Please stay with me - Lora Flynn - E-Book

Please stay with me E-Book

Lora Flynn

0,0

Beschreibung

Eine Liebe, die niemals endet… Nachdem Dreas Vater die Wahrheit über ihre Liebesbeziehung zu ihrem Englischlehrer Logan Black herausgefunden hat, ist eines klar; er wird diese Verbindung niemals dulden. Drea setzt alles daran, um einen Weg für eine gemeinsame Zukunft mit ihrer großen Liebe zu finden. Doch reichen ihre Gefühle füreinander aus? Oder werden die Menschen, die ihnen das Glück nicht vergönnen, die beiden endgültig entzweien? Der letzte Band der Please-Reihe !

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 465

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



LORA FLYNN

PLEASE STAY WITH MEROMANBand 3

LORA FLYNN

PLEASE STAY WITH ME

VORWORT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

EPILOG

DANKSAGUNG

ÜBER DIE AUTORIN

Deutsche Erstausgabe 12/2020

Copyright © 2020 by Lora Flynn,

c/o Bianca Kronsteiner, impressumservice.net,

Robert-Preußler-Straße 13 / TOP 15020 Salzburg,

AT – Österreich

Druck und Bindung: epubli – ein Service der neopubli, GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Copyright © by Lora Flynn

[email protected]

Für alle gebrochenen Herzen da draußen,

die ihren Glauben an Happy Ends

verloren haben…

Vorwort

„Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit,

dass ein Junggeselle

im Besitz eines schönen Vermögens

nichts dringender braucht,

als eine Frau.“

- Jane Austen, Stolz und Vorurteil

Kapitel 1

Ich hatte das Arbeitszimmer meines Dads immer gemocht, das gedämpfte Licht, die weinroten Wände mit der dunklen Holzvertäfelung… Es hatte stets eine gemütliche Atmosphäre versprüht und nahezu etwas Beruhigendes an sich gehabt. Doch leider blieb die gewünschte Wirkung dieses Mal aus. Denn ich hatte mich noch nie so unwohl in meiner Haut gefühlt, wie in diesem Moment.

Wie ich hier gelandet war? Eine gute Frage.

Seit dem verhängnisvollen Vorfall im Krankenhaus waren nunmehr zwei Tage vergangen. Zwei Tage, in denen ich kein einziges Wort mit meinem Dad gewechselt hatte. Zwei Tage, in denen ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie es künftig weiter gehen würde.

Lukas' Offenbarung hatte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Wie ein Tsunami waren seine Worte über meinem sicheren Hafen eingebrochen und ließen meine Welt in absolutem Chaos zurück.

Er hatte vor meiner ganzen Familie meine größte Angst und mein dunkelstes Geheimnis preisgegeben. Mein Dad, Tante Carolyn, selbst Poppy, alle wussten nun Bescheid über den Missbrauch, den ich durch meinen Cousin Adam erfahren musste. Und als wäre das nicht schon genug, war meine Beziehung zu meinem Englischlehrer Logan Black ebenfalls aufgeflogen. Die Katze war aus dem Sack.

Das schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich auf glühenden Kohlen saß. Die ganze Zeit über hatte ich darauf gewartet, dass Dad das Gespräch zu mir suchte, dass er mich auf das ansprach, was passiert war.

Aber er hüllte sich in Schweigen - eine Eigenschaft, die wir wohl gemeinsam hatten.

Selbst auf der Autofahrt vom Krankenhaus nach Hause, hatten wir kein einziges Wort miteinander gesprochen. Als wir schließlich angekommen waren, hielt ich es nicht mehr aus, ein Gespräch war mir unausweichlich erschienen. Also fasste ich mir ein Herz und hatte mit vor Aufregung schwitzigen Händen an seine Bürotür geklopft.

Nachdem ich keine Antwort erhalten hatte, betrat ich einfach den Raum.

Und so war ich hier gelandet.

Dad stand vor dem Fenster und schaute nachdenklich nach draußen, die eine Hand in der Hosentasche versteckt, während er in der anderen ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit hielt.

Es war nicht ungewöhnlich, dass Dad sich hin und wieder einmal ein Glas Whiskey genehmigte, doch wusste ich genau, dass es in diesem Moment ein trauriger Versuch war, den Kummer, den ich ihm bereitete, mit Alkohol zu betäuben.

Die Dämmerung draußen hatte bereits eingesetzt und dicke, weiße Schneeflocken rieselten hinter der Fensterscheibe leise vom Himmel herab.

Bei meinem Eintreten rührte Dad sich nicht von der Stelle, als ahnte er auch ohne hinzusehen, dass ich es war. Selbst als ich ihn ansprach, strafte er mich weiterhin mit seinem Schweigen und so war ich gezwungen, eine gefühlte Ewigkeit einsam und verlassen im Raum zu stehen. Ich fühlte mich unwohl.

Als Dad sich schließlich zu mir umdrehte und mich mit tieftraurigen Augen ansah, brach es mir fast das Herz. Ich konnte die Schuld sehen, die sich wie ein unsichtbarer Schleier über sein Gesicht legte. Er fühlte sich verantwortlich, schuldig für das, was mir angetan worden war. Er machte sich Vorwürfe. Ich wusste genau, was in diesem Moment in ihm vorging; nämlich als Vater versagt zu haben.

Ich konnte gar nicht anders, als wortlos den Raum zu durchqueren und Dad in die Arme zu schließen, während ich mein Gesicht tief in dem weichen Baumwollstoff seines Hemdes vergrub. Offenbar hatte er mit einer Umarmung nicht gerechnet, denn er schien überrascht. Doch einen Augenblick später spürte ich auch schon seine Hand, die beruhigend meinen Rücken auf und ab strich. Einige Sekunden verharrten wir in dieser Position.

»Du konntest es nicht wissen, Dad«, flüsterte ich ihm leise zu, was ein kläglicher Versuch war, ihm den Schmerz zu nehmen, der von nun an sein täglicher Begleiter sein sollte.

Nachdem Dad sich ein wenig gesammelt hatte, bedeutete er mir, mich zu setzen. Mir war klar, dass nun der unangenehme Part folgen würde. Zu meiner Erleichterung zwang er mich jedoch nicht, ihm die ganze Geschichte in allen Einzelheiten zu erzählen. Womöglich hatte mein Bruder das bereits getan, aber trotz allem war ich einfach nur dankbar dafür gewesen, all die schrecklichen Momente nicht noch einmal durchleben zu müssen.

Dennoch stellte Dad mir eine Bedingung - er verlangte, dass ich eine Therapie machte, womit ich sogar einverstanden war. Denn an dem Tag im Krankenhaus, als mein Bruder die Bombe hatte platzen lassen, war mir schmerzlichst bewusst geworden, dass ich mich meiner Vergangenheit stellen musste. Adam hatte Spuren auf meiner Seele hinterlassen. Narben, die niemals richtig verheilen würden, wenn ich sie nicht zusammenflickte. Also waren wir übereingekommen, einen geeigneten Psychologen aufzusuchen.

Auf meine Frage hin, wie es Tante Carolyn ging und was denn nun mit Adam geschah, schüttelte Dad nur den Kopf und wieder trat dieser gequälte Ausdruck in seine Augen.

»Carolyn hat mich gestern angerufen. Sie hofft, dass wir von einer Anzeige absehen und möchte ihn in eine Jugendpsychiatrie schicken«, dies war Dads knappe Antwort, ehe er wieder nach dem Whiskeyglas griff. Krampfhaft überlegte ich, welchen Weg ich wohl einschlagen sollte. Ich musste jedoch nicht groß darüber nachdenken, denn ich wusste jetzt schon, dass ich keine Anzeige erstatten wollte. Natürlich stand es außer Frage, dass das was Adam mir angetan hatte, unverzeihlich war. Aber ich dachte dabei nicht nur an Adam oder an mich, nein, ich dachte auch an Tante Carolyn. Sie hatte bereits so vieles durchgemacht, ich wollte ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügen, indem ich gegen ihren Sohn Anzeige erstatten würde. Denn egal, was er mir angetan hatte, er war trotz allem immer noch ihr Sohn. Ihr Kind.

