Richard von Cornwall - Christoph Werner - E-Book

Richard von Cornwall E-Book

Christoph Werner

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Beschreibung

Unerhörtes geschah in der mehr als tausendjährigen Geschichte des alten Deutschen Reiches: Ein Ausländer saß auf dem Thron Karls des Großen. Im Jahre 1257 konnten sich die sieben Kurfürsten nicht auf die Wahl eines Deutschen verständigen, sondern ließen sich vom Ausland bestechen. Aber auch dann einigten sie sich nicht, so dass sowohl der Spanier Alfons von Kastilien wie auch der Engländer Richard von Cornwall gewählt wurden. Die historische Erzählung führt den Leser in diese bewegte Zeit und in das Leben und die Taten Richards, des "reichsten Fürsten der Christenheit", eines Mannes, der eher geneigt war, Konflikte durch Verhandlungen zu lösen als durch Krieg. Das Buch ist eine historische Erzählung. Das heißt, der überlieferte Hintergrund wird vom Autor literarisch mit Leben erfüllt, so dass der Leser an Geschichte teilnehmen kann.

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Christoph Werner

Richard von Cornwall

Ein Engländer auf dem deutschen Thron

Historische Erzählung

© 2022 Christoph Werner

Umschlag, Titelfoto, Layout: Helga Dreher

Titelfoto: Corfe Castle, Dorset, England

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

978-3-347-39950-1 (Paperback)

978-3-347-39951-8 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

1. Jugend

2. Streit mit dem König und Versöhnung

3. Richards Kreuzzug

4. Richard wird römisch-deutscher König

5. Die zweite Reise nach Deutschland

6. Dritte Reise nach Deutschland

7. Deutscher König oder gewählter Kaiser in England gefangen

8. Vierte Reise nach Deutschland und Tod in England

9. Persönlichkeit und Wirkung

10. Was sonst noch geschah

11. Quellen

1. JUGEND

Heutzutage, nach dem bedauerlichen Brexit, scheint es eine schöne Erinnerung, dass einmal ein Engländer römisch-deutscher König war. Ganz richtiger Engländer war er nicht, sondern eher Anglo-Normanne, dessen Vorfahren knapp 200 Jahre zuvor nach England gekommen waren. Und in der Normandie, das heißt in Nordfrankreich, hatten sich die Normannen oder Nordmänner oder Wikinger nach zahlreichen Überfällen auch erst am Anfang des 10. Jahrhunderts endgültig festgesetzt und waren im Jahre 911 sesshaft und ein Teil Frankreichs geworden.

Wilhelm der Eroberer war aus der Normandie aufgebrochen und hatte sich gegen den Angelsachsen König Harold in der Schlacht bei Hastings 1066 durch- und auf den englischen Thron gesetzt. Diese militärische und politische Katastrophe schien den Menschen auf der Insel vom lieben Gott gesandt, denn ein Komet, der schon die Geburt Christi angekündigt hatte und heute der Halleysche genannt wird, war einige Monate zuvor erschienen.

Diese Angelsachsen hatten nichts mit unseren heutigen Sachsen zu tun, die eher nicht auf Eroberung aus sind. Vielmehr waren sie die Nachkommen dreier germanischer Völkerschaften, der Angeln, der Sachsen und der Jüten, die in Norddeutschland wohnten und im 5. Jahrhundert nach England kamen. Das geschah einer Überlieferung nach auf Einladung des keltisch-britischen Warlords Vortigern, um ihm bei der Verteidigung seines Landes gegen die Picten aus Schottland und die Iren zu helfen. Statt aber nach erfolgter Hilfe, wie es sich für Gäste gehört, in ihre Heimat zurückzukehren, blieben sie in England, besiegten die romanisierten Kelten und gründeten auch noch sieben Königreiche, darunter Essex, Sussex und Wessex, also Ostsachsen, Südsachsen und Westsachsen, dazu kamen East Anglia, Middle Anglia, Mercia und Northumbria, gegründet durch die Angeln, und das liebliche Kent, wo sich die Jüten niederließen. Alle brachten ihre Muttersprachen mit nach England, wo sich schließlich eine Sprache durchsetzte, die jetzt als Altenglisch bekannt ist, das naturgemäß dem Deutschen recht ähnlich ist. Und noch mehr: Zwar eroberten Römer, Wikinger und Normannen England, doch im Genpool der englischen weißen Bevölkerung haben die Angelsachsen die deutlichsten Spuren hinterlassen. 30 Prozent der DNA haben die heutigen Engländer mit den Deutschen gemeinsam.

Richard, geboren am 5. Januar 1209 in Winchester, war der zweite Sohn König Johns.

Der kleine sechsjährige Königssohn, der im Jahre 1215 auf die Burg Corfe Castle gebracht wurde, stammte jedoch nicht aus Norddeutschland, sondern war ein Nachkomme der normannischen Eroberer.

