Plötzlich ist alles anders - Heidi Oehlmann - E-Book

Plötzlich ist alles anders E-Book

Heidi Oehlmann

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Beschreibung

Nach einem Zusammenbruch verändert sich das Leben einer jungen Frau schlagartig. Anfangs glaubt sie an ein kleines Kreislaufproblem. Doch als es ihr nach Tagen nicht besser geht und ihr Körper immer schwächer wird, merkt sie, dass etwas anderes dahinter stecken muss. Die Suche nach dem Ursprung der Beschwerden gestaltet sich schwieriger als erwartet. Für die junge Frau beginnt eine Odyssee von Arztbesuchen. Dabei macht sie so einige negative Erfahrungen. Obwohl sie mit der Zeit kaum Hoffnung hat, das Geheimnis zu lüften, gibt sie nicht auf. Nach Jahren erfährt sie dann endlich, dass nur ein kleiner Stich für alles verantwortlich war.

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Seitenzahl: 203

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Heidi Oehlmann

Plötzlich ist alles anders

Das unbekannte Ich

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

Eigentlich gehöre ich nicht gerade zu den Optimisten, aber auch keinesfalls zu den überängstlichen Menschen, die sich wegen jeder Kleinigkeit Sorgen machen. Ich bin irgendetwas dazwischen. Ich hoffe stets auf das Positive, aber ich bin der Meinung, man sollte einen Plan B in der Tasche haben, falls es anders kommt als gehofft.

»Können wir jetzt los? Oder geht es dir immer noch nicht besser?«, fragte Max und riss mich aus den Gedanken.

Mein Mann Max, der aufmerksamste und liebevollste Mann, den ich kenne. Er macht sich ständig die größten Sorgen, aber weniger um sich, als um andere und am meisten um mich. Wir waren schon seit vier Jahren zusammen und mit jedem Jahr unserer Beziehung wuchsen seine Ängste mit. Ich mag es nicht, wenn er sich um mich sorgt und erst recht nicht, wenn es unbegründet ist. Ich gehöre eher zu denen, die ungern im Mittelpunkt stehen. Wenn ich krank bin oder es mir aus anderen Gründen schlecht geht, bin ich lieber allein für mich, statt mich umsorgen zu lassen. Das war schon immer so und wird vermutlich so bleiben. Deshalb fällt es mir schwer, in solchen Situationen Hilfe anzunehmen.

»Ja, wir können jetzt losfahren«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.

»Bist du dir ganz sicher? Immerhin bist du vor einer Stunde zusammengebrochen.«

»Ach quatsch! Mein Kreislauf ist nur kurz zusammengesackt«, rechtfertigte ich mich.

Natürlich machte ich mir Gedanken, was an diesem Tag mit mir los war, aber ich wollte mir vor Max nichts anmerken lassen.

»Was heißt denn nur? Immerhin konntest du vorhin nicht mehr alleine stehen.«

»Ich weiß. Jetzt ist aber wieder alles Okay«, flunkerte ich.

Mir war immer noch etwas komisch zumute, aber ich wollte Max nicht in Panik versetzen, nur weil ich ein kleines Kreislaufproblem hatte. Zumindest versuchte ich, mir das einzureden. Es gelang mir sogar. Am Ende war ich mir sicher, mir würde es bald wieder besser gehen. Außerdem freute ich mich viel zu sehr auf unser gemeinsames Frühstück im Café und auf eine kleine Shoppingtour danach, an diesem sonnigen Samstag. Das Wetter war viel zu schön, um den ganzen Tag in der Bude zu hocken. Also verließen wir das Haus, stiegen ins Auto und fuhren zu unserem Stammcafé.

Im Café angekommen, gaben wir gleich die Bestellung auf.

»Ein Mal das süße und ein Mal das herzhafte Frühstück«, sagte Max zu der Bedienung hinter der Theke, bevor wir uns an den ersten Tisch setzten.

So machten wir es immer, damit wir beide von jedem etwas bekamen. Es sah wie gewohnt lecker aus, als die Kellnerin uns die Teller brachte.

