen Jahrzehnten die Substanz abgebaut und renoviert wurden sie nicht. Bei mir hat es nicht so lange gedauert, das habe ich in kurzer Zeit geschafft. Ich habe eine Partnerin, die ich besonders schätze, und zwei Kinder, die ich liebe. Und dann Andrea, die mich aufs Äußerste liebt und ich bin sehr traurig darüber, dass ich nicht wusste, was wichtiger ist in meinem Leben.

Ich bezog mein Büro im 12. Stock. Mir eröffnete sich ein schöner Ausblick auf die Limmat. Im Hintergrund sah man den Üetliberg, den Hausberg von Zürich. Ich war stolz, nachdem ich es in die Geschäftsleitung geschafft hatte. Ich stellte das Foto von Giselas 40. Geburtstag auf den Schreibtisch. Wir hatten ihn im Mai gefeiert. Auf dem Bild sind unsere beiden Kinder Melanie, die mittlerweile 16 Jahre alt ist, und Silvio, der im September 12 Jahre alt wird, zu sehen. In diesem Augenblick rief Gisela an. Sie fragte mich, ob es mir gut gehe und ob der Meier mich in Ruhe lasse. Ich fand es aufmerksam von ihr, dass sie sich Gedanken machte. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Angesichts dessen antwortete ich ausweichend: „Der Meier ist heute nicht zu Hause und ich habe meine Ruhe. Es ist lieb von Dir, dass Du nachfragst.“ Der erste Fehler, den ich begangen hatte, war die Unwahrheit zu sagen. Wir besprechen solche wichtigen Angelegenheiten normalerweise miteinander. Weshalb hatte ich es nicht gesagt? Gisela hätte sicher gefragt, ob ich nicht überfordert sei, ob ich weiterhin Zeit für sie und die Familie hätte. Ich hatte diese Diskussion vermieden. So im Nachhinein kamen mir schon Gedanken, ob ich das Schaffen würde. Wer nichts riskiert, wird auch nichts gewinnen. Weshalb es nicht versuchen und die Chance nutzen? Ich war mir bewusst, dass Gisela immer großen Wert darauflegte, dass sie bei solchen Entscheidungen einbezogen wurde.

Meine Gedanken wanderten schnell von einem Thema zum nächsten. Nachdem ich die Aufgaben des Meiers gesehen hatte, die unerledigt geblieben waren. „Außenstelle Indien“ war auf dem Dossier vermerkt. Mir wurde schwindlig, als ich erfuhr, was die Firma plante. Die Softwareentwicklung teilweise nach Indien auszulagern. 50 % der Stellen in der Schweiz abzubauen und damit 1,5 Millionen einzusparen. In der Ablage befand sich mein damaliger Antrag auf Lohnerhöhung in der Abteilung. Nachdem ich die neue Stelle übernommen hatte und sah, was mich alles erwartete, hatte ich Bedenken, ob ich es schaffen würde. Von den weitreichenden Folgen des Stellenabbaus, der Auslagerung und der Verantwortung, die mir übertragen wurden. Ich fühlte mich von der Stelle überfordert und ich überlegte mir, sie doch nicht anzunehmen. Nach dem Gespräch mit Herrn Markwalder wurden die Mitarbeiter über meine Beförderung informiert. Es war zu spät, um das Rad noch zurückzudrehen. Das Mittagessen in der Kantine war nicht angenehm. Die Kollegen, die jetzt meine Mitarbeiter sind, schienen erleichtert zu sein, dass ich befördert wurde. Sie kamen sofort mit Wünschen nach mehr Lohn, modernen Monitoren und ergonomischen Stühlen. Ich wusste, dass es einen geplanten Stellenabbau geben würde. Ich teilte ihnen mit, dass ich die Angelegenheit zur Kenntnis genommen hätte. In der Folge hatte ich ausreichend Zeit, den Arbeitsplatz einzurichten und mich später mit den Unterlagen zur Auslagerung nach Indien zu beschäftigen.

