Pillendreher - LiLo Seidl - E-Book

Pillendreher E-Book

LiLo Seidl

0,0

Beschreibung

"Pharmaskandal in Nürnberg!" Hochsommer, brüllende Hitze und bei Kathi Starck stapeln sich die Leichen. Zwei Männer starben durch das Migränemedikament NYX672, das illegal in Umlauf kam. Angeblich wurde die Testcharge wegen folgenschwerer Nebenwirkungen im Tierversuch komplett vernichtet, so der Nürnberger Hersteller NyxPHarm. Wer hat die Pillen beiseitegeschafft und zermahlen als neutrale Kapseln verkauft? Bei einem toten Junkie findet man Originalpillen mit Herstellerprägung, der Skandal ist perfekt! NyxPHarm vermutet einen Rachefeldzug des Schweizer Konkurrenten Guyger. Der Grund: Ein gewonnener Prozess um die Formel eines Alzheimer-Medikaments, das den Nürnbergern einen Milliardengewinn bescherte. Im Laufe der Ermittlungen kommt ein Labormitarbeiter zu Tode - Selbstmord oder Mord? Eine heiße Spur führt Nürnbergs Top-Kommissarin in die Vorstandsetage von NyxPHarm. Macht einer der Manager gemeinsame Sache mit den Schweizern? Kathi Starck macht Jagd auf geldgierige Pharmazeuten und rachsüchtige Dealer, lüftet nebenbei Affären und gerät auf falsche Fährten. - Pillendreher, total verdreht!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 327

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gift in den Händen eines Weisen ist ein Heilmittel, ein Heilmittel in den Händen des Toren ist Gift.

Giacomo Girolamo Casanova (1725 - 1798)

INHALT

H

IMMELFAHRT

E

IN

H

AI AM

W

ÖHRDER

S

EE

P

ILLENSCHLUCKER

P

ILLENDREHER

M

IESES

P

HARMA

-K

ARMA

T

RIGGERPUNKTE

A

DRENALIN

– S

WISS

M

ADE

R

UMBLE IN

G

O

H

O

W

IE MANS DREHT UND WENDET

H

ÖHENFLÜGE

A

NHANG

HIMMELFAHRT

Fish öffnete die Augen. Völlig losgelöst blickte er in den Sternenhimmel, Myriaden glitzernder Punkte in einer schwarzen Unendlichkeit. Wow!, dachte er. Und das mit so ner heißen Braut! Vorhin beim Open Air, als Ann ihn geküsst und seine Hand unter ihr Minikleid zu ihrem knackigen Po dirigiert hatte, wäre er vor Erregung beinahe zersprungen. Er hätte es an Ort und Stelle mit ihr treiben können, aber nicht vor Hunderten von Zuschauern. Er kannte diese Stelle an der Badebucht, hinter schützendem Gebüsch und teilweise von hohem Schilf gesäumt. Kaum angekommen, hatte Ann ihn zu Boden gedrückt, seinen ›Best Buddy‹ ausgepackt und ihm einen Blowjob verpasst, der ihn beinahe auf den Mount Everest katapultierte.

Fette Gitarrenriffs und harte Drum-Beats drangen aus der Ferne zu ihm. Er spürte, wie Ann langsam zu ihm heraufkroch, ihr schönes Gesicht schob sich vor die Sterne.

Er sah sie fordernd an. »Küss mich!«

Sein Mund, danach gierend, öffnete sich wie von selbst, ungestüm presste sie ihre Lippen darauf. Seine Zunge suchte die ihre, doch ihre Zähne schnappten danach und holten sie heran, sie saugte sich förmlich fest. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Ann von ihm.

Keuchend holte Fish Luft und streichelte mit beiden Händen zärtlich ihre Wangen. »Du bist der Oberhammer, Baby! Wo hattest du dich die ganze Zeit versteckt?«

Ann lächelte verführerisch. »Wird nicht verraten.«

Fish setzte sich auf und holte ein kleines, zum Quadrat gefaltetes Alu-Päckchen und ein Feuerzeug aus der Gesäßtasche seiner Cargo-Shorts, aus der größeren Beintasche eine handliche Edelstahlbox. Ihr Inhalt: Einmalspritzen und -Kanüle, eine Venenstaubinde, Desinfektionstücher und Zitronensaft in Portionsbeuteln.

Ann legte den Kopf schief. »Willst du dir jetzt nen Schuss verpassen?«

Er zwinkerte ihr zu. »Wonach sieht es wohl aus, Baby?«

»Schniefe es lieber, das geht schneller.«

»Bin doch kein Anfänger. Willst du auch?«

»Nö.«

Routiniert und voller Euphorie auf einen noch größeren Kick, riss Fish einen der Portionsbeutel mit den Zähnen auf und gab den Saft auf das weiße, kristalline Pulver in der Alufolie. Er erhitzte alles gleich darin, zog die Flüssigkeit in die Spritze und steckte die Kanüle darauf. Dann legte er die Staubinde an und desinfizierte seine linke Armbeuge. Die Nadel fand auf Anhieb ihr Ziel. Bald kroch wohlige Wärme in seinen Körper, sein Herz schlug schneller. Er ließ sich zurück ins Gras sinken. Die Blowjob-Göttin wuchs auf Überlebensgröße, ihre kirschroten Lippen schwollen prall an, große Kulleraugen sahen auf ihn herab, ihre Brüste wurden zu Melonen.

»Küss mich nochmal!«, hauchte er.

Sie zögerte keine Sekunde.

Ihr warmer Kuss schmeckte süß, ein irres Glücksgefühl breitete sich in Fish aus. Die Sterne kamen näher, beinahe greifbar glitzerten sie schöner als vorhin. Jedes Aufblitzen erzeugte einen neuen Kick und noch mehr Kribbeln. Alles um ihn herum fühlte sich wie Watte an und er sich so leicht, als würde er ein Stück über dem Boden schweben. Ein wahrer Sternenregen prasselte auf ihn nieder. Baaam! Baaam! Baaam! Nach und nach entfernten sich alle Geräusche. Musik, Stimmen und Gelächter klangen dumpf in seinen Ohren. Holy crap! Es gibt nichts Geileres als nen Schuss nach dem Orgasmus, zweimal ›Beam me up, Baby!‹. Scheiß auf das bürgerliche Leben, ab jetzt heißt es wieder Sex and Drugs and Rock’n Roll!

EIN HAI AM WÖHRDER SEE

P latsch! Trotz Anlaufnehmen, landete Kathi mit den Füßen in einer riesigen Pfütze, so breit wie der Gehweg. Das Wasser spritzte nach allen Seiten. »Menno!«

Nikolai hatte den Satz, dank längerer Beine, trocken überstanden. »Ist zum Glück nur Wasser.«

»Zum Glück bin ich nicht aus Zucker.«

»Doch bist du, und genauso süß.« Nikolai nahm Kathi in den Arm.

