Phoebe - Eine Straßenhündin checkt ein - Uwe Krauser - E-Book

Phoebe - Eine Straßenhündin checkt ein E-Book

Uwe Krauser

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Beschreibung

Phoebe, eine clevere, sehr liebenswerte Terrier-Mischlingshündin, findet nach einer langen Zeit in einem kroatischen Tierheim ein neues Zuhause in einem niederbayerischen Dorf. Sie wird dort ab sofort mit zwei männlichen Hotelbesitzern leben und hat die beiden schon nach kürzester Zeit ziemlich gut im Griff. Sie erzählt vom ersten Jahr in ihrer neuen Heimat, welches voller Begegnungen und Erlebnisse steckt, mit denen sie den Leser zum Lachen, Nachdenken aber manchmal auch zum Weinen bringt. Phoebe findet sehr schnell zwei Freunde: den übergewichtigen Mops Hector und die sanftmütige Mischlingshündin Flora, mit denen sie einige spannende Abenteuer zu bestehen hat. Die beiden Hunde helfen ihr, die täglichen Herausforderungen in der Welt der manchmal doch recht komplizierten Menschen zu meistern und ihr Verhalten ein wenig nachvollziehen zu können. Die unterschiedlichsten Personen kreuzen den Weg der schwulen Hotelbesitzer samt Hotelhund und sorgen dafür, dass ihr Leben nicht langweilig wird. So lernt Phoebe z.B. Uwes Schwiegermutter kennen, die so gar nicht den Vorstellungen der kleinen Hündin entspricht, während sie von dem recht einfach gestrickten Ehepaar Marilyn und Dieter aus dem tiefsten Ruhrpott hellauf begeistert ist. Auch der Hotelalltag, samt nicht immer ganz einfachen Gästen, sorgt für reichlich Abwechslung und es ergeben sich einige unglaubliche Situationen.

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Der Autor

 

 

Uwe Krauser wurde 1971 in der Nähe von Köln geboren und betreibt mit seinem Mann Oliver seit 14 Jahren ein kleines, mehrfach ausgezeichnetes Hotel in den Untiefen des Bayerischen Waldes:

www.montarasuites.de

Der gelernte Erzieher lebte viele Jahre in Spanien, hat seine Heimat jedoch im beschaulichen Ferienort Bodenmais gefunden, wo er die Liebe zur Natur entdeckte.

Er hat mit Phoebe und Layla zwei Straßenhunde aus dem Ausland adoptiert, die ihn zu seinen beiden Romanen „Phoebe - Eine Straßenhündin checkt ein“ und „Layla – Heldin auf vier Pfoten“ inspiriert haben.

 

 

 

 

Prolog

 

 

Ich habe Angst, ich habe ganz schreckliche Angst.

Was ist das für ein Rascheln und Knistern?

Es ist so dunkel hier drin und ich habe kaum Luft zum Atmen.

Ein warmer, weicher Körper liegt neben mir, doch er bewegt sich nicht.

Bilder und Erinnerungen flackern kurz auf, in denen ich böse Augen sehe und einen großen Holzknüppel, der niedersaust.

Ich habe solche Angst, ich muss hier raus!

Mit letzter Kraft versuche ich mich zu befreien, trete mit meinen kleinen Pfoten wild um mich.

Ich spüre einen leichten Luftzug, er riecht fürchterlich, doch kann ich endlich wieder atmen.

Langsam, viel zu langsam befreie ich mich aus meinem seltsamen Gefängnis und weiß nicht, wo ich bin.

Überall raschelt es, bunte Fetzen fliegen an mir vorüber.

Ich sehe einen kleinen Jungen, der auf mich zuläuft und mich mit großen Augen anschaut. Er streckt seine winzigen Hände nach mir aus und ich versinke im dichten Nebel der erlösenden Dunkelheit ...

 

 

 

 

 

 

Ein Jahr danach …

 

Mein großer Tag!

 

 

Traurig sitze ich auf dem kalten Betonboden in der hintersten Ecke des Hundezwingers. Ich schaue auf die Erde und versuche das wilde Bellen um mich herum zu ignorieren.

Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wie ich hierhergekommen bin, doch weiß ich, dass dieser große Raum mit den vielen Käfigen, dieser Ort, an dem die Sonne niemals scheint, schon sehr lange mein Zuhause ist.

Viele andere Hunde sind in der Vergangenheit zu mir in den Zwinger gebracht worden. Einige von ihnen hatten Glück und konnten das Tierheim mit einem Menschen an ihrer Seite wieder verlassen, einige andere sind so wie ich geblieben.

Jedes Mal, wenn ein Besucher kommt, strenge ich mich ganz besonders an, einen guten Eindruck zu machen. Ich versuche dann mich ganz nach vorne an das Gitter zu quetschen, wedele freundlich mit meinem Schwanz und schaue mit treuen Augen die Menschen an, die von Käfig zu Käfig schlendern. Bisher jedoch ohne jeden Erfolg.

Nur einmal hätte es fast geklappt, als eine Frau mit ihrer Tochter zu uns kam, um einen Spielgefährten für das kleine Mädchen auszusuchen.

Ich glaube, das Kind hätte mich gerne mitgenommen, doch wollte die Mutter lieber einen größeren Hund. So haben sich die beiden dann für unseren Freddy entschieden, einen struppigen Mischlingsrüden, der wirklich sehr treuherzig schauen kann, aber der reinste Teufel in Hundegestalt ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ihn schon sehr bald wiedersehen werden, denn das war bis jetzt immer so mit ihm.

