Pfiffikus - Andreas Wieland - E-Book

Pfiffikus E-Book

Andreas Wieland

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Beschreibung

Als Pfiffikus 1958 die Hand des Kardinals küsste, welcher soeben den St. Petersplatz überquerte, fingen gewisse Dinge an ihren Lauf zu nehmen. Die Bekanntschaft zu Don Roberto, dem Meisterproduzenten Italiens, der Einstieg ins Showbiz und die anschließende und unaufhaltsam scheinende Karriere als Showmaster. Ein Leben auf dem Set, eingehüllt in Zigarrenrauch und Glanz und Gloria, bis zu dem Tag, als sich die Fernsehgeschichte neu schrieb. Jahre danach plant Pfiffikus sein Coming back und will all jenen Dilettanten ans Schienbein treten, welche ihn damals fallen ließen wie eine heiße Pellkartoffel.

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Seitenzahl: 83

Veröffentlichungsjahr: 2014

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PFIFFIKUS

THERE`S NO BUSINESS LIKE SHOWBUSINESS

 

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: dreamstime.com

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-099-2

MOBI ISBN 978-3-95865-100-5

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

KURZINHALT

Als Pfiffikus 1958 die Hand des Kardinals küsste, welcher soeben den St. Petersplatz überquerte, fingen gewisse Dinge an ihren Lauf zu nehmen. Die Bekanntschaft zu Don Roberto, dem Meisterproduzenten Italiens, der Einstieg ins Showbiz und die anschließende und unaufhaltsam scheinende Karriere als Showmaster. Ein Leben auf dem Set, eingehüllt in Zigarrenrauch und Glanz und Gloria, bis zu dem Tag, als sich die Fernsehgeschichte neu schrieb. Jahre danach plant Pfiffikus sein Coming back und will all jenen Dilettanten ans Schienbein treten, welche ihn damals fallen ließen wie eine heiße Pellkartoffel.

PFIFFIKUS

THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOWBUSINESS

Aus der Unsterblichkeit geheimer Landschaften erwacht, wälzte sich Pfiffikus auf seinem schmalen Bett hin und her, wie immer lag da auch schon wieder das gebräuchliche Leben neben ihm, hielt ihn in enger Umarmung und wollte - auch wie immer - an erster Stelle sein. War es natürlich auch. Musste es ja sein, damit Pfiffikus, schlau wie er war, all den Anforderungen, Ansprüchen und Bedürfnissen seiner riesigen Welt gerecht werden konnte.

Wohltuend hörte sich der Regen an, der auf die roten Dachziegel prasselte. Die letzten Tage waren heiß, die Luft stickig und schnell konnte Pfiffikus jemand zu nahe treten, und war es auch nur auf Grund unangenehmen Körpergeruchs. Aus dampfenden Achselhöhlen drangen beizende Schweißgerüche hervor. Unter Röcken hervor- und durch Hosenstoff dringender borstiger Harngestank, aus sabbernden Penissen und zugeknöpften Vaginen, aus nach Atem ringenden und bitterste Übelkeit aushauchenden Kehlen, die durch Münder und Nasenlöcher ausgestoßene ekelhafte Luft gaben ihm den Rest, machten ihn fertig. Ein kurzer Regen konnte nur von Nutzen sein. Heute durfte man ihm seine Arbeit als Touristenführer nachsehen, bestimmt würde er nicht wie vom Teufel gejagt umher rennen wie zuvor, nur um sich ein paar zusätzliche Euro zur Rente zu verdienen. Ja, eigentlich hatte er sich bereits entschieden, es nie wieder zu tun. Seine Dienstbarkeit sollte zukünftig von höherer Muse getragen sein, und sollte er dabei keinen Cent verdienen. Sein Name allerdings, müsste wieder in aller Munde geraten und all die arschgesichtigen Dilettanten, welche ihn damals fallen ließen wie eine heiße Pellkartoffel, in Staunen versetzen. Und wie es dazu kam?

Vor taggenau fünfzig Jahren, als sein Herz von duftenden Blumenblüten und samtflaumigen Schmetterlingen, von grellgelben Sonnenkringeln befruchtet und sein Geist von unsagbaren Einfällen wie aus göttlicher Hand genährt wurde, als er die faltige und altersbefleckte Hand eines Kardinals küsste, der eben dabei war den St. Petersplatz zu durchlaufen, fingen gewisse Dinge an ihren Lauf zu nehmen. Oft zu seinem Unverständnis, denn warum küsste er jetzt auf einmal die zittrige Hand eines alten Mannes? Warum mochte er stundenlang vor sich her pfeifen und leichtfüßig kreuz und quer durch die Stadt trippeln, wer zauberte ihm dieses unwiderstehliche Lächeln ins Gesicht? Was seine Hände berührten, schien sich vor aller Augen zu vergolden. Und wie ihm damals auch schon der Kardinal sagte, hätte Gott eben seinen eigenen Fahrplan, was für sich betrachtet bereits ein Wunder darstellen täte. Das erste Wunder demnach, welches alles weitere somit in den Schatten drängte. In diesem Licht gab es nichts oder eben nur noch Besonderes.