Corfe Castle liegt im gleichnamigen Dorf auf der Isle of Purbeck, eigentlich eine Halbinsel, in der Grafschaft Dorset ganz im Süden Englands. Richards Vater, König John, dem dessen Vater recht lieblos den Spitznamen Lackland, d. h. ohne Land gegeben hatte, weil er keine größeren Ländereien erben sollte, befand, dass sein zweiter Sohn am besten auf dieser ehrfurchtgebietenden Burg aufgehoben wäre.

Corfe Castle und viele andere Burgen in England waren nach der normannischen Eroberung als Symbole der neuen Herrschaft und gleichzeitig als militärische Stützpunkte gebaut worden, denn die angelsächsische Bevölkerung war nicht durchweg glücklich mit ihren neuen Herren.

Stöhnen und verzweifelte Schreie aus dem Kerker waren nicht mehr zu hören, als Richard auf die Burg gebracht wurde. Es war nämlich Eleanore, eine französische Nichte König Johns, mit zweiundzwanzig ihrer französischen Ritter auf der Burg gefangen gehalten worden. Sie kam mit dem Leben davon, während man die Ritter im Kerker verhungern ließ. Aus Rache gingen die Geister der Toten in der Burg um und erschreckten die Bewohner, wenn sie sich um Mitternacht auf die Abtritte wagten, die sich in Mauernischen über Fallschächten befanden.

Der kleine Richard wurde gut behütet und verrichtete seine Notdurft in einen Topf, den seine Waschfrau leerte und reinigte. Außerdem war er vorsichtiger Natur und blieb, wenn es irgend ging, lieber im warmen Bett. Außerhalb der Burgmauern war es besonders gefährlich, denn in den Wäldern um die Burg gab es Wölfe und Bären, Luchse und Wildschweine, die nicht friedlich gesinnt waren.

Der Hofstaat des kleinen Prinzen bestand aus seinem Lehrer, einem Aufseher, zwei Trompetern und einer Waschfrau. Was die Trompeter den ganzen Tag über taten, ist nicht überliefert. Es ist zu Gunsten des Prinzen zu hoffen, dass sie ihren Dienst nicht ausschließlich mit Trompeten ausfüllten.

Die Waschfrau war wahrscheinlich Engländerin, genauer gesagt Anglosächsin, und sprach, während sie den Königssohn wusch, über seine Gesundheit wachte und wohl noch bei anderer Gelegenheit Englisch mit ihm, während die Amtssprache, die Sprache des anglonormannischen Adels, der Kaufleute, der Verwaltung, der Justiz, des Königshofes und begüterter Städter das normannische Französisch war. Natürlich sprachen Richards Erzieher Sir Roger d’Acastre und sein Aufseher Peter de Mauley Französisch mit ihrem Zögling.

Angelsächsisch war die Sprache des Volkes und wurde vom normannischen Adel gering geschätzt, obwohl einige kluge Leute allmählich begannen, sich mit ihr zu befassen, denn schließlich mussten Befehle und Anordnungen gegeben und vom geringen Volk verstanden werden. Außerdem war es nützlich, die halb gemurmelten Flüche und Beschimpfungen der Knechte und hörigen Bauern zu verstehen.

Corfe Castle, heute eine Ruine, galt damals als eine der stärksten Festungen in England, praktisch unbezwingbar. Auf gewaltigen Mauern hatte König John verschiedene Katapulte und Maschinen aufstellen lassen, die zum Empfang unliebsamer Ankömmlinge Steine und brennbare Materialien schleudern konnten. Der König verwahrte im Jahre 1212 einen großen Teil seines Schatzes von 200 000 Mark auf der Burg.

John war ein grausamer König, der zum Beispiel den wahrscheinlich geistesgestörten Wahrsager Peter de Pomfret samt seinem Sohn in der Burg einkerkern und schließlich umbringen ließ: Der selbsternannte Prophet hatte das Ende der Herrschaft des Königs vorausgesagt, was kein Herrscher gerne hört. Er wurde von Pferden bei lebendigem Leib um die Burg geschleift und schließlich, kaum noch am Leben, gehängt.