»Heute Nachmittag bin ich zu Honig geschmolzen.«

Er lachte. »Oder wie wir Physiker sagen ›Du bist im flüssigen Zustand‹, die nächste Stufe wäre gasförmig.«

»Lieber nicht, dann hast du nichts mehr zum Anfassen.« Kathi sah auf ihre Smartwatch. »23 Grad bei 55 Prozent Luftfeuchtigkeit, und das kurz nach acht!«

Letzte Nacht hatte es, nach drei Wochen trocken-heißem Wetter mit weit über 30 Grad, einige Stunden geregnet, leider kaum abgekühlt. Deshalb waren sie heute früher aufgebrochen, als sonst am Samstag.

»Dann gibts zu Mittag bereits Honig«, meinte Nikolai augenzwinkernd.

»Das hättest du wohl gern.«

Nach einem Kuss setzten sie ihren Lauf am Ufer des Wöhrder Sees fort.

Als sie den, jetzt noch verwaisten, Wasserspielplatz zum zweiten Mal passierten, kam ein älterer Herr mit wild fuchtelnden Armen auf sie zu. »Hilfe!«, rief er. »Kommens mit, bittschön! Da lieechd anner am Ufer!«

Kathi und Nikolai blieben stehen.

»Wo genau?«, fragte sie ruhig. Eine große Runde um den See, immerhin zwölf Kilometer, brachte eine passionierte Joggerin wie sie nicht außer Atem.

»Da drüüm, hinter die Büsch!« Der Mann zeigte mit ausgestrecktem Arm zur alten Eiche am Ufer der sogenannten Regenerationszone, die das Wasser des Sees in einem breiten Schilfwall reinigte, bevor es in die Norikus-Badebucht strömte. »Der Merlin hat ihn g’funden.«

»Merlin?«

»Mein Hund.«

Kathi schob ihre Sonnenbrille ins Haar. »Wo ist er jetzt?«

»Er sitzt vorm Gebüsch und rührt sich ned.«

Kathi und Nikolai folgten dem Mann. Der Wiesenboden, spärlich mit braunem Gras bedeckt, war größtenteils aufgeweicht und gab unter jedem Schritt nach.

Wenige Meter entfernt, starrte ein Schweizer Schäferhund in Toter-Mann-Stellung in die Büsche.

O Gott! Das bedeutet nichts Gutes, dachte Kathi. Sie bat Nikolai und Merlins Herrchen zu warten und näherte sich dem Hund, der mit seinem schneeweißen Fell einem sehr groß geratenen Spitz ähnelte.

»Hallo, Merlin, du bist aber ein Schöner.« Aus schwarzen Knopfaugen blickte er sie treuherzig an. Sich ein Lächeln abringend, ging sie in die Hocke. »Ich bin die Kathi.« Der Rüde nahm Witterung auf und wedelte mit dem Schwanz. Sie wagte es, ihn hinter den Ohren zu kraulen. Das gefiel ihm, er tat keinen Mucks. Sie erhob sich wieder und bog einige Zweige zur Seite. Das Rascheln der trockenen Blätter ließ Merlin die Ohren spitzen. Er stand auf und winselte leise.

»Alles gut, Merlin«, beruhigte Kathi ihn. »Mach sitz.«

Er folgte aufs Wort.

Mit gestrecktem Hals spähte sie zur anderen Seite. Auf dem grasbewachsenen Uferstreifen, linkerhand von hohem Schilf begrenzt, lag ein Mann auf dem Rücken. Er trug ein weißes T-Shirt und khakifarbene, an den Taschen leicht ausgebeulte Cargo-Shorts aus dünnem Stoff und Flip-Flops. Man könnte ihn für jemanden halten, der seinen Rausch ausschlief, würde den linken Oberarm nicht eine blaue Venenstaubinde zieren und eine Fertigspritze in der Armvene stecken. Kathis geschultes Auge erkannte sofort, dass der Mann nicht mehr lebte. Alles klar, dachte sie. Ein Junkie, der zum Fixen ins Gebüsch gegangen ist und sich ins Jenseits gebeamt hat. Aber lange liegt er noch nicht hier, höchstens einen Tag.

An der Norikus-Bucht gab es offiziell keine Drogenszene, aber im Sommer zog es abends viele Menschen zum Chillen und Feiern hierher, besonders am Wochenende. Fahrradcops und ein privater Sicherheitsdienst kontrollierten die Gegend regelmäßig und unterbanden ausufernde Partys. Sie sorgten für Sicherheit und Ordnung in Nürnbergs ›Central Park‹, wie man die Stadtoase von der Wöhrder Wiese bis zum Ende des Sees auch nannte. Wenn sich eine Stadt mit einem Naherholungsgebiet brüstete, dann bitte familientauglich und sicher. An Samstagen traten die Wachleute ihren Dienst erst später an, deshalb waren Kathi und Nikolai bisher keine begegnet.

Kathi wandte sich wieder dem Hund zu und streichelte ihn. »Gut gemacht, Merlin. Komm, gehen wir zurück zum Herrchen.«

Er stand auf und folgte ihr.

Die fragenden Blicke der Männer beantwortete Kathi mit einem stummen Kopfschütteln. Merlins Herrchen schlug beide Hände vor den Mund. »Allmächd! Dann müssen mir die Bollizei holen!«

»Die ist schon da, ich arbeite bei der Kripo. Mein Name ist Katharina Starck, das ist mein Freund Nikolai.«

»Dann wars Glück, dass ich Sie troffen hab. Lindner, heiße ich, Willi Lindner.« Er leinte Merlin an.

»Wartet bitte nochmal, ich will mir den Mann genau ansehen.« Darauf bedacht, in der Spur zu bleiben, ging Kathi wieder zum Fundort.

Sie bog die Zweige weit auseinander und landete, nach einem großen Schritt, direkt auf dem Uferstreifen. Die Lider des schlanken, sommerlich gebräunten Toten waren geschlossen, einige lange, dunkelblonde Haarsträhnen klebten in seinem recht ansehnlichen Gesicht. Kathi schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig. Aus seinem leicht offenstehenden Mund krabbelte eine Fliege in die Nase. »Ihr blöden Viecher habt es heute ja besonders eilig.« Kathi beugte sich vorsichtig über den Mann, um sich die großflächige Tätowierung auf dem rechten Unterarm anzusehen, eine brillante, detailgenaue Arbeit. Das zähnefletschende Maul eines blautürkisfarbenen Hais ›biss‹ in die Handwurzel, die Spitze der Schwanzflosse endete in der Ellenbeuge. Der linke Arm wies, neben dem frischen Einstich, zahlreiche ältere, vernarbte auf – unverkennbare Spuren längeren Drogenkonsums.

Kathi nahm ihre Smartwach ab, um einige Fotos zu schießen. »Samstag, 2.8.2025, 9:08 Uhr«, diktierte sie anschließend. »Norikus-Bucht, Regenerationszone, männlicher Toter, Mitte dreißig, Hai-Tattoo am rechten Unterarm.« Diese Notiz schickte sie mit den Bildern an den Kriminaldauerdienst und rief an, um die Lage zu schildern.