Während ich auf die Erde schaue und mich selbst bemitleide, höre ich schlürfende Schritte, die langsam auf mich zukommen.

Ich schaue auf und entdecke Wilma, die sich mit einem Stöhnen neben mir auf den Boden sinken lässt.

Wilma ist einen ganzen Hundekopf größer als ich und hat pechschwarzes Fell, das dringend einmal gewaschen werden müsste.

Die anderen Hunde haben sehr viel Respekt vor ihr, denn sie ist mit Abstand die älteste Hündin im gesamten Tierheim.

Ich mag Wilma. Obwohl sie ziemlich grimmig ausschaut, ist sie doch stets sehr nett zu mir gewesen und hat mich nicht nur einmal beschützt, wenn die anderen Hunde auf mir herumgehackt haben, nur weil ich die Kleinste von allen bin.

Sie stupst mich mit ihrer Nase an und schaut mir in die Augen. »Phoebe, du musst jetzt gut aufpassen! Ich habe gerade etwas mitbekommen, das sehr wichtig für dich ist.«

Gespannt richte ich meine Ohren auf.

»Es kommen heute zwei Menschen her, die einen von uns mit nach Hause nehmen möchten. Ich habe eben Laura, den alten Drachen, belauscht, als sie am Telefon darüber gesprochen hat. Wenn ich mich nicht verhört habe, dann sind sie extra hergekommen, um dich anzuschauen ... du weißt, was das heißt?«

Mein Schwanz macht sich selbstständig und beginnt hin- und herzuwedeln, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.

»Du musst dich gleich ganz besonders anstrengen und alles machen, was wir schon so oft zusammen geübt haben, wenn du hier raus willst.«

Wilma hebt den Kopf und wirft mir einen liebevollen Blick zu. »Kleines, das ist deine Chance. Heute kann endlich dein großer Tag werden.«

Gespannt sitzen wir Hundehintern an Hundehintern in unserem überfüllten Zwinger und warten auf die Menschen, die mich anschauen möchten, als es mit einem Mal unruhig um uns herum wird. Es wird laut gebellt, einige Hunde springen aufgeregt an die Gitterstäbe, um sich einen guten Platz zu sichern.

Ich stelle meine Ohren auf und da höre ich auch schon die langsamen Schritte vor der Türe, die unseren Raum von dem Rest der Welt trennt.

Schnell zwänge ich mich an den anderen, zumeist viel größeren Hunden vorbei, werde unsanft zur Seite gedrückt, böse angeschaut, doch schaffe ich es schließlich, mich bis zum Gitter des Zwingers durchzukämpfen.

Gebannt schaue ich zu der schweren Eingangstüre, als diese sich knarrend öffnet und herein kommt Laura, die Chefin des Tierheims. Zwei große Männer folgen ihr.

Mit angehaltenem Atem schaue ich mir die beiden fremden Menschen an, die zuerst verunsichert in der Türe stehenbleiben, bevor sie langsam weitergehen.

Das erste was mir auffällt, sind die traurigen Augen des blonden Mannes, der gerade neben einem der Käfige zum Stehen kommt und hilflos seine Finger vor dem Körper verknotet.

»Kommst du rein und guckst du in Ruhe. Ich nix habe schlechte Tiere hier, sein alle schön und gesund. Nix wie in anderes Heim in Nachbarort.« Stolz tritt Laura zur Seite und deutet mit ihrer Hand auffordernd durch den Raum.

Schockiert schauen die beiden Männer in die vielen Hundeaugen, die ihnen sehnsüchtig entgegenblicken.

Der Mann mit dem traurigen Blick kommt langsam näher, seine Stimme ist nur ein leises Flüstern.

»Scheiße, so schlimm habe ich mir das alles hier nicht vorgestellt. Wie viele Hunde haben die denn um Himmels willen in die kleinen Zwinger gesperrt, und was ist das für ein schrecklicher Gestank?«

Laura hört nichts von dem, was der Mann gerade gesagt hat. Sie ist voll und ganz damit beschäftigt, eine Zigarette aus ihrer Packung zu fischen und sich diese anzustecken. Wilde Schimpfworte verlassen ihren verkniffenen Mund, als das Feuerzeug nicht sofort funktionieren will.

Langsam gehen die beiden Besucher an den Käfigen vorbei und bleiben genau dort stehen, wo ich gerade wild hechelnd auf der anderen Seite der Gitterstäbe sitze. Ein liebevolles Lächeln erreicht die Lippen des blonden Mannes, als er mich erblickt. Er schaut mit einem leichten Kopfnicken zu dem zweiten Mann und bückt sich vorsichtig zu mir herab.

»Oliver, schau nur, das muss Phoebe sein.

Die Kleine ist ja noch viel hübscher als auf den Fotos, die wir gesehen haben.«

Laura pustet lustlos ein paar Rauchkringel in die Luft.

»Ist nix gutes Hund, ist kleiner Kläffer, nix gut zu andere Hunde.« Sie schaut nach links und rechts, bevor sie mit verschwörerischer Miene leise flüstert: »Hinten ich habe deutsches Schäferhund. Ist schönes Hund. Mache gutes Preis für dich, sehr gutes Preis. Hat nix Papiere, aber ist egal, ist richtiges Hund, nicht kleines Frettchen, so wie das da. «Sie zeigt mit dem Finger in meine Richtung und schaut mich voller Verachtung an.

