Pferde, Sommer, Abenteuer - Margot Berger - E-Book

Pferde, Sommer, Abenteuer E-Book

Margot Berger

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Beschreibung

Lea kann ihr Glück kaum fassen: wochenlange Ferien unter lauter Pferdefans, Ausritte auf prächtigen Friesenpferden, gutmütigen Haflingern und auf den lustigen Shettys, die überall für Stimmung sorgen. Und das Beste: Der Ferienreiterhof Eichhorn liegt direkt am Meer! Dieser Sammelband enthält die Bände "Flucht bei Nacht und Nebel" und "Angst um Magic".

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Seitenzahl: 276

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Margot Berger

Pferde, Sommer, Abenteuer

Zwei Pferderomane in einem Band

 

 

Margot Bergerbegann ihre Journalistenlaufbahn als Redakteurin bei Tageszeitungen und Frauenzeitschriften. Die begeisterte Reiterin und Pferdeexpertin lebte und arbeitete als selbstständige Journalistin und Buchautorin in Hamburg.

Als Sammelbände von »Die Pferde vom Friesenhof« liegen außerdem vor:»Pferdefreundschaft für immer« »Ein Sommer voller Pferdeglück« »Sommerglück auf vier Hufen«

 

 

 

 

 

 

 

1. Auflage 2014 © 2014 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Dieser Sammelband enthält die Einzeltitel »Flucht bei Nacht und Nebel« © 2003 Arena Verlag GmbH, Würzburg und »Angst um Magic« © 2004 Arena Verlag GmbH, Würzburg, aus der Reihe »Die Pferde vom Friesenhof«. Einband- und Innenillustration: Melanie Brockamp ISBN 978-3-401-80389-0

www.arena-verlag.de Mitreden unter forum.arena-verlag.de

Lageskizze

Es spielen mit:

Lea Eichhorn (12) ist temperamentvoll und unbekümmert, ein richtiger Feuerkopf. Für alles zu haben, was Spannung verspricht. Manchmal schrammen Leas verrückte Abenteuer haarscharf an einer Katastrophe vorbei. Wenn es um Pferde geht, ist sie aber total zuverlässig.

Klara Eichhorn (13½)muss ihre wilde Schwester immer wieder bremsen. Meist schafft sie das, denn Klara ist die beste Streitschlichterin der Welt. Zumindest finden das ihre Eltern, die Tierärzte Meike und Markus Eichhorn. Es gibt wenig, das Klara auf die Palme bringt. Aber wehe, wenn Tiere schlecht behandelt werden …

Auf dem Reiterhof der Familie Eichhorn ist ständig etwas los. Rätselhafte Ereignisse und spannende Abenteuer halten die Reiterinnen in Atem. Ohne fremde Hilfe läuft oft gar nichts. Ein Glück, dass auf diese fünf Mädchen aus Westerbüll stets Verlass ist:

Kim Behrens, die Spröde – bringt verzwickte Dinge auf den Punkt und tut unbeirrt, was sie für richtig hält.

Nelly Ingwersen, die Zuverlässige – ist die Tochter des Strandkorb-Vermieters, die anpackt, wenn Not am Mann ist. Nellys großer Bruder Niels ist für alles zu gebrauchen … und sooo süß.

Emma Hansen, die Ängstliche – muss sich mit krankhaft besorgten Eltern abplagen und heimlich zum Stall schleichen.

Mascha Mewes, die Lustige – kann auch mit Zicken umgehen und sie für alles begeistern.

Jette Jacobs, die Schlaue – lebt im Gasthaus »Wattenkrug«, wo die Gerüchteküche brodelt. Ihr Spürsinn ist unschlagbar. Logisch, dass Jette später zur Polizei will.

 

Flucht bei Nachtund Nebel

Inhalt

1. Ein Krimi hautnah

2. Wie wird man Detektiv?

3. Verdächtige Haferschüssel

4. Geschrei und Stacheldraht

5. Aktion RTTVT

6. Bei Nacht und Nebel

7. Das Geheimnis des roten Schals

8. Schwarzer Orkan

9. Pferde-Redaktion

10. Ausgekochte Bande

11. Der kleine Prinz

1. Kapitel Ein Krimi hautnah

Beeil dich, Klara!«

Ungeduldig drehte Kim Behrens vor dem Friesenhof kleine Runden auf dem Fahrrad und versuchte, in den Stall zu spähen. Ihre Freundin fand kein Ende beim Schmusen mit Luna, der Friesenstute.

»Auf der Rennbahn werden sie nicht begeistert sein, wenn wir gleich am ersten Tag zu spät kommen!«, rief Kim nach drinnen.

Von der Stallgasse hörte sie die Stimme von Markus Eichhorn, Klaras Vater. »Kim hat recht. Macht, dass ihr wegkommt! Danke, dass ihr noch beim Füttern geholfen habt.«

Mit Heuhalmen an der Weste erschien Klara in der Stalltür. Das hoch aufgeschossene Mädchen, knapp vierzehn, warf einen Blick auf das Reetdachhaus nebenan, während sie ihr Fahrrad holte. Alle Zimmer waren verdunkelt, die Ferienkinder schliefen noch. Nur die Küchenfenster standen weit offen, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Das Klappern von Tellern und Tassen drang auf den Hof, es duftete nach Brötchen. In einer Stunde würden sich lachende und lärmende Reitermädchen um den Frühstückstisch scharen.