Nachdenklich kehrte Kathi zur Eiche zurück und kam ins Schmunzeln, Merlin hatte alle Viere von sich gestreckt und genoss Nikolais Streichel- und Krauleinheiten am Bauch. »Wie ich sehe, habt ihr schon Freundschaft geschlossen.«

Augenblicklich drehte sich der Hund um und wedelte freudig mit dem Schwanz.

»Der Merlin mooch Sie, alle zwaa«, meinte Lindner. »Sonst isser bei fremde Leut ned so brav.«

»Schwer, dich nicht zu mögen«, flüsterte Kathi Nikolai zu.

»Dito.«

»Hey, das ist mein Spruch!«

Nikolai zwinkerte ihr zu. »Fürs Copyright bezahle ich, sobald wir zu Hause sind.«

»Wissens scho, wer des is, Frau Starck?«, fragte Lindner.

»Nein, bis jetzt ein namenloser Drogentoter.«

»Allmächd! A dooder Giftler!« Bestürzt schüttelte er den Kopf. »Dass die Leut einfach ned g’scheider wern.«

»Ich warte hier, bis die Kollegen da sind«, beschloss Kathi. »Ihr könnt ruhig vor zum Cesaré gehen, auf nen Capu oder so.«

»Ich lasse dich nicht allein hier«, sagte Nikolai.

Kathi formte ein stummes ›I love you‹ mit den Lippen, das er erwiderte.

»Herr Lindner, wollen Sie beim Italiener warten? Die Kollegen brauchen später Ihre Aussage.«

»Ich bleib aa da, Frau Starck.«

»Okay.« Kathi wies zur Parkbank unter dem Ahornbaum, unweit der Eiche. »Setzen wir uns dort drüben hin.«

Die Männer zeigten sich einverstanden und folgten ihr. Bevor sie Platz nahmen, machte es sich Merlin unter der Bank bequem.

»Wohnen Sie in der Gegend, Herr Lindner?«, fragte Kathi.

»Ja, in der Cimbernstraße.«

»Das ist gar nicht so weit weg.«

»Praktisch für uns, gell Merlin?«

WUFF!, kam es unter der Bank hervor.

»Sind Sie jeden Tag hier unterwegs?«

»Ja, immer um die Zeit wie jetzt und abends, zwischen neune und zehne.«

»Gestern Abend auch?«

»Freilich! Des muss so um halber zehne g’wesen sein. Normalerweise gemmer noch auf die Wöhrder Wiese, aber da war des Konzert und der Merlin wird unruhig bei so viele Leut.«

»Wir waren auch dort, bis zum Schluss. Es war toll!«

Das ›Wöhrder Wiese Woodstock‹ bildete den Haupt-Act zum Start des fünfzigsten Bardentreffens, dem renommierten, dreitägigen Konzert-Marathon mit neunzig Gigs an neun Spielorten in der Stadt, wie immer bei freiem Eintritt. In diesem Jahr war es Teil des Kulturhauptstadt-Programms.

»An der Unterführung simmer trotzdem stehnbliem, weils grad ›Hush!‹ g’spielt ham, des von Deep Purple – wie zu meiner Zeit, ich bin Jahrgang 1954, wissens. Schee wars, wie damals.« Lindner geriet ins Schwärmen. »The Doors, The Who, Led Zeppelin und so – des is einfach ein subber Sound.«

»Wir stehen auch drauf«, sagte Nikolai. »Kathi hat mir zum Geburtstag ›Live at Budokan‹ von Deep Purple geschenkt.«

»Ja, cool! Die ist dodaal selten, ein echter Schatz!«

»Ich weiß.« Nikolai nahm Kathis Hand. »Wie du.«

Sie lächelte. »Dito.«

In der Nähe schlug eine Kirchenglocke zweimal. Das muss die der Bartholomäuskirche in Wöhrd sein. Kathi sah auf ihre Smartwatch. Halb zehn! Ihr Blick glitt zur Fundstelle im Gebüsch. Plötzlich rauschten zwei Mountainbiker an ihnen vorbei, sie mussten dem Streifenwagen ausweichen, der sich aus Richtung Norikus näherte.

»Die waren aber schnell hier!« Kathi ging den beiden Kollegen entgegen und klärte sie über die Lage auf. Während sie das Absperr-Equipment aus dem Kombi ausluden, fuhr ein dunkelblauer BMW X3E vor, dasselbe Modell wie Kathis Wagen. Sie erkannte die Insassen durch die geöffneten Seitenfenster, Hauptkommissar Freddy Roeckl und Oberkommissarin Jana Theiss vom Drogendezernat.

»Guten Morgen, ihr Hübschen.«

»Guten Morgen, Kathi.«

»Toller Start am Samstag, oder?«

»Leider nicht zu ändern«, meinte Freddy. »Übrigens, danke für die Fotos.«

»Gern geschehen.«

»Das Hai-Tattoo kennen wir, es kann sich nur um Jimmy Fischer handeln.«

»Hast du ihn gefunden?«, fragte Jana.

»Nein, der Hund von Herrn Lindner.« Kathi wies zur Parkbank. »Sie sitzen dort drüben, bei Niko.«

»Okay, wir sehen uns erstmal den Toten an.«

Freddy und Jana streiften Latexhandschuhe über und verschwanden, sich in der Spur haltend, in Richtung Gebüsch.

Nikolai signalisierte Kathi mit ausgestrecktem Arm, dass er sich mit Lindner und Merlin auf den Weg zum Cesaré machen würde. Sie nickte.

»Er ist es, Kathi.« Freddy kam allein zurück. »Jimmy Fischer, 32, Ex-Junkie, Ex-Dealer, ein kleiner Fisch in der Szene, Spitzname ›Snowfish‹ oder ›Fish‹. Aufgrund des Hai-Tattoos ist er eindeutig identifiziert.«

»Ein großer Fisch auf nem kleinen Fisch. – Was weißt du über ihn?«

»Er wohnt hier am Norikus, Bau drei, sechster Stock. Mietfrei, das Appartement gehört seinen Eltern. In den letzten vier Jahren hat er zweimal gesessen, 2021 sechs und 2024 neun Monate wegen Drogenbesitz und Drogenhandel, Marihuana, Heroin – hauptsächlich Koks, daher sein Spitzname Snowfish. Letztes Jahr kam er mit einer geringeren Strafe davon, weil er den ›Löwen von GoHo‹ ans Messer lieferte und so einen größeren Deal platzen ließ.«

»Löwe von GoHo? War das nicht dieser Bodybuilder?«

»Genau der. Mit bürgerlichem Namen heißt er Ilion Petronakis. Er hat über sein Fitness-Studio Kokain, Heroin, Steroide und Amphetamine verkauft, außerdem einen Konkurrenten krankenhausreif geschlagen. Er sitzt bis 2031.«

Jana trat zu ihnen, mit zwei transparenten Kunststoffbeuteln unter dem Arm.

Kathi machte einen langen Hals. »Was hatte er bei sich?«

Jana hielt den größeren Beutel hoch. »Seine Geldbörse mit Perso und knapp fünfzig Euro, Smartphone und die Wohnungsschlüssel. Und die steckte in einer seiner Hosentaschen.« Sie zeigte ihr den kleinen Beutel mit der weißen Dose.