Empört werfe ich Laura einen grimmigen Blick zu, den sie jedoch ignoriert.

Der Mann, der nun verunsichert zu sein scheint, steckt einen Finger durch das Gitter, an dem ich sogleich begeistert schlecke.

»Ich will aber doch gar keinen Schäferhund haben.« Fragend schaut er den zweiten Mann an, der neben einem Zwinger voller Junghunde steht, die ihn freudig anbellen.

Er hat sehr breite Schultern und keine Haare auf dem Kopf, seine Augen sind von Falten umrundet, die ihn sehr fröhlich aussehen lassen.

Er schaut Laura an und spricht mit fester Stimme.

»Wir sind eigentlich hier, weil wir uns in die kleine Phoebe verguckt haben. Können wir sie bitte einmal aus der Nähe anschauen? Ich meine, könnten Sie den Hund für einen Moment aus dem Zwinger herauslassen?«

»Du müssen selber wissen, nix ist meine Geld!« Laura zuckt mit den Schultern, steckt den Zwingerschlüssel in das Schloss und kurz darauf bricht das absolute Chaos aus.

Die Türe ist noch nicht komplett geöffnet, als sich die ersten Hunde hechelnd auf den Mann stürzen, der immer noch vor meinem Zwinger hockt.

Es wird gekläfft, gehechelt, seine Hände werden abgeschleckt.

Mia, eine besonders clevere Mischlingshündin, schmeißt sich auf den Rücken und lässt sich den Bauch kraulen, dabei drängt sie zwei andere Hunde, die ebenfalls ihre Chance gewittert haben, rücksichtslos zur Seite.

Entsetzt stehe ich noch immer hinter der Zwingertüre und kann kaum fassen, was ich da mitansehen muss. Mit einem Mal wird mir klar, dass ich mir schnell etwas einfallen lassen sollte, wenn ich endlich von diesem schrecklichen Ort verschwinden will.

Mit einem beherzten Kläffen renne ich aus dem Zwinger und stürze auf den blonden Mann zu, der sich vor lauter Hundezuneigung kaum noch auf den Beinen halten kann.

Ich nehme Anlauf, mache einen riesigen Satz über meine Konkurrenten hinweg und lande genau auf dem Bauch von Mia, die mir ärgerlich Platz macht, nicht ohne mich vorher grimmig anzuknurren.

Vorsichtig schaue ich nach oben, als ein warmer Blick meine Augen trifft.

Die Zeit scheint für einen wunderbaren Moment lang stehen zu bleiben. Ein wohliges, mir bisher unbekanntes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus und ich weiß ganz, ganz tief in mir, dass ich endlich den Menschen gefunden habe, zu dem ich gehöre.

Scheinbar beruht dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit, denn ich entdecke ein Glitzern in den liebevollen Augen, die immer noch auf mich herabblicken.

»Vielen Dank Laura, ich muss mir keinen anderen Hund mehr anschauen, ich habe mich bereits entschieden.« Sanft streichelt er mir über den Kopf und dreht sich zu dem zweiten Mann um, der zufrieden lächelt.

»Oliver, darf ich vorstellen: Das ist mein neuer Hund, das ist meine kleine Phoebe!« Seine Stimme zittert leicht, als er mich vorsichtig an sich drückt. Ein paar Tränen suchen sich ihren Weg und landen auf meinem Rücken.

Der Mann namens Oliver streckt die Hand aus und krault mir ganz vorsichtig die Ohren, er strahlt über das ganze Gesicht.

»Ich denke, da haben sich die zwei Richtigen gefunden. Wir sollten jetzt ganz schnell nach Hause fahren und den Zwerg hier mitnehmen.«

Laura hat mittlerweile die anderen Hunde zurück in den Zwinger getrieben und marschiert in unsere Richtung.

»Gut, gut, dann ich mache fertig Papiere in Büro. Ich nix verstehe. Hättest du haben können schönes deutsches Schäferhund zu gutes Preis.«

Sie mustert mich mit ihren kalten Augen, während sie die Türe öffnet und uns hinaus begleitet.

Ich drehe mich ein letztes Mal um und schaue zu den vielen anderen Hunden zurück, schaue zu der alten Wilma, die mir einen traurigen Blick zuwirft. Hoffentlich hat sie bald auch so viel Glück wie ich und findet den Menschen, zu dem sie gehört.

Die Türe schließt sich mit einem lauten Knall und auf geht es in mein neues Leben.

Ein neues Zuhause

 

 

Die Formalitäten sind schnell erledigt und Laura gibt den beiden Menschen noch ein paar »wertvolle« Tipps zur Hundeerziehung mit auf den Weg.

»Wenn kläfft kleiner Hund oder ist nicht brav, schlägst du mit Leine ganz fest auf Po, das wirken immer. Oder gibst du zwei Tage kein Essen, nur Wasser, damit Hund wissen, dass er nicht gutes Hund war und wieder brav.«

»Vielen Dank für die Ratschläge, ähm, ja, also ich denke, dass wir schon irgendwie klarkommen werden mit der Kleinen hier ...«, der blonde Mann rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. «Sie ist nicht unser erster Hund, wissen Sie. Wir sollten jetzt auch so langsam aufbrechen, wir haben noch eine ziemlich weite Fahrt vor uns.«

Bevor Laura noch weiter ausholen kann, verlasse ich zum Glück mit Oliver und Uwe, so heißen meine zwei neuen Menschen, das Tierheim und denke noch einmal zurück an die liebe Wilma, die mir so oft zur Seite gestanden hat.