Adam hatte ein gewaltiges, psychisches Problem und brauchte dringend Hilfe. Die sollte er auch bekommen. Also signalisierte ich meinem Dad mit einem Kopfschütteln, dass ich von einer Anzeige absah. Kurz beschlich mich das Gefühl, dass er sich das Gegenteil erhofft hatte. Oder aber er war selbst unschlüssig, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Dad saß im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen. Immerhin ging es hier auch um seine Schwester, die er über alles liebte. Es war für alle Beteiligten eine furchtbar schlimme und ausweglose Situation.

Ich war mir jedoch sicher, dass Dad zu mir stehen würde, selbst wenn ich mich dazu entschieden hätte, auf eine Anzeige zu bestehen, was sein Verhältnis zu Tante Carolyn womöglich zerstört hätte. Dads Liebe zu seinen Kindern war bedingungslos, auch wenn er sie nicht immer offen zeigte. Allein der Gedanke daran, gab mir Kraft.

Ich beschloss, Dad erst einmal alleine zu lassen und erhob mich von dem Stuhl. Doch Dad schien noch etwas auf dem Herzen zu haben, denn gerade als ich Anstalten machte zur Tür zu gehen, hielt er mich zurück.

»Drea, da ist noch etwas worüber wir uns unterhalten müssen.«

Ich hielt mitten in der Bewegung inne. Mein Herzschlag beschleunigte sich und in meinem Magen begann sich ein ungutes Gefühl auszubreiten. Ich ahnte bereits, worüber Dad mit mir sprechen wollte. Die ganze Zeit hatte ich den Gedanken daran verdrängt, versucht ihn zu ignorieren, so zu tun, als wäre all das nicht passiert. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Dad mich auf dieses eine Thema angesprochen hätte.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich dem, was nun auf mich zukam, zu stellen und drehte ich mich zu Dad um. Diesmal hatte sein Gesicht einen anderen Ausdruck angenommen. Von der Traurigkeit, die ihm zuvor noch anzusehen war, fehlte jegliche Spur.

Stattdessen strahlte Dad nun eine so heftige Ernsthaftigkeit aus, dass es mir die Kehle zuschnürte. Und dann sprach er das Thema an, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.

»Ich muss dich das jetzt fragen, Drea«, er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er weitersprach.

»Hattest du Sex mit deinem Lehrer?«

Geschockt starrte ich ihn an.

Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht, wenngleich diese Frage mehr als berechtigt war. Kurz darauf spürte ich auch schon, wie mir allmählich das Blut ins Gesicht schoss und ich bis zu den Haarwurzeln errötete.

»Dad! Ich...«, peinlich berührt schüttelte ich hastig den Kopf. »Wie kannst du nur so etwas fragen?«

»Das war kein Nein«, der Blick aus Dads braunen Augen war kalt, beinahe schon gefühllos. Doch wenn es um die eigenen Töchter ging, kannten Väter wohl keine Gnade. Besonders meiner nicht. Schon bei Danny hatte es Ewigkeiten gedauert, bis er es überhaupt einmal für nötig hielt ihn zu begrüßen, wenn er zu Besuch kam.

Ja, es war nicht selten, dass sobald die Töchter zum ersten Mal einen Freund mit nach Hause brachten, die Väter sich nur zu gut an ihre eigene Sturm-und-Drang-Zeit erinnerten. Eine wilde Jugend, die ersten aufkeimenden Gefühle für das andere Geschlecht... Die Angst davor, dass die Tochter mit einem Jungen zusammen war, der gerade in derselben Entdeckungsphase steckte, bescherte jedem Vater wohl die ersten grauen Haare.

»Ich erwarte eine Antwort, Drea.«

»Dad!«, meine Wangen glühten. »Natürlich nicht!«

Nun ja, was nicht bedeutete, dass ich es nicht versucht hätte… fügte ich gedanklich an, aber das musste ich meinem Dad ja nicht auf die Nase binden. Es war ohnehin schon ungemein peinlich, mit ihm darüber zu sprechen. Es war mir sogar so unangenehm, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Dennoch spürte ich unentwegt seinen bohrenden Blick, als könnte er auf diese Weise herausfinden, ob ich die Wahrheit sagte oder ob ich log.

Unwillkürlich überkam mich ein schlechtes Gewissen. Obwohl ich, wenn man es genau nahm, ja ehrlich zu ihm war, denn ich hatte nicht mit Logan geschlafen. Allerdings verschwieg ich Dad die Tatsache, dass wir mehr als einmal die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Wenngleich ich mir sicher war, dass Dad sich seinen Teil bereits denken konnte. Immerhin hatte er ja bereits mit Logan gesprochen. Ein Gespräch, von dem ich nach wie vor nicht wusste, welchen Ausgang es wohl genommen hatte.

Dad seufzte.

»Drea«, begann er nun in einem gefährlich ruhigen Tonfall. »Ich habe in den letzten zwei Tagen sehr lange überlegt, ob ich mich mit der Schulleitung in Verbindung setzen soll oder nicht...«, noch ehe Dad weitersprechen konnte, sprang ich aufgebracht vom Stuhl.

»Dad! Das kannst du nicht tun! Logan hat nichts Verbotenes getan! Er ist ein guter Mensch und ich schwöre dir, dass nichts Körperliches zwischen uns vorgefallen ist!«

Dad musterte mich aufmerksam, bevor er wieder zu sprechen begann.

»Weshalb hat er mir dann in dem Gespräch vor zwei Tagen gestanden, dass er sich in meine Tochter verliebt hat?«, Dad sah mich ungerührt aus ernsten Augen an. Mir dagegen verschlugen seine Worte unwillkürlich die Sprache. Wie erstarrt stand ich vor ihm und erwiderte seinen Blick aus großen Augen.

Logan hatte meinem Dad gesagt, dass er sich in mich verliebt hatte?

Dads Aussage traf mich mitten ins Herz und ließ mich für einige Sekunden lang einfach nur wortlos dastehen. Und während ich noch versuchte, Dads Worte zu verarbeiten, begann er schon wieder weiter zu sprechen.

»Nun ja, dein Lehrer hat mir ebenfalls bestätigt, dass bisher noch nichts Sexuelles zwischen euch vorgefallen ist und ich hoffe sehr, dass ihr beide ehrlich seid, Drea. Die Konsequenzen eines solchen Handelns wären fatal.«

»Es ist die Wahrheit. Ich verspreche es dir«, erwiderte ich, als ich allmählich meine Stimme wiederfand. Doch der Schock über Dads Worte hatte ich noch immer nicht verkraftet. Benommen ließ ich mich wieder zurück auf den Stuhl sinken. Allerdings war später noch genügend Zeit, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Es gab nun Wichtigeres. Ich musste nämlich einen Weg finden, meinen Dad davon abzubringen, sich mit der Schulleitung in Verbindung zu setzen. Fieberhaft überlegte ich nach einem schlagkräftigen Argument.

»Dad, Logan ist anständig und einer der besten Menschen, die ich kenne. In den letzten Monaten ging es mir wirklich schlecht. Moms Tod, die Trennung von Danny und dann die Sache mit ... Adam«, ich schüttelte gequält den Kopf. »Logan war für mich da und es ist ... es ist einfach passiert. Wir hatten das nicht geplant! Bitte, Dad, bitte rufe die Schule nicht an. Er hat das nicht verdient. Ich flehe dich an!«

Für ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen uns. Voller Hoffnung bohrte sich mein Blick in Dads Gesicht, der nachdenklich das Whiskeyglas in seiner Hand hin und her schwenkte. Zu gern hätte ich in diesem Moment einen Blick in seinen Kopf geworfen, um herauszufinden was er dachte.

Mein Dad war kein Unmensch, so viel stand fest. Im Innern seines Kerns besaß er einen sehr sanftmütigen und liebevollen Charakter. Aber er besaß auch noch eine andere Seite. Eine Seite, die konsequent und knallhart sein konnte, die ohne jeglichen Skrupel alles tun würde, um die Familie zu beschützen.

Ungeduldig wartete ich darauf, dass er endlich wieder zu sprechen begann.