»Was ist da drin?«

»Ein Handvoll Pillen.«

»Ecstasy?«

»Sieht nicht danach aus, wir lassen sie im Labor checken.«

»Warum hat Fish wieder gefixt?« Freddy zupfte an seiner Nase. »Seit seinem Entzug letztes Jahr war er clean und auch sonst nicht mehr auffällig gewesen. Er arbeitete seit Januar als Aufsicht in einem Fitness-Studio und besuchte regelmäßig seinen Bewährungshelfer.«

Kathi zuckte mit den Schultern. »Er wäre nicht der Erste, der wieder rückfällig wird. Nach der Konsumpause erwischt er zu viel und es beamt ihn ins Nirvana. – Woher kommt er?«

Jana ließ sich Fishs Akte auf ihrem Pad anzeigen. »Geboren in Erlangen, Vater Ingenieur, Mutter Lehrerin, Einzelkind. Abi 2011, hat Sport und Marketing studiert und zwei Jahre im Ausland gelebt, USA, Australien und Südafrika. Seit seiner Jugend war er ein Sportfreak: Snowboard, Downhill, Surfen, Canyoning, Rafting – der totale Adrenalin-Junkie. Er hat alles gemacht, was schnell und gefährlich ist. Er arbeitete auch als Reiseleiter, organisierte Sport-Events und Hai-Tauchen.«

»Aha, deshalb das Tattoo!«

Jana zeigte Kathi ein älteres Foto von Fish, braungebrannt, mit bis zu den Hüften heruntergerolltem Neoprenanzug. »Das war er Ende November 2019 bei der Surf-WM auf Hawaii, er wurde Zweiter.«

»Vizeweltmeister! Wow! «

»Im Januar darauf hatte er einen schweren Snowboard-Unfall, Wirbelbrüche, Trümmerfraktur am linken Oberschenkel und eine angebrochene Hüfte. Einige Monate saß er sogar im Rollstuhl. Trotz erfolgreicher Reha hieß es ›Ende Gelände‹ für seinen Sport. Seine Sponsoren ließen ihn fallen, er bekam Depressionen, nahm Psychopharmaka zu den Schmerzmitteln und stieg später auf die harten Sachen um. So kam er in die Szene.«

»Vom Adrenalin- zum Drogen-Junkie, eine steile Karriere.« Kathi überlegte. »Gibt es hier doch eine Szene? Wir joggen hier regelmäßig, uns ist noch nie etwas aufgefallen.«

»Die Dealer machen ihre Übergaben so geschickt und schnell, das bemerkt kaum jemand. Hier draußen gibts genug verborgene Ecken, im Gebüsch oder unter den Brücken. Das Meiste spielt sich ohnehin in den Wohnungen ab.«

»Auf der Wöhrder Wiese war gestern Abend das Open Air, vielleicht war Fischer dort und traf Bekannte, die Stoff bei sich hatten. Sie suchen sich ein lauschiges Plätzchen, dann gibts die volle Dröhnung und Fischer beamt es weg.«

»Gut möglich, Kathi«, meinte Jana. »Wer weiß, was er noch alles eingeworfen hatte.«

Freddy nickte. »Die Big Brother-Kollegen müssen wir noch anrufen, wir brauchen die Kameraaufnahmen von hier.«

»Die Securityfirma, die das Konzert betreute, hat welche gemacht. Ich habe es zufällig gesehen, Niko und ich waren auch dort.«

»Supertipp, Kathi, danke. Wir checken am besten die Aufnahmen aller Überwachungskameras in der Gegend.«

Jana legte die Beutel mit Fischers Habseligkeiten in den Schatten, neben dem Eichenstamm. »Ich fordere den Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung an.«

»Okay.« Freddy zog seine Handschuhe aus. »Mann! Die Dinger sind so ätzend bei der Hitze!«

»Apropos Hitze, ich gehe vor zu Cesaré, etwas trinken.«

»Ich komme mit, Kathi, wegen Lindners Aussage.«

Nikolai und Lindner saßen an einem der sonnenbeschirmten Tische auf der kleinen Terrasse des Cesaré und genossen ihre Cappuccinos. Für Merlin, zu Füßen seines Herrchens liegend, hatte Pietro, der Chef des Hauses, einen Napf Wasser hingestellt. Freddy stellte sich vor und bat Lindner ins Restaurant, um dessen Aussage in Ruhe aufnehmen zu können.

»Bin gleich wieder da, Merlin.«

Der Rüde sah kurz zu seinem Herrchen auf und legte den Kopf wieder zwischen die Vorderläufe.

Pietro begrüßte Kathi mit Wangenküsschen, wie immer. »Was darf ich dir bringen? Geht aufs Haus.«

»Lieb von dir, bitte eine große Apfelsaftschorle.«

»Kommt sofort!«

Nikolai schob Kathi den Stuhl neben sich zurecht, damit sie bequem Platz nehmen konnte.

»Dankeschön.«

Pietro servierte die Schorle in einem Halbliterkrug und setzte sich zu ihnen. »Schlimme Sache, oder? Zum Glück warst du zur Stelle.«

Kathi seufzte. »Am Samstagmorgen brauche ich sowas eigentlich nicht.« Sie leerte den Krug zur Hälfte. »Das tut gut!«

Nach einer guten Viertelstunde kehrte Freddy mit Lindner zurück. Bevor er zu Kathi etwas sagen konnte, läutete sein Padfone. Nach einem Blick darauf, gab er ihr ein Handzeichen und machte sich auf den Rückweg zur Bucht.

Lindner löste Merlins Leine vom Tischbein. »Mir packens dann, mir müssen noch a bissla was einkaufen. Die Telefonnummer von Ihrem Kollegen hab ich, falls mir noch was einfällt. Wiederschaun mitnander.«

»Wiederschaun«, kam es dreifach zurück.

»Danke nochamal für den guudn Cappuccino.«

Pietro winkte großzügig ab.

Sie plauderten noch eine Weile zu dritt. Als Kathi und Nikolai ausgetrunken hatten, verabschiedeten sie sich mit den besten Wünschen fürs Wochenende.

Sie nahmen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Das Gebiet um den Fundort war mittlerweile mit rot-weißen Scherengittern und Bändern weiträumig abgesperrt worden. Der Streifenwagen stand quer zum Wöhrder Wiesenweg, Spaziergänger und Radfahrer mussten einen großen Bogen herum machen. Kathi wurde durchgelassen, Nikolai wartete freiwillig bei den Einsatzfahrzeugen. Vom Bus der Spurensicherung führte ein präparierter Weg aus ineinander verhakten Kunststoff-Paneelen zum Fundort der Leiche. Der einen Meter breite Korridor verhinderte das Einsinken in den Boden und das Zerstören möglicher Spuren, später würde er das Bergen des Leichnams erleichtern.

Kathi entdeckte Jana und Freddy bei Thomas und Tobi, beide in Vlies-Overalls. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab. »Hallihallo.«

»Hallo, Kathi«, grüßten die Kriminaltechniker unisono.

