Pinnegars Garten - Reginald Arkell - E-Book

Pinnegars Garten E-Book

Reginald Arkell

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Beschreibung

Herbert Pinnegar, ein Findelkind, entdeckt schon früh seine Liebe zu den Blumen und fängt als junger Bursche an, im Garten von Lady Charteris Unkraut zu jäten. Als der altersgrantige Obergärtner abtritt, schlägt seine große Stunde: Er übernimmt das Gartenregiment und teilt sein Leben fortan mit Heckenrosen und Buschwinden. Er ist ein Mann, dem sein Garten über alles geht, ein wandelndes Kompendium des Gartenwissens und ein Zauberer, der es schafft, seine Lady immer wieder in Erstaunen zu versetzen.

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Über dieses Buch

Herbert Pinnegar, ein Findelkind, entdeckt schon früh seine Liebe zu den Blumen und fängt als junger Bursche an, im Garten von Lady Charteris Unkraut zu jäten. Als der altersgrantige Obergärtner abtritt, schlägt seine große Stunde: Er übernimmt das Gartenregiment und teilt sein Leben fortan mit Heckenrosen und Buschwinden.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Reginald Arkell (1882–1959) veröffentlichte neben Pinnegars Garten Romane und Gartenlyrik. Bekannt wurde er auch als Autor erfolgreicher Musicals und Theaterstücke.

Zur Webseite von Reginald Arkell.

Elsemarie Maletzke (*1947) hat als Deutschlehrerin in Irland gearbeitet, später u. a. für die Titanic geschrieben und einige Reiseführer über Irland sowie Biografien berühmter Frauen herausgegeben.

Zur Webseite von Elsemarie Maletzke.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, Hardcover, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Reginald Arkell

Pinnegars Garten

Mit einem Nachwort von Penelope Hobhouse

Roman

Aus dem Englischen von Elsemarie Maletzke

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Originalausgabe erschien 1950 unter dem Titel Old Herbaceous: A novel of the garden im Verlag Michael Joseph, London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 im Heinrich & Hahn Verlag, Frankfurt am Main.

Originaltitel: Old Herbaceous (1950)

© by Reginald Arkell 1950

Für das Nachwort:

© by Penelope Hobhouse 2003

Diese Ausgabe erscheint mit freundlicher Genehmigung des Heinrich & Hahn Verlags, Frankfurt am Main.

© by Heinrich & Hahn 2008

© by Unionsverlag, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Patrickwang

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30656-1

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 18.05.2024, 00:16h

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Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

PINNEGARS GARTEN

1 – Es war einer dieser milden Herbsttage …2 – An einem Donnerstag im November 1789 vermeldete die …3 – Mary Brain ging zum Schulhaus zurück. Sie kaufte …4 – Als der junge Herbert in der Woche vor …5 – In diesem Jahr glitt der Sommer fast unmerklich …6 – Der junge Herbert – und wir wollen …7 – Im Alter von sechzehn Jahren verliebte sich Bert …8 – Mr. Addis sprach mit dem jungen Pinnegar in …9 – In der Welt voranzukommen geht nie so glatt …10 – Um die Jahrhundertwende kamen die Dinge langsam …11 – Dem viktorianischen Zeitalter, das so selbstzufrieden, pompös und …12 – Wenn man nichts Besseres zu tun hat …13 – Wenn ein Mensch fünfzig wird, hat sich …14 – Wenn man die Jahre eines Mannes wie …15 – Old Herbaceous glaubte, dass er sich an …16 – Als Old Herbaceous den Schrei hörte und vom …17 – Bald darauf sprach sich im Dorf herum …18 – Der alte Mr. Billiter von Billiter …19 – Nach einer letzten Unterredung im Verwaltungsbüro ging Mr …20 – Die Kastanienbäume trieben klebrige Knospen, und an …Nachwort

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1

 Es war einer dieser milden Herbsttage, an denen sich der Frühnebel im Lauf des Vormittags in sanften, durchdringenden Nieselregen verwandelt und Wasser von jedem Blatt tropft; nicht mehr Sommer und noch nicht Herbst; nur eine kleine Pause zwischen den Jahreszeiten mit dem Besten, was beide zu bieten hatten: nicht zu warm wie in den letzten Tagen und nicht zu kalt, wie es bald sein würde.

