Philipp Melanchthon: Luthers zweifelnder Freund - Christoph Werner - E-Book

Philipp Melanchthon: Luthers zweifelnder Freund E-Book

Christoph Werner

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Beschreibung

Philipp Melanchthon (1497-1560) war Humanist, Theologe und Lehrer. Man bezeichnete ihn schon im Jahre 1560 als Lehrer Deutschlands, doch wirkte sein Schaffen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Melanchthons Verhältnis zu Luther war zeitweise schweren Belastun-gen unterworfen, die sowohl von theologischen Differenzen wie auch von ihren unterschiedlichen Charakteren herrührten. Die kurze Biographie stellt den Praeceptor Germaniae in den wichtigs-ten Phasen seines Schaffens vor.

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Christoph Werner

Philipp Melanchthon

Luthers zweifelnder Freund

Eine Biographie

© 2022 Christoph Werner

Umschlag und Layout: Helga Dreher

Cover-Photo: Philipp Melanchthon, Getty Images

ISBN Softcover: 978-3-347-69235-0

ISBN E-Book: 978-3-347-69236-7

Druck und Distribution im Auftrag:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

1. Wittenbergs neuer Professor

2. Philosophischer Theologe

3. Tumult und Aufruhr

4. Augsburger Bekenntnis

5. Lehrer Deutschlands

6. Lebenskrisen

7. Melanchthon heute

8. Literatur

Über den Autor

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Books by Christoph Werner

1. WITTENBERGS NEUER PROFESSOR

Wer war der schmächtige Mann von gerade einmal anderthalb Metern Körpergröße, der am 25. August 1518 in Wittenberg einritt? Als er vom Pferd stieg, bemerkten die Leute seine leicht hängende Schulter, und als er sie nach dem Weg fragte, hörten sie, dass er einen Sprachfehler hatte. Die Gassenjungen liefen ihm nach und verspotteten ihn wegen seiner Erscheinung.

Es war der einundzwanzigjährige Philipp Melanchthon.

Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise hatte für seinen 1518 gegründeten Lehrstuhl für Griechisch den berühmten Gräzisten und Hebraisten Johannes Reuchlin gewinnen wollen, der jedoch aus Altersgründen (er war damals 63 Jahre alt) ablehnte und stattdessen seinen sonnderlieben vettern Maister philipps schwartzerd von Bretten empfahl. Die verwandtschaftliche Fürsprache war erfolgreich und schwartzerd von Bretten erhielt die Stelle.

Philipp Schwartzerdt wurde am 16. Februar 1497 in der kleinen Stadt Bretten im nördlichen Kraichgau im heutigen Baden-Württemberg, damals Kurpfalz, geboren. Seine Mutter war die Tochter des wohlhabenden Kaufmanns, Tuch- und Weinhändlers Hans Reuter, sein Vater der Waffenschmied und Rüstmeister Georg Schwartzerdt.

Von seinen Eltern erbte Philipp eine tiefe Frömmigkeit, die ihn sein Leben lang nicht verließ. Zudem trugen Hexenverfolgung und Aberglauben dazu bei, dass Melanchthon dem Verborgenen, Geheimen, Übersinnlichen, der Astrologie und Dämonologie, verbunden mit biblischen Bezügen zu Sternen, Traumdeuterei und Teufeln, anhing. In lebhafter Erinnerung bei den Leuten in Bretten war die Verbrennung von fünf Hexen, die beschuldigt wurden, ein Hagelwetter gemacht und die Leute in Angst versetzt zu haben. Das ist aber nit wahr, erklärte der Chronist jenes Vorfalls, der Schultheiß Georg Schwartzerdt, Melanchthons Bruder.

Melanchthon teilte den Aberglauben seiner Zeit, wie u. a. folgende Überlieferung zeigt: Melanchthon erzählte, dass er eines Abends mit Studenten unterwegs war und der Himmel sich auf einmal mit ungewöhnlichem Gesang erfüllte. Plötzlich erschien ein fremdartiger Vogel. Ein Student fragte: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, wer oder was bist du? Der Vogel antwortete: Ich bin ein Geist, der auf ewig verdammt ist! Als die schreckliche Erscheinung verschwand, waren die von Qualen zeugenden Worte zu hören: Oh Ewigkeit, Ewigkeit! Wer kann sagen, wie lange die Ewigkeit dauert?

Melanchthon entwickelte später ausgeklügelte Theorien über Astrologie und Dämonologie. Luther rügte ihn deshalb einmal und bemerkte, dass, wenn Melanchthon über Astrologie rede, er klinge wie er, Luther, unter dem Einfluss von zu reichlich Bier. Luther selbst allerdings bewegte sich ebenfalls in einer Welt voll Dämonen und Kobolden, denn diese gehörten zum 16. Jahrhundert wie die Wissenschaften zum gegenwärtigen Zeitalter.

