Plötzlich war es Krebs - Frank Lüngen - E-Book

Plötzlich war es Krebs E-Book

Frank Lüngen

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Beschreibung

Mein Name ist Frank Lüngen. Ich bin 54 Jahre alt und lebe im schönen Hamburg und bin mit meiner Frau Sibylle (Bille) glücklich verheiratet. Doch jetzt gab es einen Schicksalsschlag in meinem Leben, der mich mit aller Härte traf und mir den Boden unter den Füßen wegzog. Ich habe diese schreckliche Diagnose: Krebs bekommen. Warum gerade ich? Diese Frage stellen sich Betroffene wohl immer und ich natürlich auch. Eine Krankheit wie diese betrifft nicht nur einen selbst. Sie ist wie ein Geschwür, das sich durch alle Lebensbereiche zieht. Egal, ob es sich um meine Arbeit, meine Familie und meine Freunde, für die ich sehr dankbar bin, oder um mein Privatleben handelt. Der Tumor, der sich durch meinen Körper und meine Psyche zieht, ist gnadenlos. Das Arschloch wie ich den Krebs nannte, zeigte sich bei mir in der Form von Lymphdrüsenkrebs. Ich schreibe dieses Buch hier, nicht nur für mich, obwohl es ja als therapeutisch gilt, seine Gedanken zu Blatt zu bringen, und sich in Reflexion seiner selbst, der ganzen Situation noch einmal bewusster zu werden. Doch das ist nicht die Hauptmotivation meines Schreibens. In der Zeit nach der niederschmetternden Diagnose des Lymphdrüsenkrebses, die ich in einem Krankenhaus in Hamburg-Bergedorf bekommen habe, habe ich Tage und Nächte damit verbracht, das Internet zu durchforsten und stieß dabei auf unglaublich viele verzweifelte Menschen, die mein Schicksal teilen.

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Frank Lüngen

Co-Autorin: Sibylle Lüngen-Immendorf

Und plötzlich war es Krebs

Biografie

Impressum

©NIBE Media ©Frank Lüngen

Co-Autorin: Sibylle Lüngen-Immendorf

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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52146 Würselen

Telefon: +49 (0) 2405 4064447

E-Mail: [email protected]

www.nibe-media.de

Das Leben ist nicht immer nur

Pommes und Disco …

(Christian Steiffen)

Für meine Frau Bille

Meine Liebe! Mein Leben!

Leider lässt sich meine Dankbarkeit mit Worten nicht ausdrücken.

Inhaltsverzeichnis:

-eins-

-zwei-

-drei-

-vier-

-fünf-

-sechs-

-sieben-

-acht-

-neun-

-zehn-

-elf-

-zwölf-

-dreizehn-

-vierzehn-

-fünfzehn-

-sechzehn-

-siebzehn-

-achtzehn-

-neunzehn-

Personen im Buch

Danksagung

-eins-

Mein Name ist Frank Lüngen. Ich bin 54 Jahre alt und lebe im schönen Hamburg und bin mit meiner Frau Sibylle (Bille) glücklich verheiratet. Doch jetzt gab es einen Schicksalsschlag in meinem Leben, der mich mit aller Härte traf und mir den Boden unter den Füßen wegzog. Ich habe diese schreckliche Diagnose: Krebs, bekommen. Warum gerade ich?

Diese Frage stellen sich Betroffene wohl immer und ich natürlich auch. Eine Krankheit wie diese betrifft nicht nur einen selbst. Sie ist wie ein Geschwür, das sich durch alle Lebensbereiche zieht. Egal ob es sich um meine Arbeit, meine Familie und meine Freunde, für die ich sehr dankbar bin, oder um mein Privatleben handelt. Der Tumor, der sich durch meinen Körper und meine Psyche zieht, ist gnadenlos. Das „Arschloch”, wie ich den Krebs nannte, zeigte sich bei mir in der Form von Lymphdrüsen Krebs. Ich habe dieses Buch nicht nur für mich geschrieben. Obwohl es ja als therapeutisch gilt seine Gedanken zu Blatt zu bringen und sich in Reflexion seiner selbst, der ganzen Situation noch einmal bewusster zu werden. Doch das war nicht die Hauptmotivation meines Schreibens. In der Zeit nach der niederschmetternden Diagnose des Lymphdrüsen Krebs, die ich in einem Krankenhaus in Hamburg-Bergedorf bekommen habe, habe ich Tage und Nächte damit verbracht, dass Internet zu durchforsten und stieß dabei auf unglaublich viele verzweifelte Menschen, die mein Schicksal teilen.

