Leises Sternenflüstern - René Burkhard - E-Book

Leises Sternenflüstern E-Book

René Burkhard

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Beschreibung

Leises Sternenflüstern ist eine Sammlung poetischer Gute Nacht Geschichten für Erwachsene. Die Erzählungen handeln von Neuanfängen und Abschieden, von stiller Hoffnung, innerer Stärke und der Sehnsucht nach Nähe. Sie sind leise, berührend und laden dazu ein, am Ende eines Tages nicht nur zur Ruhe zu kommen, sondern sich selbst wieder zu begegnen. Das Buch führt durch verschiedene Lebensmomente. Menschen, die nach einem Verlust langsam Heilung erfahren, Frauen und Männer, die sich im Alltag verlieren und auf ungeahnte Weise zurückfinden, Begegnungen, die nicht laut sind, aber wahr. Ob es um einen Spaziergang am Fluss geht, eine zufällige Wiederbegegnung unter einem blühenden Baum oder den Blick in eine Wohnung voller Erinnerung. Jede Geschichte öffnet eine Tür in eine innere Landschaft, die leuchtet, auch wenn sie von Schatten gezeichnet ist. Mit ihrer bildhaften Sprache und der ruhigen Tiefe schenken die Texte einen Moment der Einkehr. Sie wirken wie ein Gespräch mit einer vertrauten Stimme, die nicht bewertet, sondern versteht. Das Herz der Sammlung ist die stille Ehrlichkeit, mit der menschliche Erfahrungen erzählt werden, ohne Effekthascherei, aber mit Wärme und Bedeutung. Diese überarbeitete und neu gestaltete zweite Auflage von Leises Sternenflüstern ist stilistisch verfeinert und poetischer geschrieben. Sie enthält erstmals zu jeder Erzählung ein poetisches Nachwort, wie ein leiser Nachklang, ein Gedanke, der sich an die Geschichte anschmiegt und ihr eine sanfte Weite schenkt. Die Nachworte laden zum Nachdenken ein, zum Träumen, zum Mitfühlen und verleihen jeder Geschichte einen weiteren Horizont. Leises Sternenflüstern ist für Menschen gedacht, die Sprache als Trost empfinden, die nächtliche Ruhe nicht nur suchen, sondern spüren wollen, und für alle, die darin Kraft finden, sich selbst sanft und ehrlich zu begegnen. Es ist eine Einladung zur Stille und zu dem, was darin hörbar wird.

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Vom selben Autor:

Peter sucht das Glück

Fortsetzung: Glück und Unglück sind eng verbunden

Alpen Tod (Thriller)

Träume unter Sternen – Gute Nachtgeschichten für Erwachsene

Bilderbücher für kleinere Kinder:

Die Heimat der Teddybären, Balu beim Arzt und Freunden im Krankenhaus, Teddy Balu, Kuschelbär Benny geht zum Zahnarzt, Nussi das Eichhörnchen benötigt seine Freunde, Nussi das Eichhörnchen und die Abenteuer im Wald.

Jugendbuch das auch Erwachsene

gerne lesen:

Max und die chaotischen Abenteuer

Nächtliche Geschichten für Ruhe suchende Herzen

Hinweis zur Neuauflage

Nach dem Erscheinen meines neuesten Buches Zwischen Sternen und Stille – Gute Nachtgeschichten für Erwachsene, das in seinem Ton noch tiefer, noch leiser geworden ist und jede Geschichte mit einem poetischen Nachwort abrundet, war für mich klar: Leises Sternenflüstern darf nicht so bleiben, wie es war.

Diese Neuauflage ist kein bloßer Wiederabdruck,

sondern eine behutsame Neudeutung.

Die Geschichten wurden stilistisch verfeinert,

ihr poetischer Kern stärker hervorgearbeitet

und jede Erzählung erhält nun,

wie ein letzter Kuss vor dem Schlaf,

ein Nachwort – leise, klar, tröstlich.

So ist aus Leises Sternenflüstern ein Buch geworden,

das nicht nur zum Einschlafen begleitet,

sondern auch zum Verweilen einlädt –

zwischen Gedanken, Zwischenräumen,

zwischen Sternen und Stille.

René Burkhard

René Burkhard, geboren am 13. Februar 1958 in Zürich, entführt seine Leserschaft in Träume unter Sternen: Gute Nachtgeschichten für Erwachsene auf eine magische Reise durch die nächtlichen Zwischenräume des Lebens.