Zum ersten Mal half Klara nicht als Betreuerin bei den Reitkursen. Sie hatte etwas anderes vor: Heute begann ihr Ferienjob auf der Trabrennbahn in Seestedt. Kim kam mit, ihre Schulfreundin aus Westerbüll. Die Mädchen winkten Dr. Eichhorn zu und fuhren in rasantem Tempo zum Nordseedeich, wo der Weg nach Seestedt abzweigte.

Sie traten kräftig in die Pedale und um kurz nach sieben Uhr tauchten vor ihnen die ersten Bauernhöfe von Seestedt auf. Zitterpappeln säumten die schmale Straße. Dahinter kamen die hohen Flutlichtmasten der Rennbahn in Sicht.

Vor dem rot-weißen Schlagbaum sprangen Klara und Kim von den Rädern und schlossen sie an einen Pfosten an. Hastig zwängten sie sich unter dem Schild »Unbefugten ist das Betreten des Rennbahn-Geländes verboten« durch und liefen zu den Stallungen. Hinter den langen Bauten lag das Oval der Rennbahn, wo reger Betrieb herrschte.

Die beiden waren wahnsinnig gespannt auf ihren Ferienjob. Drei Wochen inmitten schneller Pferde. Es würde super werden. Keiner konnte ihnen die Vorfreude nehmen. Auch nicht Klaras Vater, der Tierarzt war und Reitlehrer auf dem Friesenhof. Er hatte seiner Tochter von diesem

Job abgeraten: »Das ist kein Zuckerschlecken, Klara. Auf Rennbahnen will jeder viel Geld verdienen – Pferdebesitzer, Trainer, auch die Besucher. Wenn auf Pferde gewettet wird, bedeutet das für die Tiere knochenhartes Training. Ich weiß nicht, ob du mit dieser Einstellung klarkommst.«

Doch Klara nahm seine Bedenken nicht ernst. Jedenfalls konnte er sie nicht von ihrer Entscheidung abbringen. Schon wegen Kim nicht. Die brauchte nämlich auch Geld. Kims Mutter konnte ihr nur knappes Taschengeld geben. Sie war allein erziehend und vermietete Ferienzimmer in der Westerbüller Pension »Seehund«. Damit wurde man nicht reich. Kim musste zusehen, dass sie sich etwas dazuverdiente.

Suchend gingen Klara und Kim um die Trainingsställe herum. Fast zwanzig waren es, die alle gleich aussahen. Niedrige Dächer, Fensterreihen, weiße Holzwände, an denen Schilder mit den Trainernamen hingen. Dazwischen lagen geräumige Innenhöfe, von denen man direkt auf die Rennbahn fahren konnte.

Draußen machten sich einige Männer in Overalls an den Sulkys zu schaffen und schoben die zweirädrigen Wagen in ihre Ställe. Klara und Kim sahen sich nach Trainer Dirk Thiessen um, bei dem sie arbeiten wollten.

»Thiessen wird begeistert sein, dass wir erst jetzt eintrudeln«, seufzte Klara. Sie schlug mit ihrer Freundin den Sandweg zur Rennbahn ein. Der würzige Duft von frischer Erde lag über der Anlage. Neben der Rennstrecke stand das schwarze Startauto mit eingezogenen Flügelklappen. Ein bulliger, gut gekleideter Mann lehnte am Zaun. In seiner Nähe trieben zwei Arbeiter dicke Pfosten mit Hämmern in die Erde. Sonst gab es keine Zuschauer. Kein Wunder um diese Uhrzeit.

Plötzlich wurden die Mädchen Zeugen eines Streits zwischen den Männern. Der Elegante schnauzte die Arbeiter an, weil sie ihm die Sicht versperrten. Wütend packten die Rennbahn-Arbeiter ihr Werkzeug zusammen und zogen murrend ab. Der Klotz im Anzug lehnte sich mit einer Stoppuhr über den Zaun.

Instinktiv waren die Mädchen bei dem lauten Wortwechsel hinter dem Kasino in Deckung gegangen, das direkt an die Piste grenzte. Mit dem Dicken war sicher nicht gut Kirschen essen. Klara lugte um die Ecke. Der Mann hatte sich wieder beruhigt und sah in die Richtung, aus der das gleichmäßige Trommeln von Hufen zu vernehmen war.

Hinter der Einzäunung tauchten braune Pferdeköpfe auf. Mit weit ausgreifenden Tritten trabten vier schlanke Pferde vor leichten Sulkys auf die Kurve zu. Zum Anfassen nahe. Einen Moment wehte der vertraute Geruch von warmem Fell zu Klara und Kim herüber. Der Atem der Pferde hinterließ feine Wolken. Wie schwarze Seidenfäden flogen die Mähnen.

Mit rundem Rücken saßen die Trainer auf den Wagen, die ausgestreckten Beine lagen in Haltebügeln. Fasziniert sahen die Mädchen den Sulkys hinterher.

»Ob sie uns auch mal fahren lassen?«, fragte Klara leise. Kim seufzte sehnsuchtsvoll. »Schön wär’s.«

Einer der Trainer ließ seinen Traber jetzt Schritt gehen und steuerte den Sulky von der Piste. Die Hosenbeine des grünweißen Overalls waren braun vom hochgewirbelten Sand der Rennbahn. Mit einer Hand schob der Trainer seine Schutzbrille über den Sturzhelm. Darunter kam sein rosafarbenes Gesicht zum Vorschein, übersät von Schmutzspritzern.