Gerade hatte ich den ersten Bissen von dem mit Käse belegten Brötchen gemacht, als ich merkte, mit mir stimmte etwas nicht. Meine Augenlider fingen wie wild an, zu zucken. Mir wurde auf einmal heiß und anschließend eiskalt. Beide Zustände wechselten sich im Sekundentakt ab. Vielleicht waren sie auch gleichzeitig da. So genau wusste ich es nicht. Ich hatte in dem Augenblick andere Sorgen, als mir Gedanken darüber zu machen. Mein körperliches Befinden versetzte mich in Panik. Ich ahnte nicht, was als Nächstes passieren wird. Es fühlte sich so an, als würde ich jede Sekunde umkippen. Mir fiel das Atmen zunehmend schwerer. Für einen Moment vergaß ich, wo ich mich befand. Ich konnte mich selbst kaum noch wahrnehmen. Mein komplettes Körpergefühl war verschwunden. Ich ließ das Brötchen auf den Teller fallen und hoffte, dieser Zustand löste sich bald in Luft auf, aber das tat er nicht. Ganz im Gegenteil, es wurde noch schlimmer. Plötzlich sah ich für einen Sekundenbruchteil eine beängstigende Schwärze vor den Augen. Meine Panik wurde größer. Dann sah ich wieder alles, zwar etwas verschwommen, aber die Bilder waren da. Kurz darauf kehrte erneut die Dunkelheit zurück. Es wechselte sich ständig ab. Es war, als würde jemand das Licht an- und ausschalten, der Spaß daran hatte, den Lichtschalter willkürlich zu betätigen.

Ich wusste nicht, was das bedeutete. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Selbst in der Früh, als ich im Badezimmer zusammengebrochen war, ging es mir keinesfalls so schlimm, wie in diesem Augenblick. Morgens im Bad, als ich mich zurechtmachen wollte, wurde mir auch schwarz vor Augen und fürchterlich schwindelig. Das fand ich schon beängstigend. Aber das war nicht annähernd so grauenvoll und ging zum Glück schnell vorbei.

»Ist alles in Ordnung mit dir?«, hörte ich Max fragen.

Ich nahm seine Stimme kaum wahr. Sie war so leise, als wäre Max in weiter Ferne. Dabei saß er mir noch immer gegenüber.

Ich konnte kein Wort sagen und schüttelte nur mit dem Kopf, um ein Nein anzudeuten. Viel zu sehr war ich damit beschäftigt, zu begreifen, was gerade mit mir passierte. Mir war in keinster Weise bewusst, dass meine Reaktion Max beängstigte. Wie denn auch? Ich konnte ihn schließlich kaum sehen. Der Wechsel zwischen der Schwärze und dem halbwegs klaren Bild ging so schnell. Ich bekam die Übergänge nur schwerlich mit. Mir kam es vor, als wäre ich teilweise blind. Wenn es anders gewesen wäre, hätte mir die sorgenvolle Miene von Max - die er in diesem Moment zweifellos hatte - sicher verraten, was er dachte. Mein Kopfschütteln war gewiss nicht die beruhigendste Antwort auf seine Frage.

Es dauerte eine ganze Weile, bis dieses komische Gefühl schwächer wurde und ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

Nachdem das Licht endlich an blieb, die Bilder halbwegs da waren, rannte ich zur Toilette und kühlte mir den Nacken. Es tat verdammt gut und nach einigen Minuten ging es mir etwas besser. Bis auf ein Flimmern vor meinen Augen waren die restlichen Zustände verschwunden. Ich hatte das Gefühl, als würde sich alles, was ich sah bewegen, wie auf einem Fernseher, bei dem das Bild flackerte. Es fühlte sich so unwirklich an, so wie in einem Albtraum. Aber ich befand mich in der Realität und wusste, ich wachte nicht jeden Moment auf und bekam mein altes Leben zurück.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange das Ganze dauerte und was es zu bedeuten hatte. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. So ein Erlebnis hatte ich noch nie gehabt. Ich fragte mich - obwohl dies eben stärker war als am Morgen - ob die beiden Vorfälle zusammenhingen. Und ob es mit jedem Mal schlimmer werden könnte. Ich versuchte das Erlebte, so gut es ging zu verdrängen und redete mir ein, es läge am Stress. Wir waren zwar erst seit ein paar Tagen aus dem Dänemarkurlaub zurück, aber vielleicht hatte ich es einfach nur übertrieben und war zu schnell von null auf hundert gewesen. Es könnte natürlich auch an den Magnesiumtabletten liegen, die ich seit unserer Rückkehr nahm. In Dänemark hatte ich nachts so heftige Wadenkrämpfe, dass ich beschloss, sobald wir wieder zu Hause waren, Magnesium zu nehmen. Ich kaufte mir solche Brausetabletten, die sich in Wasser auflösen. Davon nahm ich jeden Tag eine. Eigentlich dürfte es nicht zu viel sein. Auf der Verpackung wurde eine Tablette pro Tag empfohlen. Damit sollten ungefähr fünfzig Prozent des Tagesbedarfs abgedeckt sein.