Im Zürcher Unterland zu Hause, schöpft Burkhard aus einer reichen Mischung eigener Erfahrungen und einem feinen Gespür für menschliche Emotionen.

Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, war er viele Jahre als Lehrperson für Wirtschaft und Gesellschaft tätig.

Nach der Corona-Pandemie wagte er einen beruflichen Neubeginn und absolvierte mehrere literarische Weiterbildungen – darunter ein zweijähriges Prosa-Studium –, die seiner Stimme als Autor Tiefe und Klarheit verliehen.

Mit seinem Debütroman Peter sucht das Glück, einer gefühlvollen Erzählung über innere Konflikte und Liebe, hinterließ er bereits einen bleibenden Eindruck.

Die Fortsetzung Glück und Unglück sind eng verbunden unterstreicht eindringlich die Bedeutung von Zusammenhalt.

Mit dem Thriller Alpen Tod zeigte Burkhard sein Gespür für Spannung und Gesellschaftskritik.

Neben seinen Werken für Erwachsene schenkt Burkhard auch jüngeren Leserinnen und Lesern besondere Aufmerksamkeit.

Seine pädagogisch wertvollen Bilderbücher wie Nussi, das Eichhörnchen und Balu, der Teddybär spiegeln seine liebevolle Haltung gegenüber Kindern wider und kombinieren einfache Sprache mit einfühlsamen Themen, die Eltern und Kinder gleichermaßen berühren.

In Träume unter Sternen verwebt Burkhard poetische Bilder mit leisen Gedanken.

Es ist ein Buch für Menschen, die das Leben spüren möchten – im Dunkel und im Licht.

Mit Vorfreude erwartet die Leserschaft den Folgeband Leises Sternenflüstern: Nächtliche Geschichten für Ruhe suchende Herzen, in dem er erneut mit seinen zauberhaften Gute-Nacht-Geschichten Herzen berühren und Träume begleiten wird.

Inhaltsverzeichnis

Zwischen den Seiten des Menschseins

Ein stiller Abend im Dorf der Spiegel

Die Stunde zwischen den Spiegeln

Zwischen Fenstern und Fragen

Wenn das Herz zu flüstern beginnt

Tropfen für die Ewigkeit

Im Garten des Herzens

Im Garten der Erinnerungen

Die Welt unter Annas Füßen

Momente des Glücks

Im Angesicht der Stille

Unter dem Sternenhimmel der Eintracht

Ein Neuer Anfang im Herbst des Lebens

Das Erwachen der wahren Werte

Ein Atemzug entfernt

Die Kunst des Weitermachens

Anna und der Frühling, der zurückkam

Jana und das Flüstern der Nacht

Die Ruhe der Nacht

Emma & Lukas – Zwischen Hügeln und Sternen

Ein neuer Anfang in Italien

Der Funke der Spontanität

Emma & Lukas – Ein Zuhause aus Fehlern und Versprechen

Ein Sternenregen des Lebens

Die Nacht der verlorenen Herzen

Das Flüstern des Schicksals

Und irgendwo warst du schon da

Zwischen den Fäden des Lebens

Die Melodie der Selbstentdeckung

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich an meine ersten Geschichten zurückdenke, die ich ganz spontan auf Facebook veröffentlicht habe, erfüllt mich das mit Staunen. Es begann mit ein paar Worten hier, einer kleinen Erzählung dort – und plötzlich trugen sie ein Eigenleben.

Die Resonanz, die daraufhin folgte, hat mich tief berührt. Viele von euch schrieben mir, wie sehr euch meine Texte bewegt haben, wie sie eure Abende bereichert und euch zur Ruhe gebracht haben.

Auf Wunsch lieber Freundinnen und Freunde entstand damals mein erstes Geschichtenband Träume unter Sternen – Gute Nachtgeschichten für Erwachsene. Dieses Buch wurde zum Beginn einer Reise – hin zu einem stillen Schreiben, das berühren will, ohne laut zu sein.

Für mich war nie entscheidend, wie viele Bücher am Ende verkauft werden. Was wirklich zählt, sind die Herzen, die ich mit meinen Zeilen erreiche. Es geht um Verbindung – um eine sanfte Brücke zwischen meinem Schreiben und eurer Welt.

Genau diese Brücke wollte ich mit Leises Sternenflüstern weiterbauen – tiefer, poetischer, feinfühliger. Die zweite Auflage dieses Buches ist mehr als eine Wiederveröffentlichung. Sie ist eine behutsame Neudeutung: stilistisch verfeinert und erstmals mit einem poetischen Nachwort zu jeder einzelnen Geschichte versehen.