»Das ist ja unser Thiessen«, flüsterte Kim überrascht. Trainer Thiessen brachte sein Pferd zum Stehen und rief dem Mann am Zaun zu: »Wie war die Zeit von Blue Boy, Herr Galle?«

Der Dicke, offenbar der Pferdebesitzer, bewegte sich auf den Sulky zu. Wortlos hielt er dem Trainer seine Stoppuhr unter die Nase. Dirk Thiessen warf einen Blick auf die Zeit und schlug sich aufs Knie. »Nein, Herr Galle, das wird nichts mehr mit Ihrem Blue Boy. Der hat keinen Kampfgeist.«

Traberbesitzer Galle stieß eine Verwünschung aus und starrte missmutig auf das Pferd vor ihm, das völlig ausgepumpt wirkte. »Blue Boy war ein glatter Fehlkauf! Wie lange zahle ich mich schon dumm für sein Training! Und kein einziger Preisgewinn. Ich bin es endgültig Leid, der kommt weg. Basta.«

Klara und Kim zuckten zusammen und tauschten entsetzte Blicke. Gerade noch dieses romantische Bild in der Morgensonne und jetzt das! Klara schluckte. »Der kommt weg.« Das sagte der Besitzer in demselben Ton, in dem man sagt: Die Futtermöhren taugen nichts mehr, wirf sie weg.

Dirk Thiessen schwang sich aus dem Sitz. ». . . und Ihren Tipo«, hörten die Mädchen ihn fortfahren, »können Sie auch weggeben. Der bringt es nicht. Der galoppiert beim Rennen ständig an. Wenn er nur die Startmusik hört, brennen bei dem alle Sicherungen durch. Ein Verlierertyp.«

Klara griff nach Kims Arm. Eben noch war sie in Hochstimmung gewesen. Nun kroch Wut in ihr hoch. Klara dachte an die Worte ihres Vaters: »Knochenhart . . ., es geht nur ums Geld.« Aufgebracht wipserte sie: »Was ist das hier? Ein Börsenmarkt, in der man schwache Traber abstößt wie schlechte Aktien?«

Kim nickte zornig. »Was bildet der fiese Dicke sich ein? Hält er sich für den Meister des Universums, bloß weil ihm die Pferde gehören?«

Trainer Thiessen spannte Blue Boy aus und führte ihn zum hinteren Teil der Anlage, während Lutz Galle neben ihm unentwegt redete und herumfuchtelte. Satzfetzen wie »neue Mittel « und »andere tun es auch« war alles, was die Mädchen aufschnappten.

Im Schutz der Kiefern folgten Klara und Kim den Männern, die im letzten Stall verschwanden. Unschlüssig blieben die Mädchen stehen, dann entdeckten sie eine schmale Außentreppe, die zum Boden über dem Stall führte. Sie huschten die Stiege hinauf und schlichen auf den Heuboden. Sie hatten so eine unbestimmte Ahnung, einiges von den Männern zu erfahren, das nicht für fremde Ohren gedacht war.

Klara rutschte bäuchlings bis an die offene Bodenluke. Sie unterdrückte einen Hustenanfall, als sie über die staubigen Bohlen kroch. Vorsichtig linste sie nach unten. Kim kauerte sich neben sie. Von hier aus überblickte man die schmale Stallgasse mit den zwölf Boxen. In eine davon wurde gerade Blue Boy geführt.

Müde trottete der Traber hinein und blieb mit gesenktem Kopf stehen. Seine blaue Abschwitzdecke war durchnässt. Am Hals kräuselte sich das feuchte Fell in kleinen Wellen. Blue Boys Brustkorb pumpte, sein Gesicht sah teilnahmslos aus und erschöpft.

In der Box nebenan beförderte der schwarze Tipo mit der Nase sein Heu in den Trog und zupfte einige Halme heraus. Als die Männer auftauchten, stellte Tipo das Kauen schlagartig ein. Hastig verkroch er sich in die äußerste Ecke und drehte sich zur Wand. Angestrengt starrte er gegen die Mauer, als könnte er durch stures Wegsehen Unheil verhindern. Es war nicht mehr als eine kurze Bewegung, aber in Klara löste sie eine Welle der Zuneigung aus.

Er benimmt sich wie ich als kleines Kind, dachte sie gerührt. Klara erinnerte sich noch genau daran, als sie zur Schule kam. Wenn sie Angst vor jemand hatte, hatte sie die Augen zugekniffen und sich einfach umgedreht nach dem Motto »Wenn ich nichts sehe, dann sieht mich auch kein anderer«. Genauso schien der schwarze Traber zu denken. In diesem Moment wusste Klara, dass sie ihn hier herausholen wollte. Es war nur ein verschwommener Wunsch. Wie drängend er werden würde, konnte Klara noch nicht ahnen.

»Hat bis jetzt eine Menge Geld gekostet, der Mistbock«, knurrte Lutz Galle. Tipo kroch noch weiter nach hinten. Am liebsten wäre er in der Wand verschwunden.

Lutz Galle schob den Türriegel zurück und packte Tipo am Halfter. Blanke Angst stand dem Pferd in den Augen, hektisch tänzelte es und bäumte sich auf. Mit einem Ruck zerrte Galle den Pferdekopf zu sich herunter.

