Philosophie des Geistes - Dieter Sturma - E-Book

Philosophie des Geistes E-Book

Dieter Sturma

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Beschreibung

Was ist Bewusstsein? Im Zeitalter der Hirnforschung und Künstlichen Intelligenz entwickelt die Philosophie des Geistes neue Antworten auf die alte Frage nach dem Verhältnis von Bewusstsein und Körper. Klar und prägnant erläutert Dieter Sturma ihre Ansätze.

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Seitenzahl: 160

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Grundwissen Philosophie

Philosophie des Geistes

von Dieter Sturma

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Wissenschaftlicher Beirat der Reihe Grundwissen Philosophie: Prof. Dr. Hartmut Böhme

Prof. Dr. Detlef Horster

PD Dr. Geert Keil

Prof. Dr. Ekkehard Martens

Prof. Dr. Barbara Naumann

Prof. Dr. Herbert Schnädelbach

Prof. Dr.Ralf Schnell

Prof. Dr. Franco Volpi

Alle Rechte vorbehalten © 2005, 2016 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart Reihengestaltung Grundwissen Philosophie: Gabriele Burde Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen Made in Germany 2016 ISBN 978-3-15-960113-7 ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020122-0

www.reclam.de

Inhalt

Geschichte und Problemstellungen der Philosophie des Geistes

Was ist die Philosophie des Geistes? – Tradition und neue Herausforderungen

Die Außenperspektive: Das psychophysische Problem

Erlebnisse und Ereignisse

Die Problemstellung – das Leib-Seele-Problem in der Antike – Descartes und das Körper-Bewusstsein-Problem – Differenz-, Geschlossenheits- und Wechselwirkungsthese – Dualismus und Monismus – Leibniz’ Abgeschlossenheitsthese – Hobbes’ materialistischer Monismus – französischer Materialismus

Reduktion und Differenz

Logischer Empirismus – der referenzielle Fehlschluss – Koreferenz und mentale Verursachung – nomologische Irrläufer – Identitätstheorie – eliminativer Materialismus – Bewusstsein und Alltagssprache – nichteliminativistische Ansätze – Unvollständigkeitsargumente – Doppelaspekttheorie – Emergenz – Supervenienz – integrativer Naturalismus – semantischer Instrumentalismus – wechselseitige Unterbestimmung von Theorien und Tatsachen

Die Innenperspektive: Selbstbewusstsein und Intentionalität

Selbstbewusstsein

Außen- und Innenperspektive – die neuzeitliche Bewusstseinsphilosophie – Erkenntnistheorie und Philosophie des Selbstbewusstseins – das Prinzip der Innerlichkeit – Descartes’ Cogito-Argument – Descartes’ Ausschließlichkeitsthese – Leibniz’ Begriff der Monade – Lockes Theorie personaler Identität – die substanz philosophische Kritik von Leibniz, Butler und Reid – Humes Kritik der Ichvorstellung – die Anonymisierung des ich denke – Kant über Selbstreferenz und Selbstbewusstsein – der Abstieg vom »Ich« zum »ich« – Selbstreferenz im Übergang – Bewusstsein als mögliches Selbstbewusstsein – das doppelte Ich im Bewusstsein meiner selbst – Wittgenstein über die eigenartige Grammatik des Ausdrucks »ich« – analytische Philosophie des Selbstbewusstseins – Indikatoren und Quasi-Indikatoren – Referenz und Selbstreferenz

Fremdpsychisches

Der methodische Zweifel – Analogieargumente – der Schritt vom Selbst zum Anderen – der Blick des Anderen – P-Prädikate und M-Prädikate – Alltagssprache

Intentionalität

Der Begriff der Intentionalität – das Intentionalitätsproblem – Phänomenologie der Intentionalität – Intentionalität und Propositionalität – Mythos des Gegebenen und Introspektion – Erleben und Wissen – Naturalisierung der Intentionalität – Intentionalität und Interpretation – Erträge der Intentionalitätsanalysen – Intentionalität, Propositionalität und Repräsentationalität

Qualia

Der Begriff der Qualia – Qualia und Reduktionismusproblematik – die Qualia-Debatte – Nagels Fledermausfrage – Jacksons Knowledge-Argument – Erträge der Qualia-Debatte