 

Wir gehen gemeinsam zum Parkplatz und ich darf zum ersten Mal in meinem Leben in einem Auto fahren, was mich von meinen traurigen Gedanken ablenkt.

Als die Autotüre geöffnet wird, entdecke ich auf der Rückbank einen weichen, gemütlichen Korb mit einer flauschigen Decke darin.

Einen Moment lang kann ich nichts anderes tun, als glücklich mit dem Schwanz zu wedeln, denn so etwas Schönes habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.

Vorsichtig schaue ich die beiden Männer an und springe dann mit einem Satz ins Auto, um es mir zufrieden schnaubend auf der wunderschönen Decke gemütlich zu machen.

»Ich glaube, der Korb gefällt ihr, schau nur!« Uwe strahlt in meine Richtung.

»Teuer genug, war das Ding ja auch!« Oliver grinst, während er sich noch einmal zu dem Tierheim umdreht. »Wir sollten jetzt aber endlich losfahren. Ich habe nämlich das blöde Gefühl, dass die gute Dame uns ihren Schäferhund sonst doch noch irgendwie unterjubelt.«

Meine beiden Menschen schauen sich mit einem Lächeln an, und kurz darauf verlassen wir den Ort, der viel zu lange meine Heimat gewesen ist.

 

Die Fahrt dauert einige Stunden, doch das macht mir überhaupt nichts aus.

Ich rutschte zufrieden in dem gemütlichen Korb von einer Seite zur anderen, schaue neugierig aus dem Fenster und mustere zwischendurch immer wieder die beiden Männer, die mich mit in ihr Zuhause nehmen wollen.

Einmal halten wir an und ich soll aus dem Auto aussteigen, um ein »Geschäft« zu machen.

Leider weiß ich nicht, was das genau heißen soll, weswegen ich unsicher im Auto sitzen bleibe und mich nicht von der Stelle rühre. Also fahren wir kurz darauf weiter.

Nachdem wir an unendlich vielen Wäldern, Häusern und Wiesen vorbeigekommen sind, hält das Auto an. Es scheint, als hätten wir unser Ziel erreicht.

Gespannt schaue ich aus dem Fenster und erblicke ein weißes Haus mit bunten Blumen auf den Fensterbänken.

»Willkommen daheim!«, sagt Oliver strahlend zu mir und öffnet die Autotüre.

Skeptisch schaue ich ihn an und traue mich nicht so recht, das sichere Auto zu verlassen. Erst als mir Uwe, der ab sofort mein neues Herrchen sein soll, eine Leine anlegt, springe ich hinaus.

Langsam gehen wir ein paar Treppen hinauf und betreten eine große Wiese. Ich bin begeistert und würde am liebsten gleich hierbleiben, um ein paar Löcher zu buddeln und mein neues Revier ausgiebig zu markieren. Mein Herrchen zieht mich jedoch vorsichtig an der Leine mit in das Haus hinein. Mit gesenktem Kopf schleiche ich durch die vielen Räume, schaue mir mit großen Augen alles ganz genau an.

Meine Nase kribbelt wie verrückt, wegen der vielen fremden Düfte, die ich in jeder Ecke des Hauses entdecke. Ich kann gar nicht mehr aufhören über den Boden zu schnüffeln.

Ich kannte bisher eigentlich nur den Geruch aus dem Tierheim, wo es wie in einem riesengroßen Hundeklo gestunken hat. Hier duftet alles so wunderbar, dass ich es kaum fassen kann.

Während ich mein neues Zuhause genauestens inspiziere, haben sich meine beiden Menschen leise an einen Tisch gesetzt und beobachten jede meiner Bewegungen mit gespanntem Blick. Sie sehen dabei aus, als würden sie zwischendurch immer wieder vergessen Luft zu holen.

Hinter einer Türe, die halb geöffnet ist, entdecke ich einen Raum mit einem großen, hohen Schlafplatz und einem Körbchen daneben.

Ich bleibe stehen und schaue von der Schlafstätte zum Korb und wieder zurück. Ich denke für einen Moment ganz scharf nach und frage mich, für wen wohl der Korb gedacht ist. Kann es sein, dass ich nicht der einzige Hund in diesem Haus bin? Dass mein Platz ganz oben auf dem gemütlichen Schlafplatz ist, steht für mich in diesem Moment völlig außer Frage.

Voller Vorfreude mache ich einen Satz hinauf, um schon einmal Probe zu liegen. Uwe kommt grinsend auf mich zu, tätschelt mir den Kopf und hebt mich vorsichtig hoch.

»Hier ist dein Hundebett, kleine Phoebe!«, sagt er liebevoll und setzt mich in den weichen, runden Korb, der auf dem Boden steht.

Ich halte das für einen sehr großen Irrtum, und mit einem Sprung sitze ich wieder auf der Schlafstelle, um mein neues Herrchen von dort treuherzig anzustrahlen.

»Unser Bett scheint dir aber gut zu gefallen!« Lächelnd nimmt er mich auf den Arm, krault mir über den Rücken, um mich kurz darauf wieder eine Etage nach unten zu verfrachten.

Ich fürchte, dass ich härtere Geschütze auffahren muss, wenn ich den Platz haben möchte, der mir zusteht. Leise vor mich hingrummelnd wappne ich mich für den nächsten Kampf, den wir sicherlich später noch austragen werden.

