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Bist Du bereit all das Erlernte und Gewohnte abzulegen? Dich Neuem zu öffnen? Kannst Du aufhören zu Analysieren und Dich stattdessen tief in die Zeiten dieser Welt mitnehmen lassen? Dieses Buch lädt Dich ein, mit mir auf den alten Pfaden zu wandern, es führt Dich zurück zu den Erinnerungen unserer Ahnen. Eine Reise der Initiation auf meinem schamanischen Weg.
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Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Terry
Vorwort
Prolog
Pfad der Erinnerung
Epilog
Danksagung
Über die Autorin
Nun hatten diese Zauberzeilen ihren Weg zu mir gefunden.
Ehrfürchtig und freudig zugleich, hielt ich das Werk als eine der ersten Leserinnen in den Händen. Es war wie kurz nach einer Geburt das frische Baby bewundern zu dürfen.
So war ein tiefer Atemzug auch meine erste Reaktion gewesen, als ich gefragt wurde, ob ich das Werk lesen möchte. Huch. Ich? Ich darf das? Welch Freude. Welch Ehre.
Bald schon war es da, wurde sofort ausgedruckt ich bin erst einmal mit meinem Exemplar hier in Ungarn spazieren gefahren. Denn es stellte sich mir die große Frage, wann wohl der Moment, wo der Ort zum Lesen dieses Werkes sein würde?
„Zeig dem Buchkind, dem Baby die Welt.“ rief alles in mir.
Doch bereits da wusste ich, dass es wohl eher umgekehrt sein würde.
Es ist ein Reisebericht der besonderen Art und so entschied ich mich, im Zug nach Budapest mit dem Lesen zu beginnen. So schnell und mit so leichter Hand bin ich selten in eine Welt, die ich kenne und doch auch nicht kenne, geführt worden! Und das als echte „Leseratte“, die Bücher nur so einatmet.
Doch diese Geschichte ist einfach anders und darf auch anders angeschaut und verinnerlicht werden. Tiefes Wissen um die alte Welt der Ahnen, eine Welt, die das Miteinander von Menschen und Tieren, von Pflanzen und Steinen noch kannte und lebte, stellen das sichere Fundament, auf dem Nicole Elmer uns hier führt dar.
Sie versteht es uns mitzunehmen, den Faden der Geschichte fein und doch belastbar zu spinnen, damit wir, die dieses Buch in den Händen halten, uns nicht verlieren.
Du, lieber lesender Mensch, wirst ebenfalls in diese Geschichte eintauchen, dann wirst du mich verstehen.
Waren sie, diese Geschichte, die Trommel und all die Wegbegleiter im Buch jemals nicht bei mir? Tiefe Erinnerungen kamen in mir hoch, nicht zu benennen, nicht zu betiteln. Doch sie rührten mich an, sprachen zu meiner Seele, riefen mich. Immer wieder bin ich beim Lesen der Wörter tief in den inneren Strudel meiner Gefühle gezogen worden. So intensiv, dass ich den Weg hinaus nicht gleich wieder fand. Warum auch?
Warm und sinnlich begrüßten sie mich - die Klänge, die Stimmungen und tiefen Weisheiten, die hier aufgezeigt und geschenkt werden und eben auch meine Gefühle, die mir selbst den Schlüssel zu tiefen Heilprozessen gaben.
Dies ist nicht nur ein Buch - es ist eine Initiation! Deine. Lieber lesender Mensch. Deine.
So nimmt uns die Autorin schon gleich am Start ihrer Zauberzeilen nah an sich heran und mit hinein in die alte Zeit. In eine Zeit, von der wir hoffen, dass sie in uns wieder lebendig werden wird. Diese Hoffnung nährt Nicole mit leichten Schritten, welche uns auch schwierige Passagen überstehen lassen.
Denn auch diese gibt es auf der Reise. Sie berichten von Opfern, vom Loslassen und auch von den tiefen Tälern des Lebens. So mag es auch Dir sehr ans Herz gehen, wenn das junge Mädchen seinen Weg gehen muss, eben mit allem, was dazu gehört.