Interdisziplinäre Herausforderungen: An den Grenzen der Person

Bioethik der Person

Der Begriff der Person – »Mensch« und »Person« – erkenntnistheoretische Problemstellungen – entstehendes Leben – vergehendes Leben

Neurophilosophie und Neurowissenschaften

Neurophilosophie – der atomistische Fehlschluss – die neue Debatte um die Willensfreiheit – interdisziplinäre Perspektiven

Künstliche Intelligenz und Robotik

Ersetzbarkeit des Menschen? – menschliche und künstliche Intelligenz – künstliche Personen? – dichte und dünne Beschreibungen

Anmerkungen

Kommentierte Bibliografie

Schlüsselbegriffe

Zeittafel

Danksagung

Hinweis zum Text

[9] Geschichte und Problemstellungen der Philosophie des Geistes

Was unter »Philosophie des Geistes« verstanden wird, hängt stark von den jeweils gewählten methodischen und philosophiegeschichtlichen Ausgangspunkten ab. In einer ersten Annäherung kann gleichwohl gesagt werden, dass sich die Philosophie des Geistes ungeachtet der Vielzahl von Ansätzen mit den verschiedenen Ausdrucksformen des Bewusstseins auseinander setzt. Sie reichen von psychischen Zuständen und Akten bis zu kulturellen Prozessen und Institutionen. Die neuere Philosophie des Geistes thematisiert hauptsächlich das Bewusstsein von Personen – von Subjekten, die sich zu Gründen verhalten können.

Zu den Schwerpunkten der Philosophie des Geistes zählt zum einen die Bestimmung des Verhältnisses von Psychischem und Physischem. In der Philosophiegeschichte ist dieser Bereich unter den Titeln »Leib-Seele-Problem«, »Körper-Bewusstsein-Problem« sowie »psychophysisches Problem« behandelt worden. Zum anderen werden in der Philosophie des Geistes semantische und systematische Bewusstseinsanalysen durchgeführt, die sich Eigenschaften und Fähigkeiten des Bewusstseins wie Selbstreferenz, Selbstbewusstsein oder Intentionalität widmen. Als Grundproblem der Philosophie des Geistes insgesamt hat sich die Frage herauskristallisiert, in welcher Hinsicht sich Zustände ausdrücklichen Bewusstseins von Vorgängen unterscheiden, die nicht dem Bereich des Psychischen zugerechnet werden können. Diese Frage hat vor allem im Rahmen von interdisziplinären Vermittlungen und Auseinandersetzungen an Schärfe gewonnen.

Als eigenständige Disziplin weist die Philosophie des Geistes zwar eine vergleichsweise kurze Geschichte auf, die weitgehend auf die neuzeitliche Philosophie beschränkt ist. [10] Sachliche Auseinandersetzungen mit dem Verhältnis von Psychischem und Physischem lassen sich gleichwohl bis in die Antike zurückverfolgen. Der Begriff des Geistes durchläuft dabei unterschiedliche semantische Felder, in denen sich sein Verhältnis zum Begriff des Bewusstseins verändert. Es finden sich synonyme Verwendungsweisen genauso wie solche, die den Ausdruck »Geist« allenfalls indirekt mit Formen menschlichen Bewusstseins in Verbindung bringen. Die Veränderungen hängen mit fortschreitenden semantischen Differenzierungen im Ausdruck menschlichen Selbstverständnisses zusammen. Ein eigenes egologisches Vokabular, das sich auf Innerlichkeit, Selbstbewusstsein und personale Identität richtet, bildet sich in einem langwierigen Entwicklungsprozess heraus, der in der Spätantike seinen Anfang nimmt und einen ersten Höhepunkt im 17. Jahrhundert erfährt. In dieser Zeit werden egologische Bestimmungen – wie »Ich« oder »Selbstbewusstsein« – als Grundbegriffe der Philosophie eingeführt, und es dauert noch ein weiteres Jahrhundert, bis sie Eingang in die Alltagssprache finden.