»Ich weiß, dass du eine schwierige Zeit hinter dir hast und es war auch sehr nobel von deinem Lehrer, dir in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Daher habe ich mich dazu entschieden, es der Schulaufsicht nicht zu melden«, setzte er schließlich an und sogleich fiel mir ein Stein vom Herzen. Hoffnung keimte in meinem Innern auf. Hoffnung, dass diese komplizierte Situation womöglich doch noch ein gutes Ende nahm.

»Aber nur unter einer Bedingung«, fügte Dad abschließend noch hinzu, während er langsam von seinem Glas aufblickte und mich direkt ansah. Die Anspannung in meinem Innern kehrte sofort wieder zurück.

»Alles was du willst, Dad«, entgegnete ich übereilt. Egal was es sein mochte, ich würde alles daransetzen, dass Logan seinen Job nicht verlor und wir eine echte Chance bekamen, zusammen sein zu können.

»Hier geht es nicht nur um seine Zukunft, Drea, sondern auch um deine. Und ich werde nicht zulassen, dass du sie dir zerstörst. Ich habe die letzten zwei Tage lange darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass du von dieser Sekunde an keinerlei außerschulischen Kontakt mehr zu Logan Black haben wirst. Sollte es nichts mit der Schule zu tun haben, so werdet ihr nicht ein einziges Wort mehr miteinander wechseln und ich untersage dir jegliche Versuche, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ist das klar?«

Ruckartig schoss mein Kopf nach oben.

»Bitte was?«, kam es entsetzt über meine Lippen, während sich meine Augen vor Schreck weit öffneten. Dads Worte erreichten meinen Verstand, jedoch fühlte es sich an, als würde mein Hirn sie nicht richtig verarbeiten können.

»Aber ...«, setzte ich bereits an, allerdings wollte einfach kein vollständiger Satz über meine Lippen kommen.

»Drea, ich weiß, dass du das jetzt vielleicht noch nicht einsiehst, aber Logan Black ist nicht der Richtige für dich. Du denkst, dass du verliebt bist, aber das bist du nicht. Eine solche Schwärmerei hat jeder schon einmal erlebt. Das hat doch keine Zukunft.«

»Wie kannst du so etwas sagen?«, empört sprang ich von meinem Stuhl auf, sodass er laut über dem Boden nach hinten schlitterte. Wut stieg in mir auf und mein Herz begann vor Aufregung immer heftiger zu schlagen.

»Drea«, mein Dad wirkte genervt. »Bitte setz dich wieder«, er deutete mit einem auffordernden Nicken in Richtung des Stuhls ihm gegenüber. Doch daran, seiner Bitte nachzukommen, war in diesem Moment gar nicht zu denken. Alles was ich empfand, war unbändiger Zorn, der mich innerlich beinahe zerriss. Wie konnte Dad sich anmaßen über meine Gefühle für Logan zu urteilen? Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, was ich für Logan empfand, wie sehr er mich in den vergangenen Wochen unterstützt hatte, mir dabei half, mich selbst wiederzufinden.

Es mochte sein, dass ich mit meinen achtzehn Jahren noch nicht einmal halb so viel Lebenserfahrung wie mein Dad gesammelt hatte und viele Dinge erst noch lernen musste. Aber einer Sache war ich mir absolut sicher und da konnte auch niemand versuchen, mir etwas anderes einzureden. Noch bevor ich mich stoppen konnte, hatten die Worte meine Lippen bereits verlassen.

»Ich liebe ihn.«

Und in diesem Moment begriff ich, dass es die Wahrheit war. Ich liebte Logan. Aus tiefstem Herzen. Er war es, der mir in den dunkelsten Stunden der letzten Monate beigestanden hatte. Seine rettende Hand hatte mir geholfen, wieder das Licht zu finden. Und trotz der Tatsache, dass er so lange gegen die Gefühle zwischen uns angekämpft hatte, war es mir gelungen, einen Weg zu finden, auch seine Mauern niederzureißen, eine Seite von ihm kennenzulernen, die er bisher niemandem offenbart hatte. Zwei verletzte Seelen, die einander gefunden hatten und sich ineinander verliebt hatten. Zwei Seelen, die versuchten, einander zu heilen.

Aus diesem Grund machte es mich unglaublich wütend, dass Dad mich und meine Gefühle nicht ernst nahm, dass er über sie sprach, als könnten sie morgen schon wieder Geschichte sein.

Ein Räuspern riss mich zurück in die Gegenwart. Für ein paar Sekunden starrte Dad mich einfach nur stumm an, ehe er sich mit den Händen über das Gesicht rieb.

»Drea, du weißt nicht, wovon du da sprichst. Du bist doch noch…«

»Nein«, fiel ich ihm augenblicklich wieder ins Wort. »Ich weiß, was du sagen willst, Dad. Du willst mir sagen, dass ich noch gar keine Ahnung davon habe, was Liebe wirklich bedeutet, dass ich mir nur einbilde, in ihn verliebt zu sein. Aber weißt du was?«, fragte ich, wobei ich den spitzen Unterton meiner Stimme nicht unterdrücken konnte. »Rede dir das ruhig ein, damit du dich besser fühlst, aber ich weiß, was ich tief in meinem Herzen fühle und ich werde mit Logan zusammen sein, ob es dir passt oder nicht. Selbst wenn das heißt, dass wir bis zu meinem Abschluss warten müssen. Er ist es mir wert!«

Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und wandte mich zum Gehen. Es hatte keinen Sinn weiterhin mit meinem Dad darüber zu diskutieren, wenn er keinerlei Verständnis für mich übrig hatte. Doch Dads Stimme in meinem Rücken hielt mich augenblicklich davon ab.

»Drea, ich habe dir versprochen, es nicht der Schulleitung zu melden und ich halte mein Versprechen. Aber sollte ich herausfinden, dass ihr in irgendeiner Weise weiterhin in Kontakt steht, dann werde ich meine Entscheidung überdenken. Das ist mein voller Ernst.«

»Du drohst mir also?«, ich drehte mich zu ihm und starrte ihn wutentbrannt an. Wie konnte mein eigener Dad mir so etwas antun?

»Wenn es sein muss, Drea«, der Blick aus seinen braunen Augen war eiskalt, gefühllos. In diesem Moment war er mir so unglaublich fremd und unwillkürlich begann ich mich zu fragen, ab welchem Punkt unser Gespräch wohl diese feindselige Richtung eingenommen hatte.

»Du kannst jetzt vielleicht noch nicht erkennen, dass ich nur das Beste für dich möchte. Aber du wirst es noch, Drea.«

Ein abfälliger Laut kam über meine Lippen, während ich Dad wieder den Rücken zukehrte und bereits nach dem Türknauf griff. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich als nächstes sagte, hatten die Worte bereits meine Lippen verlassen.

»Mom hätte niemals so mit mir gesprochen«, mit diesen Worten wandte ich mich eilig zum Gehen. Tränen brannten in meinen Augen und mein Puls raste. Ich riss die Tür des Arbeitszimmers auf und verließ fluchtartig den Raum, um seinen verletzten Gesichtsausdruck nicht ertragen zu müssen - denn ich wusste genau, dass meine letzten Worte ihn zutiefst trafen.

Er hielt mich nicht zurück, was mich nur noch mehr darin bestätigte, wie sehr ich mit meiner Aussage ins Schwarze getroffen hatte - und fast bereute ich es sogar.

Natürlich verstand ich Dads Beweggründe und es tat mir furchtbar leid, dass unser Gespräch in solch eine falsche Bahn geraten war. Ich konnte nachvollziehen, dass er sich große Sorgen um mich und meine Zukunft machte. Aber was ich nicht verstehen konnte, war die Tatsache, dass er mich nicht einmal angehört hatte, dass er nicht einmal versucht hatte, mich und meine Gefühle zu verstehen. Und das war es, was mich verletzte.

Dies war wieder einmal einer dieser Momente, in welchen ich meine Mom schmerzlichst vermisste. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie noch hier wäre. Sie hätte genau gewusst, was zu tun war. Vor allem aber hätte sie mir zugehört und versucht, einen Weg zu finden. Sie war noch nie die Art Mensch gewesen, die andere vorschnell verurteilten. Sie war der genaue Gegenpol zu meinem Dad gewesen.