Wie frisch und mutig sie sich doch auf den Weg macht und uns die Kraft und die Freude des Neuanfangs schenkt. Mag dieser auch anders sein, als erwartet, jeder Neuanfang trägt bekanntlich den Zauber in sich. So gehen wir mit - und erleben die Kraft des Lebensweges mit seinen natürlichen Initiationen, wie der ersten Blutung und der Vereinigung mit dem anderen Geschlecht. Wir gehen durch alle Gefühle hindurch und erleben, dass es hier keine Tabus gibt.
Die magischen Bilder, die hier auftauchen - Archetypen, heilende Töne und Krafttiere - sind unglaublich lebendig mit Worten gezeichnet. Die ganze Zeit schlug mein Herz Schritt für Schritt mit der mutigen Kleinen, die doch so eine Große ist. Was gibt es hier nicht alles zu erleben? Zu fühlen, zu sehen! Stück für Stück werden wir meisterhaft durch die Geschichte getragen.
Geradezu wundervoll ist es, dass dieses Buch ein Erstlingswerk ist!
Es ist das, was man einen großen Wurf nennen darf.
Jedes Wort eine Erinnerung an den eigenen Weg. Wie habe ich meinen Weg gelebt? Habe ich ihn gemeistert? Oder darf ich in diesem Buch Inspiration und Rat finden? Keine Angst, lieber Leser, es ist nie zu spät und mit diesem Buch hältst Du den Schlüssel zu Deinem Heil- Werden und Reifen in der Hand. Die kleine Meisterin lässt sich nicht aufhalten. Nicht begrenzen. Kein Weg ist ihr zu weit, kein Tal zu tief - sie geht und kommt an.
Bei sich selbst. Und für alle Zeiten auch bei mir. Tief in meinem Herzen!
DANKE!
Andrea Merle Schwörer,
Kristallschule Kft. www.kristallschule.de
„Wenn wir unsere eigenen Emotionen, die Verletztheit unseres inneren Kindes und die gefestigten Meinungen der Massen hinter uns lassen, uns bemühen, ganz bei uns selbst anzukommen, dann reduzieren wir uns auf eine wunderbare Klarheit.
Wenn wir erkennen, dass es nicht mehr um die eigenen Belange geht, sondern um das Große um uns herum.
Wenn wir begreifen, dass wir nicht die Ersten sind, die Wege gehen, Entbehrungen leben, Verluste hinnehmen.
Wenn wir bereit sind, in unserem Herzen Platz zu schaffen. Akzeptieren, dass auch wir nur ein kleiner, dafür aber unersetzlicherer Teil sind.
Und verstehen, dass die Energien und Verwebungen sich seit Anbeginn auf - und ausgebaut haben. Wenn an Orten, wo Völker und Kulturen, Religionen und Glaubensrichtungen aufeinander prallen, wir verstehen, dass vor all dem schon etwas da war.
Dass all diese Überzeugungen unwichtig sind und in dieser Unwichtigkeit gleichwertig.
Aber auch, dass nicht diese Dinge es sind, die uns ausmachen. Vielmehr entfernen sie uns voneinander.
Erst dann können wir lernen, zu vergeben, zu akzeptieren.
Wir lernen zu verstehen.
Zu sehen. Zu lauschen.
Miteinander zu sprechen, anstatt übereinander. Dann darf Versöhnung geschehen. Wunden, die unsere Ahnen sich gegenseitig zugefügt haben, dürfen heilen.
Wir können in die Rolle unseres Gegenübers schlüpfen und anerkennen, dass es auch dort ganz ähnliche Gefühle, Ängste, Sorgen und auch Wut gibt.
Dann sind wir mehr und mehr in der Lage, uns als das zu sehen, was wir alle sind: Kinder der großen Mutter.
Brüder und Schwestern.
Verbündete.“
Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, was gerade geschehen war. Vorsichtig bewegte ich die einzelnen Glieder meines Körpers, streckte mich und versicherte mich so, dass ich wirklich wach und bei mir selbst war.