Dies war die Jahreszeit und der Morgen die Stunde, die der alte Mann am liebsten hatte. Er kam in diesen Tagen nicht mehr so oft vor die Tür, aber man hatte sein Bett in die Nähe des Fensters geschoben, und dort saß er nun, aufgestützt in den Kissen, nicht wirklich wach, aber er schlief auch nicht, vielmehr träumte er so von diesem und jenem.

Vom Bett aus konnte er in den Garten des Herrenhauses sehen. Der Garten war nun nicht mehr gerade das, was er einmal dargestellt hatte, bei Weitem nicht … aber schließlich musste man denen da drüben zugute halten, dass sie immer noch nicht genug Leute hatten, und dazu kam der trockene Sommer, aber so wie die jungen Kerle arbeiteten, war einfach kein Zug drin … Als er so alt war wie sie, hatte er das doppelte Tempo vorlegen müssen. Nicht stiekum auf und davon, sobald es Feierabend geschlagen hatte. Stundenlang hatte er noch gegossen, wenn die Beete endlich im Schatten lagen … Aber heutzutage … Das hieße ja, Überstunden zu schieben, und wer sollte die bezahlen? Deshalb war der Garten einfach nicht mehr so wie früher, nicht mehr wie zu seiner Zeit, als er da drüben der zuständige Mann war.

Alles war anders als zu seiner Zeit. Sie bekamen mehr Lohn, und das war ja auch richtig so. Aber je mehr sie verdienten, umso weniger wollten sie sich kümmern. Man musste stolz auf einen Garten sein, damit er nach etwas aussah. Gärtnern war ein Ganztagsjob, wie die Sache mit den Schafen und Kühen. Die Kühe mussten auch gemolken werden, egal was sonst los war, und wer hätte je davon gehört, dass man sich im Bett herumwälzte, wenn die Lämmer geboren wurden. Im Garten musste man sich nach den Jahreszeiten richten. Es gab eine flaue Saison, da konnte man es langsam angehen lassen und mal ein Pfeifchen hinter dem Werkzeugschuppen rauchen, aber wenn das Gras zu sprießen anfing und das Unkraut einem über den Kopf zu wachsen drohte, war Schluss mit dem Herumlungern … Stundenlang hatte er gegossen … Aber diese jungen Kerle …

Das war das Problem heutzutage. Niemand wollte sich mehr kümmern, niemand nahm mehr Anteil. Als er klein war, gingen die Landleute in ihrem Sonntagsstaat über die Felder, ganz so, als ob sie ihnen gehörten. Angegeben haben sie; stolz waren sie auf die Arbeit, die sie werktags getan hatten. Gelacht haben sie über die krummen Furchen, die der junge Harry gezogen hatte; ein bisschen vom Frühjahrsweizen abgerauft, um zu sehen, wie er sich machte. Vor seiner Alten hatte der Kuhhirte mit seiner Herde geprahlt. Der Schäfer hatte nachgeschaut, ob auch kein Schaf alle viere von sich streckte … Wenn der Großbauer dann vorbeikam, ratschten sie freundlich, und jeder konnte ein bisschen was vom anderen lernen … Jaja, das waren gute Tage, gute Tage waren das.

Dasselbe galt für den Garten. Als er da drüben der zuständige Mann war, hatte er sich nie wie einer gefühlt, der für seine Arbeit bezahlt wurde. Er hatte das Gefühl, dass der Garten ihm gehörte, und so war es im Grunde ja auch.

Das hatte er von dem alten John Addis gelernt, seinem ersten Obergärtner. Ein ruhiger Mann war das, der alte John, sehr ruhig und gegenüber der Herrschaft sehr respektvoll – bis zu einem gewissen Grad, denn wenn es zu irgendwelchen Diskussionen mit der jungen Frau kam, war völlig klar, wer hier der Meister war. »Nun gut, Addis«, sagte sie dann, »wenn Sie meinen, dass es so und nicht anders gemacht werden soll, habe ich keine Einwände.« Und wenn es um den Blumenschmuck für das Haus ging, musste der alte John immer vorher gefragt werden. Aber heutzutage … jeder konnte abpflücken, was er wollte, weil es keinen mehr kümmerte.