Es war ein angenehmer Abend mit Gisela und den Kindern. Wir haben einige Runden ‚UNO‘ gespielt und hatten dabei viel Spaß. Silvio und Gisela gewannen stets. Melanie und ich wussten, dass sie beim Spiel schummelten. Nur wir konnten uns nicht vorstellen, wie sie es so versteckt organisierten. Sie haben es genossen, uns immer wieder zu verwirren. An diesem Abend hat mich Gisela sehr überrascht. Die Kinder lagen im Bett und Gisela kam mit einem fast durchsichtigen Negligé in die Stube. Sie sah anziehend aus und setzte sich zu mir. Sie lächelte und nahm mich in den Arm. Ich spürte ihre Lippen auf meinen und wir küssten uns leidenschaftlich. Sie flüsterte mir ins Ohr, dass sie Sex mit mir haben wollte. Sie nahm meine Hand und ging mit mir ins Schlafzimmer. Wir küssten uns wild und wurden immer erregter. Das war ein Gefühl, das ich von früher her vermisste. Wir hatten seit Langem wieder eine fabelhafte Liebesnacht. Wir waren beide sehr glücklich, uns so nah zu sein. Gisela erzählte, dass sie das vermisst hätte. Sie erkundigte sich, ob ich sie liebe. Sie fragte das oft. Ich antwortete automatisch mit einem Ja. Wir hatten uns danach in die Arme genommen und sind eingeschlafen. Am Morgen hätte ich fast verschlafen. Wäre Melanie nicht in das Schlafzimmer gekommen, um mich zu wecken.

Die Beförderung!

Mittwoch, 8. Juni 2022

Gisela hatte mich an diesem Morgen wieder zur Arbeit gebracht. Sie berichtete mir von Vera, ihrer Freundin. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Ehemann sie zu Hause misshandelte. Sie hätte blaue Flecken am Oberarm. Zusätzlich erwähnte sie, dass dies ein Grund dafür sein könnte, dass sie auf einer Dating-Plattform eine Affäre suchte. Aber wir waren schon an meinem Arbeitsplatz. Es gab keine Gelegenheit mehr, um nachzufragen, was sie von der Freundin hielt. Ich gab Gisela einen Kuss und begab mich dann in mein Büro. An diesem Tag hatte ich eine Menge vor und beschäftigte mich mit dem Dossier für die Auslagerung der Arbeitsplätze nach Indien. Ich hörte ein Klopfen an der Tür und eine Frau betrat mein Büro. Sie war ungefähr gleich groß wie Gisela. Sie hatte eine sportliche Figur und trug eine bunte Bluse und eine dunkle Hose. Ihre Gesichtszüge wirken lieblich und sie hatte schwarze mittellange Haare und braune Augen. Ich hatte sie auf Anhieb sympathisch gefunden. Sie sah mich mit einem freundlichen Lächeln an und sagte: „Ich bin die Personalchefin und heiße Andrea Vollenweider. Könnten Sie mir einen Moment Zeit widmen?“ Ich habe es bejaht und wir setzten uns an den Tisch. Sie betrachtete das Foto auf dem Pult. Sie interessierte sich für das Alter der Kinder. Ich habe ihr von Melanie und Silvio berichtet, die derzeit in einer Altersstufe sind, in dem es nicht immer angenehm ist. Sie sagte mir nachher, dass sie sich auch eine Familie wünsche, dass sie lange einen Freund hatte und im Moment wieder allein ist.

Sie war über die Pläne informiert, dass Arbeitsplätze nach Indien verlagert werden, und sagte mir, dass ihre Mutter aus Indien stammt und dass sie jedes Jahr die Verwandten besuchen. Ich empfand es als ansprechend, wie sie mir von ihrem Land und ihrer Familie erzählte. Ihre angenehme, warme Stimme zog mich in ihren Bann. Ich hörte ihr gerne zu. Das Gespräch wurde unterbrochen, als mein Telefon klingelte. Sie überreichte mir meinen Arbeitsvertrag und verabschiedete sich.