Ich überlegte, ob ich das Magnesium wieder absetzen konnte. Immerhin waren die nächtlichen Krämpfe inzwischen verschwunden. Dann wüsste ich, ob es an den Brausetabletten lag. Vielleicht ginge es mir in ein paar Tagen schon besser. Also beschloss ich, in nächster Zeit auf die Magnesiumtabletten zu verzichten. Mit dieser Entscheidung fühlte ich mich sofort ein wenig erleichtert. Im Hinterkopf blieb die Angst, es könnte nicht an den Brausetabletten liegen und eine andere Ursache haben. Den Gedanken schob ich weit von mir weg.

Als ich die Tür öffnete, um die Toilette zu verlassen, sah ich Max mit einer besorgten Miene vor der Tür stehen. Gleich, als er mich sah, fragte er: »Ist alles in Ordnung mit dir? Du bist so schnell verschwunden. Du hast ausgesehen, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

»Ich weiß nicht, was gerade mit mir los war. Mir war auf einmal schwarz vor Augen. Es war noch schlimmer als heute Morgen. Lass uns zurück an den Tisch gehen!«, sagte ich und hoffte, das Ganze hatte sich damit erledigt.

Wir gingen wieder zu unseren Plätzen und setzten uns. Mir war der Appetit inzwischen gründlich vergangen. Ich versuchte, wenigstens meinen Kaffee auszutrinken, der mittlerweile eiskalt war. Für mich gibt es kaum etwas Schlimmeres, als ihn kalt trinken zu müssen, zumindest wenn er schwarz, ohne Milch ist. Zu dieser Zeit hatte ich die Phase das Heißgetränk pur zu mir zu nehmen.

Ich fühlte mich ausgelaugt, so schwach, als hätte ich einen mehrstündigen Marathonlauf hinter mir. Am liebsten wäre ich aus dem Café gelaufen, um frische Luft zu tanken. Aber ich wollte Max das Frühstück nicht verderben. Ich beobachtete ihn, wie er genüsslich den Rest seines Brötchens aß, und bot ihm meins auch noch an. Er nahm es dankend an. Es wäre auch zu schade gewesen, es wegzuwerfen, nur weil mein Körper gerade verrückt spielte.

Während Max in aller Ruhe frühstückte, schaute er mich so besorgt an. Ich versuchte zu lächeln, um ihn dadurch zu beruhigen. Das gelang mir nicht. In seinen Augen konnte ich die Sorgen, die er sich um mich machte, ablesen. Ich fühlte mich unwohl in dieser Situation und hoffte, mein Körper würde sich die restliche Zeit im Café zusammenreißen.

Als Max fast fertig war, sagte ich: »Können wir jetzt los? Ich möchte gern nach Hause und mich hinlegen. Das mit dem Shoppen sollten wir lieber verschieben, bevor noch eine Überraschung kommt.«

»Ja, ich denke auch, es ist besser für heute Schluss zu machen«, sagte Max und bezahlte das Frühstück. Dann gingen wir gemütlich zu unserem Auto und fuhren los.

Nachdem wir zu Hause eintrafen, legte ich mich hin. Leider konnte ich nicht schlafen. Es war kein Wunder, schließlich war ich erst vor drei Stunden aufgestanden. Ich stand also nach kurzer Zeit auf und entschied mich, ein Buch zu lesen. Das lenkte wenigstens ab, und wenn es mich noch etwas müde machen würde, könnte ich ein kleines Mittagsschläfchen halten. Das dachte ich zumindest.

