Philosophie des Vormittags - Otto A. Böhmer - E-Book

Philosophie des Vormittags E-Book

Otto A. Böhmer

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Beschreibung

»Schlechter Stimmung zu sein ist, gerade in intellektuellen Kreisen, keine Kunst mehr, und an das Gegenteil, die Kunst sich glücklich zu schätzen, wagt man sich nur selten«, schreibt Otto A. Böhmer, und wagt es dann doch, uns von Letzterem zu berichten: vom Augenblick, in dem die Konturen der Existenz Gestalt annehmen, vom schönen Schein und dem Abenteuer Inspiration.

Auf den Spuren deutscher Geistesgeschichte wird greifbar was »formidabel ist und doch sehr vergänglich«. Ein seltsam gutes Leben.



  • Anleitung zur Kunst, sich glücklich zu schätzen
  • Wider dem Trend, schlechter Stimmung zu sein
  • Inspiriert von der deutschen Geistesgeschichte

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Seitenzahl: 41

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Otto A. Böhmer

Die Philosophie des Vormittags

Von der Kunst, sich glücklich zu schätzen

Diederichs

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Covergestaltung: Weiss | Werkstatt | München

ISBN 978-3-641-15075-4V002

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Program finden Sie unter

www.diederichs-verlag.de

Die Philosophie des Vormittags

Das unglückliche Bewusstsein, dem Hegel einige ebenso vertrackt wie behaglich anmutende Reflexionen widmete, kennen wir wohl: es passt, eigentlich immer, zur gerade herrschenden intellektuellen Befindlichkeit. Aber was ist mit dem glücklichen Bewusstsein, das, wenn überhaupt, nur am Rande oder in warnendes Bedenken gehüllt Erwähnung findet? Auch das glückliche Bewusstsein gibt es, und es gibt sich, wenn wir denn bereit sind, es anzunehmen, auch zu erkennen. Dann fühlen wir uns auf fast unheimliche Weise enthusiasmiert, die Welt hellt sich auf und mit ihr unser sorgeverwöhntes Gemüt. Wer sind inspiriert, fast ergriffen – ein Zustand, den Nietzsche in der Fröhlichen Wissenschaft so beschrieb: »Man zog ein Gesicht dazu wie zu einem Gebet, und hielt den Schritt an,ja man stand stundenlang auf der Straße still, wenn der Gedanke ›kam‹ ... So war es der Sache ›würdig‹.«

Die Einsichten, die sich aus dem Zuspruch des glücklichen Bewusstseins ergeben, sind unterschiedlich intensiv, so wie auch die Gefühle, die uns zusetzen, unterschiedlich intensiv sind. Entsprechend fallen die Wertungen aus, die wir mit ihnen verbinden; wir hätten es gern groß und heftig, haben indes, begründeterweise, Angst davor und sind zuletzt froh und dankbar, wenn wir es überhaupt noch schaffen, fortzukommen von den gewöhnlichen Beschwernissen, vom unspektakulären Lasten- und Leidensdruck, vom Missmut des Positiven, und sei es nur für den einen erfüllten Augenblick, der vorgesehen ist für das absolute Genügen, für Entrückung und Klarsichtigkeit ohne Ich. In der Geistesgeschichte waren es meist die intensiven Erleuchtungen, die von sich reden machten; leidenschaftliche Zumutungen, Blitzeinschlag im Kopf, Einflüsterungen auf Dauer und Widerhall, die das Wahre, »das Licht einer wunderbaren Einsicht« erahnen ließen. Das Ganze vollzog sich ungestraft und durfte nur unwiderstehlich sein: »Eine wahrhaft beglückende, entrückende, zweifellose und gläubige Inspiration«, glaubt der Teufel in Thomas Manns Doktor Faustus versprechen zu können, »eine Inspiration, bei der es keine Wahl, kein Bessern und Basteln gibt, bei der alles als seliges Diktat empfangen wird, der Schritt stockt und stürzt, sublime Schauer den Heimgesuchten von Scheitel zu den Fußspitzen überrieseln, ein Tränenstrom des Glücks ihm aus den Augen bricht.« Solch massive, vor Gedankengewalt nicht zurückschreckende Einwirkung hatte schon Nietzsche beschworen, von dem Thomas Mann bekanntlich viel hielt, und dem glücklichen Bewusstsein elektrisierende Kraftmeierei bescheinigt: »Man hört nicht, man sucht nicht«, heißt es in Ecce Homo, »man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeiten, in der Form ohne Zögern – ich habe nie eine Wahl gehabt. Eine Entzückung, deren ungeheure Spannung sich mitunter in einen Tränenstrom auslöst; bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt, bald langsam wird; ein vollkommenes Außer-sich-sein mit dem distinktesten Bewusstsein einer Unzahl feiner Schauder und Überrieselungen ...; eine Glückstiefe, in der das Schmerzlichste und Düsterste nicht als Gegensatz wirkt, sondern als bedingt, als herausgefordert ... Alles geschieht im höchsten Grade unfreiwillig, aber wie in einem Sturme von Freiheits-Gefühl, von Unbedingtsein, von Macht, von Göttlichkeit ... Es scheint wirklich, um an ein Wort Zarathustras zu erinnern, als ob die Dinge selber herankämen und sich zum Gleichnisse anböten.«

Das glückliche Bewusstsein indes muss nicht immer an seine Grenzen geführt werden, es hat sehr gern auch mit eher unspektakulären Gedankenmanövern zu tun: Sie ergeben sich wie beiläufig, kommen von Stimmungen her, von Erlebnissen, die solange Haltung annehmen, bis sie ihre Folgerungen anmahnen und Vollzug melden können; ein Geschehensverlauf, der notwendig anmutet und, in der Rückschau, gleichwohl von Freiheit und Abenteuer kündet. Es ist eine Zeit des schönen Scheins, die vom glücklichen Bewusstsein gewährt wird; wenn sie kommt, sollten wir sie für uns nutzen und zur tragenden Idee werden lassen: »Denn eine Idee: das bist du; in einem bestimmten Zustand«, lässt Robert Musil seinen Mann ohne Eigenschaften sagen. »Irgend etwas haucht dich an; wie wenn in das Rauschen von Saiten plötzlich ein Ton kommt; es steht etwas vor dir wie eine Luft-Spiegelung; aus dem Gewirr deiner Seele hat sich ein unendlicher Zug geformt, und alle Schönheiten der Welt scheinen an seinem Wege zu stehn. Das bewirkt oft eine einzige Idee.«

Schlechter Stimmung zu sein ist, gerade in intellektuellen Kreisen, keine Kunst mehr, und an das Gegenteil, die Kunst, sich glücklich zu schätzen