Langsam aber sicher bahnten die Tränen sich nun einen Weg über meine Wangen und erschöpft ließ ich mich gegen die Wand neben Dads Arbeitszimmer sinken. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Leben wieder völlig aus den Fugen geraten. Gerade als ich geglaubt hatte, dass es endlich besser werden würde, stellte sich mir das Schicksal erneut auf üble Weise in den Weg, als wäre mir das Glück nicht vergönnt.

Meine Gedanken überschlugen sich, während ich aufgewühlt darüber nachdachte, wie es nun weitergehen sollte. Allerdings wusste ich auch ohne große Überlegungen, was als nächstes zu tun war. Denn egal, was mein Dad soeben gesagt oder womit er mir gedroht hatte, ich musste ganz dringend mit Logan reden...

Kapitel 2

Lustlos spielte ich mit dem Bleistift in meiner Hand und starrte gedankenverloren auf das weiße Blatt vor mir. Nicht ein einziges Wort hatte ich zu Papier gebracht - und das, obwohl ich morgen einen Aufsatz mit mindestens tausend Wörtern abgeben musste, wie Poppy mir mitgeteilt hatte. Trotz der Tatsache, dass dieses Essay von Jane Austen handelte, herrschte in meinem Kopf völlige Leere.

Ich seufzte und stützte mein Kinn auf der Hand ab.

Natürlich wusste ich genau, woher diese fiese Schreibblockade in meinem Kopf herrührte. Nämlich von niemand Geringerem, als derjenige, für den ich diese Arbeit schrieb.

Logan Black.

Allein an seinen Namen zu denken, tat so furchtbar weh, dass mein Herz sich anfühlte, als könnte es wie Glas in tausend Splitter zerbrechen. Ohne es verhindern zu können, wanderte mein Blick in Richtung meines Handys, das vor mir auf dem Schreibtisch lag. Zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag. Und obgleich mir klar war, dass der Bildschirm sicherlich keine neue Nachricht anzeigen würde, da ich vor genau einer Minute schon einmal drauf geschaut hatte, musste ich dennoch einen erneuten Blick wagen.

Nichts.

Wieder seufzte ich enttäuscht und donnerte den Bleistift auf den Schreibtisch zurück. Seit dem Vorfall im Krankenhaus letzte Woche, hatte ich nichts mehr von Logan gehört, was mich allerdings nicht weiter verwunderte, denn sicherlich war sein Gespräch mit meinem Dad ebenso unangenehm ausgefallen, wie meines.

Resigniert ließ ich mich tiefer in den Stuhl sinken und dachte an den morgigen Tag. Endlich würde ich wieder die Schule besuchen können. Eigentlich hatte der Arzt mich die letzte Woche vor Weihnachten noch krankschreiben wollen, allerdings hatte ich mich vehement dagegen gesträubt. Ich wollte so schnell wie nur möglich wieder zu meinem Alltag zurückkehren. Denn die letzten paar Tage hatte ich damit verbracht, von einem Beratungsgespräch zum nächsten zu hetzen.

Wie sich herausstellte, war Diabetes mellitus doch nicht solch eine harmlose Krankheit, wie ich zunächst angenommen hatte. Es nervte, mir sechs Mal am Tag eine Spritze in den Bauch jagen zu müssen, um meine Blutzuckerwerte zu stabilisieren. Einfach nur lästig.

Wie aufs Stichwort ertönte ein Klopfen an meiner Zimmertür und einen Augenblick später streckte Dad den Kopf herein.

»Wir müssen deinen Zucker messen«, hörte ich ihn sagen.

»Ich weiß«, entgegnete ich frostig und vermied es dabei, ihm ins Gesicht zu blicken. Seit unserem Gespräch vor einigen Tagen herrschte Eiszeit zwischen uns. Unser Verhältnis war so sehr unterkühlt, dass wir nur das Nötigste miteinander sprachen, was sich meistens auf meine Krankheit begrenzte.

Also ließ ich die Prozedur schweigend über mich ergehen, versuchte mir alles detailliert einzuprägen mit dem Ziel, bald so viel Übung darin zu haben, dass ich meinen Dad zur Verabreichung des Insulins nicht mehr brauchte. Mein Arzt hatte mir sogar von anderen Therapieformen erzählt, einer Insulinpumpe oder auch einem Insulinsensor, der am Körper angebracht wurde und den Insulinspiegel über den Tag hinweg von selbst regulierte. Allerdings waren diese Therapieformen, wie der Arzt mir mitgeteilt hatte, sehr kostenintensiv und für mich als Neuling auf diesem Gebiet noch nicht zu empfehlen. Ich sollte zuerst einmal lernen, mit dieser Krankheit zurecht zu kommen und das Spritzen mit einem Insulinpen verinnerlichen, ehe ich auf eine dieser Optionen zurückkommen konnte.

»Okay, das war’s«, räumte Dad ein, nachdem ich mir das Insulin gespritzt hatte und den Pen wieder absetzte. Zum Glück waren die Nadeln so hauchdünn, dass man den Stich kaum spürte.

Dad machte sich auch sogleich wieder auf den Weg zur Zimmertür. Im Augenwinkel erkannte ich, wie er kurz innehielt, als hätte er die Intention noch etwas sagen zu wollen. Einen Wimpernschlag später war er jedoch schon zur Tür hinaus verschwunden.

Langsam hob ich das Gesicht und starrte auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Auch wenn ich meinem Dad derart distanziert begegnete, so belastete mich diese Funkstille doch. Auf gewisse Art und Weise verstand ich meinen Dad ja sogar. Ich konnte seine Ängste und Befürchtungen bezüglich Logan vollkommen nachvollziehen. Wer wollte schon, dass die Tochter eine heimliche Beziehung zu ihrem Lehrer führte? Richtig, keine Eltern auf dieser Welt.

Doch ungeachtet dieser Tatsache enttäuschte es mich, dass er mich nicht einmal angehört hatte. Er hatte ja nicht einmal wissen wollen, wie es überhaupt erst zu dieser Beziehung mit Logan gekommen war! Denn ich war mir absolut sicher, dass mein Dad es dann möglicherweise ein klein wenig besser hätte verstehen können. Aber es war nun einmal so, dass er nicht die ganze Geschichte und Umstände kannte, die Logan und mich zueinander geführt hatten. Und er gab mir nicht einmal die Chance, es ihm zu erklären.

So lange mein Dad nicht bereit dazu war, sich offen und ehrlich und ohne jegliche Vorurteile mit mir darüber zu unterhalten, war ich ebenso wenig bereit, wieder normal mit ihm umzugehen. Denn ob es meinem Dad nun in den Kram passte oder nicht, Logan gehörte mittlerweile zu einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Diese Erkenntnis war mit der Tatsache einhergegangen, dass ich ihn liebte.

Ehrlich und aufrichtig.

Während des Gesprächs mit meinem Dad war mir das bewusst geworden. Es war diese eine Liebe, über die man so oft in Liebesromanen las und die man im Kino ganz groß auf der Leinwand sah. Wie Shakespeares Romeo und Julia oder Jane Austens Mr Darcy und Elizabeth. Diese eine Liebe, für die man einfach keine Worte mehr fand. Eine Liebe zwischen zwei Menschen, die so groß war wie ein Ozean, sodass man sich nahezu wünschte, unwiderruflich darin zu ertrinken.

Und ich war mir absolut sicher, dass Logan genauso fühlen musste. Weshalb sonst sollte er meinem Dad gestanden haben, in mich verliebt zu sein? Genau aus diesem Grund musste ich dringend mit Logan sprechen. Da er allerdings wieder einmal auf keinen meiner Kontaktversuche reagierte, hatte ich mir vorgenommen, ihn morgen in der Schule anzusprechen - entgegen der Drohung meines Dads.

Die einzige Angst, die wie ein schwerer Stein in meinem Magen lag, war die Befürchtung, dass Logan sich nun wieder in sein Schneckenhaus zurückziehen würde. Denn so wie ich ihn kannte, lag das relativ nahe und die Tatsache, dass er seit den Vorkommnissen im Krankenhaus keinen Versuch unternommen hatte, Kontakt zu mir aufzunehmen, unterstützte diese Theorie. Widerwillig nahm ich meinen Stift wieder zu Hand und machte mich daran, den Aufsatz zu Ende zu schreiben.