Natürlich wurde aus dem Mittagsschlaf nichts. Stattdessen las ich den restlichen Tag. Ich hatte das Buch bis zum Abend durchgelesen und versuchte endlich einzuschlafen. Nach kurzer Zeit gelang es mir. Ich schlief durch bis zum nächsten Morgen und bemerkte nicht einmal, wann Max ins Bett gekommen war. Zugegeben, ich hatte schon immer einen tiefen Schlaf. Aber in dieser Nacht hätte man mir das Bett unter dem Hintern klauen können, ohne dass es mir aufgefallen wäre.

Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete, war dieses Augenflimmern zu meinem Entsetzen noch da. Außerdem verspürte ich ein leichtes Herzrasen. Mein Herz schlug viel schneller als sonst. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Denn ich hatte keine Ahnung, was es zu bedeuten hatte und rechnete mit dem Schlimmsten. Mit Herzbeschwerden ist schließlich nicht zu spaßen. Um mich selbst zu beruhigen, redete ich mir ein, es würde am nächsten Tag verschwunden sein, wenn ich mich an diesem Tag ausruhte und auf das Magnesium verzichtete. Ich riss mich zusammen und versuchte, mein viel zu schnell schlagendes Herz zu ignorieren. Es dauerte eine Weile, bis die Panik nachließ und ich es schaffte.

Wir verbrachten den ganzen Sonntag gemütlich zu Hause. Die meiste Zeit des herrlichen Sommertages saßen wir auf unserer Terrasse und genossen die Sonne. Draußen konnte ich mich entspannen.

Am späten Nachmittag normalisierte sich mein Herzschlag wieder. Ich war erleichtert und hoffte, es würde sich nicht wiederholen. Damit war das Thema für mich gegessen.

2. Kapitel

Am nächsten Tag wachte ich mit heftigen Kopfschmerzen begleitet von dem unerträglichen Augenflimmern auf. Auch, wenn das Herzrasen vorbei war, hatte sich mein allgemeines Wohlbefinden kein bisschen verbessert. Ich versuchte die körperlichen Beschwerden zu ignorieren und setzte mich an meinen Arbeitsplatz. Zu der Zeit hatte ich einen kleinen Onlineversandhandel für Bekleidung. Die Tätigkeit machte mir Spaß. Der Vorteil war, ich musste das Haus nicht unbedingt verlassen und konnte dennoch arbeiten. Ich war froh, mein eigener Chef zu sein und keinen Job außerhalb zu haben.

Max verließ schon zeitig das Haus, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Er arbeitete für eine Versicherungsgesellschaft und hatte an diesem Morgen noch einiges an Papierkram zu erledigen.

Ich war also alleine, arbeitete ein paar Bestellungen ab und kümmerte mich um andere geschäftliche Belange.

Nachdem meine Kopfschmerzen, dank der Schmerztablette, die ich mir nach dem Aufstehen eingeworfen hatte, so langsam nachließen, beschloss ich raus zu gehen, um eine zu rauchen. Leider gingen mir die Zigaretten am Vortag aus. Das war die Gelegenheit einen kleinen Spaziergang zu unserer einzigen Einkaufsmöglichkeit im Ort zu machen, um mein Verlangen zu stillen. Ich glaube, jeder Raucher kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn man Schmacht hat, aber keine Zigaretten da sind.

Der Laden lag knapp zehn Gehminuten von uns entfernt. Ich machte mich also auf den Weg.

Nachdem ich die Hälfte der Strecke hinter mir gelassen hatte, bemerkte ich wieder dieses Flackern der Augenlider und wie mir heiß und kalt gleichzeitig wurde. Natürlich ließ die Schwärze, die mich vor zwei Tagen schon erschreckte, nicht lange auf sich warten. Sie wechselte sich ständig mit dem verschwommenen Bild ab. Es war unerträglich. Ich überlegte, ob ich umkehren sollte, bevor es noch schlimmer wurde. Dann entschied ich mich dagegen. Ich wollte mir von meinem Körper einfach keinen Hausarrest verordnen lassen.