Damals, vor eben diesen taggenauen fünfzig Jahren, lagen keine grüblerischen Züge um seinen Mund, er war sich beständigen Erfolges sicher, seine pomadisierten schwarzen Haare und die Backenbärte sprachen dazu Bände, Mädchen und Frauen fielen ihm entgegen wie aufgereihte Dominosteine, Gazellenwesen und pfundige Monolithe, doch alle waren sie Göttinnen, welche sich an seinem Knackarsch festzukrallen versuchten. Die stinkende Hitze von heute gab es damals noch nicht, die Luft roch frisch, die Damen nach verführerischem Odeur, bornierte Arschlöcher kamen selten vor und verteilten sich fast unbemerkt in der Menschenmenge Roms und richteten sich nach Einwohnerzahl und Quadratmeter aus, dies aus dem Kalkül römischen Benehmens. Niemand glaubte damals, ihn mit schweren Augen messen zu müssen, mit dieser prätentiösen Unverschämtheit heutiger Gesellschaft.

Doch fand er sich in aufrauschender Eitelkeit wieder, und sollte ihm heute jemand spottgeneigt begegnen, ihm also mit stupider und abstoßender Bürgerlichkeit zu nahe treten wollen, müsste sein siegessicheres Lächeln über seine Züge huschen und mit entmachtender Wirkung in die Fresse des Angreifers klatschen. An dieses Gebaren müssten sich die Leute wieder gewöhnen, einige auch nur daran erinnern.

All dies erdachte sich Pfiffikus bei dem herrlich erlösenden Regengeräusch. Ein leichtes Nachtröpfeln war jetzt der Fall und nunmehr eine Frage der Zeit, dass er sein Vorhaben ausprobieren wollte, also mit wuchtiger Selbstsicherheit durch die Gassen Roms schlendern, so würde Konstanze wieder auf ihn warten mögen, auf einem Steinbänkchen am Tiber sitzen und so tun, als wäre sie beschäftigt.

Zunehmend brach die Wolkendecke auf und von Pfütze zu Pfütze hüpfte sich spiegelnd Pfiffikus Antlitz, als er dem Fluss nachging. Trippelnd huschte er den Weg entlang, vorüber an Spaziergängern und Radfahrern. Ohnehin würde Konstanze einmal mehr behaupten, dass sie viel zu lange auf ihn habe warten müssen und von dieser vagen Vorahnung durchbebt, trieb er seine Beine voran.

„Konstanze! Allerliebste Konstanze!“, rief Pfiffikus, als er sie erblickte. Tatsächlich habe er gedacht, sie sei bereits verschwunden. Paralysiert von ihrer Ungeduld.

Konstanze: „Warum so spät?“ Ihre Stimme krächzte und klang ärgerlich.

Pfiffikus: „Fällt dir nichts auf? An mir. An meinem Gesicht.“ Was ihr denn auffallen müsste, fragte sie. Er: Dass er sein siegreiches und allen Leuten bekanntes und unwiderstehliches Lächeln von anno dazumal wieder errungen hätte. Oder besser, er dabei sei, sich dieses zurückzuerobern. Konstanzes bedeutungsvoller Seufzer verhinderte jedes weitere Eingehen auf vergangene Zeiten und unterdrückte die von Pfiffikus herbeigesehnte Gefälligkeit an seiner Person als verdienter Mann, als Prominenz, als Star, als Bühnengröße. Nun seufzte auch Pfiffikus, vielleicht sogar noch um eine Spur bedeutungsvoller. Dass sie, Konstanze, als alte Jungfer und Getreue von Jesus Christus dies nicht verstehen konnte, wunderte ihn eigentlich nicht. Als seine alte Freundin allerdings, müsste sie doch den Künstler in ihm erkennen wollen, alles andere wäre deutliches kompromittieren, in Abkehr von aller Moral. Doch eigentlich besaß sie ja nie wirkliche kontemplative Stärken, die alte Gans! Um gefährlichem Ausufern seiner Gefühle Einhalt zu gebieten, legte er seinen Arm um ihre Schultern, stoisch, wie es sich für einen Gentlemen seiner Kragenweite eben gehörte.