In diesen Gute-Nacht-Geschichten für Erwachsene findet ihr nicht nur Reflexionen über das alltägliche Leben, sondern auch immer einen Funken Hoffnung. Jede Geschichte trägt eine Lösung in sich – manchmal still, manchmal überraschend. Sie sollen helfen, den Tag weich ausklingen zu lassen und euch in eine ruhige Nacht zu begleiten.

Vielleicht entdeckt ihr beim Lesen Facetten von euch selbst, Gedanken, die euch im Innersten berühren. Vielleicht schenkt euch eine Geschichte die Stille, die ihr gerade braucht.

Nehmt euch Zeit, diese Erzählungen zu genießen. Lasst eure Gedanken wandern. Und begegnet euch selbst in den Zwischenräumen dieser Texte.

Ich freue mich, euch auf diese Reise mitzunehmen – und wünsche mir,

dass euch jede einzelne Geschichte ein Stück näher zu euch selbst bringt.

Mit warmen Grüßen

und den besten Wünschen für sanfte Träume

René Burkhard

Einleitung

Wenn der Tag sich neigt und das Licht leiser wird,

suchen wir nicht nur Schlaf, sondern auch Stille –

einen Moment, der uns zurückführt zu dem, was uns ausmacht.

In diesen nächtlichen Stunden,

wenn der Mond über Dächer zieht und die Welt langsamer atmet,

entstehen Geschichten.

Solche, die trösten.

Solche, die erinnern.

Solche, die Mut machen.

Diese Sammlung ist ein Begleiter durch die Dunkelheit –

ein leiser Freund, der dich mitnimmt auf eine Reise

zwischen Alltag und Wunder, zwischen Sehnsucht und Lösung.

Hier findest du keine fertigen Antworten,

aber Gedanken, die dich berühren.

Erzählungen, die zeigen,

dass hinter jedem Schatten auch ein Licht wartet –

oft verborgen, aber nie verloren.

Vielleicht erinnern dich diese Geschichten

an deine Kindheit,

an jene warmen Stunden unter der Decke,

wenn eine vertraute Stimme leise sagte:

„Alles wird gut.“

Lass uns gemeinsam dorthin zurückfinden.

Zu dem Vertrauen,

dass auch heute noch jeder Tag ein Anfang sein kann –

und jede Nacht ein Weg zum Frieden.

Willkommen zu deinen Gutenachtgeschichten.

Mögest du lesen, lauschen und loslassen.

Denn manchmal beginnt Glück

in einer Zeile, die im Dunkel leuchtet.

Zwischen den Seiten des Menschseins

Die kleine Stadt, eingebettet zwischen weichen Hügeln und verwunschenen Wäldern, lag wie eine Atempause inmitten der Zeit. Ihre Fachwerkhäuser neigten sich leicht dem Wind entgegen, die Straßen waren gepflastert mit Geschichten, und am südlichen Rand spiegelte ein stiller, dunkler See das Licht vergangener Jahre wider.

Hier lebte Anna, siebenundzwanzig Jahre alt, Buchhändlerin mit stiller Stimme und nachdenklichem Blick. Ihr Haar war lang und dunkel wie Tinte, ihre Gesten behutsam. Man sagte, sie könne Menschen lesen – nicht nur zwischen den Zeilen, sondern dort, wo selbst Worte verstummen.

Die Buchhandlung „Leselicht“ war ein verwinkelter Ort mit alten Holzregalen, abgewetzten Teppichen und dem Duft von Vanillepapier. Abends, wenn der Mond durch die hohen Fenster fiel, wurde sie zu einem Zufluchtsort für Gedanken, die nirgendwo anders Platz fanden.

An einem solchen Abend – der Himmel silbern, die Stadt versunken in Stille – klopfte es leise an die Tür. Anna hob den Kopf. Die Uhr zeigte kurz nach neun.

Vor der Tür stand Frau Bergmann, Anfang sechzig, mit grauem Dutt, hellen Wangen und einem Mantel, der mehr Stil als Wärme versprach. Ihre Bewegungen waren kontrolliert, ihr Blick wanderte, als trüge sie Fragen, die sie nicht stellen konnte.

Anna öffnete vorsichtig. „Guten Abend, Frau Bergmann. Möchten Sie eintreten?“

Ein leises Nicken. Ohne Worte glitt die Frau in den Raum, ließ ihren Blick durch die Regale schweifen – als suche sie einen verschwundenen Satz.