»Glaub bloß nicht, dass ich noch einen Sommer für dich Geld herauswerfe, ohne dass ich Siege sehe. Ich mache mich doch nicht zum Trottel vor den anderen.«

Tipo warf den Kopf hoch und riss am Halfter, um sich aus dem Schraubstockgriff zu befreien. Abrupt ließ Galle den Lederriemen los und ging zurück zu Trainer Thiessen. »Vier Wochen versuchen wir es noch. Dann kommt Tipo auch weg, wenn Sie dem nervösen Bock das Galoppieren nicht abgewöhnen. Meine Güte, dafür gibt es doch genug Methoden. Wenn Ihnen nichts einfällt, greife ich ein. Ich dachte, Sie kommen selbst drauf.«

Auf dem Heuboden herrschte Stille. Atemlos hatten die Mädchen gelauscht.

Jetzt fragte Kim leise: »Warum ist es denn so schlimm, wenn Tipo galoppiert?«

Klara kannte sich mit einigen Regeln aus. »Weil Pferde auf der Trabrennbahn vom Rennen ausgeschlossen werden, wenn sie galoppieren.« Sie reckte ihren Kopf und beobachtete, wie sich Lutz Galle durch die Stallgasse zum Ausgang wälzte.

Kurz darauf erschien der schwere Mann heftig atmend wieder vor Tipos Box. Er sicherte nach allen Seiten und brachte dann aus der Hosentasche einige Tütchen zum Vorschein, die er dem Trainer hinhielt.

»Ein bis zwei Stunden vor dem Rennen ins Futter mischen.«

Galle senkte die Stimme, dass die Mädchen sich anstrengen mussten, um ihn zu verstehen. »Aber nicht mehr als eine Messerspitze, sonst schläft der Kerl auf der Rennbahn ein.« Dann wurde Galle noch leiser, Kim und Klara hörten nur Satzfetzen wie »lasche Dopingkontrollen hier« und »Beruhigungsmittel«.

Als Dirk Thiessen zögerte, die Tütchen zu nehmen, baute sich Galle drohend vor ihm auf. »Sie wollen nicht? Auch gut. Dann wechsle ich eben den Stall. Trainer gibt es wie Sand am Meer. Ich habe nicht wenig Lust, alle meine Pferde woanders trainieren zu lassen. Bei Leuten, die sich nicht so anstellen wie Sie.«

Wortlos nahm Thiessen die Präparate an sich und ließ sie in seinem Overall verschwinden.

Entsetzt sahen Klara und Kim sich an. Klara wischte sich den Schweiß von der Stirn. In den letzten Minuten war ihr heiß geworden und das lag nicht nur an der stickigen Luft hier oben, sondern an dem, was sich vor ihren Augen abspielte. »Doping«, flüsterte Klara atemlos. »Das sind verbotene Mittel.«

Szenen wie diese hatte Klara bisher nur in Fernsehkrimis gesehen. Oder in Kinofilmen. Aber das hier war keine ausgedachte Handlung. Das war die Realität. Und sie steckte mittendrin. Angst kroch Klaras Rücken hoch und griff wie eine kalte Hand in ihren Nacken. Wie kamen sie hier unentdeckt weg?

»Die dürfen nie erfahren, dass wir zugehört haben«, sagte Kim mit gesenkter Stimme. »Zeugen sind das Letzte, was die brauchen.«

Die Männer unter ihnen unterhielten sich jetzt über den nächsten Renntag und begutachteten einen gerissenen Riemen des Ledergeschirrs. »Ich hole ein Ersatzstück vom Boden«, sagte Thiessen.

Die Mädchen schraken auf. Auf keinen Fall durfte man sie hier finden.

»Wir müssen sofort runter«, entschied Kim. Kurz entschlossen ergriff sie ein Tau, das an einem Eisenring neben der Bodenluke festgebunden war. Mit dem Strick konnte man sich in den Stall hinablassen, wenn man nicht die Treppe benutzen wollte.

»Cool bleiben, Klara. Stell dir einfach vor, wir spielen in einem Film mit«, wisperte Kim. »Wir treten auf wie Schauspieler. Los geht’s!«

Die Männer auf der Stallgasse zuckten zusammen, als plötzlich über ihnen ein Seil mit einem Mädchen herabschwang, das sie grinsend ansprach.

»Hi, hier bin ich! Die Freundin sämtlicher Trabernasen zwischen Seestedt und dem galaktischen System.«

Barsch fuhr Galle Kim an: »Was suchst du hier?«

Behände rutschte sie das Seil bis zum Ende hinunter.

»Immer die Ruhe«, sagte sie lässig. Kim wunderte sich über ihre feste Stimme, denn ihr Puls raste. »Ich bin Kim Behrens, die Ferienfee der Trabrennbahn. Wo bleibt Ihre überschäumende Freude bei meinem Anblick? «

Verblüfft sah Klara von oben zu. So locker kannte sie ihre spröde Freundin gar nicht. Als Schauspielerin war Kim ein echtes Talent! Unwillkürlich tastete Trainer Thiessen nach den Mitteln in seiner Tasche, während Galle das Mädchen misstrauisch musterte.

»Seit wann steckst du da oben?«

»Bin vor zehn Sekunden draußen die Treppe hochgelaufen«, flunkerte Kim mit klopfendem Herzen und strich ihr kurzes Haar hinters Ohr. »Und jetzt bitte beiseitetreten. Zweitpfleger kommt.« Sie blickte nach oben. »Dein Auftritt, Klara!«

Mit wehenden Haaren sauste Klara aus der Luke und sprang neben ihre Freundin auf die Stallgasse. Klara schlug die Hacken zusammen, richtete die Augen geradeaus und leierte herunter: »Klara Eichhorn, fünfundfünfzig Kilo, eins zweiundsiebzig groß, Schuhgröße neununddreißig, tritt ihren Dienst als Aushilfspflegerin an.«

Galle grunzte, wandte sich zum Ausgang und machte damit deutlich, dass er sich nicht weiter um die Mädchen kümmern wollte.