Wir alle, die wir mit dieser grausamen Krankheit kämpfen, sind gierig nach Wissen und bereit, dagegen anzugehen. Wir können nicht einfach aufgeben, wir kämpfen.

Ich googelte was das Zeug hielt, las alles, was es über den Krebs zu lesen gab und sog jede noch so kleine Information in mich auf. Ich zog mich an jedem Strohhalm hoch, der mich motivierte und wusste immer: Ich muss kämpfen!!

Ich entschied mich es anzupacken. Für jeden Einzelnen, der diese schreckliche Erfahrung machen muss, und für jeden Einzelnen, der nicht weiterweiß, für meine Familie, meine Freunde und einem ganz persönlichen Traum, den ich im Verlauf dieser Geschichte noch erläutern werde, habe ich meine Geschichte aufgeschrieben. Ich wollte kämpfen für das Leben und natürlich zuerst einmal für mich selbst. Weil ich aber genau wusste, dass es Abertausende gibt, die diese Krankheit in sich tragen, die Halt in dieser schweren Zeit benötigen und genauso wie ich Hilfe brauchen. Weil ich weiß, dass noch Abertausende von dieser Krankheit betroffen sein werden und die wie ich nach jedem Strohhalm greifen werden, dafür schrieb ich dieses Buch. Bevor wir mit meiner Geschichte beginnen, sei noch erwähnt das ich die Namen der Ärzte, die mich behandelten, geändert habe.

Es war der 27.04.2020, im Norden Hamburgs. Ich vernahm, abgesehen von einigen Gewitterböen nicht viel, doch alles in allem war es ein schöner Tag in meiner Heimat in Hamburg-Bergedorf. Nur das mir, außer dem Blick aus dem Fenster, nichts von diesem schönen Tag blieb. Neben der Tatsache, dass es wesentlich schönere Orte als ein Krankenhaus gab, haben wir auch noch Corona Zeit. Seit gestern gelten in Hamburg weitere Regelungen zum Infektionsschutz. Die am letzten Freitag von der Gesundheitsbehörde erlassene Verordnung sah unter anderem eine Mund-Nasenbedeckung (Alltags- oder Stoffmasken) im Einzelhandel sowie in Bussen und Bahnen vor. Die Pflicht galt nun auch für die öffentlich zugänglichen Flächen in Einkaufscentern oder Einkaufsmeilen. Taxifahrer sowie Fahrpersonal von Mietwagen und deren Fahrgäste mussten ebenfalls eine Mund- und Nasenbedeckung tragen. Darüber hinaus wurden die Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete ältere Menschen in den Pflegeeinrichtungen verstärkt. Und verstärkt bedeutete in meinem, wie in vielen weiteren Fällen, noch mehr Isolation. Bille durfte mich nicht besuchen! Darunter leiden wir beide ganz besonders. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Hamburger Krankenhäuser sehr gut bei der Behandlung von Erkrankten mit einer Coronavirus-Infektion aufgestellt. Nach aktuellem Stand befinden sich derzeit 182 Personen mit Wohnort Hamburg aufgrund einer Erkrankung mit COVID-19 in stationärer Behandlung, davon werden 62 Personen intensivmedizinisch betreut. Einige von ihnen sind auch in diesem Krankenhaus, in dem ich auch untergebracht wurde.