„Halten Sie nach einem bestimmten Buch Ausschau?“ fragte Anna, während sie eine Leselampe anschaltete.

„Nein ...“ Die Stimme klang wie altes Porzellan. „Ich bin auf der Suche nach mir selbst.“

Die Worte hingen im Raum. Anna spürte, wie der Moment sich veränderte.

„Kommen Sie“, sagte sie. „Hier vorne ist es ruhig.“

Sie führte Frau Bergmann zu einer Nische mit zwei alten Sesseln unter einem Lampenschirm aus goldfarbenem Stoff.

„Man sagt“, begann Frau Bergmann nach einer Weile, „Sie verstehen Menschen besser als sie sich selbst. Glauben Sie das?“

Anna lächelte leicht. „Ich kann nur Hinweise geben. Neue Perspektiven, vielleicht. Das Verstehen kommt von innen.“

Frau Bergmann sah zum Fenster hinaus. Draußen spiegelten sich Sterne im dunklen See.

„Mein Leben fühlt sich an wie ein verschlossenes Buch. Die Menschen um mich scheinen die Kapitel besser zu kennen als ich.“

Anna schwieg. Dann stand sie auf, ging an ein Regal ganz hinten und zog ein schlicht gebundenes Buch hervor – grau, fast unauffällig.

„Dieses hier hat etwas“, sagte sie. „Vielleicht hilft es Ihnen, die ersten Seiten Ihres Kapitels selbst zu schreiben.“

Frau Bergmann nahm das Buch. Skeptisch, aber offen. Sie schlug es auf. Die Seiten raschelten wie fernes Laub. Ihre Augen wurden still, versunken.

Die Minuten vergingen, wurden zu Stunden.

Als Frau Bergmann das Buch schloss, sah sie anders aus. Nicht jünger – aber heller.

„Ich glaube, ich habe ein Stück von mir zwischen diesen Zeilen gefunden.“

Anna nickte. „Manchmal brauchen wir einen Spiegel – und ein ruhiges Licht.“

„Ich danke Ihnen“, sagte Frau Bergmann leise und stand auf.

„Bewahren Sie das Buch“, antwortete Anna. „Es gehört jetzt Ihnen.“

Als die Tür ins Schloss fiel, blieb Anna noch einen Moment stehen. Ihr Blick glitt zum See. Der Mond hing darin wie ein Gedanke.

Und sie wusste: Jeder Mensch trägt sein eigenes Buch bei sich. Aber manchmal braucht es jemanden, der hilft, die erste Seite umzublättern.

Nachwort – Zwischen den Seiten des Menschseins

Manche Geschichten leben nicht durch Handlung, sondern durch Nähe. Die Begegnung zwischen Anna und Frau Bergmann war kein lautes Ereignis, sondern ein Flüstern – ein Moment, der sich wie Papier zwischen zwei Atemzügen entfaltet hat.

Dieses Kapitel erinnert uns daran, dass Menschen oft nicht nach Antworten suchen, sondern nach jemandem, der ihnen erlaubt, die richtigen Fragen zu stellen. Dass wir manchmal nicht das Buch brauchen, sondern den Raum, um darin zu blättern.

In einer Welt, die sich dreht nach Leistung und Tempo, war „Leselicht“ ein Ort der Erinnerung: Daran, dass echte Begegnungen still sein dürfen. Dass Verstehen mehr ist als Erklären. Und dass manchmal ein einziger Satz genügt, um ein Leben zu öffnen.

Anna hat nichts verändert – und doch alles. Nicht, weil sie eine Gabe besitzt. Sondern, weil sie zuhört. Weil sie sieht, ohne zu greifen. Weil sie erkennt, ohne zu urteilen.

Vielleicht ist das die stille Hoffnung dieser Geschichte: Dass irgendwo da draußen jemand sitzt, bereit, die Lampe einzuschalten, wenn du auf der Suche nach deiner ersten Seite bist.

Und vielleicht – bist du selbst dieser Mensch. Für dich. Oder für jemanden anderen.

Ein stiller Abend im Dorf der Spiegel

Das Dorf, in dem Jonas lebte, lag wie ein vergessenes Wort auf der Landkarte – eingebettet zwischen sanften Hügeln, alten Buchenwäldern und dem silbernen Band eines Bachlaufs, der sich wie in leiser Gedanke durch die Landschaft schlängelte. Die Häuser waren schiefergedeckt, ihre Mauern rau von Wind und Geschichte. Hinter dem Dorf ragte ein kleiner Hügel auf, von dem aus man bis zum Horizont sehen konnte – wenn man still genug war, um das Licht nicht zu stören.