In der Philosophiegeschichte gibt es immer wieder Phasen, in denen die Beschäftigung mit »Geist« und »Bewusstsein« intensiver ausgefallen ist. Zu nennen sind die philosophische Formulierung des Leib-Seele-Problems in der Antike, die philosophische Entdeckung des Selbstbewusstseins in der rationalistischen und empiristischen Philosophie des 17. Jahrhunderts, die Entwicklung der Philosophie des Selbstbewusstseins und der Systeme der Philosophie des Geistes in der klassischen deutschen Philosophie, die Phänomenologie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sowie die Entwicklung der analytischen philosophy of mind im 20. Jahrhundert. Im Zuge des linguistic turn gewinnt die Philosophie des Geistes als philosophy of mind in den Theoriekontexten der analytischen Philosophie ein eigenes disziplinäres Profil. Ihre Emanzipation als eigenständige Disziplin ist vor allem durch methodische Innovationen der sprachanalytischen Philosophie bedingt.

[11] Eine konzeptionelle und terminologische Sonderstellung nimmt der deutsche Idealismus ein, der den Begriff des Geistes nicht bloß als Synonym für menschliches Bewusstsein oder die Dimension des Mentalen verwendet. Sein thematisches Spektrum ist dementsprechend weiter gefasst und erstreckt sich auch auf Phänomene im Bereich der Natur und des Sozialen. Im deutschen Idealismus werden umfassende Systeme der Philosophie des Geistes entworfen, die philosophiegeschichtlich jedoch keine Aufnahme finden. Neuere Ansätze der Philosophie des Geistes gehen mit systematischen Absichten auf diese Systeme nicht mehr ein.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Philosophie des Geistes zu einem Schwerpunkt philosophischer Forschung entwickelt. Philosophiegeschichtlich markiert dieser Aufstieg eine Zäsur. Mit ihm verbinden sich inhaltliche Verengungen, die mit neuen methodischen Vorgaben und interdisziplinären Herausforderungen einhergehen. Die Verengungen gehen zu Lasten ursprünglicher Themen der Philosophie des Geistes und betreffen auch Fragestellungen, die sich auf die Erkenntnistheorie, philosophische Anthropologie und Ethik erstrecken.

Die Ausklammerungen sind selten in kritischer Auseinandersetzung mit den älteren Positionen erfolgt. Aufgrund der methodischen Neuorientierungen in der Philosophie des 20. Jahrhunderts treten philosophiegeschichtliche Gesichtspunkte zurück. Gleichwohl bleibt der Großteil der Problemstellungen in der Philosophie des Geistes theoriegeschichtlich vermittelt und in den jeweiligen Formulierungen von der Bereitstellung eines spezifischen Vokabulars abhängig. Die Bedeutung klassischer Werke der Philosophie beruht nicht zuletzt auf ihrer innovativen Semantik. Die Philosophie des Geistes stellt in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. Auch in ihr müssen die systematischen und die philosophiehistorischen Perspektiven über die Zeit hinweg aufeinander beziehbar bleiben. Die klassischen Werke bleiben somit auch in den Positionen präsent, deren Vertreter nichts mehr von ihnen wissen wollen.

[12] Problemstellungen der Philosophie des Geistes müssen aus ihrer jeweiligen Entwicklung und theoretischen Konstellation heraus konzipiert werden, ansonsten droht die Gefahr, alte Fehler aufs Neue zu begehen und bereits gemachte Entdeckungen zu wiederholen. Das schließt auch die Überprüfung von verbreiteten Annahmen zu traditionellen Positionen ein, die immer wieder zum Gegenstand von ersichtlich unzutreffenden Charakterisierungen gemacht werden – das gilt etwa für bewusstseinsphilosophische Ansätze von Descartes, Leibniz oder Kant.

Der Blick auf die Philosophie des Geistes sollte sich nicht von vermeintlich revolutionären Entdeckungen in anderen Wissenschaftsbereichen ablenken lassen. Es hat sich gezeigt, dass mit der Aufmerksamkeit, die neue Ansätze auf sich gezogen haben, Ausblendungen einhergehen, die auch vor der neuzeitlichen Geschichte der Philosophie des Geistes nicht Halt machen. Die meisten Einführungen und Sammelbände erwähnen die traditionelle Bewusstseinsphilosophie von Descartes bis zur klassischen deutschen Philosophie allenfalls beiläufig und wenig wohlwollend. Die folgenden Rekonstruktionen sind von der Überzeugung getragen, dass diese Vernachlässigung die Philosophie des Geistes nicht an der Peripherie berührt, sondern im Kern trifft.