»Wo ist die Sabine?«

»Hat Urlaub, seit Mittwoch. Sie ist mit einer Freundin im Wohnmobil nach Schweden unterwegs.«

»Nicht schlecht! Der Andi ist seit gestern mit der ganzen Familie auf Fuerteventura, Grünbaum in der Nähe von Sonthofen. Er trainiert für den Marathon kommenden Samstag.«

»Na ja, Marathontraining nenne ich nicht gerade Urlaub«, meinte Thomas abfällig.

»Sporturlaub eben, du kennst doch unseren Chef. Letztes Jahr ist er Zweiter in der Altersgruppe 50-Plus geworden.«

Tobi staunte. »Cool!«

Thomas sah ihn schräg an. »Wers braucht. Mit 54 mache ich nur noch Strandurlaub und lasse mir Drinks mit Schirmchen servieren.«

Kathis Magen knurrte. »Sorry.«

»Drink oder Hunger?«

»Hunger, ich falle gleich Menschen an. Zum Frühstück gabs nur Banane, Tee und eine Leiche.«

»Schlimmer als eine zum Dessert.«

Kathi schmunzelte. »Wird wirklich Zeit, dass ich etwas Anständiges in den Magen bekomme. Also, schnell zum Geschäftlichen, ich bin neugierig. Was könnt ihr bis jetzt zu Fischer sagen?«

»Man kann keine äußere Gewalteinwirkung erkennen. Er hatte auch nur einen frischen Einstich im Arm. Vielleicht entdeckt Stern bei der Obduktion noch etwas. Übrigens, wir haben Fischers Fixerbesteck gefunden, eine handliche Edelstahldose mit Einmalspritzen- und Kanülen, Desinfektionstüchern und Zitronensaft-Portionsbeuteln. Sie lag unter ihm, vermutlich hat er sich gedreht, bevor es ihn endgültig wegbeamte.«

»Sogar Desinfektionstücher, sehr selten. – Freddy, du sagtest vorhin, er wäre clean gewesen, warum hatte er das Zeug bei sich?«

»Sieht nach einer Verabredung aus, wir werden sein Umfeld und die alten Kontakte genau unter die Lupe nehmen.«

Kathi knabberte am Bügel ihrer Sonnenbrille. »Was meinst du, Thomas, wie lange liegt Fischer dort?«

»Keine zwölf Stunden.«

»Dann kam er gestern Abend vor dem Unwetter hierher.«

»Davon ist auszugehen, in seinem Mund steht Wasser.«

»Weißt du, wann es zu regnen begonnen hat?«

»Ich glaube um Mitternacht herum.«

»Die Todeszeit können wir jetzt schon eingrenzen.« Freddy rief Daten von seinem Padfone ab. »Lindner sagte, gestern Abend hat sein Hund hier nicht angeschlagen, das war gegen halb zehn. Es muss danach passiert sein.«

»Mehr gibts von uns bis jetzt nicht, Kathi«, sagte Thomas.

»Okay, danke. Dann packen wirs wieder. Schönes Wochenende, euch allen.«

Nach einer erfrischenden Dusche brunchten Kathi und Nikolai auf der Dachterrasse ihrer Wohnung. Unter der Markise ließ es sich bei Milchkaffee, Bambergern, frisch gepresstem Orangensaft, Obstsalat, Bacon & Eggs und Vollkorntoast gut aushalten. Später ging es zum Baden an den Rothsee, der Sonntag stand wieder im Zeichen des Bardentreffens. Die beiden hatten kein besonderes Konzert im Sinn, sie ließen sich treiben und verweilten, wo es ihnen am besten gefiel. Beim Konzert der australischen Band ›The Bloom‹, am Abend auf dem Hauptmarkt, ließen sie bei rockigem Sound das Wochenende ausklingen.

PILLENSCHLUCKER

Montag, 4. August, Polizeipräsidium Nürnberg Kathi holte mit dem Zuckerstreuer aus und ließ die hellbraunen Kristalle in den doppelten Espresso rieseln. Sie wartete, bis sie vollständig in der Crema versunken waren und rührte um. Trotz Sommerhitze, ein Doppi nach dem Mittagessen musste sein. Sie nahm einen Schluck und lehnte sich entspannt in ihrem Bürostuhl zurück. Mmmhhh! Schwarz, süß und lecker! Das Digitalthermometer am Fenster zeigte 31 Grad Außentemperatur. Kathi blies ihren Pony aus der Stirn. Zum Glück haben wir hier ne Klimaanlage.

Im Dezernat herrschte seit Wochen der übliche Hochsommerbetrieb. Die Hitze stieg vielen in den Kopf, bei einigen lähmte sie das Gehirn, bei anderen ließ sie Hände und Fäuste schneller ausrutschen. Die Folge: Streits und Schlägereien bis hin zu schwerer Körperverletzung. Den heftigsten Fall gab es in einem Biergarten am 19. Juli. Die hitzige Diskussion zwischen vier Männern über die aktuelle Personalpolitik beim Bundesliga-Wiederaufsteiger 1. FC Nürnberg, begleitet von erheblichem Bierkonsum, war in eine Massenschlägerei ausgeartet. Am Ende flogen die Bierkrüge. Die Folgen: Schädelfrakturen, ein Kieferbruch und Platzwunden. Für die zwei Anstifter, glücklicherweise schnell identifiziert, hatte die Staatsanwaltschaft Strafen von bis zu sechs Jahren gefordert.

Jimmy Fischers Tod fand in den Nürnberger Nachrichten am Ende des Berichts zum Wöhrder Wiese Woodstock kurz Erwähnung: ›Das Highlight des 50. Bardentreffens wurde durch den Tod eines ehemaligen Junkies und Kleindealers überschattet. Allem Anschein starb er durch eine Überdosis Heroin. Er ist der 17. Drogentote in diesem Jahr, eine traurige Bilanz‹. Für Kathi war der Fall abgehakt, er lag im Drogendezernat, auf dem Tisch ihrer Kollegen.

Angesichts der Hitze fragte sie sich, ob sie heute Abend zum Boxen gehen sollte. Der Quetschbruch ihres kleinen Fingers vom Januar war gut verheilt, seit Anfang Juli durfte sie auch wieder Taekwondo betreiben. Da sie in der Zwischenzeit nicht faul auf dem Hintern gesessen, sondern in Nikolais Fitnessraum mehrmals wöchentlich moderat trainiert hatte und regelmäßig joggte, war der Muskelkater nur ein leise miauendes Kätzchen gewesen.

Ein leises PLONG ließ sie zu ihrem Monitor sehen. Oben links öffnete sich das VisuTel-Fenster mit ›Anruf Dr. Richard Stern, Pathologie Erlangen‹. Kathi trank aus und stellte die Tasse samt Tellerchen zur Seite. »Gespräch annehmen.«

Das Gesicht des Rechtsmediziners erschien. »Hallo, Kathi.«

»Hallo, Sternchen. Wie gehts?«

»Danke, gut und dir?«

»Auch gut.«

»Bist du allein im Büro? Ich höre sonst niemanden.«

»Du hast Ohren wie ein Luchs. Der Andi ist in Urlaub, Clausi und Stolli sind auf Fortbildung. Bis einschließlich Mittwoch hab ich nur die Angie, Montag in einer Woche ist sie für drei Tage weg.«

»Perfektes Timing«, meinte Stern zynisch.