Jonas war sechsundvierzig Jahre alt, ein Mann mit ruhigem Schritt und wettergegerbtem Gesicht. Sein Haar war dunkel, durchzogen von grauen Fäden. Die Augen braun, oft halb verschattet vom Nachdenken. Er lebte allein in einem kleinen Fachwerkhaus am südlichen Rand des Dorfes, direkt neben dem Bach, der unter seinem Fenster murmelte wie ein altes Lied.

Sein Leben war wie der Bach gewesen – vertraut, rhythmisch, klar. Die Arbeit im kleinen Tischlereibetrieb, der gelegentliche Kaffee mit den Nachbarn, Spaziergänge mit dem Hund der alten Frau Merten. Gespräche über das Wetter. Über die Preise beim Hofladen. Über die Jahre, die einfach weitergingen.

Doch seit einigen Wochen spürte Jonas etwas. Eine Unruhe, die kein Geräusch machte. Der Bach hatte begonnen zu mäandrieren, und mit ihm auch seine Gedanken. In den stillen Momenten war da ein Echo, das wie eine Frage klang. Ein Durst, den kein Wasser stillte.

Die Menschen redeten von Erfolg. Von Besitz, von Häusern, von Renditen. Doch Jonas spürte, dass er ihnen nicht mehr glaubte. Der Glanz dieser Welt, so dachte er, sei wie ein Stein, der unter der Sonne flimmert – schön, aber kalt. Leicht zu greifen, aber schwer zu halten.

An einem Abend, als die Sonne sich wie müde Goldfäden über die Baumwipfel legte, saß Jonas auf seiner Veranda. Der Wind war sanft, trug den Duft von Erde, Holz und etwas Undefinierbarem. Er lehnte sich zurück, sah in das Abendblau und spürte plötzlich eine Stimme. Nicht laut – fast wie ein Gedanke, der zum ersten Mal zu sich selbst fand:

„Blicke in dich. In deinem Inneren ist eine Quelle, die nie versiegt – wenn du nur zu graben verstehst.“

Jonas schloss die Augen. Und begann zu hören.

In seinem Geist öffneten sich Räume, die lange verschlossen gewesen waren. Er sah sich selbst als Kind – barfuß, staunend, voller Geschichten, die noch keinen Anfang kannten. Doch über diese Bilder hatten sich Staub und Zweifel gelegt. Angst. Pflichterfüllung. Leere Routinen.

Er begann zu graben. Nicht mit Händen, sondern mit Fragen. Was habe ich vergessen? Was habe ich aufgegeben? Was lebt noch in mir, obwohl ich es nicht mehr rufe?

Nach und nach fielen die Schichten. Er erinnerte sich an sein erstes Holzbild, das nie verkauft wurde. An einen Brief, den er nie abgeschickt hatte. An Träume, die nicht geplatzt waren – nur ungelebt. Und mit jedem Gedanken floss die innere Quelle klarer.

Der Himmel dämmerte, wurde zu einem Samttuch aus Sternen. Der Bach klang heller, fast wie wach. Jonas saß noch da, ruhig, die Hände auf den Knien, das Gesicht weich geworden. In ihm hatte sich etwas geöffnet. Keine Antwort. Aber eine Richtung.

In den Tagen danach veränderte sich wenig – äußerlich. Doch die Nachbarn bemerkten es. Er lachte anders. Blieb bei Gesprächen länger stehen. Schaute einem Kind nach, das rannte – nicht weil er musste, sondern weil es schön war.

Jonas war kein anderer Mensch geworden. Aber ein aufmerksamerer. Ein Mensch mit Wasser in der Seele – nicht zur Show, sondern zum Teilen.

Am liebsten saß er wieder auf seiner Veranda, wenn der Mond die Äste berührte und der Bach Geschichten erzählte, die niemand aufschrieb. Und oft dachte er:

„Das Graben hört nie auf. Aber das Wasser fließt. Und ich bin bereit, weiter zuzuhören.“

Nachwort – Vom Graben und Finden

Manchmal erzählt das Leben keine dramatischen Geschichten mit lauten Wendepunkten. Manchmal ist es ein leiser Bach, der sich durch die Jahre windet – vertraut, unscheinbar und doch in sich tragend, was wir vergessen haben zu suchen.

Jonas' Reise war keine Heldengeschichte im klassischen Sinne. Sie war eine innere Bewegung. Ein Aufwachen im Verborgenen.