Klara fiel ein Stein vom Herzen. Lügen und Heimlichkeiten mochte sie nicht. Klara ahnte jedoch unbestimmt, dass die nächsten Tage nur aus Rätseln, Geheimnissen und Versteckspielen bestehen würden.

Im Hinausgehen sagte Galle zu Trainer Thiessen, er solle die Sache auf jeden Fall vor dem Renntag testen. Dann verschwand er.

Dirk Thiessen hatte nicht bemerkt, dass die Mädchen zu spät gekommen waren. Man sah ihm an, dass er an andere Dinge dachte als an den Ferienjob von Klara und Kim. Abwesend zeigte er nach draußen. »Macht euch nützlich. Sulkys abspritzen, Bandagen waschen. Lederzeug einfetten. Das habt ihr ja wohl gelernt?«

Klara nickte.

Grußlos verließ Thiessen vor ihnen den Stall.

»Wir müssen sofort zur Polizei«, sagte Klara aufgeregt.

Kim tippte sich an die Stirn. »Wir haben keinen einzigen Beweis. Besser, wir fragen heute Abend deinen Vater. Als Tierarzt kennt er sich doch aus mit Doping. Guck du dir die Pferde hier an, Klara, du hast mehr Ahnung als ich. Ich fange draußen an zu arbeiten, bevor der Thiessen Verdacht schöpft.«

Kim schlüpfte aus der Stalltür und Klara ging zu den Boxen. Außer ihr war niemand im Stall, die Pferde standen ruhig in ihrem Stroh. Nur Blue Boy verharrte mit dem Rücken zur Tür und ließ sich nicht ansprechen. Dreieinhalb Jahre war Blue Boy gerade erst alt, das las Klara auf der Abstammungstafel an seiner Box. Ein Skandal! Fast noch ein Kind und schon aussortiert, weil sein geldgieriger Besitzer und sein Trainer ihn überfordert hatten.

Und was war mit Tipo? Klara trat vor seine Box. Sein Namensschild sagte, dass er erst drei war. Ein Verlierertyp, hatte der Trainer gesagt. Dieser bildschöne Wallach mit dem weißen Stern auf der Stirn sollte nichts taugen? Klara zog eine Möhre aus der Tasche und steckte sie durch die Gitterstäbe.

»Grüß dich, Trabernase. Komm her«, lockte sie.

Tipos Nüstern weiteten sich, als das fremde Mädchen auf ihn zuging. Er war noch immer in Alarmstimmung nach dem Geschrei von Lutz Galle. Erst als Klara selbst ein Stück Möhre abbiß und zerkaute, kam der Traber im Schneckentempo aus seiner Ecke. Schließlich nahm er die Möhre vorsichtig mit den Lippen. Nicht so fix, wie Klara das von den Pferden vom Friesenhof kannte – von Luna und Magic, den Friesenpferden. Von Muli, dem Maultier. Von den Shettys Rambo und Zorro. Tipo sah Klara unentwegt an, während er die Möhre zerbiss. Was für schöne Augen er hat, dachte sie.

»Du bist ja immer noch hier.«

Trainer Thiessen kam mit sandigen Gurtschonern, Gamaschen und verknäuelten Bandagen auf dem Arm herein und drückte Klara die Ausrüstung in die Hände.

»Muss alles ausgewaschen werden. Draußen steht ein Eimer mit Wasser. Ich brauche Ruhe hier drinnen, die Pferde bekommen . . .«, er zögerte, »Wurmkuren.«

Für wie blöd hält er mich eigentlich?, dachte Klara. Als ob man für Wurmkuren allein sein müsste. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Vielleicht konnte sie einen Blick auf die Tütchen erhaschen und ihrem Vater die Namen der Mittel nennen?

»Ich könnte Ihnen helfen«, sagte sie. »Ich habe Ahnung davon. Mein Vater ist . . .« Klara biss sich auf die Zunge. Wie idiotisch! Fast hätte sie sich verplappert. Wenn Thiessen erfuhr, dass ihr Vater Tierarzt war, würde er sie gleich hinauswerfen. ». . . Bauer«, sagte sie darum.

Thiessen zeigte auf den Ausgang. »Verschwinde zu deiner Freundin.« Gerade als Thiessen die Tür hinter Klara schließen wollte, rief ein Fahrer ihm aus einem vorbeifahrenden Sulky zu: »Beeil dich, Dirk! Wir können heute nur bis vierzehn Uhr trainieren. Danach wird die Bahn wegen Reparatur gesperrt.«

Fluchend stieß Dirk Thiessen die Tür zum Stall wieder weit auf und belud sich in der Geschirrkammer mit Lederzeug.

Die Mädchen warfen sich vielsagende Blicke zu. Trainer Thiessen musste das Doping verschieben.

2. Kapitel Wie wird man Detektiv?

Unsere Pferde auf dem Friesenhof wissen gar nicht, wie gut sie es haben«, sagte Klara, als sie abends neben Kim heimfuhr. Ihr kam es vor, als kehrte sie auf einen anderen Planeten zurück. Zwar lag die Trabrennbahn nur fünfzehn Kilometer vom Friesenhof entfernt – aber Welten trennten diese Pferdeanlagen.