Die weiteren Überlegungen nehmen von einer Auffassung der Philosophie des Geistes ihren Ausgang, die das thematische Spektrum der traditionellen beziehungsweise neuzeitlichen Bewusstseinsphilosophie genauso einschließt wie gegenwärtige – interdisziplinär beeinflusste – Fragestellungen. Die jeweiligen Problemstellungen und Lösungsvorschläge sollen dabei sowohl in ihrer formalen Struktur als auch in ihren philosophiegeschichtlichen Bezügen kenntlich gemacht werden. Aufgrund der gebotenen Kürze ist eine Beschränkung auf systematisch entscheidende Weichenstellungen in der Philosophiegeschichte nicht zu vermeiden. Die thematische Engführung orientiert sich an dem psychophysischen Problem und Analysen der grundsätzlichen Strukturen [13] menschlichen Bewusstseins. Schließlich soll vor dem Hintergrund der systematischen Rekonstruktionen auf neuere interdisziplinäre Herausforderungen sowie auf das noch kaum beachtete enge Verhältnis von Philosophie des Geistes und Bioethik eingegangen werden.

[14] Die Außenperspektive: Das psychophysische Problem

Erlebnisse und Ereignisse

Im systematischen Zentrum der Philosophie des Geistes steht das psychophysische Problem. Es äußert sich in der Schwierigkeit, das konkrete Verhältnis zwischen psychischen und physischen Zuständen auf theoretisch befriedigende Weise zu erfassen. Das psychophysische Problem hat im Laufe der Philosophiegeschichte unterschiedliche Ausprägungen erfahren, die sich im spannungsreichen Verhältnis zwischen Begriffen wie »Leib« und »Seele«, »Körper« und »Bewusstsein«, »physische Zustände« und »psychische Zustände« oder »Ereignis« und »Erlebnis« zeigen. Dabei ist der jeweilige semantische Zugriff für die spezifische Ausgestaltung des psychophysischen Problems von entscheidender Bedeutung. Die Begriffswahl präformiert den Gegenstandsbereich, indem sie andere semantische Optionen ausblendet und das thematische Spektrum verengt. Diese Einschränkungen können methodisch sinnvoll sein und müssen nicht von vornherein auf Eliminationen oder konstruktive Verstellungen des Phänomens menschlichen Bewusstseins hinauslaufen.

In der Geschichte der Philosophie des Geistes hat es immer wieder Grundbegriffe gegeben, die ihren Sinn und ihre Bedeutung verändert haben. Das gilt insbesondere für die Begriffe »Seele« und »Ich«, die in der Perspektive moderner Methoden der Philosophie des Geistes nur noch in metaphorischer Hinsicht anwendbar sind. Der Nachweis, dass Grundbegriffe aus semantischen und methodischen Gründen nicht länger haltbar sind, löst nicht das psychophysische Problem als solches. Wer den Begriff der Seele nicht für theoriefähig hält, hat sich nicht mehr mit einem Leib-Seele-Problem zu [15] befassen, wohl aber noch das Verhältnis von Ereignissen und Erlebnissen zu klären. Ähnliches gilt für diejenigen, die eine klare Körper-Bewusstsein-Trennung nicht mehr akzeptieren wollen. Sie müssen zwar kein Körper-Bewusstsein-Problem mehr lösen, haben aber immer noch zu zeigen, wie Erlebnisse mit Ereignissen zusammenhängen. Schließlich müssen diejenigen, die glauben, es gebe gar kein psychophysisches Problem, erklären, wie es überhaupt möglich ist, dass einige materielle Entitäten sich bewusst auf andere materielle Entitäten beziehungsweise auf eine Gesamtheit von materiellen Entitäten beziehen. Selbst die Leugnung, dass es überhaupt psychische Phänomene gebe, die nicht ausschließlich physische Ereignisse seien, kann sich nur als psychischer Zustand vollziehen.