Ganz still wurde ich, erinnerte mich an diese gewaltige Botschaft, die ich soeben erhalten hatte.
Ließ sie auf mich wirken, begann, die Worte zu verstehen.
Der Weg hierher war ein langer und beschwerlicher, ich reiche Dir meine Hand, lade Dich ein, ihn noch einmal gemeinsam mit mir zu gehen.
Das unverkennbare Klickern weckte mich. Noch bevor ich die Augen öffnete, wusste mein Geist, was geschehen war: Sie waren zurückgekehrt. Von ihrer großen und ewigen Wanderung. Auf Wegen, die es schon zu einer Zeit gab, als wir Menschen nicht mehr als ein Gedankensplitter der Großen Mutter waren. Sie gaben das Wissen um diese Pfade von Generation zu Generation weiter.
Ein wilder, erdiger und gleichzeitig beruhigender Geruch drang in meine Nase. Die Morgensonne schien noch sehr zaghaft, doch mit kraftvoller Beharrlichkeit drang ihr Licht durch die Häute meines Zeltes. Und nun sah ich sie: die ausladenden Geweihe, die Schatten ihrer gedrungenen, recht eckig anmutenden Körper. Die Köpfe hielten sie gesenkt, nichts und niemand trieb sie zur Eile. Ihre Bäuche wölbten sich bereits, nicht mehr lange und die ersten Kälber würden geboren werden.
In den wenigen Jahren meines jungen Lebens war die jährliche Rückkehr der Rentiere zu einer Konstanten geworden. Durch sie hatte ich bereits die Wechsel der Jahreszeiten verinnerlicht. Und noch etwas durfte in mir gedeihen: Ein tiefes Vertrauen.
Das Gefühl von Heimat.
Hier war ich zu Hause, in den weiten und urigen Landschaften des alten Landes. Es gab keinen anderen Ort für mich auf dieser Welt, nur hier wollte ich groß werden, in meine Sippe hineinwachsen und den mir angedachten Platz einnehmen.
Nichts würde mich je von hier fortbringen. Schnell zog ich mir den warmen Mantel aus Fell und die von Hand genähten Fußlinge über, schlug die schwere Plane meines Zelteinganges zur Seite und rannte hinaus in das von mir so sehr geliebte kleine Dorf. Unzählige Rentiere zogen nah an den runden Zelten vorbei, soweit mein Auge blicken konnte, reichte ihre Gruppe. Die Freude über die Ankunft, der für uns so wichtigen Tiere war deutlich spürbar, fröhliches Stimmengewirr mischte sich in das Klickern, Schnauben und Rufen.
Die Luft selbst war angereichert von einem würzigen Duft, durchzogen von den Rauchschwaden der Feuerstellen und der Süße des frisch zubereiteten Frühstückbreis.
Gerade wollte ich losrennen und mich in das ausgelassene Treiben meines Volkes hineinstürzen, als mich ein unterschwelliges Gefühl innehalten ließ. Ganz still wurde ich und auch meine übrigen Sinne fokussierten sich mehr und mehr nach innen.Ich spürte, wie sich die feinen Härchen an meinem Körper aufrichteten, ein Kribbeln und Prickeln sich über meine gesamte Kopfhaut ausbreitete.
Was ließ mich hier innehalten?
Die noch vor einem Augenblick empfundene Leichtigkeit war einer großen Unsicherheit gewichen. Sehr achtsam und langsam drehte ich mich um, bis ich in die tief in den Höhlen liegenden Augen des Ältesten blickte. Sein Gesicht war gezeichnet von den nicht mehr zählbaren Jahren, die sein Leben bereits andauerte. Der Körper, welcher einst hoch aufgerichtet und sehr kräftig gewesen sein muss, war nun eher hager und krumm. Eingehüllt in ein grob gewebtes, dunkles Tuch war sein Kopf. Ein dickes, schweres Fell des Moschusochsen schützte seinen Körper vor Wind und Wetter.