Von Einsamkeit und Isolation umgeben, drehten sich meine Gedanken immer wieder im Kreis zwischen der Tatsache, dass ich zur Risikogruppe gehöre, mich aber trotzdem sehr alleine gelassen fühle und ganz dringend Bille brauchte, um mit ihr zu reden und sie in den Arm zu nehmen. Ich hatte ein sehr schönes Krankenzimmer auf der Privatstation. Zwei kleine rote Ledersessel mit einem Tisch, ein großes Fenster, ein bequemes Bett. Eigentlich also kein Grund, mich unwohl zu fühlen. Aber ich hatte eine wahnsinnige Angst vor dem, was noch auf mich zukommen würde.

Corona Zeit, nachmittags um 03:00 Uhr ging die Tür auf. Überraschend war es ja nun nicht, dass es kein Besuch war, der eintrat. Besuch ist in „Coronazeiten“ im Krankenhaus ja strikt verboten. Eine junge Ärztin, die mich schon einige Male besucht hatte und mit der ich bereits diverse Sachen besprochen hatte, die auch schon einige Untersuchungen veranlasst hatte, stand nun mitten in meinem Krankenzimmer. Sie macht immer einen sehr kompetenten Eindruck und schien ihre Arbeit zu mögen. Da sie ihren Nasen-Mundschutz trug konnte ich ihre Mimik nicht erkennen, sondern bemerkte nur, wie angespannt sie war. Trotzdem versuchte sie einen ruhigen und sachlichen Eindruck zu machen und mir zu helfen. Sie fing an, mir vieles zu erzählen und zeigte mir diverse Bilder von meinem Oberkörper aus einem CT, welches gestern gemacht wurde. Sie versuchte durch ihre Tonlage sehr mitfühlend zu wirken, doch ahnte ich, dass mich etwas Schreckliches erwarten würde.

Es ging wie ein gewaltiges Erdbeben durch mein Gehör: „Herr Lüngen, sie müssen jetzt sehr stark sein, denn wir sind uns ziemlich sicher mit unserer Diagnose: ‚Sie haben Krebs‘”.

Die Zeit stand still. Ich vermochte nicht zu realisieren was mir hier gerade mitgeteilt wurde.

„Sie haben einen Tumor unter dem Zwerchfell im Rücken, um ihrer Wirbelsäule und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Lymphdrüsen Krebs.”

1000 Gedanken gingen mir durch den Kopf und gleichzeitig hatte ich das Gefühl vollkommen leer zu sein.

„Sie müssen jetzt ganz stark sein. Brauchen sie vielleicht psychologische Betreuung?”

Ich vermochte nicht zu antworten, sondern spürte nur das es sich hier um Fakten handelte, um eine grausame Tatsache. Ich hatte von nun an Krebs.

„Wenn Sie in irgendeiner Form Hilfe brauchen, sagen Sie es mir. Das Team und ich werden uns um alles kümmern und ihnen jede Hilfe geben, die sie brauchen.“

Meine Gedanken wurden nach dem Schock dieser Nachricht langsam wieder klarer, doch wollte ich der Ärztin jetzt keine Fragen stellen. So weit war ich noch nicht.

„Wir machen heute noch einige Untersuchungen. Eine Blutabnahme und morgen früh können Sie nach Hause”, sagte sie und versuchte mich aufzuheitern.

„Dann machen Sie sich ein schönes Wochenende. Sie lassen es sich richtig gut gehen und nächste Woche melden wir uns hier vom Krankenhaus wieder bei ihnen.”

Ein schönes Wochenende machen? Es mir richtig gut gehen lassen? Uns allen war doch klar, dass diese Vorschläge nach so einer Nachricht ins Leere laufen würden. Ich hatte Krebs, verdammt noch mal!