Gerade als ich den letzten Satz beendete, klopfte es erneut an meiner Tür. Verwirrt warf ich einen Blick auf die Uhr, da es unmöglich schon wieder an der Zeit sein konnte, um mich zu spritzen.

In diesem Moment ging die Tür auf und ich entdeckte Lukas, der mit zerknirschter Miene und hängenden Schultern eintrat.

»Hey«, begrüßte er mich leise.

»Hallo«, entgegnete ich überrascht und mein Blick fand den seinen. Auch mit Luke hatte ich seit unserem Streit im Krankenhaus kein Wort mehr gewechselt. Ich war fuchsteufelswild und stocksauer auf ihn gewesen. Doch in den letzten Tagen hatte ich ausreichend Zeit zum Nachdenken gehabt und mir war bewusst geworden, dass Lukas unter dieser ganzen Situation sicherlich genauso gelitten hatte, wie ich. Ihm war die Sache mit Adam ebenfalls nachgegangen und für ihn musste es unglaublich schwer gewesen sein, Dad etwas vorzumachen, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Die ganze Zeit über war ich zu egoistisch gewesen, um das zu erkennen, hatte nur an meine eigenen Gefühle gedacht. Aber nun war mir klar, dass Lukas mir letztendlich einen Gefallen damit getan hatte.

Durch ihn war ich gezwungen gewesen, auszupacken und allen die Wahrheit zu sagen. Er hatte mir dabei geholfen, das auszusprechen, was mir all die Zeit über so schwergefallen war. Auch wenn seine Methode nicht gerade diskret gewesen war - so hatte er mir dennoch geholfen.

»Hör zu, Drea«, begann er zu sprechen und sah dabei bedrückt zu Boden. »Diese Funkstille zwischen uns ist furchtbar. Deshalb wollte ich mich nochmal bei dir entschuldigen. Was ich im Krankenhaus gesagt hatte, war total daneben und rücksichtslos. Es tut mir leid.«

»Luke«, begann ich und drehte mich auf meinem Stuhl ganz zu ihm um. »Du musst dich nicht entschuldigen, wenn sich einer entschuldigen sollte, dann bin ich das wohl. Ich hatte überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet, wie sehr auch dich diese Situation belastete und in gewisser Weise hast du mir sogar geholfen, endlich die Wahrheit auszusprechen.«

»Oh«, Lukas wirkte überrascht. Offenbar hatte er mit solch einer Reaktion meinerseits nicht gerechnet.

»Naja«, er zuckte mit den Schultern. »Ich finde es schön, dass du das erkennst. Trotzdem war mein Verhalten nicht richtig gewesen. Ich war nicht in der Position und auch nicht im Recht, über die Sache mit Adam zu sprechen. Es wäre deine Aufgabe gewesen, Dad und Tante Carolyn davon zu erzählen, nicht meine. Und dafür möchte ich mich entschuldigen.«

Unwillkürlich schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen.

»Entschuldigung angenommen«, gleich darauf hob ich allerdings mahnend den Zeigefinger in die Höhe. »Aber nur, wenn du meine auch annimmst.«

Allmählich zeichnete sich nun auch auf Lukes Gesicht ein Lächeln ab.

»Aber natürlich, komm her, kleine Schwester«, mit weit ausgebreiteten Armen kam er auf mich zu und ich erhob mich, um seine Umarmung zu erwidern. Es tat gut, den Streit mit meinem Bruder endlich beiseite legen zu können. Die Sache mit Adam hatte lange genug zwischen uns gestanden und ich war froh darüber, sie endlich abhaken zu können.

Nachdem wir uns lange im Arm gehalten hatten, teilte Lukas mir mit, dass er wieder nach unten ging, um Dad noch bei einer Firmenangelegenheit zu helfen. Kurz bevor er jedoch mein Zimmer verlassen konnte, hielt ich ihn noch einmal zurück.

»Hey Luke, was ist eigentlich mit dir und Poppy los? Ich erinnere mich daran, dass ihr im Krankenhaus ziemlich feindselig miteinander umgegangen seid«, erwartungsvoll hob ich die Brauen und warf ihm einen auffordernden Blick zu.

Lukas seufzte laut, ehe er sich wieder zu mir umdrehte und einen ertappten Gesichtsausdruck aufsetzte.

»Naja …«, er schürzte die Lippen. »Es ist gut möglich, dass ich ihr von meinem Kuss mit Joanna erzählt habe und es ist auch gut möglich, dass Joanna mich in der Nacht, in der du ins Krankenhaus kamst, begleitet hatte.«

»Wow«, ich riss die Augen weit auf und räusperte mich. »Ich kann definitiv verstehen, dass Poppy angepisst war.«

»Na und wenn schon, was interessiert es sie denn überhaupt?«, verärgert zog er die Brauen zusammen. »Sie hatte die Sache zwischen uns beiden doch beendet!«, entrüstet verschränkte er die Arme vor der Brust.

»Ja, aber so unmittelbar nach der Trennung schon mit einer Neuen vor ihren Augen aufzutauchen, ist nicht gerade die feine englische Art, meinst du nicht?«

»Ich hatte doch keine Ahnung, dass sie auch im Krankenhaus war! Als Logan mich anrief, hatte er sie mit keinem Wort erwähnt!«, Lukas fuhr sich in einer gehetzten Geste durchs Haar. Er schien mit dieser Situation völlig überfordert zu sein, was mich beinahe schmunzeln ließ. In letzter Sekunde zwang ich mich jedoch dazu, ernst zu bleiben.

»Okay, und was läuft jetzt mit Joanna?«, fragte ich stattdessen und wackelte verschwörerisch mit den Brauen. Lukas rollte lediglich mit den Augen.

»Wir verstehen uns gut, das ist alles, was du wissen musst, Drea.«

»Hallo?«, enttäuscht warf ich die Arme in die Luft. »Mehr Details, bitte!«

Lukas stöhnte ergeben.

»Ach ich weiß auch nicht. Sie ist irgendwie so humorvoll und lustig. Und sie ist unglaublich intelligent. Man kann sich richtig gut mit ihr unterhalten, auch über wichtige Themen. Ernsthafte Themen«, seine Augen starrten plötzlich ins Leere, als wäre er in Gedanken ganz woanders.

»Das hört sich an, als wärst du verliebt«, trällerte ich und zog meinen Bruder mit einem breiten Grinsen auf. Das schien ihn sofort aus seiner Trance zu reißen.

»Was? Nein!«, widersprach er sofort kopfschüttelnd, doch die Vehemenz mit der er dies verneinte, strafte seine Worte Lügen.

»Aber«, räumte er sogleich ein. »Ich mag sie sehr.«

»Und was ist mit Poppy?«, wollte ich daraufhin wissen und war in Gedanken bereits bei meiner besten Freundin. Zwar war ich mir mittlerweile absolut sicher, dass Poppys Herz für Timmy schlug, doch konnte ich mir gut vorstellen, dass es Poppy dennoch verletzt hatte, selbst wenn es sich dabei nur um ihren Stolz handelte.

»Ich weiß nicht. Ich schätze, die Sache mit Poppy ist Geschichte. Ich habe sie wirklich gerne gehabt. Das tue ich auch immer noch. Aber das, was ich momentan mit Joanna habe, ist irgendwie anders, auf gewisse Art und Weise erwachsener. Wir sind auf einer Wellenlänge. Sie passt viel besser zu mir, als Poppy. Ich glaube auf längere Sicht hin wäre das mit Poppy auch nicht gut gegangen«, erklärte er kopfschüttelnd.

»Ich verstehe«, erwiderte ich. Und das tat ich wirklich. Poppy war eben Poppy. Wild, ungestüm und impulsiv. Vielleicht waren die beiden einfach zu gegensätzlich. Poppys Temperament passte wohl nicht zu Lukas’ ruhiger Art. Wenn es nicht sein sollte, dann hatte das Schicksal womöglich andere Pläne für die beiden.