Wie immer in solchen Situationen war auf dem ganzen Weg nicht eine Bank, auf der ich mich hätte, kurz hinsetzen und warten können, bis es vorbei ging. Die einzige Sitzgelegenheit, die mir in den Sinn kam, war auf dem Spielplatz, der noch ein ganzes Stück entfernt lag. Der Weg dorthin war so weit, wie der zurück nach Hause. Also versuchte ich, langsam weiter zu gehen. Es gelang mir, trotz der schlechten Sicht, bis zum Laden zu kommen.

Nachdem ich unseren kleinen Dorfladen betreten hatte, dachte ich, ich würde jeden Moment umkippen. Mein Körper fühlte sich schwach an. Ich war wackelig auf den Beinen und musste mir Mut zureden, den Laden nicht fluchtartig zu verlassen. Ich wollte es einfach ohne peinliche Vorfälle hinter mich bringen.

Glücklicherweise schaffte ich es, ohne umzukippen. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dort vor allen Leuten zusammenzubrechen. Es wäre mir unangenehm gewesen, das Gesprächsthema des Tages in unserem Wohnort zu sein. Im Ort kennt sich zwar nicht jeder, sonst wären wir vor drei Jahren woanders hingezogen, aber irgendein bekanntes Gesicht ist in so einer Situation immer zufällig in der Nähe. Und wenn es nur eine flüchtige Bekanntschaft ist.

Eigentlich wollte ich noch ein paar andere Kleinigkeiten einkaufen, aber ich entschied mich, nur ein Päckchen Zigaretten mitzunehmen. So lange mochte ich in meiner Verfassung nicht im Laden bleiben.

Ich stellte mich hinten in die Schlange an der Kasse an. Ausgerechnet an diesem Tag war es brechend voll. Vor mir standen nur ältere Leute, die gerade heute einen Großeinkauf machten. Sie hatten es auch nicht besonders eilig. Am Schlimmsten war für mich, als sie vorhatten passend zu bezahlen, ihr Kleingeld raus suchten und dann bemerkten, sie gingen ohne ihre Brillen aus dem Haus. Ich habe nichts gegen ältere Menschen, wir werden alle alt, aber in dem Moment war ich genervt. Ich wollte nur noch weg, raus aus dem Laden. Mit jeder Sekunde, die ich darauf wartete, endlich dran zu kommen, fühlte ich mich schlechter. Das Gefühl umzukippen wurde immer stärker. Ich atmete tief ein. Das machte es nicht besser. Denn ich nahm Gerüche wahr, die ich früher zwar auch abstoßend gefunden hätte, die in diesem Moment aber zu einem Ohnmachtsgefühl führten. Ich glaubte wirklich, ich würde jede Sekunde ohnmächtig werden. Mein Körper fühlte sich taub an. Ich konnte ihn kaum noch spüren, versuchte dennoch so wenig wie möglich von dieser stinkenden Luft einzuatmen. Es roch nach ekeligem Parfüm, vermischt mit Alkohol und Schweiß. Am liebsten wäre ich jetzt aus dem Laden gerannt, um frische Luft zu bekommen, aber ich wollte unbedingt durchhalten. So schnell konnte ich mich nicht aus der Bahn werfen lassen. Die verminderte Luftzufuhr machte die Situation kaum besser. Im Gegenteil, ich fühlte mich immer schlechter.

Ich bin zwar kein bisschen gläubig, aber ich betete, dass ich jetzt kurz vor dem Ziel, hier raus zu kommen, niemanden treffen würde, den ich kannte. Das Letzte, worauf ich in dieser Situation Lust hatte, wäre ein sinnloses Schwätzchen. Das hätte ich sicher nicht durchgestanden. Wie sollte ich auch so tun, als wäre alles in Ordnung, wenn ich mich hundsmiserabel fühlte?

Glück gehabt! Endlich war ich an der Reihe. Es dauerte nicht lange, bis ich mit einer Packung Zigaretten im Schlepptau draußen war und die frische Luft tief in mich hinein sog. Es tat gut, wieder richtig durchatmen zu können. Ich hockte mich hin, lehnte mich an die Wand des Ladens und wartete, bis ich bereit war, nach Hause zu gehen.

Nach ein paar Minuten ging es mir etwas besser und ich trat den Heimweg an. Der Rückweg verlief ohne irgendwelche Vorkommnisse. Mir ging es einigermaßen gut, wenn da nicht die Angst in meinem Hinterkopf gewesen wäre, mir könnte jederzeit wieder schwarz vor Augen werden.