Philipps Kindheit wurde überschattet vom Leiden und Sterben seines Vaters, der während eines Feldzuges im Landshuter Erbfolgekrieg 1504 von vergiftetem Brunnenwasser getrunken hatte und schwer erkrankte. Nach vierjährigem Leiden starb er 1508.

Philipp lernte Lesen und Schreiben und die Anfangsgründe der lateinischen Sprache bei einem Hauslehrer, wahrscheinlich mit den damals üblichen Methoden des Auswendiglernens und körperlicher Züchtigungen.

Nach dem Tod ihres Vaters und Großvaters kamen die Brüder Philipp und Georg bei ihrer Großtante Elisabeth Reuchlin, der Schwester des Humanisten Johannes Reuchlin, in Pforzheim unter.

Hier besuchte Philipp die Lateinschule, deren Anforderungen er durch seine Vorkenntnisse und Reuchlins Förderung mühelos gerecht wurde. Sein Onkel schenkte seinem fleißigen Neffen eine griechische Grammatik mit folgender lateinischer Widmung, deren deutsche Übersetzung lautet:

Diese griechische Grammatik hat zum Geschenk gemacht Johannes Reuchlin aus Pforzheim, Doktor der Rechte, dem Philipp Melanchthon aus Bretten, im Jahr 1509 an den Iden des März.

Damit verlieh Reuchlin am 15. März 1509 Philipp Schwartzerdt den Humanistennamen Melanchthon, eine Gräzisierung der Bestandteile des Geburtsnamens Schwartz- und -erdt, der nur von einem berühmten Gelehrten verliehen werden durfte und eine Art Aufnahme in die humanistischen Gelehrtenkreise bedeutete.

Bereits nach einem Jahr in Pforzheim wurde Melanchthon 1509 als Zwölfjähriger an der Universität Heidelberg immatrikuliert und erwarb 20 Monate später und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Grad des baccalaureus artium, d. h. den ersten akademischen Grad.

Der Student oder Scholar der damaligen Universitäten erwarb diesen Titel nach Abschluss des Triviums (Grammatik, Dialektik und Rhetorik) der Artistenfakultät. Danach wechselte er in das Quadrivium (Arithmetik, Geometrie einschließlich Geographie und Naturgeschichte, Musik/Musiktheorie und Astronomie/Astrologie). Nachdem der Baccalarius alle septem artes liberales, d. h. alle sieben freien Künste, erfolgreich studiert hatte, schloss er die Artistenfakultät mit dem magister artium ab.

1512 schrieb sich Melanchthon an der Universität Tübingen ein, wo er sich weiter mit Latein und Griechisch sowie der Philosophie des Aristoteles, Logik, Mathematik und Astronomie beschäftigte. Hier erwarb er den akademischen Grad des Magisters, mit dem er als akademischer Lehrer tätig werden konnte.

Bewunderung erregten seine ersten großen wissenschaftlichen Leistungen, nämlich die 1516 erfolgte Gesamtausgabe der Komödien des antiken Dichters Terenz mit einer Einleitung über die Entstehung der antiken Komödie sowie die Herausgabe einer griechischen Grammatik (1518), die bis 1544 neunzehn Auflagen erfuhr.

Bereits am dritten Tag nach seiner Ankunft in Wittenberg hielt Melanchthon in der Schlosskirche seine Antrittsrede, wie bei allen akademischen Lehrveranstaltungen auf Latein, mit dem Titel De corrigendis adolescentiae studiis (Über die Verbesserung der Studien der Jugend, wir würden heute sagen „Über die Neugestaltung des Universitätsstudiums“).

Am Beginn seiner Lehrtätigkeit hatte seine äußere Erscheinung bei Kollegen und Studenten Erstaunen, wenn nicht Befremden hervorgerufen, wie aus der Schilderung eines Studenten deutlich wird:

ain claine, magere, unachtpare person, vermeintest, er were ain knab nit über 18 jahren, nach verstand aber, gelerte und kunst, ain großer starker und eld, das einen verwundern möcht, in ainem so clainen lib so ainen großen und unübersechlichen berg kunst und wishait verschlossen ligen.

Angesichts dieses Äußeren war der Eindruck seiner Antrittsrede umso tiefer. Luther schrieb begeistert:

Er hielt eine grundgelehrte und stilistisch bestens ausgefeilte Rede und nannte den vierzehn Jahre jüngeren Kollegen liebevoll Graeculus,