Es war Herr Markwalder, der Direktor. In kurzen Worten teilte er mir mit, dass ich in 30 Minuten eine Besprechung mit ihm hätte. Er informierte mich beim Gespräch, dass ich bis zum nächsten Dienstag ein Konzept für die Außenstelle in Indien erstellen musste. Die Arbeitsbedingungen, die Mentalität und die Kostenschätzung mit einem Zeitplan. Das einzige Problem, das ich damals hatte, war, dass Gisela keine Kenntnisse über die Beförderung hatte und ich nun am Wochenende zu Hause arbeiten musste. Ich ärgerte mich, dass ich es ihr nicht gestern gesagt hatte. Es waren keine optimalen Bedingungen, um Gisela und die Kinder nachträglich zu informieren. Als ich mich damals beworben hatte, hatten wir bereits darüber gesprochen. Ich überlegte mir, wie ich es am besten anstelle. Wir waren schon lange nicht mehr auswärts essen gegangen. Ich hatte vier Plätze im Gasthof Löwen reserviert, der bei uns in Küsnacht ansässig war. Ich schrieb Gisela eine Nachricht, dass ich sie und die Kinder zum Essen einlade. Innerhalb weniger Minuten rief sie mich an. Sie erkundigte sich nach dem Grund, warum ich sie und die Kinder zum Essen einlade. Ich antwortete, sie sollte sich überraschen lassen. Was sie jedoch negativ aufnahm, weil ich den Grund nicht sagte.

Damals war der Mittag schon fast vorbei. Andrea teilte mir mit, dass die Personaldossiers meiner Mitarbeitenden bei ihr lägen. Ich ging zu ihr, um die Unterlagen abzuholen. Sie schien sichtlich erfreut zu sein, als ich ihr Büro betrat. Sie lächelte: „Schön, dass Sie Zeit gefunden haben.“ Andrea stand auf und nahm die Akten und legte sie auf das Pult. Ihr Büro war gemütlich eingerichtet und auf dem Besprechungstisch war ein Frühlingsstrauß. Der Duft von ihrem angenehm riechenden Parfüm schwebte in der Luft. Andrea war eine sehr interessante Frau. Eine nette Kollegin in der Geschäftsleitung zu haben, war für mich eine Freude. Ich dankte ihr und sagte: „Ich heiße Peter, wenn es in Ordnung ist.“- „Ich bin Andrea.“ Ich fragte, ob wir morgen in der Pizzeria zusammen essen gehen. Sie meinte, dass eine Stunde vom Geschäft entfernt zu sein eine gute Idee wäre und sie nicht wieder in der Kantine sitzen möchte, um über das Business zu sprechen. Sie reserviere für 12 Uhr in der Pizzeria zwei Sitzplätze. Ich bedankte mich bei ihr und verabschiedete mich von ihr. Ich hatte keine Zeit mehr, mich mit ihr zu unterhalten. Ich ging in mein Büro und hoffte, dass Gisela Verständnis für meine Beförderung zeigen würde, obwohl ich Bedenken hatte. Ich habe die Unterlagen in meinem Büro geordnet und ging nach Hause.

