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Fantasie benennen? Das Wort müsste noch erfunden werden! Brillant geschrieben, wortgewandt, süffiger Stil, gewagte Wortakrobatik. Geld, Blut, Schweiß und Dreck, alles das wird hier höchst delinquent veräußert. Kurz: Man kann sich keinen Leser vorstellen, der hier nicht auf seine Rechnung kommt. Andreas Wieland spielt virtuos und hart am Grat zwischen Trivial- und Weltliteratur mit der Sprache, dem Aberwitz seiner Autorenschaft seines bereits vergriffenen Debütromans, entführt den Leser unter seiner fiktiven Obhut, in irgendeiner Spelunke in der Stadt Buñol auf die Gedankengänge seiner dem Debütroman entsprungen Protagonisten. Man befürchtet schon, den Zusammenhang aus Unkenntnis des Erstlings verspielt zu haben und fragt sich: lohnt sich der Einsatz? Einzig weitergetrieben durch den Schwung, mit welchem A.W. eine verblüffende Gedankenassoziation sich zwanglos in die nächste ergießen lässt, bevor sich dann hinter all dem Lokalkolorit mit den Erinnerungen von Heli Schnitzler ein roter Faden abzuzeichnen beginnt.So möge man denn unbeschadet an das Ende gelangen, wo man sich eingesteht: es hat sich gelohnt. Man möchte mehr und misstraut diesem endgültigen Wort, das die Handlung einfach abschneidet und den nun vollends süchtigen Leser im Stich lässt …
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Seitenzahl: 40
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Schönberg & Schnitzler
MAKING OF
von
Impressum:
Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency
Foto: fotolia.de
© 110th / Chichili Agency 2014
EPUB ISBN 978-3-95865-101-2
MOBI ISBN 978-3-95865-102-9
Urheberrechtshinweis:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Als ich aus meinem Schlafe erwachte, erinnerte ich mich seiner. Ja, so fing das Buch tatsächlich einmal an. Die Geschichte des Sonnenbettlers. Mit Heli Schnitzler als Protagonist. Dem drahtigen und graumelierten Herrn aus Österreich. Der hier in der Schweiz als Blechbieger, Metzger, Chauffeur und weiß der Kuckuck als was sonst noch, in irgendeiner Firma arbeitete und sein Feierabendbier gerne mal an demselben Ort trank wie ich. Nun, dies liegt ja jetzt auch schon etliche Jahre zurück. Und wenn ich heute im Sonnenbettler blättere und schmökere, finde ich, dass meiner damaligen Arbeit etwas Rouge aufgetragen werden sollte. Karl Schönberg & Heli Schnitzler als Outlaws beibehalten, gewisse unappetitliche Details jedoch streichen. Auch soll sich das dreckige Pergamentpapier in schrilles Geschenkpapier wandeln und wesentlich pikanter der Duktus künstlerischer Freiheit sein. Ein zeitdurchschlagendes Dumdumgeschoss, ein Bestseller, ein Evergreen, ein höllisches Perpetuum!
Da ich seit jeher der literarischen Champagnerliga, sofern es diese wirklich gibt, angehören will und nur deshalb auch bereit bin meine Zahnbürste zu ersetzen, bevor diese einem Rasierpinsel ähnelt, obschon dies in keinster Weise in Beziehung zu bringen ist, außer für mich, huldigend der schönen Sprache, der gepflegten Mundhygiene, der Öffnung, welcher schließlich all die schönen Wörter und Sätze entweichen, sollte ich an einer Vorlesung sein, will ich gleichzeitig, aber vor allem der Eitelkeit wegen auch gewisse Dinge bei meinem Debütroman, bei meinem Werk Debüt frisiert sehen, verrückt sozusagen, wenn Sie wissen, was ich meine, umgestellt, so wie man es in der eigenen Wohnung hin und wieder tut, wenn einem danach zu Mute ist, wenn es einen anmacht, Sachen herumzuschieben, zu stapeln oder wegzuwerfen, Karl Schönberg und Heli Schnitzler werde ich die Hosen runter lassen, beide unter den Tisch saufen, darauf können Sie sich gefasst machen, ich habe es Ihnen soeben versprochen. Das Debüt wird zum Schattenroman meiner heutigen literarischen Ejakulationsfähigkeit, der Name Andreas Wieland zum Pseudonym, zur DNA aller Bestsellerautoren, so zumindest will ich es umschrieben sehen, der Einfachheit wegen, Ihnen zuliebe, und wer es erfühlt, wird es erjagen wollen, in die Luft gereckt die geballte Hand, vom Zaun gebrochen die Chromosomen eines Slumdog Millionärs.