Zu Hause angekommen, setzte ich mich auf die Terrasse und überlegte, ob es jetzt klug wäre, eine zu rauchen, nach diesem Ereignis. Ich tat es aber doch, ohne dass sich mein Zustand verschlimmerte. Na ja, so viel schlimmer konnte es kaum werden. Das Augenflimmern war nach wie vor da. Nur, weil die anderen Beschwerden sich gerade versteckten, hieß es nicht zwangsläufig, sie würden auch wegbleiben. Aber die Zigarette führte wenigstens zu keiner Verschlechterung.

Nachdem ich aufgeraucht hatte, saß ich noch einige Minuten da und dachte darüber nach, ob ich Max von dem Vorfall erzählen sollte. Immerhin waren mir die Erlebnisse der letzten drei Tage unheimlich gewesen und es konnte nicht verkehrt sein, mit jemandem über die Sache zu reden. Andererseits würde Max sich wieder die größten Sorgen machen. Ich beschloss, mich spontan zu entscheiden, wenn Max am Abend nach Hause käme.

Ich ging zurück an meinen Schreibtisch und arbeitete. Ich bemerkte nicht, wie schnell die Zeit verging. Max stand plötzlich hinter mir. Ich erschrak, als ich ihn sah. Von seiner Ankunft hatte ich nichts mitbekommen. Normalerweise hörte ich ihn, wenn er in unsere Einfahrt bog.

»Hallo Schatz! Wie war dein Tag?«, fragte ich.

»Etwas stressig, aber ganz okay. Und wie war es bei dir?«, antwortete er, nachdem wir uns küssten.

Ich überlegte einen kurzen Augenblick, ob ich ihm von dem Erlebnis beim Einkaufen erzählen sollte, und tat es dann in jeder Einzelheit.

Nachdem ich mit meinen Ausführungen fertig war, fühlte ich mich zwar besser. Aber Max sah mich total erschrocken und gleichzeitig besorgt an. Im ersten Moment war Max nicht in der Lage etwas zu sagen. In seinem Gesicht konnte ich sehen, wie er nachdachte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, ihm von meinem Tag erzählt zu haben.

Als Max sich wieder gefangen hatte, meinte er: »Du musst dringend zu einem Arzt. Du könntest natürlich auch zu einem Heilpraktiker gehen. Ich habe gerade beruflich eine ganz nette Heilpraktikerin kennengelernt.«

»Meinst du, ein Heilpraktiker kann mir helfen?«, fragte ich erstaunt.

Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass Max mir so einen Vorschlag unterbreiten könnte. Gerade er. Wir sprachen bisher noch nie über alternative Heilmethoden. Aber bei Max war ich mir fast sicher, er sei kein Fan davon.

»Wenn du nicht willst, musst du eben zu einem Arzt gehen! Das ist deine Entscheidung!«

Ich war ein wenig skeptisch, weil ich keine Ahnung hatte, was bei einem Heilpraktiker auf mich zu käme. Bisher war ich nie in einer Naturheilpraxis. Andererseits konnte es nicht schaden, etwas Neues auszuprobieren. Zu einem Arzt könnte ich immer noch gehen, falls mir die Behandlung keinen Erfolg brächte.

»Na ja, ich war noch nie bei einem Heilpraktiker, aber ich würde es ausprobieren. Kannst du mir einen Termin bei der Heilpraktikerin machen?«

»Klar, ich rufe gleich morgen früh bei ihr an.«

»Okay. Danke! Ich hoffe, es dauert nicht so lange, bis ich hingehen kann.«

»Nein, das wird schnell gehen.«

3. Kapitel

Nach einer Woche Warten war es endlich so weit. In einer Stunde hatte ich den Termin bei der Heilpraktikerin. In den letzten Tagen ging es mir unverändert. Es war zwar nicht so schlimm, wie die beiden Erlebnisse im Café und in dem Laden. Dennoch war ich besorgt über die anhaltenden Beschwerden.