Wie er so aus dem kleinen Fenster seines Cottages blickte, sah der alte Mann, dass sich der Morgennebel verzogen hatte, als habe sich ein feiner weißer Vorhang gehoben, hinter dem sich der Garten wie eine Bühne nun klar hervorhob: die Dahlien, die der erste Frost noch nicht geschwärzt hatte, und Astern und Petunien, die als Farbflecken vor der grauen Mauer leuchteten. Die Beeren des Cotoneaster waren wie ein Regiment Spielzeugsoldaten in Paradeuniform angetreten. Im Gehölz trugen die ersten Büsche gelbes Laub – Vorboten des goldenen herbstlichen Umzugs. Bald kämen die Rot- und Orangetöne der Blütensträucher dazu. Im spitzgotischen Laub des Spindelstrauchs würden korallenrote Beeren glänzen und die großen Blätter des Trompetenbaums ihre bizarren Schatten auf den nassen Rasen werfen. Dann noch ein letzter Tanz der Schmetterlinge um die Reste des Sommerflieders …

Dieser zauberhafte und durch und durch englische Anblick war ihm seit über einem Dreivierteljahrhundert vertraut. Die Leute sagten, mit den großen Gärten sei es nun vorbei. Jetzt gehöre allen alles und nichts mehr irgendjemand Besonderem. Das konnte er nicht glauben. Es war ein Garten, in dem die Welt ihren Anfang genommen hatte, und mit einer Sache, die sich so lange gehalten hatte, konnte es nicht so schnell vorbei sein. Wie auch immer, es hatte Gärten gegeben, so lange er lebte, und was danach kam, ging ihn nichts mehr an.

Gärten! Der alte Mann schloss die Augen und ließ seine Gedanken in eine Vergangenheit voller Duft und Farbe zurückwandern. Es war eine lange Reise, die meistens bergauf geführt hatte, aber es gab ganz entschieden ein Ziel … Als ein Niemand war er losmarschiert, und als ein Jemand war er angekommen … Dieser Tag, als er in das Komitee für die Grafschaftsgartenschau gebeten worden war … Mittagessen im großen Zelt und er am Kopfende der Tafel … Das waren Zeiten … Ein junger Mann konnte sich durchboxen und alles Mögliche werden … wenn er keine Angst vor der Arbeit hatte und sich kümmern wollte.

Er war drangeblieben. Er hatte es geschafft. Bis ganz hinauf. Respekt – allerdings! Jetzt sollten sie ruhig hinter seinem Rücken lachen, diese jungen Leute, und ihn Old Herbaceous nennen, wenn sie meinten, er würde es nicht hören. Aber sie nahmen sich keine Frechheiten heraus. Schließlich war er so etwas wie eine langlebige winterharte Staude … Achtzig Jahre jetzt … Sollten sie doch ihr bisschen Spaß haben.

Das war das Beste am Altwerden. Dass man sich nicht mehr unnötig über jede Kleinigkeit erbosen musste und nicht mehr um die Zukunft sorgen … Dafür war die Zeit zu knapp … Immerhin, er hatte sein Cottage und genug auf dem Postsparbuch, dass er zurechtkam … Er konnte für alles bezahlen … war von niemandem abhängig … Für ihre Dienste wurden sie bezahlt, und sie waren ganz schön froh, dass jeden Samstagmorgen das Geld dafür auf dem Kaminsims lag.

Das war die angemessene Art, zum Ende zu kommen, und genau so würde er es halten.

2

An einem Donnerstag im November 1789 vermeldete die Morning Post, dass »das größte Bauvorhaben der Binnenschifffahrt im Königreich« vollendet sei. Der Severn war mit der Themse durch einen Kanal verbunden worden, der über vierzig Schleusen auf 343 Fuß anstieg, in einem zwei und drei Achtel Meilen langen Tunnel durch den Hügel von Sapperton führte und über siebenundzwanzig Schleusen wieder hinabstieg, um bei Lechlade in die Themse zu münden.

Als der erste Lastkahm diese ungeheuerliche Reise bewältigt hatte, wurde er von Salutschüssen aus zwölf Kanonen und einer riesigen Menschenmenge begrüßt, die zwischen dem Geböller in Hurrageschrei ausbrach und die Hüte in die Luft warf. In den größeren Gasthöfen setzte man sich zum Festessen nieder, und der Tag endete mit Glockengeläut, Freudenfeuern und einem Ball.