»Der Galle ist ein richtiger Fiesling«, sagte Kim und ließ ihr Rad den Deich hinab auf die Straße rollen. »Und dieser Trainer, der Thiessen, ich weiß nicht, was ich von dem halten soll.«

»Ich auch nicht«, bestätigte Klara. »Merkwürdiger Typ. Sagt kaum etwas, bellt nur ein bisschen herum.« Thiessens Arbeitstag war nach strengem Plan abgelaufen. Stunde für Stunde machte der Trainer ein Gespann fertig, fuhr mit Traber und Sulky auf die Rennbahn, kehrte zurück und holte das nächste Pferd zum Training aus der Box. Zwölf Traber von verschiedenen Besitzern standen in seinem Stall.

Von Gesprächen hielt Dirk Thiessen nichts. Er machte kaum den Mund auf. Nur einmal gegen Mittag war er kurz aus seiner Reserve gekommen, hatte so etwas wie ein Lob ausgesprochen, als er sah, wie schnell und gut die Mädchen sein Lederzeug fetteten. Als Dank spendierte er Klara und Kim sogar Cola und Käsestangen, die er selbst aus der Imbissstube holte. Aber danach schlurfte er wieder verdrossen durch den Stall und beobachtete mit einem Auge, ob die Mädchen anständig ausmisteten und Tränken putzten.

Klara war sehr zufrieden, dass er nicht ein einziges Mal allein mit Tipo gewesen war. Unmöglich, dass er dem Traber etwas eingeflößt hatte.

Thiessen ging noch vor den Mädchen nach Hause, er hatte eine Verabredung. Er bestellte Klara und Kim für den nächsten Morgen um sieben Uhr.

Klara seufzte, als sie auf den Leuchtturmweg abbog. Mit welcher Vorfreude war sie heute Morgen weggefahren und wie bedrückt radelten Kim und sie nun zurück. Was war alles geschehen! Die Sache mit Blue Boy, mit Tipo und den Mitteln, die sie für Doping hielten …

Am Ende des Leuchtturmwegs erschien hinter einer Pappelgruppe das Reetdach des Friesenhofs. Die Sonne stand tief und Klara schirmte die Augen mit einer Hand ab. Vor ihr trottete ein halbes Dutzend Pferde Richtung Stall. Die Ferienkinder kehrten vom Strandausritt zurück. Ihre Schwester Lea führte die Gruppe auf Magic an, das erkannte Klara sogar aus der Entfernung.

Kim verabschiedete sich und bog Richtung Westerbüll-Zentrum ab.

Klara beeilte sich, Anschluss an die Reiter zu finden. Sie setzte sich mit dem Rad neben Magic, und der Friese drehte ihr freundlich grummelnd den Kopf zu.

»Wie war es bei deinen Trabern?«, fragte Lea.

Klara sah über die Schulter, um sicherzugehen, dass die anderen Mädchen nicht mithörten.

»Ich glaube, wir sind einem echten Kriminalfall auf die Spur gekommen«, flüsterte sie .

Begeistert schlang Lea ihre Arme um Magics Hals und stieß einen Juchzer aus. »Super!«

Lea konnte es nie dramatisch genug zugehen. Kribbelig vor Erwartung lenkte Lea Magic auf die Einfahrt des Friesenhofs, sprang aus dem Sattel und knuffte ihre Schwester in die Seite. »Erzähl, Klara!«

»Da ist ein Pferdebesitzer, so ein kaputter Typ, der sich persönlich entehrt fühlt, wenn seine Pferde nicht siegen«, sagte Klara leise. »Der ist skrupellos, sage ich dir.«

»Wieso?« Lea hängte Magics Trense über die Schulter und hob den Sattel von seinem Rücken. Wenn ihre Schwester irgendwo Tierquäler witterte, setzte sie Himmel und Hölle in Bewegung, um zu helfen.

»Wenn die Traber nicht gut genug sind, kommen sie weg. Oder sie kriegen Drogen verpasst. Ich rede von Doping, Lea.«

»Doping!« Skeptisch wiegte Lea den Kopf. »Wie willst du das in einem Tag herausgekriegt haben?«

Leas Seitenblick ärgerte Klara. »Auf der Rennbahn brauchst du nur deine Augen und Ohren aufzusperren, um so etwas mitzukriegen. Ich gehe gleich zu Papa und erzähle ihm alles.«

Lea verdrehte die Augen. »Da musst du wohl warten. Papa ist weg. Er fährt doch in der nächsten Zeit jeden Abend nach Hamburg zu einem Seminar.«

»Natürlich, stimmt. Aber wozu haben wir eine Mutter? Dann muss sie uns helfen.«

»Spinnst du? Mama ist im Moment nicht ansprechbar. Sie hat doch den Typen vom Finanzamt da – einen Steuerprüfer. Darum haben wir ja die Küchenhilfe für unsere Ferienkinder.«

Die Schwestern waren clever genug, um zu wissen, dass man von gestressten Eltern keine Hilfe erwarten konnte. Meike und Markus Eichhorn waren zurzeit derart mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie nur mit halbem Ohr zuhören würden. Da half nur eins: selbst aktiv werden.

Bis spät in die Nacht berieten sich Lea und Klara. Zwischendurch riefen sie Kim an und hörten sich ihre Vorschläge an. Schließlich stand fest: Klara sollte am nächsten Morgen vor Arbeitsbeginn zu den Trabern fahren, um sich auf der leeren Rennbahn ungestört umzusehen.