„Ihr Fall geht jetzt in die Tumorkonferenz in Hamburg. Dort sitzen diverse Spezialisten, die mit Krebs und Tumoren umgehen können. Sie werden ihren Fall genauestens untersuchen. Wir werden uns am Dienstag oder Mittwoch bei ihnen melden. Dann können wir mit ihnen besprechen, wie es für Sie weitergeht und wo wir versuchen können, ihnen Hilfestellungen zu geben.“

Meine Gedanken bewegten sich jetzt nur noch zwischen Wut und Angst.

„Es tut mir sehr leid, aber so ist es eben”, sagte sie noch leise, bevor sie sich umdrehte und ging.

Ich sagte: „Dankeschön”, und sie verschwand durch die Tür.

Nun war ich mutterseelenallein in meinem schicken und schönen Krankenzimmer.

Hätte es mich denn noch schlimmer treffen können?

Warum ich?

Gott verdammt, warum muss es Krebs sein!

Ich starrte in den leeren Raum. Das eben noch so wunderschöne Krankenzimmer war nun ein Gefängnis, in das ich mich begeben hatte. Ich wusste immer viel mit meinem Leben anzufangen, versuchte ein guter Mensch zu sein und half, wo ich helfen konnte.

Ich hatte bisher Spaß am Leben und wollte immer, dass die Menschen in meiner Umgebung die gleiche Freude empfanden wie ich, doch diese Tatsache hat mich nun umgehauen. Diese verdammte, grausame Nachricht, die mein Leben ab sofort radikal verändern wird.

Ich wusste nichts mehr, in mir war alles leer. Wie sollte es jetzt weitergehen?

Tiefste Betroffenheit breitet sich in mir aus.

Sollte ich doch lieber mit dem Psychologen sprechen? Was mache ich denn jetzt nur?

Meine Augen wurden glasig, doch weinen wollte ich nicht. Ich wusste nicht, weshalb ich die Tränen unterdrückte, die sich in mir ansammelten und hochkamen. Eine Grausamkeit ist es, dass es einer Krankheit nicht interessiert, ob man ein guter oder schlechter Mensch war.

Oder musste es so sein, damit ich andere motivieren konnte, nicht aufzugeben?

Das alles konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. In dieser Minute war ich, der sonst vor Lebensfreude kaum einmal ruhig sitzen kann, der das Wachsein dem Schlaf vorzieht, weil ich mich auf den nächsten Tag freute, ein elendig gebrochener Mann.

Ich kann doch nicht meine Frau anrufen und am Telefon sagen: ”Hallo Maus, ich habe Krebs, einen Tumor”, das geht doch gar nicht. Nein, eine solche Nachricht musste ich ihr persönlich überbringen.

„Es ist Corona-Zeit, sie darf mich nicht besuchen”, war mein zweiter Gedanke und so rief ich sie an und bat ich sie mit dem Auto zum Krankenhaus zu kommen. In einer Stunde an einem Hintereingang für Krankentransporte. Hier wo Ärzte und Schwerverletzte ein und ausgingen, bin ich bei meiner geliebten Bille ins Auto gestiegen und musste sie mit dieser grausamen Wahrheit konfrontieren.

Ich hatte zu keinem Zeitpunkt einen Plan, wie ich ihr diese Nachricht überbringen sollte. Klar wusste ich, dass ich es ihr sagen muss, nur wie? Meine arme Bille! Sie war und ist eine starke Frau, aber wie würde sie die Nachricht ertragen, dass ihr Mann schwer erkrankt ist und eventuell daran sterben kann?

Die eine Stunde Wartezeit fühlte sich an wie hundert Stunden. Jede Sekunde vernahm ich laut und deutlich durch das Ticken der Wanduhr, die in meinem ach so schönen Zimmer im Krankenhaus angebracht war. Mit jedem Ticken des Sekundenzeigers mit jedem Schlag zur nächsten Minute rückte der Zeitpunkt näher, an dem Bille erfahren würde, wie es um mich stand. Gleich musste ich sie damit konfrontieren, dass eine eventuelle Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, dass ich sterbe.