In seinen Händen ruhte der Griff eines gar wundersamen Stabes. Das Holz war in sich gedreht, ganz so als konnte es einst den einfachen und kurzen Weg nicht nehmen, den es so gerne gewachsen wäre. Durch die vielen Jahre, die dieser Stab bereits den Ältesten stützte und begleitete, war er an vielen Stellen blank gerieben und glänzte.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte er mir verraten, dass ein alter, mächtiger Wacholder sein Holz für diesen kraftvollen Stab gegeben hatte. Ein Mittler zwischen den Welten, ein Wächter und Hüter der Zwischenräume. Auch Schutz vermag er seinem Träger zu schenken, durch seinen reinigenden Duft hält er das Energiefeld sauber.
Bevor meine Gedanken weiter abschweifen konnten, drehte sich der Alte langsam um, ging los und an den wenigen Behausungen meiner Sippe vorbei. Niemand der Anderen schien ihn wahrzunehmen, alle waren so sehr mit den Tieren und der Vorbereitung des Festes, welches ihnen zu Ehren am Abend stattfinden sollte, beschäftigt.
Plötzlich schlich sich ein kaum greifbarer Verdacht in meinen Geist hinein: Waren sie lediglich abgelenkt oder vielmehr gar nicht in der Lage, diesen außergewöhnlichen Mann zu sehen?
Doch wie wäre das möglich?
Zögerlich folgte ich ihm, merkte erst jetzt, dass ich beim Verlassen meines Zeltes meine Schlafdecke, einen Becher und noch andere nützliche Dinge mit hinausgenommen hatte. Hatte ich das wirklich? Ich konnte mich nicht erinnern, es getan zu haben.
Dort, ganz am Rande des Dorfes stand er nun. Sein Blick ging hinaus in die Weiten der Landschaft. Nur wenige kleine Bäume wuchsen hier, die Flächen waren gedeckt von Heide, Gräsern und Moosen. Auf den Berggipfeln am Horizont lag immer noch Schnee, in den meisten Jahren schmolz er nie gänzlich.
Langsam und zögerlich trat ich an seine Seite. Eine mir nicht erklärbare Traurigkeit und Angst machte sich in mir breit. Und dieses sehr beklemmende Gefühl von großer Einsamkeit breitete sich in meinem kleinen Herzen aus.
„Der Tag ist nun gekommen, an dem Du alt genug bist, den langen Weg Deiner ureigenen Reise anzutreten. Du und ich, wir gehören zu den Letzten dieser Art, nur wenige von uns leben noch an anderen Orten dieser Welt. Wir drohen, in Vergessenheit zu geraten.“
Was sagte er denn da? Auf Reisen sollte ich gehen? Keiner hatte mir davon etwas gesagt. Wo blieben denn die Erwachsenen? Sollten sie nicht längst hier bei uns sein? Niemand hatte eine Reise angedeutet, alle hatten seit Wochen kaum einen Tag nicht von dem Fest zu Ehren der Rentiere gesprochen.
Und was meinte er damit, dass wir die Letzten seien? Unser Dorf war gesund, kräftig und bereits in diesem Jahr wurden schon einige Kinder geboren. Vielleicht war er schon so alt, dass er gar nicht mehr wusste, was er da sagte? Hoffnungsvoll schaute ich ihn an. Doch ein Blick in seine klaren, grauen Augen löschten sofort jeden Zweifel an seinem Verstand aus.
„Du bist auserwählt, auf den Spuren der Vergessenen, der Uralten zu wandeln. So weit zurück, bis Du zum Ursprung gelangen wirst. Wir brauchen die Kraft der Erinnerung, damit wir nicht vergessen, wer wir sind.
Nur ein Kind mit reinstem Herzen kann diesem Weg überhaupt folgen. Ein Kind, sanft und doch sehr stark. Stark genug, die Einsamkeit zu ertragen und in all den Wirren weiter klar lauschen zu können.
Geh nun, es ist soweit. Eines Tages wirst Du zu diesem Dorf zurückfinden, bewahre Dir diese Gewissheit immer in Deinem Herzen.