»Ich kann nicht nachvollziehen, warum der Dozent ausgerechnet die Haupturlaubszeit für seine Seminare gewählt hat. – Na ja, zur Not hole ich mir Verstärkung aus Dezernat uno.«

»Wann hast du eigentlich Urlaub?«

»Ab Mitte September, drei Wochen. Niko und ich fliegen nach Mallorca.«

»Zu deinen Eltern?«

»Ja, mein Papa wird siebzig. Danach gehts auf eine große Inselrundfahrt mit den Rädern.«

»Das wird sicher toll, mit den eigenen?«

»Nein, das ist zu aufwändig, wegen der Luftfracht. Meine Eltern kennen einen guten Verleiher.«

»Campt ihr?«

»Nein, ein bisschen Komfort muss sein. Wir haben Bed and Breakfast gebucht, sofern wir nicht bei meinen Eltern nächtigen. – Wie wars in Süd-Frongreisch?«

»Fantastique! Ich habe zwei Kilo zugenommen.«

»Das fällt bei deinen zwei Metern doch nicht auf.«

»Meine Jeans sagt was anderes.«

»Kneift sie am Bund ein bisschen?«

Er seufzte. »Das Essen dort, c’est magnifique! Ich kann da nicht nein sagen.«

»Ein Luxusproblem, Sternchen, nach vier Wochen Alltagsstress hast du’s wieder runter.«

»Alltagsstress, das war das Stichwort. Zum Tagesgeschäft, es gibt heiße News!«

»Ich liebe und hasse es, wenn du das sagst, besonders am Montag nach dem Mittagessen.«

»Warum lieben und hassen?«

»Na ja, ich hasse es, weil es Arbeit bedeutet und ich liebe es, weil ich nicht arbeitslos werde.«

»Das ist ja fast britischer Humor.«

»Danke, das nehme ich als Kompliment.«

»Dich interessiert sicher das Obduktionsergebnis von Jimmy Fischer.«

»Aber hallo! Leg los.«

»Die Todesursache war eine Überdosis Heroin, ziemlich reiner Stoff, fast 90 Prozent.«

»Ein Goldener Schuss, wie ich vermutet habe. Aber 90 Prozent? Normalerweise wird das gestreckt.« Kathi überlegte. »Vielleicht wusste Fischer nichts von der Reinheit und man hat es ihm als normalen Stoff angedreht, weil er sich wegbeamen sollte. Jana erwähnte einen Typen, den er letztes Jahr verpfiffen hatte.«

»Rache als Motiv?«

»Möglich, er sitzt zwar noch bis 2031, könnte aber jemanden beauftragt haben.«

»Warum wartet er so lange?«

»Berechtigte Frage, Sternchen.«

»In Fischers Blut konnten wir außerdem geringe Spuren eines Gepants nachweisen.«

»Ein Gepant, was ist das?«

»Ein Mittel gegen Migräne, dazu komme ich gleich ausführlicher. In seinem Magen fanden wir Reste eines Rotwein-Mixgetränkes mit Spuren von Zitrusfrüchten, Sangria, nehme ich an. Sonst war das Drogenscreening negativ. Er hatte nur den einen frischen Einstich, rektal wird noch geprüft.«

»Manche Junkies schrecken vor nichts zurück.« Kathi verzog angewidert die Miene. »Du hast nen Traumjob, Sternchen.«

Er lächelte gequält. »Wollen wir tauschen?«

»Lieber nicht. – Wann genau ist Fischer gestorben?«

»Freitagnacht, vor dem Gewitterregen. In seiner Mundhöhle fanden wir Regenwasser.«

»Das erwähnte Thomas am Samstag bereits.«

»In der Nase lagen frische Eier einer Schmeißfliege.«

»Das Biest habe ich am Samstag wahrscheinlich gesehen. – Gut, dann können wir die Todeszeit eingrenzen, zwischen halb zehn und Mitternacht.«

»Wieso halb zehn?«

»Da kam Lindner mit seinem Hund in unmittelbarer Nähe des Fundorts vorbei, er schlug aber noch nicht an.«

»Alles klar. – Fischer muss sich den Schuss selbst gesetzt haben, Thomas fand nur seine Fingerabdrücke an der Spritze. Aber es könnte jemand bei ihm gewesen sein.«

»Ha!«, japste Kathi. »Das sagte ich am Samstag auch!«

»Wir fanden weibliches Kopfhaar, kurz, blondiert, leider ohne Wurzel. Thomas versucht eine proteinbasierte DNA-Identifikation des Schafts. Die dauert etwas länger.«

»Okay.«

»Interessant ist die Stelle, an der das Haar anhaftete.« Ein leichtes Grinsen umspielte Sterns Mund.

»Wo denn?«

»An seinem Hosenstall.«

»Allmächd! Hat sie ihm einen geblasen, bevor er den Abflug gemacht hat?«

»Anzunehmen.«

»Gibt es Spermaspuren?«

»Ja, an seinen Hosen, Unterwäsche trug er keine.«

»Alles klar. Nach dem Blowjob spritzt er sich Heroin – für manche der Kick schlechthin – und es beamt ihn sofort weg. Die Frau, noch nicht stoned, bekommt Panik und haut ab. Wäre nicht das erste Mal.«

»So viel dazu, Kathi.«

»Was hast du noch für uns? Was ist mit diesem Mittel gegen Migräne?«

»Thomas hat mir das Analyseergebnis der Pillen geschickt, die Jana bei Fischer gefunden hat. Es ist dieses Gepant, das wir in seinem Blut nachweisen konnten.«

»Was ist daran Besonderes?«

»Es ist ein CGRP-Rezeptor-Antagonist.«

»CGRP- was?«

»CGRP steht für Calcitonin Gene-Related Peptide, ein Neuropeptid, sehr komplex, besteht aus 37 Aminosäuren und ist, inklusive seines Rezeptors, in den zentralen und peripheren Nervenzellen zu finden. CGRP ist eine der am stärksten blutgefäßrelaxierenden Substanzen im Körper. Bei Beginn einer Migräneattacke führt es zu einer Erweiterung der arteriellen Blutgefäße im Gehirn. Die Dehnungsrezeptoren an geweiteten Blutgefäßen dort führen zu Signalen, welche die Großhirnrinde als Schmerz interpretiert.«

»Sternchen, bitte für Laien!«, flehte Kathi mit gefalteten Händen.