Die Zeit verging langsam, doch sie blieb nicht stehen. Mein Handy klingelte und so zog ich mich an, um zum vereinbarten Hinterausgang, bei den Krankentransporten, ins Auto zu steigen. Ich begrüßte meine Frau und bat sie erst einmal loszufahren. Aus dem Fenster blickend und immer noch völlig unsicher, wie ich es ihr genau sagen soll, gab ich ihr lediglich die Adresse zum Parkplatz Bergedorf Friedhof an.

Nur 300 Meter vom Krankenhaus gibt es einen großen Parkplatz am Friedhof. Dorthin sind wir gefahren und haben geweint. Wir konnten beide nichts sagen. Eine Stunde nur geweint. Was für ein Schicksalsschlag und wir standen hier am Friedhof.

Am nächsten Morgen durfte ich wieder nach Hause. Die Ärzte gaben mir Medikamente mit und sie haben noch eine erneute Blutuntersuchung gemacht. Ich bekam noch einen Bericht mit, dann konnte Bille mich abholen.

Ich hatte ihr gestern zum Abschied gesagt, dass ich sie anrufe, wenn sie mich abholen kann.

„Ich melde mich morgen früh bei dir Maus”, hab ich zu Bille gesagt.

Es fiel mir verdammt schwer, sie mit meiner Diagnose alleine nach Hause fahren zu lassen.

Um 18:00 Uhr war ich zurück auf meinem Zimmer, nachdem Bille mich zum Krankenhaus zurückgebracht hatte.

Ich habe ihr einen Abschiedskuss gegeben.

„Wir schaffen das, gemeinsam.” Das habe ich ihr gesagt, bevor ich die Autotür schloss und zurück auf mein Zimmer fuhr.

Gestern Abend war ich allein. Allein mit meiner Krankheit. Sieben oder acht Mal wurde ich an diesen Abend angerufen. Aber ich konnte und wollte mit niemandem reden, auch nicht mit meinem Chef. Ich hatte keine Lust und keine Kraft dazu. Auch mit meinem guten Freund Carsten aus dem Saarland konnte ich nicht reden. Sie wollten alle nur wissen, wie es mir ging, doch ich hatte keine Lust, keinen Willen zum Reden.

Ich war gebrochen und verstummt.

-zwei-

Doch jetzt geht es los. Ich möchte Euch so detailliert wie möglich an meinen Erfahrungen, meinen Ängsten und Sorgen teilhaben lassen. Zum einen müsst Ihr wissen, dass es mir bereits Ende 2019 ziemlich schlecht ging. Ich konnte nur noch unter Schmerzmittel meinem Job nachgehen. Was im ersten Moment sehr leidvoll klingt, war bittere Realität. Morgens wachte ich mit Schmerzen auf und abends schlief ich mit Schmerzen ein. Mein Rücken, meine Beine waren nur noch ein Schmerz.

Was sollte ich machen? Ich musste meinen Verpflichtungen nachgehen, ich hatte einen Job zu machen. Dabei hatte ich keine Option im Bett liegen zu bleiben.

Ihr müsst wissen, dass ich ein lebensfroher Mensch war. Ich lachte gerne und viel. Doch in den letzten Monaten gab es nicht mehr viel zu lachen für mich. Ich arbeitete in einem Büro in Hamburg an der Alster, saß also 7 bis 8 Stunden täglich an meinem Schreibtisch. Kein normaler Bürojob für mich. Ich liebte was ich tat. Ich arbeitete seit vielen Jahren für die Musikindustrie. Für mich gab und gibt es bis heute keinen Tag Langeweile bei der Arbeit. Meine Frau, meine Familie, meine vielen großartigen Freunde und auch meine Arbeit motivierten mich von Anfang an weiterzumachen. Meine Arbeit liegt im Schwerpunkt Copyright Bereich. Selbst Galileo, Stern-TV, die Fernsehschau berichteten bereits über den Erfolg unserer Arbeit und ich liebte es, Künstler und Künstlerinnen mit meiner Arbeit zu unterstützen und ihre Werke zu schützen.