»Was den Binnenhandel des Königreichs und die Sicherheit der Reisewege in Kriegszeiten betrifft«, schloss die Morning Post, »wird sich diese Verbindung zwischen Themse und Severn in Zukunft als überaus segensreich auswirken.«

So viel zur Eitelkeit menschlicher Prophezeiungen. Fünfzig Jahre später hatte die Eisenbahn das Schicksal der Binnenschifffahrt besiegelt, und weitere fünzig Jahre später war der Themse-Severn-Kanal in einem derart desolaten Zustand, dass er so gut wie gar keine Bedeutung mehr hatte.

Den kleinen Jungen, die in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts auf der steinernen Bogenbrücke hockten und Worte von zweifelhafter Höflichkeit mit dem Schleusenwärter wechselten, lagen trübe Gedanken über Veränderung und Niedergang völlig fern. Der Wärter amtierte in einem eigenartigen kleinen runden Haus, und sein Posten glich eher einem gut bezahlten Ruhestand, denn obwohl der Kanal offiziell noch in Betrieb war, verging manchmal eine ganze Woche, bis ein Lastkahn durchkam. Und wenn er kam, brachte er höchstens eine Ladung Kohlen für die Dörfer oder nahm von den Bauern ein paar Säcke Gerste für die Brauereien in Bristol auf.

Der Schleusenwärter, ein zeterversessener alter Kerl, wie er im Buche stand, hatte also Zeit genug, sich mit seinen jugendlichen Plagegeistern herumzuzanken, und der Kanal hatte Zeit genug, in Erinnerungen an seinen vergangenen Ruhm zu versinken.

Unter den Gören, die auf der Brücke Steine aufklaubten und in das stehende Wasser schmissen, war einer, der offenbar nicht mit ganzem Herzen bei der Sache war. Er trug, wie seine Kameraden, die abgelegten Manchesterhosen und genagelten Stiefel der älteren Geschwister, aber sein Gesicht war feiner geschnitten, und eins seiner dürren Beine schien eine Idee kürzer zu sein als das andere. Den frechen Widerworten, die er dem zeternden alten Kerl zurief, fehlte es ein wenig an Würze, vielleicht weil er nicht so schnell rennen konnte wie seine Kumpane; und selbst wenn tatsächlich mal ein Lastkahn um die Kurve bog, interessierte ihn das Wogen der gelben Schwertlilien und rosa Kuckuckslichtnelken, die den Kanal jedes Jahr ein Stück weiter unter sich begruben, mehr als das Schiff.

An diesem Punkt seiner Erinnerungen angekommen, wurde Old Herbaceous in seinen Kissen unbehaglich zumute. Er ging liebend gern in der Vergangenheit spazieren, besonders gern am Ufer des alten Kanals, aber das Bild seiner kindlichen Erscheinung, die so deutlich von der der anderen Jungs abstach, brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Denn er war anders als sie, da gab es gar kein Vertun.

Als Mrs. Pinnegar, die Frau des Kuhhirten, eines Morgens im Mai vor über achtzig Jahren ihre Haustüre öffnete, erlitt sie den Schock ihres Lebens. Eingewickelt in einen alten Unterrock, lag da ein Baby auf ihrer Türschwelle, allem Anschein nach ein Neugeborenes. Mrs. Pinnegar, eine gute Seele mit sechs eigenen Kindern, ging in Gedanken die Jungfern im Dorf durch. Etliche von ihnen waren »in Umständen«, aber Mrs. Pinnegar, die auch als Hebamme fungierte und mit allen Familien auf gutem Fuß stand, wusste auf den Tag genau, wann es bei jeder von ihnen so weit war, und dieses Kind stellte sie vor ein Rätsel. Seit Wochen waren keine Zigeuner mehr durchs Dorf gezogen … Aber weil sie eine praktische Person war, hob die Frau des Kuhhirten das Bündel auf, das die Feen bei ihr abgeworfen hatten, taufte es Herbert, nach einem Onkel, der im Krimkrieg gefallen war, und verfügte sich zu ihrer montäglichen großen Wäsche. Wenn man schon sechs Mäuler zu stopfen hatte, kam es auf ein siebtes auch nicht mehr an.