Einen frühen Ausdruck findet das psychophysische Problem im Leib-Seele-Problem der antiken und mittelalterlichen Philosophie. Die Frage nach dem Verhältnis von Leib und Seele berührt Sachverhalte, die auch noch in der neueren Philosophie des Geistes präsent sind. Das gilt vor allem für den Umgang mit den Unterschieden zwischen psychischen und physischen Zuständen.

Die antike Philosophie bietet unterschiedlichste Ansätze auf, um das Verhältnis von Seele und Leib philosophisch zu deuten. Während Platon (428/27–348/47 v. u. Z.) eine grundsätzliche Unabhängigkeit von Leib und Seele unterstellt, ist Aristoteles (384–322 v. u. Z.) darum bemüht, zwischen beiden Bestimmungen eine Beziehung herzustellen. Ihm gilt die Seele als Prinzip der Entfaltung eines lebendigen Körpers, die aufgrund ihrer Funktion an dessen Existenz gebunden bleibt. In dieser grundlegenden Bedeutung ist die Seele noch nicht Bewusstsein. Der aristotelische Ansatz hat zwar eine lange Wirkungsgeschichte, er hat sich jedoch nicht bis in die Hauptströmungen der gegenwärtigen Philosophie des Geistes durchgehalten.

Platon und Aristoteles werden gemeinhin als Vorläufer dualistischer und naturalistischer Theorien des Geistes [16] angesehen. Daneben finden sich in der Antike atomistische oder holistische Ausprägungen des Naturalismus. Leukipp (geboren ca. 480/70 v. u. Z.), Demokrit (ca. 460–370 v. u. Z.) und Epikur (341–271 v. u. Z.) gehen davon aus, dass sich die Welt in kleinste Bestandteile mit eigenen Impulsen zerlegen lasse. Die durch Zenon von Kition (ca. 333–262 v. u. Z.) begründete Stoa orientiert sich zunächst an der Auffassung von Aristoteles, um dann eine umfassende Theorie zu entwerfen, der zufolge in Kosmos und Seele dieselben Gesetzmäßigkeiten wirksam sind.

Der Umgang mit den Unterschieden zwischen mentalen Zuständen und körperlichen Ereignissen ändert sich in der neuzeitlichen Philosophie grundlegend. Der neue Ansatz hängt mit der Herausbildung der modernen Erkenntnistheorie im 17. Jahrhundert zusammen, die bei der Untersuchung der Bedingungen menschlichen Erkennens die Bestimmungen des Subjekts und des Bewusstseins in das systematische Zentrum rückt. René Descartes (1596–1650) fasst diese erkenntnistheoretische Neuorientierung in der grundsätzlichen These zusammen, dass das Bewusstsein beziehungsweise der Geist leichter als der Körper zu erkennen sei.1 Er formuliert damit auf einflussreiche Weise das Körper-Bewusstsein-Problem aus der Perspektive des Bewusstseins. Im Gegensatz zu diesem Ansatz konzentrieren sich empiristische und materialistische Positionen beim Körper-Bewusstsein-Problem vorrangig auf körperliche Phänomene. Dabei spielen Vorgaben aus der zeitgenössischen Naturwissenschaft eine bedeutsame Rolle. Das gilt vor allem für die Annahme der kausalen Geschlossenheit des Raums körperlicher Wirkungen und Wechselwirkungen.

Die Zielsetzung der neuzeitlichen Erkenntnistheorie, methodisch den Anschluss an die naturwissenschaftlichen Innovationen des 17. Jahrhunderts zu suchen, wirkt sich auch auf den philosophischen Umgang mit dem menschlichen Bewusstsein aus. Traditionelle Zugangsweisen werden nur insoweit übernommen, wie sie den methodischen Standards der [17] so genannten exakten Wissenschaften nicht entgegenstehen. Damit wird eine Entwicklung wechselseitiger Beeinflussungen von Philosophie des Geistes und Naturwissenschaften eingeleitet, die sich mit einigen Unterbrechungen und methodischen Veränderungen bis heute durchhält.