So ging ich bisher stets mit Leidenschaft an meinen Arbeitsplatz, was sich wohl auch in meiner Arbeitsweise widerspiegelte. Doch davon war nun nicht mehr viel vorhanden. Ständig hatte ich Beschwerden, ständig diese Rückenschmerzen. Es war ungemein anstrengend für mich. Wie tausende Stiche, die mir mein eigener Körper immer wieder und ohne Rücksichtnahme verpasste. Auch die Angst, nicht zu wissen, wann der nächste Schmerz einsetzten würde, oder wann ich das nächste Mal vor Schmerzen erbrechen müsste, halfen der Situation nicht im positiven Sinne weiter. Der Gedanke an den Würgereiz, und dem nicht Ausstoß von Flüssigkeit, auf den ein weiterer schrecklicher Würgereiz folgte, ekelte mich an. Ich bin übergewichtig und kann mich kaum einen gesunden Mann schimpfen. Bisher machte es mir nichts aus, doch nun war mein Übergewicht ein starkes gesundheitliches Problem.

Mein guter Freund und Hausarzt Axel sollte hierbei Abhilfe schaffen. Axel hat eine Praxis in Flensburg. Er ist ein sehr erfahrener Arzt. Mit ihm konnte und kann ich bis heute über alles reden. Ich hatte einen Termin bei ihm in Flensburg und berichtete ihm von meinen starken Schmerzen im Rücken. Axel empfing mich damals sehr warmherzig und nahm meine Schmerzen sehr ernst. Er stellt sehr gezielt einige Fragen, untersuchte mich gründlich und machte einige Tests mit mir. Um eine genauere Diagnose zu stellen, brauchte er aber noch Röntgenaufnahmen. Er bereitete eine Überweisung für mich vor und drängte mich zügig, einen Termin zu machen.

Mitte Dezember hatte ich meinen Röntgentermin und im Anschluss auch relativ schnell die Ergebnisse. Axel bekam das Gutachten per Fax. 3 Tage später dann telefonierten wir und machten einen neuen Termin, um die Ergebnisse bei ihm in der Praxis zu besprechen.

„Frank, deine linke Hüfte gleicht einem Totalschaden, mein Freund. Ich denke deine rechte Hüfte wird diesen Zustand noch einige Zeit aushalten, aber an deiner linken Hüfte müssen wir operieren”, erklärte er mir.

Ich war definitiv bereit, alles über mich ergehen zu lassen, solange ich damit diese Rückenschmerzen loswerden würde. Also willigte ich ein.

„Wir versuchen es mit einer Reha vor einer OP! Mit neuer Hüfte eine zweite Reha.“

Vier Wochen später dann, Mitte Januar, hatte ich, der ich mit den Nerven und meinen Kräften so ziemlich am Ende war, eine Zusage für einen Reha Platz.

Der Januar war für mich ein Alptraum an Schmerzen im Rücken und an den Hüften. Ich konnte nicht sitzen, ich konnte nicht liegen, selbst das Autofahren, dass ich so liebte, wurde zum Problem.

Die Erkenntnis, dass mein Körper schwach war, erdrückte mich. Emotional war ich am Ende. Ich hatte keine Kraft mehr. Immer öfter ließ ich mich krankschreiben, immer weniger Lust verspürte ich auf meine sonst so leidenschaftlich praktizierte Arbeit. Es machte sich eine dunkle depressive Stimmung in mir breit.

Von Schmerztablette zu Schmerztablette, von Tag zu Tag, versuchte ich weiter gute Miene zu diesem bösen Spiel zu machen. Doch eigentlich wusste ich ganz genau das alles falsch lief. Der Stress und meine depressiven Gedanken, die sich in dieser Zeit tief in mir verwurzelten, ließen es zu, dass mein Körper dann auch seinen Blutdruck nicht mehr im Griff hatte.

Wieder suchte ich Axel auf, der mich kurz untersuchte und mir Tabletten gab, um meinen Blutdruck zu senken: „Du musst durchhalten Frank, bald geht es dir besser.”