»Die Blacks scheinen es uns wohl angetan zu haben, was?«, erwiderte ich sarkastisch und sah meinem Bruder tief in die Augen. Er verstand meine Anspielung sofort und auf seinem Gesicht erschien ein trauriges Lächeln.

»Es tut mir leid, Drea, dass die Sache zwischen dir und Logan so unglücklich verlaufen ist«, während mein Bruder die Worte aussprach, konnte ich erkennen, dass er sie ernst meinte. Das überraschte mich. Lukas hatte bislang nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass er die Beziehung zwischen Logan und mir guthieß.

»Woher eigentlich der Sinneswandel, Luke? Ich dachte du hältst von dieser Verbindung zwischen Logan und mir nicht viel?«, manifestierte ich meine Gedanken und zog verwirrt die Brauen zusammen. Ich war wirklich gespannt auf seine Antwort.

»Drea«, begann er. »Ich weiß, dass du das nicht hören möchtest und meine Antwort wird dir nicht gefallen, aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass eure Beziehung falsch ist. Und das liegt nicht daran, dass ich es dir nicht gönne oder weil ich denken könnte, dass Logan nicht genug für dich empfindet, denn mir ist spätestens im Krankenhaus bewusst geworden, dass er das tut«, Lukas hielt kurz inne und bei seinen letzten Worten wurde mir unwillkürlich warm ums Herz. »Mir geht es lediglich darum, und da muss ich Dad leider recht geben, dass es einfach zu gefährlich für deine Zukunft ist. Ebenso für Logans.«

»Du hattest recht«, grimmig verzog ich das Gesicht. »Deine Antwort gefällt mir nicht.«

Lukas setzte dieses ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Lächeln auf, welches mein Aggressionspotenzial sofort in die Höhe schießen ließ.

»Aber hey«, sogleich nahm sein Gesicht wieder gelassenere Züge an. »In ein paar Monaten hast du deinen Abschluss und dann interessiert das kein Schwein mehr«, er warf die Hände in die Luft.

»Denkst du das wirklich?«, ich runzelte die Stirn angesichts Lukas’ Vermutung. »Dad hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass er diese Beziehung niemals dulden würde. Er hat mir sogar gedroht, Luke!«, noch immer fassungslos darüber schüttelte ich den Kopf. Lukas dagegen schien nicht sehr überrascht zu sein, was wohl daran lag, dass er ebenfalls ein Gespräch mit Dad hinter sich hatte.

»Er wird darüber hinwegkommen, Drea, du bist volljährig und wenn du erst einmal deinen Abschluss hast, dann zeigt er vielleicht etwas Nachsicht.«

»Da bin ich mir nicht so sicher«, hielt ich zweifelnd dagegen und hob die Brauen.

»Das wird schon!«, Lukas warf mir ein letztes aufmunterndes Lächeln zu, ehe er sich verabschiedete und verschwand.

Als ich am nächsten Morgen aufstand, war die Nervosität groß. Endlich würde ich die Gelegenheit bekommen, mit Logan zu sprechen. Zwar hatte ich absolut keine Ahnung, wie es nun mit Logan und mir weitergehen sollte, aber ich war mir sicher, dass wir irgendeinen Weg finden würden. Wir mussten einen Weg finden. Eine andere Option kam überhaupt nicht infrage.

In der Schule angekommen, entdeckte ich auch schon Poppy, die bereits auf dem Parkplatz auf mich wartete. Einen Tag nachdem ich ins Krankenhaus gekommen war, hatte sie gemeinsam mit Logan wieder zurück nach Mount Rainier fahren müssen, was Poppy allerdings nicht davon abhielt, mich mehrmals täglich anzurufen. Nicht einmal das schlechte Netz dort oben hatte sie abhalten können und so war es dazu gekommen, dass Poppy seit langer Zeit die erste Person gewesen war, der ich in grober Ausführlichkeit von meinen schlimmen Erlebnissen mit Adam erzählte. Obwohl die Erinnerungen daran sehr schmerzten, tat es unfassbar gut, mich meiner besten Freundin endlich anzuvertrauen.

Zwar hatte Poppy am Telefon nicht viel gesprochen und versucht, ruhig zu bleiben, mich aufzumuntern, doch ich kannte sie gut genug, um zu spüren, wie sehr diese Sache sie schockierte. Sicherlich brodelte es in ihrem Innern nur so vor Wut und Fassungslosigkeit in Bezug auf Adam.

»Hey du«, sagte sie zur Begrüßung und zog mich gleich darauf auch schon in eine herzliche Umarmung, als wollte sie mich nie wieder loslassen. Ich hatte das Gefühl, dass uns seit dem Vorfall im Krankenhaus noch mehr verband, als jemals zuvor. Falls das überhaupt noch irgendwie möglich war.

»Wie fühlst du dich?«, sie hielt mich eine Armlänge entfernt und unterzog mich einem prüfenden Blick.

»Ganz gut, schätze ich«, antwortete ich und schenkte ihr ein Lächeln.

»Das wollte ich hören«, sie grinste breit und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Schulgebäude.

»Hast du eigentlich mittlerweile etwas von Mr Black gehört?«, Poppy hielt kurz inne und verzog nachdenklich das Gesicht. »Oder sollte ich lieber Logan sagen? Mann, das ist so seltsam!«

Ich schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln, immerhin war sie nur wegen mir in dieser komischen Situation gelandet.

»Nein«, entgegnete ich niedergeschlagen und nahm das große Ziegelsteingebäude, das vor mir lag, in Augenschein. »Seit dem Vorfall im Krankenhaus habe ich überhaupt nichts von ihm gehört.«

Ich wartete darauf, dass Poppy zu fluchen begann und Logan die Pest an den Hals wünschte, so wie sie es immer tat, wenn er sich wieder einmal daneben verhielt. Doch dieses Mal blieb ihre Schimpftirade aus.

»Hm«, hörte ich Poppy nun stattdessen neben mir sagen. Im Grunde war ja nichts Seltsames an ihrer Aussage, doch die Art und Weise, wie sie dieses eine Wort aussprach, verriet mir, dass irgendetwas nicht stimmte. Verwirrt sah ich zu ihr rüber.

»Okay. Was ist los?«, ich blieb unmittelbar stehen und warf ihr einen erwartungsvollen Blick zu. Poppy seufzte, ehe sie sich zu mir umdrehte und einen bedrückten Gesichtsausdruck zur Schau trug.

»Was soll denn sein?«, druckste sie herum und versuchte dabei so beiläufig wie möglich zu klingen, was sie sofort verriet.

»Poppy, komm schon, raus mit der Sprache! Was weißt du, was ich nicht weiß?«

»Na schön, aber bitte versprich mir, nicht durchzudrehen, okay?«

Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Innern breit und ich schluckte schwer, nickte aber zur Antwort.

»Okay«, unruhig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. »Als Mr Black und ich wieder zurück in Mount Rainier waren, hat er ziemlich viel Zeit mit Miss Connors verbracht und einmal habe ich sie sogar … spät abends aus seinem Zimmer kommen sehen.«

Für ein paar Sekunden sah ich Poppy einfach nur stumm an. Lediglich das Rauschen des Windes und die entfernten Verkehrsgeräusche übertönten die Stille, die in diesem Moment in meinem Kopf herrschte. Logan und Miss Connors? Nein, das konnte unmöglich sein. Logan würde so etwas nicht tun, da war ich mir absolut sicher. Dennoch konnte ich nichts gegen die unangenehmen Gefühle tun, die mich in diesem Augenblick beschlichen.

»Bist du dir sicher?«, fragte ich und schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, während ich in Poppys warme Augen blickte, die in diesem Moment vor Mitleid nur so strotzten.

»Ich fürchte ja«, mitfühlend verzog sie das Gesicht. »Aber das muss ja nicht gleich bedeuten, dass zwischen den beiden etwas läuft! Vielleicht gibt es einen Grund dafür, Drea. Denn im Krankenhaus hatte ich wirklich den Eindruck, dass du ihm viel bedeutest!«

Hektisch schnappte ich nach Luft.

»Ich muss sofort mit ihm reden«, platzte es aus mir heraus und im nächsten Moment setzten sich meine Beine auch schon wie von selbst in Bewegung. Poppy versuchte verzweifelt mit meinem Tempo Schritt zu halten.