Natürlich gab es ein bisschen Klatsch und Tratsch, aber eine unerwartete Ankunft sorgte damals in einem englischen Dorf gemeinhin nicht für Schlagzeilen. Die Brandstiftung in einer Scheune und die Preußen in Paris waren weitaus erregendere Neuigkeiten. Klein-Herbert wuchs in den Haushalt der Pinnegars hinein; die Jahre kamen und gingen, die neuen Mähmaschinen banden die Garben von allein und stießen sie aus …

Dennoch genoss eine Türschwelle als Fundort kein besonders hohes Prestige, speziell wenn man älter wurde und irgendwann zu den Honoratioren des Dorfes gehörte. Nicht, dass ihm jemand seine Herkunft aufs Butterbrot geschmiert hätte. Im Übrigen war auch gar keiner mehr da, der sich daran erinnern konnte; tot waren sie, alle miteinander. Die Alten gingen, Neue kamen, bis keine Seele mehr etwas von der anderen wusste. Sehr bald würde auch er gehen, und dann wären nur noch die Häuser da – und die Gärten.

Eigenartig, nicht wahr? Du pflanzt einen Baum, du siehst ihn wachsen, du erntest seine Früchte, und wenn du alt bist, sitzt du in seinem Schatten. Dann stirbst du und bist bald vergessen, ganz so, als habe es dich nie gegeben … Aber der Baum wächst weiter, als sei es so gegeben. Er war schon immer da und würde immer da sein … Jeder sollte einmal einen Baum pflanzen – und sei es nur aus Bescheidenheit im Angesicht des Allmächtigen.

Old Herbaceous war nicht gerade ein frommer Mann, und er interessierte sich nicht über die Maßen für die Bibel. Nur wenn ihn etwas tief bewegte, kam sein Schöpfer mit ins Spiel. Diese Anlässe traten periodisch auf und hatten in der Regel etwas mit dem Landbau zu tun. Das geistige Wohlbefinden der Menschen fiel in die Zuständigkeit des Pfarrers, aber ein Baum, der an der Ulmenkrankheit litt, das war ein anderes Paar Stiefel … Bei dieser Gelegenheit wurde der Oberste Gärtner um seine Meinung gebeten, und was Er riet, gab den Ausschlag.

Diese schlichte und ziemlich unorthodoxe Methode hatte eine ganze Reihe von Amtsinhabern im alten Pfarrhaus irritiert. Ein Pastor nach dem anderen hatte kunstvoll, jedoch ohne sichtbaren Erfolg nach der Seele dieses verirrten Schafs geangelt. Etliche hatten auf eine religiöse Gesinnung getippt, die irgendwo gut versteckt war, aber keiner hatte eine nachhaltige Bekehrung bewirkt. Höchst verwirrend! Ein ernst gesinnter junger Pfarrer, der zu seinem Drei-Stunden-Gottesdienst geeilt war, hatte an seine Tür geklopft und den alten Mann gefragt, ob er wisse, was es mit Karfreitag auf sich habe. »Karfreitag?«, hatte der erwidert. »Karfreitag ist der Tag, den der Herr zum Legen unserer Saatkartoffeln bestimmt hat.«

Tatsächlich hatte die Frage der Religion und die Erforschung von Gottes Wille Old Herbaceous in seinen achtzig Jahren des Umgangs mit gärtnerischen Angelegenheiten durchaus beschäftigt. Wann immer er den Allmächtigen zur Beratung hinzugezogen hatte, war es in dem unerschütterlichen Glauben geschehen, dass er mit einem Gleichgestellten sprach, auf dessen Erfahrung man sich im Notfall stützen konnte. Aber wann trat der Notfall ein? Er konnte, wie gesagt, doch nicht ewig an die goldene Pforte klopfen. Schließlich war er nur einer von Millionen. Und so wuchs allmählich eine Scheu, die ein durchaus angenehmes Verhältnis nahezu zum Erlöschen brachte. Es war, als würde man einen Freund immer wieder um einen Gefallen bitten, nur um plötzlich festzustellen, dass man es wohl ein bisschen übertrieben hatte.

Hin und wieder konnte man natürlich einen Vorstoß wagen, quasi um sich in Erinnerung zu bringen. Als zum Beispiel die alte Mrs. Pinnegar gestorben war, hatte er ihr eine Beerdigung ausgerichtet, wie sie das Dorf zuvor noch nicht erlebt hatte. Er hatte das ganze Gewächshaus abgeerntet, bis keine einzige Blume mehr übrig war. Es war sein Dank an die alte Dame – und zugleich ein Wink an die Adresse des Allmächtigen. Er konnte noch immer ihren Sarg vor sich sehen, das heißt, er konnte ihn natürlich nicht sehen unter all diesen Lilien, Nelken und Orchideen. Danach ging es ihm besser, aber er fühlte sich noch immer in beider Schuld, und wenn seine Zeit gekommen war, würde er nicht versäumen, sie an die Beerdigung zu erinnern und sie zu seinen Pluspunkten zu zählen.