Welch eine Ironie des Lebens, nicht wahr? Denn bald würde ich mir wünschen, dass die kaputte Hüfte mein größtes Problem geblieben wäre.

„Hab Geduld, wir sind auf einem guten Weg.” Axel sprach zuversichtlich auf mich ein, doch seine Zuversicht prallte an mir ab bei dem Gedanken, dass ich auch heute Nacht erneut von Schmerzen geplagt aufwachen würde. Vielleicht ein erneutes Mal mit dem Gefühl von Brechreiz in meinem Hals, um dann morgens aufzustehen, und eine Tablette nach der anderen zu mir zu nehmen, nur um den Tag zu überleben.

Axel kontrollierte meine Blutwerte. Er wollte sich bei den ganzen negativen Nachrichten nicht anmerken lassen, dass auch diese außergewöhnlich schlecht aussahen. Zu wenige Vitamine, zu viele weiße Blutkörperchen, er musste das alles auch weiterhin im Auge behalten.

Ende Februar, Anfang März besuchte ich Axel wieder und berichtete ihm davon, dass ich seit einiger Zeit starke Bauchschmerzen hatte. Meine Sorge, dass es an den vielen Tabletten lag, war da nicht unbegründet.

„Frank, warum kommst du jetzt erst damit heraus?”, fragte mich Axel betrübt.

Hatte ich denn nicht schon genug, um das ich mir Sorgen machen musste? Ich berichtete von dem nächtlichen Gefühl von Schwindel und Übelkeit, von dem Brechreiz, dem nichts als Speichel folgte.

„Wir müssen uns auch das sehr viel konkreter ansehen Frank.”

Eine Magenspieglung würde Aufklärung bringen, erklärte mir Axel und machte mir im gleichen Atemzug eine Überweisung zu einem Facharzt fertig.

Zu diesem Zeitpunkt wurde dann auch noch die dringend und sehnlichst erwartete Reha wegen Corona ABGESAGT!

Eine Katastrophe!!

Bille machte mir einen Termin für eine neue Hüfte in der ENDO-Klinik in Hamburg. Sie gehört zu den Helios Kliniken und ist die größte Spezialklinik für Knochen-, Gelenk- und Wirbelsäulen Chirurgie in Europa.

Termin 20.04.2020, 8:30h! So ein gottverdammter Mist!

Was stimmte bloß mit meinem Körper nicht? Diese vielen Probleme auf einmal. Den Großteil dieser Zeit verbrachte ich mit ständigem Hin und Her telefonieren. Erst die Arztpraxis, dann die Arbeit, darauf wieder die Arztpraxis. Es war ein sehr ungutes Gefühl, das jede Nachricht eine negative Nachricht war und zu hören, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmte. Irgendetwas lief da überhaupt nicht rund.

Ich fühlte mich wie die viel zitierte Zeitbombe, und ich war angezählt.

Zwar hatte ich nun eine Überweisung zur Magenspieglung, doch einen Termin konnte mir während der Corona Zeit leider niemand geben

„Das kann doch nicht wahr sein, ich bin krank! Versteht das denn niemand?“ schrie ich frustriert in mich hinein. Die müssen doch alle verrückt, nein, sogar wahnsinnig sein!

Ärzte haben einen Eid abgelegt, allen, die Schmerzen haben zu helfen. Sie sollen mir, verdammt noch mal einen Termin geben!

Und nun? Es gab kein Krankenhaus und keine Praxis, die eine Magenspiegelung durchführen wollte? Die Abwägung von der Gefahr, sich mit Corona zu infizieren, war wohl stärker, als die Notwendigkeit, mich zu behandeln. Es war unverständlich, einfach unverständlich!!!

Jeden weiteren Tag dieser Brechreiz, der mich nicht loslassen wollte, dass Gefühl als würde mir die Kehle zugedrückt werden, und wenn es so weit war, dass mein Körper einknickte und ich mich zum Brechen auf die nächste Toilette quälte, dann war es wieder nur Speichel und ein Krächzen, dass sich aus meinem Mund anhörte, als wäre ich dem Tode nahe.