Geh!“
" Du wirst auf Wanderschaft hinein in das Leben geschickt. Um Erfahrungen zu sammeln, zu lernen und zu lehren. Um Prüfungen zu meistern und du kehrst dann zurück, wenn es an der Zeit ist. Das Feuer in unserer Mitte wird immer brennen, wir werden drumherum sitzen wie eh und je und immer für Dich erreichbar sein. Nimm einen Teil dieser Flammen mit und bringe sie zurück in die Welt, gebe sie zurück in die Seelen, die kalt und dunkel geworden sind.
Mach Dich auf den Weg, Kind des Stammes."
Erschöpft, hungrig und so unglaublich einsam zog ich nun schon viele Tage durch die sich nur langsam verändernde Landschaft. Ich hatte aufgehört, die Zahl der Sonnenaufgänge zu zählen.
Es war bedeutungslos geworden. Nur immer weiter, einen Fuß vor den anderen setzen. Noch immer spürte ich die heißen Tränen meine Wangen hinunterlaufen, Tränen der Wut, ja sogar hasserfüllt waren sie gewesen. Ich tobte innerlich, doch hatte ich der Versuchung, mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen, um noch einen Blick auf mein Dorf werfen zu können, widerstanden.
Trotz all des Entsetzens und der Fassungslosigkeit über den Auftrag, den der Älteste mir gegeben hatte, trug ich seitdem eine große Annahme und Akzeptanz in mir. Ich hatte keinen Augenblick gezögert und war losgezogen, hinaus in eine andere Welt.
Hinfort, um die Erinnerung zu bewahren.
Hatte ich es nicht sogar vom ersten Atemzug an gespürt, dass mein Leben eine einzig große Wandelzeit sein wird? Vorbei an mächtigen Kiefern führte mein Weg nun. Ihre Wipfel reichten weit hinauf, berührten fast den alles umspannenden Himmel.
So gerade auf aufrichtig standen sie dort. Unverrückbar und dennoch biegsam. Sie wussten genau um ihren Platz, trugen aber auch das Wissen um die Notwendigkeit der Flexibilität in sich. Ich entschied mich, eine Weile bei ihnen zu bleiben, es schien, als luden sich mich dazu ein, als wollten sie meine Gefährten sein.
Die Zweige hingen tief und berührten an manchen Stellen gar den von abgestorbenen Nadeln bedeckten Boden. Ganz in der Nähe gab es wunderbar weiches, satt-grünes Moos. Und auch ein kleiner Bach bahnte sich flüsternd und glucksend seinen Weg durch diese Landschaft.
Es schien ein guter Ort zu sein, um eine Zeit der Einsamkeit und Innenschau zu erleben. Ich richtete mich ein, begann mit den alten Bäumen zu sprechen und erfuhr in dieser Kommunikation Trost. Sie leisteten mir treu und ohne jegliche Erwartungen Gesellschaft, allein durch ihre Nähe und ihr Sein.
Oft lag ich einfach da, ganz ausgestreckt auf Mutter Erde. Mit jedem Atemzug wurde ich mehr und mehr eins mit ihr. Eine Verbindung baute sich auf, jeder Zentimeter meines Körpers war ganz bewusst in dieser erdigen Berührung verankert.
Ganz sanft konnte ich spüren, wie die Erdenergie sich den Weg in meine Adern und Gefäße suchte. Mit jedem Einatmen versank ich mehr in den fruchtbaren Boden. Dunkel wurde es um mich herum, eine wohlige, alles umarmende Dunkelheit hüllte mich ein.
Ich konnte mich fallenlassen, ganz frei und leicht. Immer mehr drang ein warmes und gleichzeitig kraftvolles Gefühl in jede meiner Zellen ein.
Große Mutter, sie war es, die mich hier willkommen hieß. Sie war durchzogen von einem einzigartigen Netz aus Wurzeln und Pilzen. Unzählig viele Linien und Energiebahnen trafen hier aufeinander, verflochten sich, tauschten sich aus und webten so das Lebensnetz weiter.