»Bist du dir sicher? Vielleicht beruhigst du dich erst einmal, bevor du mit ihm sprichst. Zudem ist die Schule dafür sicherlich nicht der richtige Ort, wenn euch jemand sieht …«

»Poppy!«, fiel ich ihr harsch ins Wort und blieb für einen kurzen Moment stehen, wobei Poppy um ein Haar in mich hineingelaufen wäre. »Das ist mir völlig egal. Ich muss jetzt sofort wissen, was all das zu bedeuten hat. Ich habe keine Lust mehr auf solche Spielchen.«

Poppy seufzte.

»Na schön, dann beeil dich. Vielleicht erwischst du ihn noch, bevor der Unterricht beginnt.«

»Das werde ich«, entgegnete ich. Mit wild klopfendem Herzen jagte ich die Steintreppe nach oben, wobei ich immer zwei Stufen auf einmal nahm. Mühsam bahnte ich mir einen Weg durch den Trubel, der zu dieser Zeit auf den Schulfluren herrschte, bis ich schließlich vor Logans Klassenzimmer angelangt war.

Als ich jedoch davorstand und nun auf die Türklinke hinunter starrte, verließ mich plötzlich der Mut. Mit einem Mal fühlte ich mich nicht mehr so stark und selbstbewusst, wie noch zuvor. Nein, ich war klein und verletzlich. Gerade jetzt, da ich mir bewusst geworden war, was ich wirklich für ihn empfand. Denn ich hatte absolut keine Ahnung, was mich hinter dieser Tür erwarten würde. Ob Logan mich wieder einmal zurückwies? Oder würde er versuchen gemeinsam mit mir eine Lösung für dieses Schlamassel zu finden?

Ich nahm einen tiefen Atemzug und all meinen Mut zusammen, um die Tür aufzustoßen.

Doch mit dem was ich sah, hatte ich am allerwenigsten gerechnet.

Kapitel 3

Ich erinnerte mich noch gut daran, wie es sich angefühlt hatte, als Danny sich von mir trennte. Oder daran, als ich von ihm und Madison erfuhr. Kein schönes Gefühl, um ehrlich zu sein.

Doch verglichen mit dem, was ich empfand, als ich sah, wie Miss Connors Logan gegenübersaß und seine Hand hielt, war Dannys Betrug dagegen ein Hauch von Nichts.

Der Moment, in dem einem das Herz gebrochen wurde, war derjenige, der sich anfühlte, als würde die ganze Welt um einen herum zusammenbrechen. Ein unumkehrbarer Moment, in dem man innerlich starb. Er war ernüchternd und qualvoll, bohrte sich in die Seele hinein, wie der giftige Stachel eines Insekts. Es raubte einem unweigerlich die Luft zum Atmen.

Und obwohl ich nicht mit absoluter Sicherheit sagen konnte, ob die Situation, in der Logan und Miss Connors sich befanden, auch wirklich dem entsprach wonach es aussah, spürte ich in diesem Augenblick den schmerzhaften Stich der Eifersucht, der mein Herz in ein lebendiges Nadelkissen verwandelte.

Nur ein einziger Gedanke beherrschte meinen Kopf; ich musste von hier verschwinden, raus aus diesem Raum und das Bild von Logan und Miss Connors, das sich für immer in meinen Kopf zu brennen schien, irgendwie versuchen zu verdrängen. Doch im selben Moment hob Logan das Gesicht und seine eisblauen Augen trafen direkt auf meine. Sie bohrten sich in mich hinein und hielten mich gefangen, als hätte sein bloßer Blick die absolute Kontrolle über meinen Körper erlangt.

»Drea?«, erklang Logans Stimme. Rau, melodisch und tief. Genauso wie ich sie in Erinnerung hatte und obwohl ich Logan gerade mit einer anderen Frau vorgefunden hatte, konnte ich nichts gegen die Anziehung ausrichten, die sein bloßes Dasein auf mich ausübte. Mit aller Macht jedoch versuchte ich mich diesem Bann zu entziehen.

»Tut mir leid, Mr Black, ich wusste nicht, dass Sie«, mein Blick wanderte zu seiner Hand, über der noch immer die von Miss Connors lag. »Dass Sie beschäftigt sind«, vollendete ich meinen Satz. Die Worte waren einfach so über meine Lippen gekommen, ohne dass ich sie hätte verhindern können und es erstaunte mich gleichermaßen, dass ich trotz meines Kummers stark geblieben war. Die alte Drea wäre aus dem Saal gerannt, hätte sich auf der Mädchentoilette versteckt und weinend in ihrem Selbstmitleid gebadet. Nicht aber diese Drea, die ich jetzt war.

»Ich …«, mit einem Mal schien Logan sich der Position, in der er sich befand, bewusst zu werden und entzog Miss Connors blitzschnell seine Hand. Diese Geste hatte etwas Schuldbewusstes an sich und verstärkte meine Befürchtungen nur noch mehr.

»Na dann, ich wollte nicht stören«, hörte ich mich sagen, ehe ich auch schon Anstalten machte, den Raum zu verlassen.

»Warten Sie, Drea«, hörte ich Miss Connors’ Stimme hinter mir. »Ich wollte ohnehin gerade gehen.«

Als ich mich umdrehte, war Miss Connors schon dabei, sich von dem Stuhl zu erheben.

»Mein Unterricht beginnt bald und ich muss noch ein paar Dinge vorbereiten«, erklärte sie, während sie sich ihre Strickjacke über den Arm schlang und nach ihrer Ledertasche griff, die neben dem Tisch stand.

Zur Verabschiedung nickte sie Logan lediglich zu und kam dann auf die Tür zugelaufen. Eilig trat ich beiseite, um sie an mir vorbei zu lassen. Bevor sie allerdings nach draußen trat, nickte sie auch mir einmal zu und auf ihren Lippen lag ein zaghaftes Lächeln, was ich aus irgendeinem Grund als seltsam empfand. Verwundert schossen meine Brauen in die Höhe und ich konnte nicht anders, als ihr verwirrt hinterher zu starren.

Als die Tür ins Schloss gefallen war, richtete sich meine Aufmerksamkeit wie von selbst auf Logan, der sich hinter seinem Tisch erhob.

Das letzte Mal hatte ich ihn im Krankenhaus gesehen und obwohl man meinen sollte, dass ich mich allmählich an seinen Anblick gewöhnte, war doch das komplette Gegenteil der Fall. Seine goldblonden Haare waren wie immer zerzaust, sodass ihm einige Strähnen auf die Stirn fielen und in mir wie immer den Wunsch weckten, sie bändigen zu wollen. Im Vergleich zu der legeren Kleidung, die er auf unserem Schulausflug getragen hatte, steckte sein Körper nun wieder in einer grauen Anzugshose und einem weißen Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren und freien Blick auf seine muskulösen Unterarme gewährten. Es war beinahe schon unverschämt, dass Logan tragen konnte, was er wollte. Sein Anblick brachte mich wieder einmal völlig um den Verstand und ich musste mich stark konzentrieren, um mich nicht vollends von seiner Präsenz einnehmen zu lassen.

»Drea, was machst du hier?«, fragte er plötzlich und fuhr sich in einer nervösen Geste durchs Haar.

»Was ich hier mache?«, fragte ich erstaunt und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. »Ich denke ich sollte wohl eher fragen, was sie hier gemacht hat?«, um meine Aussage zu unterstreichen, deutete ich auf die Tür, durch die Miss Connors soeben verschwunden war.

»Ist das jetzt dein Ernst, Drea?«, er sah mich ungläubig aus großen Augen an. Ich dagegen hob unbeeindruckt eine Braue, wenngleich mein Puls auf Hochtouren lief.

»Es ist mein voller Ernst, Logan. Was hat sie hier gemacht?«

Logan wandte den Blick ab, stieß ein abfälliges Lachen aus und fuhr sich mit den Fingern müde über die Augenlider, ehe er wieder zu mir rüber blickte.