Dies war also erledigt, und der alte Mann konnte seinen Gedankenspaziergang wieder mit Freuden aufnehmen, zurück zu der steinernen Bogenbrücke über den alten Kanal und dem kleinen Jungen mit den zerrissenen Manchesterhosen und genagelten Stiefeln. Diese Wegstrecke betrat er immer mit einem Glücksgefühl. Er konnte sich auch besser an die Leute von damals erinnern, ihre Gesichter sehen, ihre Stimmen hören. Es war wie mit der Weltgeschichte. Zwischendurch gab es immer allerhand, das nicht so furchtbar wichtig war, aber wenn man ihn nach Alfred dem Großen oder Wilhelm dem Eroberer fragte, hatte er sie sofort parat.

Er erinnerte sich an seinen ersten Schultag, als sei es gestern gewesen. Über der Dorfschule präsidierte eine große behagliche Dame, vor der alle einen Heidenrespekt hatten, einschließlich des Pfarrers, der Vorsitzender der Schulkuratoren war und mittwochs kam, um Religionsunterricht zu geben.

Sie hieß Mary Brain, und sie war eine stabile Person in einem stabilen Rahmen, die stabile Methoden anwandte, um unfehlbar an ihr angestrebtes Ziel zu gelangen; ohne überflüssige Spitzfindigkeiten und ohne Geheimniskrämerei, die dem Wunder der Wahrmachung vorausgingen. Nicht mit ihr. Sie wusste genau, wohin sie wollte, und entweder sprang man zur Seite, oder man kam unter die Hufe und wurde zu Tode getrampelt. Eine menschliche Dampfwalze war sie, die ausgezeichnet geradeaus fuhr; die Sorte Vollweib, von der es heißt, es gebe sie heutzutage nicht mehr. Unfug! Natürlich gab es sie noch.

Sie hatte nie geheiratet, und der Grund dafür war ihr einmal von einem ziemlich unverschämten jungen Studenten nahegebracht worden, der mit dem Boot von Oxford heraufgerudert kam, weil er die einzig wahre Quelle der Isis, wie die Themse in ihrem Oberlauf heißt, entdecken wollte. Mary Brain, damals sehr viel jünger und schlanker, begegnete ihm auf der Wiese am Fluss, wo sie nach den ersten Schachbrettblumen gesucht hatte. An diesem langen Frühlingsabend saßen sie zusammen und plauderten, aber als er versuchte, sie zu küssen, verwies sie ihn auf den Grund seiner Reise, nämlich die Quelle der Themse zu entdecken.

In seinem Stolz verletzt, platzte der junge Mann heraus: »Wissen Sie, was mit Ihnen los ist? Sie sehen so verflixt tüchtig aus, so gut gerüstet, so imstande – zu allem. Einfach furchterregend! Und wozu tragen Sie diese schrecklich Brille?«

»Weil ich kurzsichtig bin.«

»Das ist kein Grund. Mädchen mit schönen Augen dürfen keine Brille tragen. Nehmen Sie sie ab. Werfen Sie sie in den Fluss. Los, werfen Sie sie in den Fluss!«

Dem Befehl dieses dynamischen jungen Mannes gehorchend, nahm Mary Brain ihre Brille ab, klappte sie sorgfältig zusammen – und warf sie in den Fluss. Aber ihre Unterweisung in der Kunst, Männer zu faszinieren, war noch nicht beendet.

»Und jetzt Ihr Haar!«, sagte er forsch. »Viel zu vernünftig.«

»Was soll ich mit meinem Haar machen?«, fragte Mary freundlich. »Es in den Fluss werfen?«

Ein gefährlicher Funke glomm im Auge des jungen Mannes auf. »Ich werde Ihnen zeigen, was Sie mit Ihrem Haar machen sollen.« Und auf der Wiese am Ufer der Isis fuhr er ihr mit allen zehn Fingern an den Kopf und strubbelte ihre fest geflochtenen Zöpfe so heftig, bis sie aussah, als hätte man sie rückwärts durch eine Hecke geschleift. Dann trat er zurück und betrachtete sein Werk. Es schien ihm zu gefallen.