Schon lange vor König John und vor der normannischen Eroberung im Jahre 1066 war die Vorgängerburg Schauplatz eines Verbrechens gewesen. Als der sächsische König Edgar im Jahre 975 plötzlich mit 31 Jahren starb, zankten sich die Anhänger seiner beiden Söhne Edward und Aethelred wegen seiner Nachfolge. Der ältere, Edward, wurde gegen den Widerstand seiner Stiefmutter Aelfthryth (Elfrida), der zweiten Frau Edgars, König. Sie wollte verständlicherweise ihren Sohn Aethelred zum König machen. Am 18. März 978 kehrte der siebzehnjährige König Edward von der Jagd nach dem Ort Corfe Castle zurück, wo sein Stiefbruder und seine Stiefmutter wohnten. Als er nach seinem Besuch wieder sein Pferd bestiegen hatte und davonreiten wollte, ergriff einer der verräterischen Diener Elfridas seine linke Hand, hielt sie fest und stach den König mit einem Messer. Auf der anderen Seite versuchte ein zweiter Mann, ihn vom Pferd zu zerren. Der König spornte sein Pferd an, um dem Anschlag zu entkommen, fiel jedoch aus dem Sattel, blieb mit einem Fuß im Steigbügel hängen und wurde so bis zum Burgtor geschleppt, wo man ihn tot auffand. Eine andere Überlieferung besagt, dass er gänzlich vom Pferd fiel und in den Bauch gestochen wurde, so dass seine Eingeweide herausfielen und er an Ort und Stelle starb.

Nun geschahen die heiligsten Dinge. Eine blinde Frau, in deren Haus Edwards Leiche gelegen hatte, erwachte um Mitternacht in dem durch ein Wunder hell erleuchteten Haus und konnte, erneutes Wunder, wieder sehen. Ein Jahr nach seiner Ermordung erschien eine Feuersäule über seinem versteckten Grab. Nachdem die Anwohner seinen Leichnam ausgegraben hatten, bildete sich dort eine Quelle mit heilendem Wasser, das besonders Blinden Heilung verschaffte. Edward wurde zum Märtyrer erklärt und im Jahre 1008 heiliggesprochen. Seine Fürsprache wird vor allem gegen Drüsenkrankheiten erfleht. Ob sie hilft, ist nicht erwiesen. Wenn man allerdings fest daran glaubt, sagen die Anhänger des Heiligen, ist sie zumindest nicht schädlich.

Diese gruseligen Geschichten haben Richard später in seiner friedlichen Grundgesinnung, die ihn lieber verhandeln als Krieg führen ließ, bestärkt. Allerdings hätten sie auch das Gegenteil bewirken können, wie aus den Lebensbeschreibungen anderer Menschen hervorgeht, welche die Ängste ihrer Kindheit dann an anderen auslassen.

Sein Vater, König John, musste, ohne Zweifel zähneknirschend, im Jahre 1215 nach einem Aufstand der Barone die Magna Carta unterzeichnen, die den berühmten und folgenreichen Artikel enthält, dass

no free man is to be arrested, or imprisoned, or disseised, or outlawed, or exiled, or in any other way ruined, nor will we go against him or send against him, except by the lawful judgment of his peers or by the law of the land.

(Kein freier Mann soll verhaftet, gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt, geächtet, verbannt oder sonst angegriffen werden; noch werden wir ihm anders etwas zufügen, oder ihn ins Gefängnis werfen lassen, als durch das gesetzliche Urteil von Seinesgleichen oder durch das Landesgesetz.)

Die Feindschaft der Barone, d. h. des landbesitzenden Adels, eigentlich der Vasallen des Königs und ihm lehenspflichtig, ging vor allem wegen der hohen Steuerforderungen der Krone soweit, dass sie sich an den französischen König wandten. Sie boten seinem Sohn Ludwig die englische Krone an, was ein überzeugender Fall von Landesverrat war. Doch die Barone, die von 1066 her immer noch eine recht enge Bindung zur Normandie und Frankreich hatten, sahen das anders. Ludwig, später König Ludwig VIII. von Frankreich, war mit der Enkelin Heinrichs II. von England, Blanka von Kastilien, verheiratet und gab vor, deshalb einen Anspruch auf den englischen Thron zu haben. Das Angebot der Barone kam ihm gerade recht. Er landete im Mai 1216 in England und nahm London ein, wo er zum König proklamiert wurde, ohne allerdings gekrönt zu werden. Durch einen Feldzug quer durch England konnte das Bündnis der Rebellen und der Franzosen weite Teile Englands erobern. König John verteidigte sein Königtum mit wechselndem Kriegsglück, worunter zu zählen ist, dass er bei der Überquerung eines in den Wash mündenden Flusses einen Teil seines Trosses mitsamt den englischen Kronjuwelen verlor. Sie wurden von Treibsand und Wasserstrudeln eingesogen und nie wiedergefunden.

Zahlreiche Adlige schlossen sich Prinz Ludwig an. Jedoch nach des verhassten Johns Tod im selben Jahr verlor Ludwig allmählich an Unterstützung und musste 1217 den Thronanspruch aufgeben und England verlassen. Sein Abgang wurde ihm versüßt durch eine hohe Abfindung von 10 000 Mark, was etwa dem Gegenwert von 2 500 kriegstüchtigen Pferden – Schlachtrössern – entsprach.