Die Gedanken, wie Gisela auf die Situation reagieren würde, beunruhigten mich damals. Ich sprach von Kündigung und dann war ich am selben Tag in der Geschäftsleitung. Ich hatte mir vorgenommen, ihr einen Strauß roter Rosen zu kaufen. Was ich auf dem Heimweg erledigte. Sie rief mich an und teilte mir mit, dass sie länger arbeiten müsse und entschuldigte sich dafür, dass sie mich nicht abholen konnte. Sie freute sich, dass wir auswärts essen und ihr das Kochen erspart blieb. Ich war froh, dass ich mit dem öffentlichen Verkehr nach Hause fahren konnte. Sie hätte im Auto nach dem Grund für das Nachtessen gefragt. Ich erwarb die Rosen im Blumenladen in Kilchberg. Die Kinder waren bereits daheim und waren erstaunt über den Strauß. Sie fragten sofort, was der Grund dafür war. Ich teilte ihnen mit, dass Blumen für eine Frau immer etwas Erfreuliches seien und ich Mama damit eine Freude bereite. Melanie lächelte mich an und sagte: „Das ist lieb von dir, Papa.“ Es war so gemeint, aber ich hoffte, dass es beim Abendessen einfacher werden würde. Als Gisela nach Hause kam, sah sie den Rosenstrauß. Ihr Blick war liebevoll und sie sagte: „Sind sie für mich? Ich bin erstaunt, dass Du mir Rosen schenkst.“ Ich gab ihr einen Kuss und erwiderte: „Ich liebe dich, weil Du eine verständnisvolle Frau bist“. Sie war erfreut und wir umarmten uns: „Ich finde es liebe von Dir, Peter und freue mich über die Blumen.“ Gisela war in einer freudigen Stimmung und glücklich. Wir verließen das Haus und begaben uns zum Gasthof Löwen. Ich mochte das rustikale Ambiente dieses Lokals. Es war mit Holz verkleidet und die Eichentische und Stühle waren mit Schnitzereien verziert. Es brannten Kerzen auf den Tischen. Nach der Bestellung des Essens brachte der Kellner Sekt für uns beide. Ich erhob das Glas und teilte mit: „Ich freue mich, Euch mitzuteilen, dass ich anstelle von Herrn Meier, der entlassen wurde, an seiner Stelle befördert wurde.“ Gisela blickte mich mit großen Augen an und sagte mit ernster Stimme: „Habe ich Dich richtig verstanden, Du bist jetzt schon in der Geschäftsleitung?“ Ich erwartete diese Reaktion und es fiel mir schwer, mich für mein Handeln zu rechtfertigen. Stattdessen ertönt wieder diese harte Stimme, die sonst eher sanft war. Ich musste mich beherrschen, um nicht wütend zu werden, während die Kinder am Tisch saßen. Ich hätte gerne gesagt: „Entschuldige, dass ich nicht um Erlaubnis gefragt habe.“ Das hätte zu einem Streit führen können. Daher antwortete ich: „Ja, ich hatte keine Wahl. Der Direktor verlangte eine sofortige Entscheidung. Ich habe zugesagt, da ich eine Chance sehe. Ich hatte mich bereits einmal um diese Stelle beworben und habe das seinerzeit mit Dir besprochen und Du warst damit einverstanden. Jetzt verdiene ich mehr und wir können uns den Urlaub in der Karibik leisten.“ Mit dieser Aussage war mir bewusst, dass ich die Kinder auf meiner Seite haben würde. Gisela hatte schon lange davon geträumt, dort einmal Ferien zu verbringen. Silvio und Melanie waren begeistert von dem Gedanken. Gisela war wieder die Spaßbremse und sagte: „Freut euch nicht zu fest. Im Juli wird es für Papa nicht einfach sein, in dieser Zeit Urlaub zu bekommen.“ Ich versicherte den Kindern, dass alles gut gehen würde und ich mich darum kümmere. Gisela zeigte sich dann wieder freundlicher und gratulierte mir zu meiner neuen Position. Das Nachtessen war ausgezeichnet und schmeckte allen. Die Kinder sprachen mit Gisela über die Ferien.