 

Bald ist es dann auch soweit.

Nach einem sehr leckeren Abendessen, das Oliver aus einer bunten Dose extra und nur für mich herausgelöffelt hat, gehen wir zu Bett.

Selbstverständlich zögere ich nicht lange, hüpfe beherzt nach oben und schaue Uwe mit meinem - Ich trage so viel Elend auf meinen kleinen Schultern und auch ansonsten bin ich das ärmste Wesen der Welt - Blick an, den mir die alte Wilma im Tierheim schon vor langer Zeit beigebracht hat.

Nicht mehr ganz so grinsend wie noch kurz zuvor hebt mich Uwe energisch vom Bett herunter und setzt mich in den Korb. »Ein Hund hat im Bett nichts zu suchen«, bemerkt er mit strenger Stimme, doch aus dem Augenwinkel sehe ich ein leichtes Grinsen, das sich in Olivers Mundwinkel geschlichen hat - die Schlacht ist also noch nicht komplett verloren.

Grübelnd liege ich neben dem Bett und frage mich erneut, was zu tun ist, bis mir eine großartige Idee kommt. Ich werde versuchen meinem Herrchen ein furchtbar schlechtes Gewissen zu machen, das wird ganz bestimmt funktionieren.

Mit hängenden Schultern und todtraurigem Hundeblick, den mir Wilma ebenfalls beigebracht hat, verlasse ich den Korb und schleiche vor mich hinjammernd in den Flur.

Dort liege ich wie ein Häuflein Elend und beginne ganz leise zu jaulen. »Dabei ist die richtige Dosis entscheidend«, erinnere ich mich an Wilmas gutgemeinten Rat.

»Was hat sie denn nur?«, höre ich Uwe fragen. »Warum bleibt sie denn nicht bei uns?«

»Wahrscheinlich ist sie eingeschnappt, weil sie nicht im Bett liegen darf. Sie kommt sicher gleich zurück«, vermutet Oliver.

»Hoffentlich hast du recht.«

Ich höre Papier rascheln, Seiten werden umgeblättert.

Eine kurze Zeit vergeht, bis Uwe sein Buch zur Seite legt. »Irgendetwas stimmt da nicht - vielleicht vermisst sie ihre Freunde aus dem Tierheim.« Seine Stimme ist mittlerweile ziemlich wacklig.

»Aber klar doch, besonders diese Trulla mit der Kippe im Mund, die Phoebe mit Zuneigung geradezu überhäuft hat, wird sie ganz sicher in ihr Nachtgebet einschließen.«

Ich denke, da meint Oliver wohl Laura, die Chefin aus dem Tierheim, die ich ganz bestimmt nicht vermissen werde.

Weitere Minuten verstreichen. Langsam werde ich unsicher, ob mein Plan wirklich noch funktioniert. Ich rolle mich auf die Seite und wimmere etwas lauter.

»Oliver, ich werde kein Auge zumachen, solange das arme Tier völlig schutzlos und verlassen im kalten Flur liegt.«

Uwe steht auf und kommt zu mir. Vorsichtshalber jammere ich noch einmal herzerweichend und schaue ihn verzweifelt aus meinen treuen Hundeaugen an.

»Komm, mein Schatz! Das Bett ist so groß und du bist so klein, da werden wir wohl ein Plätzchen für dich finden.«

Er trägt mich zurück ins Schlafzimmer, legt mich in eine Kuhle am Fußende und beginnt mir den Bauch zu kraulen. Alle drei schauen wir nun glücklich und zufrieden aus, bis Oliver anfängt zu grinsen.

»Ein Hund hat im Bett also nichts zu suchen … soso! Ich denke, wir werden noch sehr viel Freude mit dem kleinen Teufel haben!«

Während ich überlege, was er damit wohl meint, strecke ich mich erleichtert aus und freue mich schon jetzt auf den nächsten Morgen.

Hector

 

 

Die ersten Tage in meinem neuen Heim sind vergangen und ich fühle mich schon jetzt pudelwohl in dem großen, weißen Haus mit dem schönen Garten.

Die täglichen Spaziergänge mit meinen beiden Herrchen gefallen mir besonders gut. Ich bin begeistert, wie viele wundervolle Dinge es zu entdecken gibt, die mir in meinem bisherigen Leben verborgen geblieben sind.

Heute steht mir ein ganz besonderes Erlebnis bevor, denn ich soll eine Freundin von meinen beiden Menschen und ihren großartigen Hund kennenlernen.

»Phoebe, komm her! Wir gehen Gassi mit Hector!« Uwe nimmt die Leine von einem Haken an der Wand und schlüpft in seine dicke Jacke.

Aufgeregt renne ich zu ihm und springe wie ein Flummi auf und ab. Ich freue mich riesig, denn Hector ist bestimmt ein wilder Hund, mit dem ich den Wald unsicher machen kann.

Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt kann ich vor lauter Neugierde kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Sicher ist Hector ein Schäferhund, oder am Ende sogar ein Rottweiler ... Meine Gedanken überschlagen sich geradezu und ich zerre Uwe an der Leine hinter mir her, was für ein sechs Kilo schweres Hundemädchen eine beachtliche Leistung darstellt.

Nachdem wir eine breite Straße, auf der die Autos in hohem Tempo an uns vorbeifahren, überquert haben, erreichen wir endlich unser Ziel ... Doch wo ist dieser Hector?