»Sorry.« Er zeigte kurz die Zähne. »CGRP ist quasi der Hauptverursacher für Migräne, das Gepant als Antagonist, verhindert das Erweitern der Gefäße.«

»Alles klar. Und hilft so gegen die Schmerzen.«

»Richtig, Kathi. Vor etwa zehn Jahren wurde die Entwicklung einiger Gepante aufgrund der Lebertoxizität für eine Dauertherapie gestoppt. Die Pharmazie forcierte die Forschung an monoklonalen Antikörpern im Einsatz gegen CGRP. Zwei Medikamente erhielten bis heute die Zulassung. Diese sind allerdings nicht für eine Langzeittherapie oder die Prophylaxe geeignet, schon gar nicht für Patienten mit Hypertonie, Gefäßkrankheiten und Leberproblemen.«

»Okay. Litt Fischer an Migräne?«

»Dazu müsste man seinen Hausarzt befragen, ich habe keine Daten vorliegen.«

»Warum sollte er sie sonst einnehmen?«

Stern hob den Zeigefinger. »Jetzt wirds richtig spannend, Fischers Pillen dürften gar nicht auf dem Markt sein.«

»Illegales Zeug?« Kathis Augen weiteten sich. »Woher stammt es?«

»In jede Pille ist ein Kürzel eingestanzt: NYX672-T1. NYX steht für NyxPHarm, die sitzen im Südwest-Park. Sie forschen aktuell an einer Migränetherapie mit einem Gepant in Verbindung mit orthomolekularen und Phyto-Wirkstoffen, ich habe das kürzlich gelesen.«

»Vielleicht war Fischer Teilnehmer einer Studie, um sich etwas dazuzuverdienen. Die Firmen zahlen ja gut.«

»Definitiv nicht, Kathi. Diese Pillen stammen aus der ersten, vorklinischen Testphase, zu erkennen am T1. Die Prägung ist Vorschrift, damit es nicht zu Verwechslungen kommt.«

»Was bedeutet vorklinische Testphase im Detail?«

»Das Medikament wird im Labor an Tieren und menschlichen Zellkulturen getestet. Erst danach kommt Phase I, der Test an gesunden Probanden, in Phase II wird die Wirkung an wenigen Kranken erprobt, in Phase III mit vielen Kranken. Dazwischen liegen Jahre. Außerdem hätte Fischer keine halbvolle Dose mit sich herumgetragen, während der Probanden-Testphasen erfolgt die Medikamentenabgabe kontrolliert.«

»Okay. Wozu stellt man Pillen her? Man testet doch meistens an Ratten und Mäusen.«

»Die sind für die Affen. Viele reagieren panisch beim Anblick einer Spritze oder beim Legen eines intravenösen Zugangs. Das erzeugt Stress, dieser könnte die Wirkung und somit die Testergebnisse beeinträchtigen. Affen ahmen Menschen gern nach, das macht man sich zu Nutze, sie schlucken die Pillen freiwillig.«

»Okay. T1 bedeutet also vorklinische Testphase und es beweist, NyxPHarm verscherbelt das Zeug illegal.«

»So ist es. Vergangenen Freitag hatte ich einen Mann auf dem Tisch, Maxim Bender, 48 Jahre alt, aus Johannis. Er kam vom Klinikum Nord. Er war zwei Tage nach einem Herzinfarkt verstorben, einhergehend mit einem hämorrhagischen Schlaganfall. Aber so einen habe ich noch nie gesehen. Die Gefäßrisse und Einblutungen ins Gehirngewebe waren massiv.«

»So eine Art Blutbad im Kopf?«

»Willst du die Aufnahmen sehen?«

»Danke, Sternchen. Ich verzichte.«

»Bender war außerdem vorbelastet, er litt an Hypertonie, an Arteriosklerose und nahm ein Statin gegen zu hohes Cholesterin. Vor fünf Jahren hatte er einen leichten Schlaganfall. Seine Frau sagte dem behandelnden Arzt, er hätte in den letzten Wochen die Nächte durchgearbeitet.«

»Was war er von Beruf?«

»Lektor.«

»Offenbar stand er unter Termindruck. Nahm er Koks oder andere Aufputschmittel?«

»Nein, das Drogenscreening fiel negativ aus. Bender hatte einen auffällig hohen Spiegel NYX672 im Blut, litt aber nicht an Migräne. Das wissen wir genau.«

»Warum hat er etwas dagegen eingenommen und wie kam er an dieses illegale Zeug?«

»Das frage ich mich auch.«

»Vielleicht wollte ihn jemand loswerden und hat ihm das Zeug über mehrere Wochen hinweg heimlich verabreicht, in einem Getränk oder im Essen.«

»Durchaus möglich, Kathi.«

»Dann werden wir seiner Witwe mal auf den Pelz rücken.«

»Noch eine Info: Benders Leichnam liegt noch hier.«

»Und das bleibt vorerst so.«

»Okay. – Und jetzt zu Nummer zwei.«

»Nummer zwei?« Kathi starrte Stern im VisuTel-Fenster an. »Heißt das, es gibt noch ein Opfer?«

»Ja, leider. Klaus Artinger, 61, ein Manager aus Heroldsberg. Er hat eine ähnliche Krankengeschichte wie Bender. Er verstarb am 22. Juli nach einem Herzinfarkt, das war während meines Urlaubs. Der Kollege Nowak hat die Obduktion gemacht. Weil mir die Sache bei Bender und Fischer spanisch vorkam, habe ich in der Datenbank nach allen Einträgen mit Herz-Kreislaufversagen und Schlaganfall gesucht und bin auf Artinger gestoßen. Nur bei ihm, Bender und Fischer war ein CGRP-Antagonist im Blut nachweisbar. Ein Glück, dass man diese Pillen bei Fischer gefunden hat.«

»Dann muss er sie Bender und Artinger verkauft haben, das riecht nach illegalem Handel. Aber wie kam er daran!«

»Die Pharmaindustrie muss ihren Mist nicht mehr in die Dritte Welt verscherbeln, sie kann auch hier Reibach machen. Überall gibt es einen Markt für illegale Medikamente. Chronisch Kranke gieren nach Linderung ihrer Schmerzen und auf ein Migränemittel warten viele Betroffene. Je nachdem wie hoch der Leidensdruck ist, würden einige alles schlucken. Werden kriminelle Machenschaften in Pharmaunternehmen aufgedeckt, bezahlen sie ihre Strafe und machen munter weiter, bestechen Politiker und andere einflussreiche Leute. Es geht um obszön viel Geld, da sind ein Paar Millionen Euro Strafe Peanuts. Es läuft wie bei der Mafia1, allerdings tötet die weniger Menschen, als rücksichtslose Pharma-Manager.«

»O Mann! Wir müssen zunächst herausfinden, warum Artinger und Bender das Zeug eingenommen haben und wie sie drangekommen sind. Fischer war sicher nicht der einzige Dealer. Ich veranlasse durch Patrick einen Aufruf in den Medien, mit einer Warnung vor der Einnahme dieses Mittels. Falls es jemand angeboten wird, soll man uns verständigen.«

»Unbedingt!«

Kathi legte die Stirn in Falten. »Eins passt überhaupt nicht, durch die Prägung weiß jeder, von wem die Pillen stammen. Keiner bei NyxPHarm würde riskieren, sie in Umlauf zu bringen, man würde sich ins eigene Fleisch schneiden.«

»Ein Konkurrent könnte dahinterstecken, mit einem fetten Skandal fegt man die Mitbewerber vom Markt.«

»O Mann!« Kathi ächzte. »Dann werde ich NyxPHarm heute noch einen Besuch abstatten, vorher besorge ich mir von Thomas ein paar von Fischers Pillen, um sie ihnen unter die Nase zu halten.«

»Gute Idee. Und ich halte Augen und Ohren offen, falls ähnliche Fälle bei mir landen.«

Nach dem Telefonat bat Kathi Angie zu sich ins Büro und informierte sie über die Neuigkeiten. Von Andis Rechner aus bestückte die Kommissar-Anwärterin die Digi-Pinnwand. Als Jana und Freddy zur Fallbesprechung eintrafen, stand die Zusammenfassung von Sterns Bericht und den ersten Ergebnissen der Spurensicherung. ›Tödliche Pillen‹ prangte über den Spalten Maxim Bender, Klaus Artinger und Jimmy Fischer, die Schnittmenge bildete NYX672-T1.