Die Anfänge der neuzeitlichen Bewusstseinsphilosophie sind trotz ihrer Nähe zu naturwissenschaftlichen Problemstellungen zunächst nicht eliminativ ausgerichtet. Es wird nicht der Versuch unternommen, menschliches Bewusstsein ausschließlich dem Gegenstandsbereich zuzuordnen, den die Physik erfolgreich untersucht. Descartes nimmt in diesem Zusammenhang eine folgenreiche Unterscheidung vor: Er differenziert zwischen körperlichen und psychischen Zuständen und betrachtet sie zumindest in erkenntnistheoretischer Hinsicht als voneinander unabhängig. Während der Bereich der res extensa, der ausgedehnten Gegenstände beziehungsweise der Körper, vollständig in der Sprache der Physik identifiziert werden könne, verfüge der Bereich psychischer Phänomene über eine eigene Ausdrucksform.

Descartes’ bewusstseinsphilosophische Entdeckung besteht darin, dass Selbstreferenz in Erfahrungs- und Erkenntnisprozessen eine besondere Rolle spielt. Einem Satz wie Auf der Anhöhe steht ein Einhorn wird im Normalfall mit guten Gründen die Geltung abgesprochen. Dagegen ist der modifizierte Satz Ich glaube, dass auf der Anhöhe ein Einhorn steht – wenn er denn authentisch formuliert worden ist – richtig und kann in dieser Form von einem äußeren Beobachter nicht korrigiert werden. Ihm steht lediglich offen, den Sachverhalt zu klären, ob sich auf der Anhöhe tatsächlich ein Einhorn befindet. Der Umstand, dass jemand glaubt, auf der Anhöhe stünde ein Einhorn, bleibt von der Klärung zunächst unberührt. Die selbstreferenzielle Einstellung ist immun gegenüber Irrtümern und von einem externen Standpunkt nicht unmittelbar korrigierbar. Es besteht nur die Möglichkeit, eine Person nachträglich davon zu überzeugen, dass auf der Anhöhe kein Einhorn gestanden haben kann.

[18] Die besonderen Eigenschaften solcher Sätze über eigene psychische Einstellungen – formuliert in der ersten Person, Singular, Präsens, Indikativ, Aktiv – haben Descartes dazu bewogen, von der sachlichen und semantischen Unabhängigkeit der Begriffe »Bewusstsein« und »Körper« auszugehen. In dieser Unterscheidung findet das Körper-Bewusstsein-Problem seine Grundlegung, denn unter der Voraussetzung einer Differenz von mentalen und physischen Eigenschaften drängt sich die Frage auf, wie von der kausalen Geschlossenheit des Raums körperlicher Ereignisse ausgegangen werden kann, wenn doch andererseits Bewusstsein und Körper verschieden sein sollen.

Das Körper-Bewusstsein-Problem resultiert aus der Gegenläufigkeit einer Differenzthese, nach der Körper und Bewusstsein grundsätzlich verschieden sind, und einer Geschlossenheitsthese, der zufolge körperliche Veränderungen nach ausnahmslos naturwissenschaftlich erklärbaren Gesetzmäßigkeiten ablaufen. Wenn die Differenzthese Geltung beanspruchen kann, müsste es einige Phänomene geben, die nicht physikalistisch erklärt werden können. Gilt dagegen die Geschlossenheitsthese, können Körper und Bewusstsein nicht grundsätzlich voneinander verschieden sein und mentale Akte müssen sich prinzipiell wie physische Ereignisse vollziehen.