Ich kann lediglich eine sehr hübsche, blonde Frau in einem weißen, flatternden Kleid entdecken. An ihrer Leine, auf der viele bunte Steinchen glitzern, hängt ein kleiner, fetter Mops.

»Anna, schön dich zu sehen!« Mein Herrchen stürmt auf das seltsame Paar zu und drückt die blonde Frau an seine Brust. »Und mein kleiner Lieblingsmops ist ja auch dabei. Hallo Hector, du alter Haudegen!«

Entgeistert schaue ich Uwe an und glaube mich verhört zu haben.

DAS ist Hector? DER Hector, mit dem ich den Wald auf links krempeln will? Ich kann es kaum fassen.

Ehe ich die Überraschung auch nur halbwegs verkraftet habe, kommt die blonde Frau auf mich zu und tätschelt mir über den Kopf. »Du hast nicht übertrieben, mein lieber Uwe. Die Kleine ist eine wahre Schönheit. Hat sie sich denn schon bei euch eingelebt?«

»Ich habe den Eindruck, dass es ihr ganz gut bei uns gefällt und sie den vielen Platz, den sie jetzt hat, sehr genießt.«

Annas Lippen verziehen sich zu einem Schmunzeln.

»Oh ja, ich hörte bereits davon. Euer gemütliches Bett scheint es ihr besonders angetan zu haben.«

Grinsend zuckt mein Herrchen mit den Schultern. »Tja, ich fürchte da hat mich das kleine Luder ordentlich ausgetrickst.«

Während sich die beiden Menschen vergnügt unterhalten, schlurfen Hector und ich langsam nebeneinander her und beäugen uns kritisch.

Der kleine Mops ist nicht nur kugelrund, sondern hat auch noch einen schrecklichen Überbiss, der seinen Gesichtsausdruck äußerst seltsam wirken lässt.

Ich frage mich gerade, wer der hübschen Anna diesen hässlichen Köter aufgeschwatzt hat, als er neben mir stehenbleibt und mich unverhohlen anstarrt.

Warnend hebe ich meine Lefze und lasse ein bedrohliches Knurren hören, welches mir im Tierheim nicht nur einmal meinen Platz am Futternapf gesichert hat.

Anna schaut mich erschrocken an. »Ach du lieber Gott, das hört sich ja gefährlich an. Was hat sie denn auf einmal?«

»Keine Ahnung! Vielleicht will sie mich beschützen?«

Ich glaube ein kleines bisschen Stolz in Uwes Stimme zu erkennen, als Anna losprustet. »Vor Hector? Na, die Mühe kann sie sich aber sparen.«

Mein Herrchen scheint noch nicht ganz überzeugt zu sein, er greift nach Annas Arm. »Komm, lass uns weitergehen! Die machen das bestimmt untereinander aus. Ich habe da mal sowas in einer Fernsehsendung gesehen ... glaube ich zumindest.«

Hector fixiert mich derweil immer noch mit seinen kugelrunden Augen. »Du bist dann also diese Phoebe, von der im Moment alle sprechen.«

»Und Du bist wahrscheinlich der König der Löwen!« Ich blicke ihn herausfordernd an.

»Wie kommst Du denn darauf? Ich heiße Hector und bin ein Mops«, antwortet er beleidigt.

»Wohl eher ein Rollmops!«

»Ich bin ein reinrassiger Mops mit einem erstklassigen Stammbaum, du dürres Huhn!«

Ich erstarre vor Entsetzen.

Hat dieses Furzgesicht mich gerade ein dürres Huhn genannt? Das hat noch niemand gewagt.

Wild knurrend reiße ich mich von der Leine und stürze mich mit Kampfgebrüll auf Hector.

Nur sehr kurz überrascht nimmt auch dieser Tempo auf und wir gehen aufeinander los.

»PHOEBE AUS!« Uwe rennt in unsere Richtung und versucht uns zu trennen, doch da sind wir schon im Unterholz verschwunden und legen dort erst richtig los.

Hector ist ganz schön flink für sein Gewicht, bemerke ich überrascht und beiße mich in seinem linken Ohr fest.

»Du blödes Biest, das wirst du mir büßen!« Quietschend versucht der bald einohrige Mops sich loszureißen.

Ich will etwas erwidern, doch habe ich das Maul voll und so knurre ich einfach wild, um Hector ein wenig zu beeindrucken.

Diesem gelingt es schließlich sich zu befreien und er spurtet tiefer in den Wald hinein. Ohne zu zögern nehme ich kläffend die Verfolgung auf. Hinter uns hören wir Anna und Uwe, die wütend unsere Namen brüllen, doch das ist mir gerade egal, denn ich bin noch nicht fertig mit Hector.

Doch wo ist er hin? Diesen Fleischklotz müsste ich doch überall entdecken können. Verunsichert blicke ich mich um.

Plötzlich springt Hector mit einem Riesensatz hinter einem Baum hervor. Er baut sich breitbeinig vor mir auf, versucht die schiefen Zähne zu fletschen und knurrt aus Leibeskräften. »Jetzt mache ich dich fertig, du alte Ratte!«

Amüsiert verziehe ich meine Schnauze, denn das Bild, welches sich mir bietet, ist einfach zu lustig.

Wir schauen uns in die Hundeaugen und können beim besten Willen nicht mehr ernst bleiben. Vergnügt japsend schnappen wir nach Luft.

Just in diesem Moment hechtet Uwe auf mich zu und greift nach der Leine, an der ich immer noch ausgelassen herumzapple.