„Beginne, Dich zu erinnern. Es gab eine Zeit, in der Du Dein Leben so gelebt hast, wie es von Anfang an für Deine Seele vorgesehen war. Erinnere Dich an diese Aufgabe, an den Grund, warum Du hier bist.“
Es war die mir so wohlbekannte Stimme des Ältesten, die sich hier unten in Wurzelreich den Weg zu mir gesucht hatte.
Ich spürte keine Angst, keinen Widerstand.
Bedingungslos ließ ich mich von seinen Worten berühren und mitnehmen.
„Wie weit reichen Deine Wurzeln zurück? Wie groß ist die Erinnerung Deiner Ahnen in Dir selbst verankert? Erinnerst Du Dich an ihre alten Lieder, ihre Gewohnheiten?
Verspürst Du den Ruf der Erdmutter in Dir, die sie so sehr verehrten? Wagst Du es, Dir vorzustellen, dass die Wurzeln Deines Seins so viel weiter zurückführen, wie unsere moderne Zeitrechnung es beschreiben kann? Bist Du bereit, Dich wieder mit dem Land zu verbinden, welches noch heute Spuren derer zeigt, die zu Beginn hier waren?
Erst wenn Du weißt, wer Du bist, woher Du stammst und welche Erinnerungen in Dir geweckt werden wollen, kannst Du andere auf ihrem Weg zu sich selbst begleiten.
Weiter und weiter führt es uns zurück.“
Warm wurde der Schein des Feuers von den felsigen Wänden meiner Behausung in die Höhle zurückgeworfen. Im Rot des Flackerns erkannte ich die Zeichnungen und Malereien an den Wänden. Uralte Bilder, die ich tief in meinem Herzen verankert hatte. Das zottelige, kleine Pferd. Der mächtige Höhlenbär, die etwas plump wirkenden Auerochsen und Wisente.
Schwarze, braune und ockerfarbene Tupfen mischten sich in ihre Gestalten. Handabdrücke in Rottönen und dunkle Linien, die Zelte, Berge und Wellen darstellten, rundeten das Gesamtbild ab.
Hier war mein Reich, tief geborgen im Schoß der Erdmutter. Neben meiner eigenen Schlafstelle gab es noch zwei weitere, gepolstert mit Moos und Gras, darüber Felle von großen Tieren.
An mehreren Gestellen aus Holz waren Schnüre aus Pflanzenfasern gespannt. Hier trocknete ich im leichten Luftzug, der von draußen hereinkam, wertvolle und heilbringende Kräuter. Die Luft roch nach Beifuß, Schafgarbe, Huflattich, Weidenrinde und vielen anderen Gaben der Pflanzen.
Sie waren meine Verbündeten.
Obwohl ich allein hier lebte, gab es ein weiteres, sehr altes, machtvolles und weises Wesen in diesem Berg. Mit Schneckenhäusern, Krallen vom Bären und Federn der Greifen geschmückt war sie immer nah bei mir. Rund wie der Bauch einer Hochschwangeren, nährend wie die Brust einer Mutter und kräftig tragend wie der starke Rücken eines Pferdes war meine Trommel. Die Haut des Hirsches gab ihr den Klang. Dumpf und voll. Schon viele Jahre hatte ich sie genährt mit Reisen in andere Welten. Mit meinem Mondblut und auch meinen Tränen.
Von Mal zu Mal wurde sie im Klang voller, teils schwang und vibrierte sie sogar. Ich wusste um ihre Fähigkeit der Transformation. Mit ihr konnte ich an weit verzweigte und versteckte Bereiche der menschlichen Seele gelangen. Sie war es, die Geister und Fremdenergien hervorlocken und für mich sichtbar machen konnte. Durch die Trommel gelangte ich überall dorthin, wo ich gebraucht wurde.
Ganz ohne mich von der Stelle zu bewegen.
Nicht oft verließ ich meine Behausung. Vielmehr kamen die Menschen zu mir oder wurden, so sie selbst zu schwach waren, von ihren Familien hergebracht. Nur wenn die Todesbotin schon sichtbar neben ihnen stand, machte ich mich auf den Weg zu ihnen, um sie auf ihrer Reise zurück in den Schoß der Erde zu begleiten.