»Bedient euch.« Kathi wies zum Getränkekühler auf dem Besprechungstisch, bestückt mit Mineralwasser und Säften. Jana und Freddy nickten zum Dank und wählten je eine Flasche stilles Wasser. Kathi mixte für sich und Angie eine Apfelsaftschorle, setzte sich mit an den Tisch und rief die Checkliste auf ihrem Tablet auf.

»Beginnen wir mit den Ü-Kameras: Zeigen die Aufnahmen den Fundort von Fischers Leiche und die Umgebung, Freddy?«

»Nein, nur den Weg zur Bucht, aus Richtung des Wehrhäuschens. Bond-Security, die das Open-Air betreut haben, wollen uns ihre Dateien im Laufe des Tages zusenden.«

»Okay. – Nächster Punkt: Fischers Wohnung.«

»Die Spusi hat keine Drogen gefunden, im Aschenbecher lagen nur ein paar Zigarettenkippen mit seiner DNA.«

»Hm, hat diese Frau ihn zum Fixen verführt?«

»Welche Frau, Kathi?«

»Fischers Begleiterin. Man fand blondes, weibliches Kopfhaar an seinem Hosenstall, außerdem Spermaspuren.«

Jana und Freddy sahen gleichermaßen auf.

»O-o, ein Blowjob!« Jana pfiff leise. »Danach war er in Stimmung für einen Trip, er wird bewusstlos und kollabiert, Exitus! Sie bekommt Angst und haut ab.«

»Dasselbe sagte ich vorhin zum Sternchen. – Wie hieß nochmal der Typ, den Fischer verpfiffen hat?«

»Petronakis.«

»Er hätte ein Motiv und könnte die Frau auf ihn angesetzt haben.«

»Stimmt, Kathi.« Freddy strich über seinen Dreitagebart. »Möglicherweise hat er gewartet, bis Gras über die Sache gewachsen ist, damit der Verdacht nicht sofort auf ihn fällt.«

»Wo saß Fischer ein?«

»In der JVA Bayreuth, man wollte ihn nicht mit Petronakis in die Mannertstraße stecken.«

»Verstehe. Seit wann war Fischer wieder auf freiem Fuß?«

»Seit Oktober letzten Jahres.«

»Vielleicht hat Petronakis erst vor Kurzem von seiner Freilassung erfahren?«, mutmaßte Angie.

»Könnte sein.« Kathi warf einen Blick auf ihr Tablet. »Was hat die Auswertung von Fischers Handy-Daten ergeben?«

»Am Donnerstag erhielt er einen Anruf von einer nicht zuordenbaren Prepaid-Nummer«, sagte Jana. »Das könnte eine Verabredung gewesen sein, deshalb hatte er seinen Besteckkasten dabei.«

»Gibts schon Infos zu seinem Umfeld?«

»Wenig. Sein Bewährungshelfer meinte, er hätte alle Kontakte in die Szene abgebrochen. An seinem Arbeitsplatz, im Power Moves, gab es nie Probleme. Auch seine Eltern glaubten, er wäre clean, für sie ist sein Tod unfassbar.«

Kathi nickte. »Was ist mit den anderen Spuren aus Fischers Wohnung, Haare, Hautschuppen et cetera, wurde das schon geprüft?«

»Hat der Tobi noch in Arbeit.«

»Andere Drogen?«

»Nichts, bis jetzt«, sagte Jana. »Ich glaube nicht, dass Fischer sich den Goldenen Schuss in der Wohnung verpasst hat, sonst hätte man seine Leiche zur Bucht transportieren und ins Gebüsch hieven müssen, viel zu auffällig.«

»Oder sie hatten Sex in der Wohnung«, wand Angie ein. »Anschließend sind sie runter zur Bucht, wegen der romantischen Stimmung.«

»Ist Fischers Nachbarn Freitagabend etwas aufgefallen?«

»Nein, Kathi, auch sonst nicht.«

»Wundert mich nicht, bei der Anonymität im Norikus. – Wir stellen den Besuch bei Petronakis zurück, bis Tobi mit den Spuren durch ist. Ich will Fakten präsentieren.«

»Der Löwe läuft ja nicht weg«, feixte Angie.

»Wer auch diese Frau bei Fish war, sie ließ ihm die Pillen.«

»Vielleicht wusste sie nichts davon.«

»Gut möglich, Jana. Auf der Dose fand man nur seine Fingerabdrücke.«

»Wir hören uns nach einer Freundin und anderen weiblichen Bekannten um.«

»Okay.« Kathi legte das Tablet zur Seite. »Die Pillen führen zu NyxPHarm. Ich bin gespannt, was man uns dort erzählt.«

Angie drehte sich zu Andis Rechner. »Ich besorge die aktuellen Daten über die Firma.«

»Und ich rufe Ott an, er ist Grünbaums Urlaubsvertretung. Wir brauchen Unterstützung, wenigstens bis Mittwoch.«

Kriminalrat Ott kam Kathis Bitte nach, er stellte Joachim Giersch ab. Der Hauptkommissar der Mordkommission I, kurz Josch genannt, durfte bereits Angies nächste Präsentation über NyxPHarm mit verfolgen.

»NyxPHarm SE, 2013 als GmbH von Dr. Annett Kessler und Dr. Maximilian King gegründet, Hauptsitz in Nürnberg, im Südwest-Park, Dependancen in Österreich und Tschechien, 997 Mitarbeiter, davon 30 Prozent im Ausland.«

»Was bedeutet SE nochmal?«, fragte Josch.

»Societas Europaea, Europäische Aktiengesellschaft.«

»Alles klar.«

»CEO ist Dr. Annett Kessler, Vertriebsvorstand ist ihr Lebensgefährte Dr. Robin Strauß. Er war früher der Leiter der Produktentwicklung und ist auch heute noch regelmäßig im Labor anzutreffen. Finanzvorstand ist Dr. Claus Jungnickel, vormals Chef des Controlling.«

»Ich finde es ungewöhnlich, dass ein Paar im selben Vorstand sitzt«, meinte Josch.

Kathi zuckte mit den Schultern. »Das ist Sache des Aufsichtsrats. – Gibt es etwas Interessantes in Kesslers Vita?«