Auch Anna hat uns entdeckt und erwischt Hector an seinem glitzernden Halsband. Ihr weißes Kleid hat auf der Verfolgungsjagd ziemlich gelitten, doch sie scheint erleichtert, dass sie ihren kleinen Liebling in einem Stück wiedergefunden hat.

»Böses Mädchen!«, werde ich von Uwe gerügt. »Dafür bekommst du heute kein Abendessen. Der arme, kleine Hector ... Was machst du denn nur für Sachen mit ihm?«

Grimmig schnaufend zieht er mich hinter sich her, bis wir uns wieder auf dem Wanderweg befinden und unseren Spaziergang fortsetzen.

Während wir nun nebeneinander herlaufen, schaue ich immer wieder zu Hector und muss schmunzeln, denn eigentlich ist er ein ganz netter Kerl, dieser Rollmops.

»Das war lustig!« Ich stupse ihn leicht mit meiner Nase an.

»In jedem Fall!«, findet wohl auch Hector. »Das müssen wir bald wiederholen.«

Ich denke, ich habe den ersten Freund in meiner neuen Heimat gefunden und bin gespannt, mit welchem Unsinn wir unsere Menschen in Zukunft wohl noch auf Trab halten werden.

Erste Lektionen

 

 

In den nächsten Wochen treffen wir meinen moppeligen Freund Hector regelmäßig, und ich stelle fest, dass er gar nicht so übel ist.

Ganz im Gegenteil. Ich denke, ich könnte mich sogar sehr gut an ihn gewöhnen.

An einem entspannten Vormittag, an dem uns die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen verwöhnt, haben wir uns mit Hector und seinem Frauchen zum Wandern verabredet.

Als wir unseren Treffpunkt erreichen, kommt Anna mit hochrotem Kopf auf uns zugestürmt. Sie zieht den armen Hector, der auf seinen stämmigen Beinchen kaum folgen kann, schimpfend hinter sich her.

»Uwe, endlich bist du hier! Ich kann dir sagen, ich explodiere jeden Moment! Du glaubst ja nicht, was für einen Bock mein lieber Mann schon wieder geschossen hat!«

Mein Herrchen legt eine Hand auf Annas Arm. »Was ist denn um Himmels willen passiert? Jetzt beruhige dich erst mal ein bisschen und dann erzählst du mir eins nach dem anderen.«

Anna atmet tief ein und aus, dabei wedelt sie mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. »Stell dir nur vor, als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, hat mein lieber Josef eine tolle Überraschung für mich parat gehabt. Meine herzallerliebste Schwiegermutter, die alte Krähe, hat eine Ferienwohnung für uns gebucht und wir fahren zusammen für eine Woche nach Garmisch-Partenkirchen.

Sieben Tage mit diesen Leuten unter einem Dach ... ich glaube danach können sie mich einliefern!«

Mein Herrchen schenkt seiner Freundin einen mitleidigen Blick. »Kopf hoch, Anna! So schlimm sind deine Schwiegereltern nun auch wieder nicht, vielleicht wird es ja sogar ganz nett. Und Garmisch Partenkirchen soll ja auch ein durchaus hübsches Städtchen sein - habe ich zumindest gehört.«

»Das Beste kommt erst noch, warte ab!« Anna wischt fluchend einen Käfer von ihrer Jacke, der daraufhin benommen fortfliegt. »Du weißt ja, was für ein Sparstrumpf Josefs Mutter ist. An keinem Schnäppchen kommt sie vorbei. Nicht umsonst ist sie im ganzen Ort als die geizige Gertrud bekannt. Erstaunlicherweise will sie die Wohnung für uns alle bezahlen. Da bin ich natürlich gleich hellhörig geworden, ich weiß ja wie sie am Geld hängt.«

»Aber es ist doch sehr nett von ihr, dass sie euch einladen will.«

»Nett? Du denkst das ist nett von ihr? Sie hat die Wohnung bei Lidl auf irgendeinem Flyer entdeckt. 149,- Euro kostet sie der Spaß für die gesamte Woche. Uwe, die Wohnung ist ein winziges Loch mit nur einem Schlafzimmer. Ich darf mein Nachtlager mit Josef auf einer alten Klappcouch beziehen.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, gibt es nur ein Badezimmer. Ein verdammtes Badezimmer für vier Personen! Ich bekomme schon einen Lippenherpes, wenn ich nur daran denke!

Na und rate mal, wer in der Küche stehen darf, um die Brut zu bekochen! In ein Restaurant setzt die knausrige Kuh nämlich keinen Fuß, weil ihr das alles viel zu teuer ist.«

Mein Herrchen schüttelt den Kopf. »Oh weh, das hört sich wirklich nicht nach Erholung an. Was machst du mit Hector, wenn ihr unterwegs seid?«

»Der kommt selbstverständlich mit - das wird mein einziger Trost in dieser schrecklichen Woche sein.«

Sie atmet einmal ganz tief ein und aus, bevor sie weiterspricht. »So, das musste ich einfach loswerden, … und jetzt will ich mit euch wandern!«

Anna hat zwar immer noch einen roten Kopf, doch scheint es ihr bereits ein wenig besser zu gehen. Sie bringt sogar ein kleines Lächeln zustande, als wir die Wanderung endlich beginnen.

Unser Weg führt an einem plätschernden Bach entlang und wir marschieren immer wieder durch dichte Wälder, in denen die wundervollsten Gerüche meine Nase erreichen.