Nachdem ich die Rechnung beglichen hatte, waren wir gegen 23 Uhr zu Hause. Gisela berichtete ich über die Beförderung und sie fand es bedauerlich, dass ich sie am Telefon belogen hatte. Ich hätte da die Stelle schon bekommen. Sie möchte in Zukunft derartige Vorkommnisse nicht mehr erleben. Ich entschuldigte mich bei ihr für den Vorfall. Ich erklärte Gisela, dass es am Telefon nur zu einer sinnlosen Diskussion gekommen wäre. Sie nahm diese Aussage persönlich und reagierte entsprechend: „Bist Du so feige? Weshalb kannst Du Herrn Markwalder nicht mitteilen, dass Du es mit mir besprechen möchtest?“ Diese Aussage verletzte mich zutiefst. Was sollte ich da sagen, dass es nicht wieder eskalierte und es die Kinder mitbekämen? Es kam nicht überraschend, dass ich mit dem Streit konfrontiert wurde. Es war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte und sie mir vorwarf, ich sei Feige. Ich sagte ihr: „Du, es ist nicht nötig, darüber zu streiten. Ich sah es als eine Chance und das war der Grund für meine sofortige Zusage.“ Ich verschwieg in diesem Moment, dass ich am Wochenende zu Hause arbeitete. Gisela wäre wütend geworden. Sie antwortete auf meinen Einwand: „Es war eine Chance, trotzdem musst Du nicht lügen. Du wirst weniger Zeit für uns haben, da Du eine neue Aufgabe übernimmst. Ich würde nicht überrascht sein, wenn Du auch am Wochenende zu Hause arbeitest.“ Ich dachte mir damals, dass sie recht hatte, und es war eine gute Entscheidung, ihr daraufhin mitzuteilen: „Ja, das trifft zu, sollte jedoch nicht ein Dauerzustand sein. Es ist zu erwarten, dass ich das Konzept am Samstag zu Hause abschließen werde.“ Sie meinte nur neckisch: „Ich hatte bereits befürchtet, dass Du auch zu Hause arbeitest!“ Ich war genervt von ihr. Wir hatten am Vorabend ein wundervolles Beisammensein und jetzt scheint es, als ob Gisela wieder ihre distanzierte Art an den Tag legte. Es war unnötig, persönliche Angriffe und schnippische Bemerkungen zu machen. Wir begaben uns dann zu Bett. An diesem Abend wollte sie wieder Sex. Was mich überraschte und mir nicht klar war, was das zu bedeuten hatte. Ich hatte jedoch kein Bedürfnis und sagte ihr, dass ich jetzt schlafen müsse. Wenn ich ehrlich gewesen wäre, ich hatte keine Lust auf Sex. Ich empfand es als unpassend, wie sie sich mir gegenüber verhielt. Ich teilte ihr mit, dass ich müde von dem Tag bin und keine Lust hätte. Sie sagte lediglich: „Warum ist das jetzt so? Na, dann schlafe.“ Ich vermied es, nachzufragen, was das bedeutet. Deshalb antwortete ich Gisela nur: „Es gibt keinen Grund, so zu reagieren. Ich fühle mich müde.“

Ich lege meine Mappe auf die Seite. Ich gehe in die Küche, um mir einen grünen Tee zuzubereiten und schaue in die Pfanne. Die Temperatur des Wassers steigt und es entstehen kleine Luftblasen, die immer größer werden, je mehr Hitze anfällt. Die Geschichte beginnt mit den kleinsten Luftbläschen, die sich vergrößern. Ich mache mir einen Tee, setze mich wieder an den Tisch und schreibe weiter.

Andrea und ihre Heimat

Donnerstag, 9. Juni 2022

Gisela brachte mich nicht ins Büro. Es war mir gleichgültig, dass ich den öffentlichen Verkehr zur Arbeit benutzen musste. Ich hoffte jedoch, dass ich Heidi antreffen würde. Die meine Stimmung wieder aufhellen könnte. Sie war glücklicherweise im Bus und es freute mich sehr.

Ich setzte mich zu ihr. Heidi war mir sympathisch, weil sie eine fürsorgliche, mütterliche Art an den Tag legte. Wir wurden begrüßt und sie war erfreut, dass man den Meier entlassen hatte. Sie schaute mich an: „Wie alt bist Du, wenn ich Dich fragen darf?“ – „Ich bin 42 Jahre alt, 1,85 groß und wiege 92 kg, sonst noch Fragen.“ Sie lachte und antwortete: „Ich wollte es nicht so genau wissen. Ich bin nicht auf der Suche nach einem neuen Partner. Ich bin 53 Jahre alt.“ Sie erklärte es in einer so humorvollen Art und Weise, dass meine Stimmung sofort besser wurde. Sie sprach über ihre Scheidung. Die bereits einige Zeit zurückliegt und ihren drei Kinder. Die alle nicht mehr bei ihr wohnten und ein eigenes Leben führten. Ich berichtete ihr von meinen beiden Kindern. Die sich in einer schwierigen Phase befanden und mit Pubertätsproblemen kämpften. Sie lächelte, als sie erklärte, das sei schneller vorüber, als man annimmt. Wir fuhren mit dem Tram in Richtung Escher-Wyss-Platz, als sie mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck ansah und sagte: „Peter, was ist los? Ich habe den Eindruck, dass Dir etwas zu schaffen macht.“ Heidi schien mir eine vertrauenswürdige Frau zu sein, der ich mich anvertrauen konnte: „Also, Du hast völlig recht, meine Frau ist nicht glücklich über die Beförderung. Wir werden gleich am Escher-Wyss sein. Ich werde Dich dann später ausführlich darüber informieren.“ Heidi sagte mir, dass ich jederzeit mit ihr sprechen könne, falls ich das Bedürfnis dazu hätte.