Ich war fürchterlich aufgeregt, weil ich weder wusste, was in der Praxis mit mir passierte, noch ob die Heilpraktikerin überhaupt irgendetwas finden würde. Es fiel mir schwer, daran zu glauben, sie könnte mir helfen. Vielleicht, weil ich meine Zweifel an alternativen Heilmethoden hatte. Zumindest bei ernsthaften Krankheiten. Den Einsatz von Kräutern bei kleineren Wehwehchen hielt ich schon für sinnvoll. Dennoch schöpfte ich einen Funken Hoffnung, endlich zu erfahren, was mit mir los war.

Max begleitete mich. Er bestand darauf, mich hinzufahren. Er wusste schließlich, wo die Praxis lag und kannte die Heilpraktikerin bereits. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht getraut, selbst Auto zu fahren. Wenn diese Schwärze beim Autofahren wieder aufgetreten wäre, hätte so viel passieren können. Das Risiko wollte ich keinesfalls eingehen.

Wir mussten ein ganzes Stück zu Fuß vom Parkplatz bis zur Heilpraktikerin gehen. Die Praxis lag in einer Kleinstadt, zwanzig Kilometer von unserem Wohnort entfernt, in der Fußgängerzone, in einem älteren Gebäude, im zweiten Stock. Das Haus machte einen gepflegten Eindruck.

Sowohl der Empfang als auch das Wartezimmer waren leer. Ich war mir nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Meine Gedanken kreisten um die Frage, ob die Heilpraktikerin so unseriös war, dass niemand zu ihr kam oder sie sich nur ausgezeichnet organisieren konnte. Vielleicht vergab sie die Termine nicht so straff hintereinander, wie es in anderen Praxen üblich ist.

Wir setzten uns in das leere Wartezimmer und hofften, bald würde jemand den Empfang besetzen. Es dauerte keine fünf Minuten, da kam eine Frau Mitte dreißig auf uns zu. Sie machte einen netten Eindruck und stellte sich als Frau Hof, die Heilpraktikerin, vor. Anschließend führte sie uns in ein Behandlungszimmer und bat uns Platz zu nehmen.

»Wie kann ich Ihnen weiter helfen? Ihr Mann schilderte mir am Telefon, Ihnen wäre mehrfach schwindelig gewesen?«, fragte sie.

Ich erzählte ihr ausführlich, was in den letzten Tagen passiert war, auch von meinem Verdacht mit den Magnesiumtabletten. Diese Möglichkeit hatte ich für mich schon ausgeschlossen. Wenn es am Magnesium gelegen hätte, müsste ich längst eine Verbesserung gespürt haben, nachdem ich die Tabletten absetzte. Aber ich konnte keinerlei Veränderungen feststellen.

Die Heilpraktikerin hörte mir aufmerksam zu und sagte: »Dann werden wir uns das jetzt anschauen. Haben Sie schon mal etwas von der Dunkelfelddiagnostik gehört?«

»Nein, was ist das?«

Natürlich hörte ich den Begriff zum ersten Mal. Ich war zuvor noch nie bei einem Heilpraktiker. Wozu auch? Ich war nie ernsthaft krank gewesen. Hier und da hatte ich eine kleine Erkältung, aber eben nichts, wofür es sich gelohnt hätte, Dauergast beim Arzt zu sein.

»Ich nehme Ihnen einen Tropfen Blut ab. Dazu steche ich in einen Ihrer Finger. Dann schauen wir uns Ihr Blut unter dem Mikroskop an. Vielleicht finden wir dabei schon einen Anhaltspunkt.«

»Okay.«

Das hörte sich nicht so schlimm an. Einen Tropfen Blut aus dem Finger zu entnehmen, war besser, als eine Blutabnahme bei einem Arzt. Es war zwar eine Weile her, als mir das letzte Mal Blut abgenommen wurde, dennoch hatte ich das in keiner guten Erinnerung. Der Einstich war nicht so tragisch. Ich konnte nur schon seit meiner frühesten Kindheit kein Blut sehen. Deshalb musste ich immer wegschauen, wenn mir Blut abgezapft wurde. Sobald ich die rote Flüssigkeit sah, wurde mir sofort schlecht und ich kippte oft aus den Latschen. Besonders furchtbar war es, wenn ich sah, wie das Blut aus mir raus gesaugt wurde und sich das Röhrchen langsam füllte.