Ich entdecke auf einer sonnigen Lichtung sogar ein Reh, das nur wenige Meter von uns entfernt im Gras liegt. Leider hat mein Herrchen es noch vor mir gesehen und mich dummerweise sofort angeleint, sodass ich dem fliehenden Reh nur aufgeregt hinterherbellen kann.

Nach einigen Stunden sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Während sich unsere Menschen gutgelaunt unterhalten, Anna scheint ihren Ärger zum Glück vergessen zu haben, erzählt mir Hector die aufregende Geschichte seiner Herkunft.

Mein Freund entstammt einem illegalen Tiertransport aus Polen. Er wurde mit seinen sieben Mopsgeschwistern in einem stickigen Kofferraum über die Grenze geschmuggelt und dann unter der Hand zum Verkauf angeboten.

Seine niedlichen Brüder und Schwestern gingen weg wie warme Semmeln ... nur den kleinen Hector wollte, trotz polnischem Sonderpreis, niemand mit nach Hause nehmen.

»Und das nur, weil ich schwere Knochen und schiefe Zähne habe«, traurig blickt mein Freund zu Boden.

»Wie bist du dann zu Anna gekommen?«, möchte ich wissen.

»Das war folgendermaßen«, beginnt er zu nuscheln. »Nachdem sich kein Käufer für mich gefunden hat, wollten die Tierhändler mich ganz schnell loswerden und haben mich an einer Raststätte in einen Graben geworfen. Ich hatte großes Glück, denn wie der Zufall es wollte, war Anna gerade mit ihrem Auto unterwegs und machte eine kurze Pause auf eben diesem Rastplatz.

Sie hörte mein Wimmern und entdeckte mich zwischen Zigarettenstummeln und benutzten Taschentüchern am Boden liegend.«

Ich kann mir bildhaft vorstellen, wie sich mein armer Freund gefühlt haben muss und bin gespannt, wie es weitergeht.

»Nach dem ersten Schrecken, drückte sie mich tröstend an ihre Brust und hat mich zum Glück sofort mit nach Hause genommen. Nach einem Bad, welches ich mehr als nötig hatte, präsentierte sie mich ihrem Mann Josef.«

Gebannt schaue ich Hector an, der meine Aufmerksamkeit sehr zu genießen scheint und eine kurze Pause einlegt, um die Spannung noch ein wenig zu steigern.

»Erzähl endlich weiter, ich will wissen, was Josef gesagt hat!«

»Nuuuun …«, setzt Hector langsam an, »gesagt hat er eigentlich nicht viel, stattdessen hat er wie ein Wilder geflucht und gebrüllt. Ich erinnere mich noch ganz genau an seine Worte:

Du seltendämliches Rindviech, du seltendämliches. Schleppst mir hier so einen hässlichen Köter an, spinnst du eigentlich, HERRGOTTNOCHMAL???«

Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn ich ahne wie die Geschichte weitergeht.

»Josef hat getobt, gewütet und Anna mit den schlimmsten Beschimpfungen bedacht.«

»Was hat dein Frauchen da gemacht?« Ich trippele vor lauter Spannung von einer Pfote auf die andere.

»Die hat sich auf dem Absatz rumgedreht und mich wortlos beim Josef zurückgelassen.«

»Au weia!«

»Nein, so schlimm war es gar nicht. Als er sich erst mal ein wenig beruhigt hatte, nahm er mich vorsichtig auf den Schoß und hat angefangen leise mit mir zu reden. Irgendwas wie Verdammte Weiberbrut und Der Teufel soll sie holen ist mir noch in Erinnerung geblieben.«

Er lehnt sich zurück und setzt zum Finale an.

»Als Anna wieder nach Hause kam, hockte Josef bereits mit mir auf dem Fußboden und fütterte mich mit der besten Weißwurst, die er im Kühlschrank finden konnte. Seitdem sind wir die allerbesten Freunde.«

Zufrieden leckt sich Hector über die Schnauze. Er scheint sich wohl gerade an den Geschmack der Wurst zu erinnern. »Ich bin wirklich froh, dass mich damals, als ich noch ein Welpe war, niemand mit nach Hause nehmen wollte ... Wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre.«

Er wirft seinem Frauchen einen verträumten Blick zu und hebt dann selbstbewusst seinen Kopf.

»Jetzt ist es aber genug mit den alten Geschichten. Du wirst nun die hohe Kunst der Menschenerziehung von mir erlernen!« Hector sieht in diesem Moment sehr wichtig aus.

»Die hohe Kunst der Menschenerziehung?« Ich bin skeptisch und zugleich gespannt, was er mir genau erklären möchte.

»Ja genau! Glaube mir, das wird von vielen Hunden leider komplett unterschätzt. Es gibt da ein paar Grundregeln, die du unbedingt beachten solltest. Die wichtigste Regel von allen ist Konsequenz. Sie ist das das A und O in der Menschenerziehung.«

Als Hector meinen fragenden Blick sieht, fährt er mit hochgezogenen Augenbrauen fort.

»Wenn dich dein Herrchen zum Beispiel zu sich ruft, dann darfst du niemals, wirklich niemals, gleich beim ersten Mal gehorchen, damit verwöhnst du deine Menschen nur unnötig. Schau zu und lerne vom Meister!«

Und schon saust Hector in einem Tempo, das ich ihm gar nicht zugetraut hätte, auf die Hauptstraße zu.