3. Kapitel Verdächtige Haferschüssel

Kurz nach Sonnenaufgang machte sich Klara auf den Weg zur Trabrennbahn. Sie hoffte, die verbotenen Beruhigsmittel zu finden, die Pferdebesitzer Galle dem Trainer gestern zugesteckt hatte. Klara wusste, wo Thiessen seinen Overall aufgehängt hatte.

Als sie ankam, wirkte die Anlage wie ausgestorben. Der Zaun um die Rennstrecke und das rasenbewachsene Oval in der Mitte standen in milchigem Frühnebel. Niemand trainierte auf der Bahn. Durch die Stallfenster drang ruhiges Schnauben der Pferde.

Klara rieb sich die nackten Arme. Sie fror. Um kurz vor sechs Uhr war es selbst im Sommer noch feuchtkühl. Sie lief zu Thiessens Stall am Ende der Anlage. In der Stille knirschte der feuchte Sand laut und vernehmlich unter ihren Schuhen. Klara bekam eine Gänsehaut und blickte sich unruhig um.

War jemand auf die Tritte aufmerksam geworden? Nein, alles schien verwaist.

Sie erreichte die große Stalltür und rüttelte an der Klinke. Abgeschlossen! Auf der Rückseite gab es einen zweiten Eingang. Sie musste es dort versuchen. Mit dem Rücken zur Wand drückte sich Klara an der Mauer entlang zur Hintertür. Doch auch die war zu.

Wütend stampfte sie auf. Am liebsten hätte sie sich geohrfeigt. Wie konnte sie bloß so kurzsichtig sein? Natürlich schlossen die Trainer ihre Ställe ab. Warum hatte sie von zu Hause kein Werkzeug mitgenommen? Die Schlösser waren alt und sicher mit einem Hilfsmittel leicht zu knacken. Warum hatte sie nicht Niels Ingwersen, einen Freund aus Westerbüll, um Hilfe gebeten? Niels half bei der DLRG und war bestimmt bestens ausgerüstet.

Andererseits – wenn jemand sie hier erwischte, während sie mit Schraubenziehern an Türen hantierte . . . Im Geiste sah Klara schon Zeitungsschlagzeilen vor sich: »Trabrennbahn Seestedt: Tierarzttochter entpuppt sich als Einbrecherin!«

Das würden die Eltern ihr nie verzeihen. Vielleicht aber doch, beruhigte sich Klara, während sie abschätzend die Treppe zum Heuboden ins Auge fasste. Schließlich ging es um die Gesundheit von Pferden.

Der Weg über den Dachboden war die letzte Möglichkeit. Von dort mit dem Strick durch die Luke nach unten, wie gestern. Klara warf einen Blick über die Schulter, bevor sie die Stufen hinaufschlich und die Klinke bewegte. Auch die obere Tür war verschlossen. Ärgerlich kickte sie gegen die Holzfüllung.

Als sie die Treppe nach unten stieg, fiel Klaras Blick durch die Kippfenster in den Stall. Die Öffnung war nicht sehr groß, etwa zwei Handbreit, aber weit genug, um ein paar Boxen zu sehen. Plötzlich stutzte Klara. In der Stallgasse stand jemand. Eisiger Schreck durchfuhr sie. Wie versteinert blieb sie stehen. Vorhin war garantiert niemand dort gewesen, er hätte auf ihr Rütteln an der Klinke reagiert.

Mit klopfendem Herzen beugte sich Klara über das Treppengeländer und spähte durch die Fensterschlitze.

Thiessen! Sie beobachtete, wie er rasch nach rechts und links sicherte, bevor er aus einem Tütchen Pulver in eine Haferschüssel gab und damit in Tipos Box ging.

Das Beruhigungsmittel, Doping! Welchen anderen Grund gab es, dem Traber heimlich sein Futter zu geben?

Sie musste hier weg, bevor Thiessen sie entdeckte. Lautlos stieg Klara die letzten Stufen hinab und ging auf Zehenspitzen um den Stall herum, um von hinten zum Haupteingang zu gelangen.

»Was willst du hier in aller Herrgottsfrühe?«

Klara schrie leise auf, als sie plötzlich eine Hand auf der Schulter fühlte. »Sieben Uhr habe ich gesagt und es ist noch nicht einmal sechs.«

Trainer Thiessen stand hinter ihr. Himmel! War er etwa misstrauisch geworden? Er sah sie so seltsam von der Seite an, während er Klara in den Stall schob. Kims Idee fiel ihr ein: »Wir müssen ihm Theater vorspielen.«

Klara setzte ihre lässigste Miene auf. »Ich dachte, die Trabernase Tipo hat Lust, vor der Arbeit mit mir zu kuscheln.

Ich bin ein echt starker Pferdebeschmuser, Mann, das können Sie mir glauben.«

Unbeirrt hielt Klara dem bohrenden Blick des Trainers stand, obwohl ihr heiß und kalt wurde.

»So«, war alles, was er äußerte, bevor er in der Geschirrkammer verschwand, aus der er gleich darauf mit Lederzeug zurückkam. Er warf es über eine Halterung, holte Tipo aus der Box und band ihn in der Stallgasse an.

»Kümmere du dich mal nicht um das Seelenleben der Traber«, sagte er. »Du sollst hier Stallarbeit machen, sonst nichts. Ist deine Freundin auch schon da?«

Klara schüttelte den Kopf. Eilig griff sie nach einer Forke, schob eine Mistkarre vor Tipos Box und warf Pferdeäpfel hinein. Unauffällig ließ sie ihre Blicke durch den Stall schweifen. Lag irgendwo ein zusammengeknülltes Arzneitütchen? Klara entdeckte jedoch nichts.