»Sehr viel besser«, sagte er. »Nicht mehr ganz so steif. Lassen Sie es so! Ich komme dieser Tage zurück.«

Er tauchte das Ruder ein und verschwand mit einem energischen Schlag um die Flussbiegung.

3

Mary Brain ging zum Schulhaus zurück. Sie kaufte sich eine neue Brille und richtete sich in ihrem Leben ein; freundlicher und tüchtiger als je zuvor und zu allem imstande. Doch sie blieb unverheiratet, und hin und wieder fiel die Bemerkung, ihr Haar sehe ein bisschen wild aus, als sei ihr jemand mit allen zehn Fingern hindurchgefahren.

Weil sie keine eigenen Kinder hatte, kümmerte sie sich hingebungsvoll um die anderen, die ihr anvertraut waren, und ab und zu gab es eins, das aus irgendeinem Grund einen dicken Stein bei ihr im Brett hatte. Das musste nicht unbedingt der schlaueste Schüler oder die lahmste aller Enten sein. Manchmal reichte es, wenn sie ein Paar blaue Augen schüchtern aus der dritten Reihe anlächelte, und Mary streckte die Waffen. Mit der Zeit wurde dem verwirrten Kind klar, dass es ein zweites Heim und eine zweite Mutter gefunden hatte, die sich beide in der Regel als angenehmer erwiesen als die ursprünglichen und rechtmäßigen Bindungen.

Diesmal traf es den jungen Herbert, der wie ein furchtsames Kätzchen in eine fremde, kalte Welt gekrochen kam und sich zu seiner Überraschung in eine Art Himmel versetzt sah, an einen Ort, wo er endlich von einem anderen Menschen freundlich wahrgenommen wurde. Zuvor hatten Marys mütterliche Anwandlungen manchmal Eifersüchteleien und Gerede von Günstlingswirtschaft im Dorf hervorgerufen, aber diesmal kümmerte sich keiner darum, wo sich ein hinkendes Findelkind nach Schulschluss herumtrieb, und keine Schlange erhob ihr Haupt in seinem neuen Paradies.

Fast an jedem Sommerabend wurden diese beiden nun gesichtet, wie sie den Treidelpfad am alten Kanal entlangspazierten. Manchmal bückten sie sich, um eine Blume zu pflücken, die ihre Aufmerksamkeit verdiente, und dann sprachen sie fachmännisch über deren Wesen und Familienzugehörigkeit. Manchmal zupften sie auch die Blüte auseinander und begutachteten sie im Einzelnen. Was Wiesenblumen betraf, war Mary Brain die größte Koryphäe in der ganzen Grafschaft, und das färbte langsam auf den jungen Herbert ab, von dem es schließlich hieß: »Was der nicht über Wiesenblumen weiß, ist eh nicht so wichtig.«

Der alte Kanal war aus zwei Gründen ihr bevorzugtes Revier. Zum Ersten konnte man hier entlangschlendern, ohne dass einem ein wütender Bauer hinterherschimpfte. Bauern waren damals richtige Neidhammel. Sie konnten Wiesenblumen überhaupt nicht brauchen; sie hassten sie geradezu, aber sie gönnten sie auch niemand anderem. Man brauchte sich nur zu bücken, um am Feldrain ein Maßliebchen zu pflücken, und sie machten einen Aufstand, als wollte man ihre Korngarben abfackeln. Natürlich hatten sie ihre Last mit Wilderern und Leuten, die ihnen durch die Wiesen trampelten, aber ein bisschen mehr Verstand hätte man ihnen trotzdem gerne zugetraut.

Nach ein, zwei Begegnungen dieser Art begann der junge Herbert sämtliche Bauern zu verabscheuen. Er war in seinem Stolz verletzt, wenn ihn jemand über zwei Hektar Grünland hinweg anbellte, weil er eine Schlüsselblume gepflückt hatte. Für ihn war alles Unkraut Blumen; für die Bauern waren alle Blumen Unkraut. Auf dieser Basis war eine Verständigung nicht möglich. Niemals, niemals, beschloss er, würde er nach der Schule auf einem Bauernhof arbeiten. Eher würde er Steine klopfen oder sich als Hilfsarbeiter verdingen, oder sonstwohin gehen. Aber nicht auf einen Hof – wenn er es irgend vermeiden konnte.