An diesem Morgen hatten wir das Computerprogramm für den Detailhandelsbetrieb fertiggestellt. Der Probelauf verlief erfolgreich und die Software war bereit für den Praxistest. Ich war an diesem Morgen auf das Mittagessen mit Andrea gespannt. Es war von Vorteil, einige Informationen von ihr zu erhalten, da sie Indien gut kannte. Um 12 Uhr trafen wir uns vor der Firma. Sie trug ein rotes Seidenkleid mit gestickten Blumen und eine schwarze Hose. Das war eine Kombination, die zu ihr passte. Wir begrüßten uns mit einem Kuss auf die Wange. Es hatte mir gut getan, sie zu sehen, nach den Differenzen mit Gisela. Wir gingen in die Pizzeria zum Mittagessen. Sie schaute mich an und fragte: „Peter, geht es Dir nicht gut? Ich hatte weiterhin Probleme, dass Gisela so reagiert hatte. Das Thema war für mich momentan nicht passend.

Ich wollte mit ihr das Mittagessen genießen und nicht über meine Probleme sprechen. Ich erwiderte ihr deshalb: „Es ist alles in Ordnung. Das Projekt Indien beschäftigt mich sehr. Diese Entscheidung würden negative Auswirkungen auf unsere Mitarbeiter haben. Ich wollte damals nicht vom Geschäft sprechen. Darum sagte ich ihr, dass es mich interessierte, was der Grund war, dass sie gestern so traurig wurde, als sie von Indien erzählte. Sie war erstaunt, dass mir dies aufgefallen war, und meinte, ich sei ein guter Zuhörer. Es wäre schwierig zu verstehen, dass die ganze Familie außer ihrer Mutter in Indien lebte. Die Menschen und das Land wären anders als in der Schweiz. Obwohl sie hier aufgewachsen sei, fühlte sie sich dennoch immer heimatlich, wenn sie dort war. Ihr Vater sei vor einem Jahr verstorben und ihre Mutter fühlte sich jetzt allein und würde gerne wieder nach Indien zu ihrer Familie. Ich konnte sie gut verstehen. Da Andrea bereits am Vortag erzählt hatte, dass sie sich von ihrem langjährigen Freund trennte. Wenn ihre Mutter nun nach Indien zurückkehrt, wäre sie allein. Ich vermied es, noch weiter auf dieses Thema einzugehen. Ich bemerkte die traurigen Augen, die kurz davorstanden, Tränen zu vergießen. Angesichts dessen wechselte ich das Thema und fragte sie nach den Unterschieden der Kulturen in Indien und der Schweiz. Daraufhin erzählte sie mir vom Land und den Menschen: „In Indien ist die Familie der Mittelpunkt der Gesellschaft. Wir orientieren uns bei allen Entscheidungen an unseren Lieben. Du denkst jetzt sicher, das ist bei uns ebenso“? Ich erwiderte: „Das ist mir in den Sinn gekommen. Die Familie steht doch hier ebenfalls im Mittelpunkt, oder nicht?“ Sie lächelte: „Sicher ist es bei uns ähnlich. Aber wir sind hier noch mehr individualisiert. In der indischen Kultur sind ‚wir‘ wichtig und nicht ‚ich‘. Für uns ist eine emotionale Bindung an die Familie von großer Bedeutung und wir sind mit ihnen verbunden. Das ändert sich aber in Großstädten wie Neu-Delhi mit berufstätigen Kleinfamilien in die gleiche Richtung. Da kommt auch die Individualisierung auf. Leider eine Tendenz, die ich nicht positiv aufnehme“. Es war nicht klar, was sie mit emotionaler Nähe meinte, und ich fragte zurück. Sie antwortete, dass man zum Beispiel in großen Gruppen mit den Verwandten reise und die Zeit so verbringe. Dies sei der Grund, weshalb sich die Mutter einsam fühle. Das vermisse es in der Schweiz. Während ihrer Zeit mit ihrem Ehemann fühlte sie sich glücklich. Die Mittagszeit war dann schon fast vorbei und sie meinte. „Ich habe Dir so viel erzählt, aber ich weiß nicht, wer Du bist.“ Ich entschuldigte mich bei ihr für meine Unachtsamkeit. Sie hatte recht und ich hatte keine Lust, über mich zu sprechen. Andrea hatte eine sehr leidenschaftliche Art, etwas zu erzählen. Ich war von ihrer Stimme fasziniert. Ich sagte zu ihr, dass wir die Mittagspause gerne öfter gemeinsam verbringen könnten. Ich hätte es sehr genossen, ihr zuzuhören. Sie lächelte und stimmte zu, dass dies eine ausgezeichnete Idee sei, da sie nicht gerne in die Kantine gehe. Dort werde sie oft mit Sprüchen konfrontiert, die ihr gegenüber unangemessen sind. Wir reservierten für den nächsten Tag einen Tisch in der Pizzeria und kehrten an unsere Arbeitsplätze zurück.