Also verschanzt sich Erzähler Alonzo (zuvor Niccolò) kursiv gedruckt, also mit Vorlage, straight ahead werden meine Bemerkungen anfallen nicht mehr auf der Insel Gozo, die ja eh kein Schwein kennt, sondern in der spanischen Stadt Buñol, die auch kein Schwein kennt. Aber immerhin, einem einmal im Jahr die Tomaten um die Ohren fliegen. Der Italiener ist also zu einem Spanier mutiert, warum auch nicht, die Geschichte würde ihm ohnehin nicht mehr gefallen, da ich Miesling, ihm (Niccolò) in den nächsten fünf Minuten seine Frau Ricarda entziehen werde. Eine Art wegzaubern. Mit der Selbstverständlichkeit des Schriftstellers. Und wäre er Odysseus, so würde ich ihm, sofern die Behauptungen stimmen, ganz einfach die Nymphe Kalypso absprechen. Alonzo stört dies nicht, denn von Ricarda hat er keinen Schimmer. Einer Amnesie zum Opfer gefallen demnach und das nur, weil ich von Bali und Ayam Taliwang, von Gouverneur und bayrischem Idiom nichts mehr hören, beziehungsweise lesen, beziehungsweise schreiben will. Nun ja, unser Schelmenroman mit Schönberg & Schnitzler wird wohl etwas abgespeckt in neue Erscheinung treten, was dem Ganzen jedoch bestimmt nichts abtut.
Alonzo: Schon immer machte ich mir die Fantasie zu meinem Werkzeug, doch habe ich noch nie gelogen, um mein Dasein interessant oder auch nur erträglich zu machen. Heute Morgen stand ich noch ohne den leisesten Gedanken an eine Veränderung in meinem Leben auf. Denn schon seit Monaten bin ich dem Siechtum der Arbeits- und Lustlosigkeit ausgesetzt, hie und da verrichte ich Gelegenheitsjobs, doch sind auch diese selten geworden. Bis zum heutigen Tag fuhr ich daher immer mit meinem Fahrrad, welches ich für zehn Euro ersteigert hatte, auf die andere Seite der Stadt. Im alten Kleid war von stillen Orten und Meeresufern die Rede. Um einiges romantischer als herumfliegender Tomatenmatsch. Klar. Doch bleibe ich dabei; schließlich will ich Korsetts sprengen. Setzte mich an den Rio Bunyol und träumte ins Weltgeschehen hinaus. Lauschte dem Wasser, roch den Wind und beobachtete irgendwelche Viecher. Karnickelhunde, Schnurrhaarkatzen und buntes Vogelgefieder im Schlund räuberischer Monsterforellen. Beinahe jeder Tag glich dem anderen. Ich denke da an den Film Groundhog Day (Und täglich grüßt das Murmeltier) und hätte ich mir meine Fantasie nicht zum Instrument gemacht, wäre ich zweifelsohne in eine ziemlich beschissene Situation geraten. Selbst die abtrünnigsten katalanischen Schimpftiraden hätten mir nicht weitergeholfen. Kein Bitten, kein Beichten und kein Rosenkranz.