„Was kümmert es mich denn?“, sagte Konstanze nachdem sie ein paar Schritte in seiner Umarmung mitlief. „Was sollte es mich denn kümmern?“

In schmalen Gassen Roms wuchs Konstanze auf und reifte schnell zur treuen Katholikin heran, zur Schwester oder gar Ehefrau Jesus Christus. Sehr schmal waren die Gassen und die vorgehängte Wäsche der Bewohner warf luftig Schatten auf die Pflastersteine, auf die Fahrrad- und Motorradsättel, auf Hüte, Kopftücher und Toupets. Nebst der Liebe zum Katholizismus, der gottnächsten Religion überhaupt, liebte Konstanze Tauben und hielt beständig Futter und Wasser für diese Viecher bereit, auf dem Fenstersims neben ihrer Wäscheleine. Gesprenkelt verschissen glänzten Hausmauer und Straße. Natürlich hatte sie sich deswegen tägliche Reklamationen anzuhören, doch der Taubenhimmel stand ihr dabei gurrend beiseite.

Konstanze war von pyknischer Natur, ein magerer Haken genau genommen, hatte graue lange Haare, diese zu einem Knoten hochgerafft, hochgesteckt, doch im Geheimen trug sie ihre Locken offen, mit schwarz funkelnden Augen sich dieser Erotik ausliefernd. Von kultivierter Sprache waren ihre Worte und Sätze, als Zögling göttlicher Gewalt eine Selbstverständlichkeit und nicht selten gerieten Leute in ihren kritischen Blick. Mit steifem Hals betrachtete sie dann die welken Kreaturen, die Abkömmlinge schöner Sprache. Ankotzen hätte sie diese Kopulation teuflisch animistischer Verbalinjurie können, doch schluckte sie den ganzen Brei jeweils mit grämlichem Ausdruck runter. Wen kümmert das schon?, antwortete ihr einst Pfiffikus auf ihre Stoßseufzer. Davon dürfe man sich den Verstand nicht verdunkeln lassen, seine Flatulenz beschäftige ihn weit mehr. Dabei betrachtete er über Konstanzes Wandspiegel seine gefettete und tadellos in die Stirn frisierte Tolle, insistierend, dass er noch heute der beste Moderator aller Zeiten sein könnte, ohnehin ginge er als prägende Persönlichkeit in die Fernsehgeschichte ein, und als wiederauferstandene Vedette du téléaste würde sie, Konstanze, ihn mit aller Welt teilen wollen. Die Ed Sullivan Show wäre keine Konkurrenz mehr und lächelnd würde er seinem lieben Genossen Edward Vincent in den Arsch treten. Der arme Eddy läge dann dahingerafft auf seinem ekelhaft seifigen Lächeln, mit rotgeränderten Schweinsäuglein grunzend nach Schutz suchend.

Einander untergehakt liefen sie vorüber an Oleandersträuchern, Rosenstauden und verstummten Brunnen, auf ihren Gesichtern ein zart-epischer Schatten komödiantischen Ursprungs, etwas wächsern vielleicht, etwas hölzern möglicherweise, ein abverreckter Kunstgriff in jedem Fall, doch keineswegs störend und peinlich schon gar nicht. Konstanze bat Pfiffikus, er möge mit ihr mitkommen, wenn sie ihre rollstuhlgängige Freundin besuchen ginge. Also noch eine alte Schachtel zusätzlich würde er nicht aushalten wollen, dachte er sich und lächelte nickend aus weich gespaltenem Kinn heraus, die Fältchen um Konstanzes ungeküssten Mund betrachtend. Falten eines religiösen Versprechens? Geweihter Appeal? Und die Rollstuhlfahrerin? Noch eine alte Schachtel! Eine weitere Apenninenschwarte, die sich zitternd die geschälten Apfelstückchen in den Rachen schiebt, in ihren Gummihals? Sein alter Charme müsse seine zänkischen Gedanken vertreiben mögen, sein Lächeln wie gesagt auch dem unsichtbarsten Angreifer auf den Deckel hauen. Vernichtend!

Wäsche flatterte in der Hitze dieses Nachmittags und Römer hin oder her, Sommertage gewohnt oder nicht, man rang nach Atem und war gereizt und später, nach Sonnenuntergang, wenn sich alles normalisiert hat, käme noch das mühsame Gefühl hormoneller Unausgeglichenheit dazu und eben von diesem Gedanken erregt, stieß Pfiffikus Konstanzes Freundin in ihrem Rollstuhl vor sich her, durch eine rauschend auffliegende Taubenschar, die Eine oder die Andere glaubte Konstanze gekannt zu haben, doch ungehört blieben ihr Halali und dieses bescheuerte, dieses hohe und scharfe put…put…put.

Der Straßenlärm war schuld – sagte sie.