Ich begab mich zufrieden in mein Büro. Andrea war eine sehr interessante Frau. Ihr offener Umgang und ihre Herzlichkeit, die sie ausstrahlte, waren für mich etwas, das ich seit Langem nicht mehr erlebt hatte. Indien war mein Thema an diesem Nachmittag. Ich benötigte einige Zeit, um die Informationen zu sammeln. Ich erforschte die gesellschaftlichen Umgangsformen in Indien und die Art und Weise, wie man sich in der Gesellschaft verhält. Die Recherchen bereiteten mir Freude. Ich musste jedoch eingestehen, dass Andrea einen gewissen Anteil daran hatte, dass mein Interesse für dieses Land größer wurde. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage wusste ich einiges. Ich hatte mich nie mit der Kultur selbst beschäftigt.

Ich stehe auf und begebe mich in die Küche. Sie hat bereits bessere Zeiten erlebt und ist in sich abgeschlossen, wie in den Fünfzigerjahren gebaut wurde. Auf der linken Seite sind Hängeregale aus Holz angebracht. Es gibt Schiebetüren, die in Holzschienen geführt werden. Die Regale sind teilweise an den Ecken zerbrochen. Unter dem Regal ist der Elektroherd mit schwarzen Platten, die rot anlaufen, wenn sie zu heiß sind. Den Küchentisch hat mir der Vormieter überlassen. Er steht an der rechten Ecke, mit eher klobigen Tischbeinen, die nachträglich beige übermalt wurden. Die Holzstühle sind alt. Wippen ist gefährlich, da sie sofort nachgeben. Der Kühlschrank gibt ein leises Surren von sich, als ob er bald den Geist aufgeben würde. Im kleinen Tiefkühlfach befindet sich eine Pizza. Zu Hause verfügen wir über einen modernen Backofen mit Automatikfunktion. Hier hat man so alte Drehregler, wo man die Wärme und die Zubereitungsart einstellen kann. In dieser Zeit bin ich in der Lage, die Unterlagen von meinen Ergebnissen der damaligen Recherchen auszudrucken. Der alte Backofen benötigt 15 Minuten, bis er 220 Grad erreicht. Nach einer Wartezeit von 12 Minuten ist sie fertig. Sie hat mit einer frischen Pizza nichts zu tun. Ich fühle mich in letzter Zeit so träge. Es wäre keine Sache, im Geschäft nebenan Teig, Mozzarella, Tomatensoße, Gewürze und Schinken zu kaufen. Die Pizza ist zu hart geworden. Ich kaue darauf herum. Heute scheint die Sonne durch das Küchenfenster hindurch. Ich betrachte den Lichtstrahl in meinem Leben als einen wichtigen Aspekt und hoffe, dass ich ihn bald wieder sehen werde. Ich habe die Pizza verzehrt und wasche ab. Es gibt hier keinen Geschirrspüler. Ich gehe in das Wohnzimmer, das 18 Quadratmeter misst. Die Wände sind mit einer beigefarbenen Farbe gestrichen und vergilbt. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich in dieser leeren Wohnung stand. Das Geld, um sie wohnlich zu machen, war nicht da.