Die Geschlossenheitsthese verbindet sich häufig mit der Konzeption eines so genannten harten Determinismus, der in Gestalt einer grundsätzlichen Freiheitskritik auftritt. Dieser Konzeption zufolge müssen alle Handlungen letztlich als Ereignisse in einem kausal geschlossenen Raum aufgefasst werden. Die Annahme menschlicher Willensfreiheit wäre danach buchstäblich grundlos. Vor allem in weiten Bereichen der gegenwärtigen Neurophilosophie werden Geschlossenheitsthese, harter Determinismus und Kritik der Willensfreiheit in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht. Es ist versucht worden, die Gegenläufigkeit zwischen den Begriffen »Körper« und »Bewusstsein« durch die Einführung [19] einer Wechselwirkungsthese aufzuheben. Sie besagt, dass psychische und physische Zustände miteinander interagieren – was sich etwa bei Wahrnehmungen, Gefühlen und Handlungen zeigt. Der These liegt die Überzeugung zugrunde, dass in der Erfahrungswelt von Personen Bewusstsein und Körper sich wechselseitig beeinflussen. Aus dieser plausiblen Annahme ist jedoch keine vermittelnde Position zum Körper-Bewusstsein-Problem zu gewinnen. Die Wechselwirkungsthese kann nur unter der Voraussetzung einer Differenz zwischen Körper und Bewusstsein beziehungsweise einer Interaktion von Verschiedenem formuliert werden. Geht man nicht von einer solchen Differenz aus, wird lediglich der triviale Sachverhalt behauptet, dass Ereignisse wechselseitig aufeinander wirken. Wer die Wechselwirkungsthese als solche – in nichtmetaphorischer Weise – akzeptiert, unterstellt der Sache nach schon die Differenzthese.

Die Philosophie der Neuzeit reagiert auf das Körper-Bewusstsein-Problem sowohl mit dualistischen als auch mit monistischen Erklärungstypen. Während der Dualismus am Primat der Differenzthese festhält, geht der Monismus in seinen weit verbreiteten materialistischen Formen durchgängig von der Geschlossenheitsthese aus. Monistische Theorien können der formalen Struktur nach auch idealistisch ausgerichtet sein – wie sich etwa im Fall von George Berkeley (1685–1753), Johann Gottlieb Fichte (1762–1814), dem frühen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) zeigt. In systematischer Hinsicht ist der idealistische Monismus allerdings ohne Einfluss auf die gegenwärtige Philosophie des Geistes geblieben.

Eine eigentümliche Verbindung von dualistischem und monistischem Erklärungstypus findet sich bei Descartes, der gemeinhin als Begründer des neuzeitlichen Dualismus gilt. Mit seiner Theorie der res extensa entfaltet er jedoch auch Grundlagen des materialistischen Monismus. Für den Bereich der ausgedehnten körperlichen Dinge unterstellt er die Geltung eines mechanistischen Weltbildes nach Maßgabe der [20] Geschlossenheitsthese.2 Diesem Bereich müssen Descartes zufolge auch die belebten Körper zugerechnet werden. Sie seien zwar hoch kompliziert und unvergleichlich besser konstruiert als jede von Menschen hervorgebrachte Maschine, hinsichtlich ihres strukturellen Aufbaus könne aber kein grundsätzlicher Unterschied zu anderen körperlichen Dingen ausgemacht werden. Der menschliche Körper setze sich letztlich nur aus vielen nach festen Gesetzen funktional verbundenen Einzelteilen zusammen. Allerdings sieht Descartes den menschlichen Körper immerhin durch die Fähigkeit ausgezeichnet, Sprache und Vernunft zum Ausdruck zu bringen, was niemals durch andere maschinelle Vorgänge simuliert werden könne.

Es wäre insofern eine Verkürzung, Descartes ausschließlich als Begründer des neuzeitlichen Dualismus zu sehen. Vielmehr finden sich bei ihm sowohl dualistische als auch materialistische Theoriestücke. In seiner Philosophie des Geistes bleibt zwar insgesamt der dualistische Grundzug vorherrschend, er fällt aber gerade bei der näheren Bestimmung des Verhältnisses von Bewusstsein und menschlichem Körper weniger eindeutig aus, als gemeinhin unterstellt wird. Das menschliche Bewusstsein kann Descartes zufolge nicht aus den materiellen Veränderungen des menschlichen Körpers begreiflich gemacht werden, gleichwohl geht er von einem besonderen Verhältnis zwischen beiden aus. Er hebt ausdrücklich hervor, dass die Seele gerade nicht im Körper anwesend sei wie der Steuermann an Bord seines Schiffs. So könnten die für menschliche Personen eigentümlichen Gefühlsregungen ohne eine enge Verbindung zwischen ihrem Bewusstsein und ihrem Körper nicht zustande kommen.3

Bei Descartes stehen Differenz-, Geschlossenheits- und Wechselwirkungsthese letztlich unverbunden nebeneinander. Die für den Bereich der res extensa