Dirk Thiessen führte Tipo hinaus. Klara verließ hinter ihm mit der Karre den Stall und kippte die Äpfel auf dem Misthaufen aus.

Der Traber trat hin und her, als Thiessen ihn aufzäumte. Tipos zierliches Gesicht wurde fast völlig von Lederriemen eingebunden. Zwei führten von einer Doppeltrense im Maul über Kopf und Nacken bis auf den Rücken, auf dem ein Gurt festgezurrt war. Mit einem Ruck zog Thiessen Tipos Kopf nach hinten.

»Was machen Sie denn da?«, rief Klara aufgebracht. Sie setzte die Schubkarre ab und lief zu ihm hinüber. »Das tut ihm doch weh.«

Ein gleichmütiges Knurren war die Antwort. »Das gehört zur Ausrüstung. Was glaubst du, wie schnell ein Traber angaloppiert ohne den Overcheck.«

Mit flammendem Blick baute sich Klara vor ihm auf. Sie wusste selbst nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie herausfordernd sagte: »Je mehr Leder am Pferd, desto schlechter der Reiter. Sagt mein Vater.«

Kaum war der Satz heraus, biss sich Klara auf die Lippen. Das war ziemlich dreist gewesen.

Tatsächlich bekam Thiessen den Mund nicht wieder zu. Verärgert sah er Klara an. »Dann geh doch nach Hause und arbeite bei deinem Vater. Kühe melken. Oder was macht er, der schlaue Bauer?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging der Trainer um Tipo herum, griff dem widerstrebenden Pferd ins Maul und band seine Zunge mit einer Nylonschnur am Unterkiefer fest. Der Trainer bemerkte Klaras Gesichtsausdruck und unterbrach das Aufzäumen. Er trat ganz dicht an sie heran. »Wenn dir das hier alles nicht passt, such dir einen Ferienjob in einem Spielzeugladen. Auf einer Rennbahn geht es ums Geld, sonst nichts. Je eher du das begreifst, desto besser.«

Während seiner kurzen Rede hatte er Tipo zwischen die Scherbäume des Sulkys gespannt. Routiniert klemmte sich Dirk Thiessen in den Sitz, stülpte Sturzhelm und Schutzbrille über, ordnete die Fahrleinen und griff zur Peitsche. »Wenn deine Freundin kommt, mistet ihr die Boxen aus. Alle«, ordnete Thiessen an, bevor er Tipo antreten ließ. »Morgen ist Renntag, hier muss es ordentlich aussehen.«

Vom Renntag selbst bekamen Klara und Kim unglücklicherweise nichts mit. Die Zuschauerwetten begannen erst um achtzehn Uhr und die Mädchen hatten Herrn Eichhorn versprochen, um diese Zeit zurück auf dem Friesenhof zu sein, um beim Abendessen zu helfen.

Am nächsten Morgen erfuhren sie auf der Trabrennbahn, dass Tipo einmal Letzter geworden war, einmal Vorletzter. Nicht gerade ein Ergebnis, das Thiessens Stimmung verbesserte. Galle erschien am Tag nach dem Rennen und stauchte Trainer Thiessen im Stall zusammen. Bis nach draußen hörte man sein Geschrei. Außenstehende konnten mit den gebrüllten Vorwürfen nichts anfangen, aber die Mädchen reimten sich zusammen, dass Thiessen zu viel Beruhigungsmittel ins Futter gemischt hatte. Das hatte zur Folge, dass Tipo beim Rennen zwar nicht galoppiert war, aber derartig benommen war, dass er überhaupt nicht mehr laufen wollte, nicht einmal im Trab.

Für Klara und Kim war Tipos schlechtes Abschneiden ein weiterer Grund, den Trainer ständig im Auge zu behalten. Dass es nun mit dem Doping erst richtig losging, stand für sie fest. Klaras bevorzugter Aufenthaltsort wurde die Außentreppe. Hinter Kieferzweigen verborgen, konnte sie von oben durch die Kippfenster in den Stall gucken. Aber es geschah nichts Besonderes.

Am Wochenende hatte Klara mehrfach Gelegenheit, ihren Eltern alles zu erzählen. Doch sie scheute zurück. Was hatte sie schon in der Hand?

Erst Anfang der Woche machte Klara eine neue Entdeckung. Von ihrem Wachposten aus beobachtete sie, dass Thiessen vor der Fütterungszeit mit der Haferschüssel in Tipos Box schlich. Er holte das verräterische Tütchen hervor und hantierte damit über den Körnern. Gerade als er Tipos Trog füllte, riss plötzlich ein Trainerkollege die Stalltür auf. Er rief eine Nachricht hinein und verschwand wieder.

Thiessen fuhr zusammen. Auch Tipo regte sich auf und sprang in der Box zurück. Dem Trainer fiel etwas hinunter. Als der Besucher weg war, begann Thiessen im Stroh zu suchen, fand das Gesuchte aber offenbar nicht.

»Meine Chance«, murmelte Klara aufgeregt. Sie sprang die Stufen hinab und rannte in den Stall. Wenn sie in der Nähe war, konnte Thiessen nicht suchen. Vielleicht ergab sich später eine Gelegenheit, Beweise in Tipos Box zu finden.

Thiessen schreckte hoch, als Klara hereinplatzte. Er verließ Tipos Box und beschäftigte sich auf der Stallgasse. Er beäugte Klara und wurde ungehalten, als er sie nicht loswurde. Er konnte sich nicht ewig hier aufhalten.