»Willst du mir unterstellen, dass ich etwas mit einer Kollegin habe?«

Seine Worte verunsicherten mich für einen kurzen Augenblick. Traute ich Logan so etwas denn wirklich zu oder rührten meine Zweifel nur aus meinen bisherigen schmerzhaften Erfahrungen mit Danny? Immerhin hatte ich Logan anders kennengelernt. Zwar waren wir noch immer kein Paar und hatten eigentlich beschlossen, bis zu meinem Abschluss zu warten, aber nach unserem Gespräch in jener Nacht im Wald hatte ich eigentlich angenommen, dass wir es auf gewisse Art und Weise doch waren. Dass wir uns ein stummes Versprechen gegeben hatten. Ein stummes Versprechen auf mehr.

»Poppy hat auf der Klassenfahrt Miss Connors aus deinem Zimmer kommen sehen«, sagte ich leise und allein bei dem Gedanken daran drehte sich mir der Magen um.

Logan lehnte sich gegen den Lehrerpult und sah mich mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Unglauben an.

»Ich fasse es nicht, dass du so von mir denkst«, er schüttelte entrüstet den Kopf. »Miss Connors war auf meinem Zimmer gewesen, weil sie an jenem Abend, als du ins Krankenhaus gekommen bist, bemerkt hat, was zwischen dir und mir läuft. Sie hat mich darauf angesprochen, Drea. Und eben war sie hier gewesen, um mir mitzuteilen, dass sie sich dazu entschieden hat, es niemandem zu melden. Ich habe also andere Dinge im Kopf gehabt!«

Logans Worte trafen mich wie ein Hieb in den Magen. Beschämt stand ich da und fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Miss Connors hatte es herausgefunden?

Gott, Logan hatte recht. Wie hatte ich nur so von ihm denken können? Während ich mich wie ein eifersüchtiger Teenager aufführte, hatte Logan ganz andere Sorgen gehabt. Sorgen um seine Zukunft. Um meine Zukunft. Was war nur in mich gefahren?

Schuldbewusst schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter und starrte auf meine Schuhe.

»Wie hat sie es denn herausgefunden?«, fragte ich zerknirscht.

»Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es schockiert mich viel mehr, dass du so etwas von mir denkst«, Logan wirkte ernsthaft gekränkt und innerhalb weniger Sekunden rauschten mir unzählige Gedanken durch den Kopf, wie ich diese heikle Situation noch retten konnte, ohne mich weiterhin wie ein eifersüchtiger Teenager aufzuführen. Dennoch konnte ich meine Gefühle nicht lenken und so brachte ich die einzige und wohl leider auch lahmste Entschuldigung vor, die mir in diesem Moment in den Sinn kam.

»Du hast mich nicht zurückgerufen«, gestand ich kleinlaut und wagte es nicht, ihm ins Gesicht zu schauen, denn ich wusste auch so, dass ich mit dieser Ausrede bei ihm auf Granit stoßen würde.

»Verdammt, Drea. Dein Vater hat mir gedroht. Was hätte ich denn tun sollen?«, donnerte Logan mit erhobener Stimme, was mich sogleich wieder aufschauen ließ. Er war völlig aufgebracht und das auch zurecht. Ich konnte seine Ängste und seinen Ärger durchaus verstehen, ja sogar nachvollziehen.

Doch es frustrierte mich gleichermaßen, dass er bei der ganzen Sache nicht auch mal an mich dachte. Hatte er überhaupt einmal einen Gedanken daran verschwendet, wie ich mich dabei gefühlt haben musste, nach dem Vorfall im Krankenhaus keinerlei Lebenszeichen von ihm zu erhalten? Jeden Tag die Angst, dass er sich wieder von mir abwenden würde, wie er es sonst immer tat? Es war einfach, die Menschen von sich zu stoßen, wenn es schwierig wurde und diese Kunst beherrschte Logan perfekt. Aber es zeugte von Mut und Größe, sich dem unvermeidlichen Konflikt zu stellen. Und dieser Konflikt trug nun einmal den Namen meines Dads, Cedric Dupree.

»Du hättest mich anrufen können, Logan, oder zumindest eine SMS schreiben! Kannst du dir denn nicht vorstellen, wie ich mich dabei gefühlt habe, nichts mehr von dir zu hören? Nicht zu wissen, ob du uns sofort wieder aufgibst?«, wild warf ich die Hände in die Luft und konnte nun nicht mehr an mir halten. Meine Gefühle brachen sich unweigerlich Bahn, spiegelten sich in meinen Worten wider, in meinem Gesicht. Ich konnte es nicht verhindern. Mit aller Macht versuchte ich die Tränen zu unterdrücken, die mir in den Augen brannten.

Wieder fuhr Logan sich verzweifelt mit beiden Händen übers Gesicht und lief unruhig im Raum umher. Eine unangenehme Stille entstand zwischen uns. Es war die Stille der absoluten Hoffnungslosigkeit. Die Stille, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing und innerlich nach den richtigen Worten suchte, nach irgendeiner Lösung für diese verfahrene Lage.

Logan hielt plötzlich inne und stützte sich mit beiden Händen auf einer Fensterbank ab. Er ließ den Kopf hängen, während sein Blick in die Ferne abschweifte.

»Sag mir, was ich tun soll«, hörte ich ihn plötzlich leise sagen. Seine Stimme hatte jeglichen Zorn verloren. Ganz im Gegenteil, sie wirkte weich, beinahe sogar sanft, was sich automatisch auch auf mich übertrug und meinen Ärger sofort zu zügeln begann.

»Logan, ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst«, ich schüttelte den Kopf und ging einige Schritte auf ihn zu. »Die Frage sollte wohl eher lauten; was willst du?«, erwiderte ich und ging einen weiteren Schritt auf ihn zu, bis ich beinahe unmittelbar hinter ihm stand. Als ich nach kurzer Zeit noch immer keine Antwort von ihm erhielt, kroch die Angst wieder in mir hoch. Angst davor, dass Logan mich von sich stieß, dass er uns aufgab.

»Was willst du, Logan?«, wiederholte ich, dieses Mal etwas energischer.

Und das war der Moment, in dem Logan sich ruckartig zu mir umdrehte und alle Dämme brachen. Er ließ seine beherrschte Maske komplett fallen. Unmengen an Gefühlen spiegelten sich in dieser Sekunde auf seinem Gesicht wider.

»Dich, Drea!«, entfuhr es ihm und er trat so dicht zu mir heran, dass unsere Nasenspitzen sich beinahe berührten. »Ich will dich!«

Die pure Verzweiflung und die Ernsthaftigkeit, mit der Logan sprach, schockierten mich. Sein eisblauer Blick bohrte sich förmlich in meinen und seine plötzliche Nähe überforderte mich zusehends. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle mehr über meine Gedanken oder über meinen Körper. Er reagierte einfach nicht mehr.

Logan stand mir so nahe, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spürte. Der herbe Duft seines Aftershaves stieg mir in die Nase und betörte jeden einzelnen meiner Sinne. Wie war es nur möglich, dass Logans bloße Nähe mich derart aus dem Gleichgewicht bringen konnte? So sehr, dass ich alles um mich herum vergaß. Sogar die Tatsache, dass wir uns mitten in seinem Klassensaal in der Schule befanden!

Was stellte er nur mit mir an?

»Dann nimm mich«, flüsterte ich mit heiserer Stimme, während mein Blick wie hypnotisiert an seinen Lippen klebte. »Ich will dir gehören.«

Noch immer hüllte mich seine Präsenz vollkommen ein, brachte mich dazu, jegliche Moral über Bord zu werfen und in freudiger Erwartung die Augen zu schließen. Vorsichtig lehnte ich meine Stirn an seine. Ich sehnte mich aus tiefster Seele danach, dass er diesen klitzekleinen Abstand zwischen uns verringerte. Doch wie ich bereits ahnte, tat er das nicht. Blinzelnd öffnete ich die Augen wieder und konnte an seinem Gesicht erkennen, dass er hin und her gerissen war. Er trug einen innerlichen Kampf aus, dessen Qualen ich mir nur ansatzweise vorstellen konnte.

»Wir werden eine Lösung finden, Logan. Ich verspreche es«, erwiderte ich und legte ihm eine Hand an die Wange.