Ich meldete mich in meiner erneuten Verzweiflung bei Axel, dem einzigen Arzt, dem ich momentan noch mein Vertrauen schenkte.

„Axel, so geht es nicht weiter”, sagte ich und machte mit ihm einen neuen Termin aus.

Er erklärte mir, dass wir nicht mehr viele Optionen hätten, wir müssten uns dringend überlegen, wie es denn nun weiter gehen sollte.

„Ich kann so nichts mehr für dich tun, Frank. Ich bin Allgemein Mediziner verstehst du?” Er seufzte, „Ich kann dir zwar eine Überweisung geben, dich mit Schmerzmitteln und Medikamenten versorgen, aber so werden wir dieses Problem nicht los. Wenn es keine andere Option gibt, dann musst du zum Krankenhaus und dich als Notfall einweisen lassen. Dann müssen sie dich behandeln.“

Ein Notfall? Dieser Gedanke gefiel mir gar nicht. Ich wollte das Problem nicht sehen, dass ich schon sehr lange ein Notfall war.

Ich sprach mit Bille und wir überlegten lange was wir machen könnten. Sie machte mir klar, dass sie es nicht ertrug, mich weiterhin in diesem Zustand zu sehen, denn am Ende, würde sie nur hilflos mit mir leiden können, und das wollte sie nicht länger.

Zwei weitere Wochen ertrug ich dieses Gefühl von Schmerz und Brechreiz, dann konnte ich nicht mehr. Ich kapitulierte vor mir selber.

Es begann in den frühen Morgenstunden. Ich wachte erneut vor Schmerzen im Rücken auf, und wieder dieser Brechreiz. Erneut schnürte sich meine Kehle zu, auch dieses Mal konnte meine Frau nur hilflos zusehen, wie ich versuchte, mich zur Toilette zu retten.

Mein Kopf in der Toilettenschüssel, ächzend mit dem Gefühl des Brechens.

Der Tag verbesserte sich keineswegs, mein Körper war am Limit, kurz vor dem totalen Zusammenbruch angekommen. Siebzehn Mal, siebzehn Mal rannte ich an diesem, mich seelisch und körperlich erniedrigenden Tag zur Toilette, steckte meinen Kopf in die Schüssel und würgte erfolglos.

Bille war es nun egal, ob es sich schlecht für mich anfühlte, ein Notfall zu sein, das hier war für sie ein Notfall!

„Ach du heilige Scheiße, was denn jetzt?”

Oh Mann, meine Nieren standen vor dem totalen Aus und ich hatte nur noch Angst. Auf der Intensivstation erklärten mir die Ärzte, was mit mir los war.

Der Begriff „akutes Nierenversagen“ (akute Niereninsuffizienz oder Nierenschwäche) steht für den plötzlichen, starken Abfall der Entgiftungsfunktion der Nieren innerhalb von Stunden bis Tagen. Es muss rasch medizinisch behandelt werden, sonst besteht Lebensgefahr. Prinzipiell ist ein akutes Nierenversagen – im Gegensatz zum chronischen Nierenversagen – reversibel. Das heißt, die Niere kann sich auch von einem fast vollständigen akuten Funktionsverlust wieder erholen.

Es war ein Albtraum hier zu liegen. Überall in meinem Körper steckten Nadeln, die irgendwelche Daten auf die Monitore übertrugen. Um mich herum piepst und summt es. Fünf Ärzte und Krankenschwestern standen um mich herum und beobachten die Bildschirme. Ich schloss meine Augen und ergab mich.

Ich kann nicht mehr!

Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen habe. Ich war allein und versuchte die vorherigen Stunden auszublenden. Nachdem ich ein paar Mal tief Luft geholt habe, habe ich Bille angerufen und ihr gesagt das ich ein paar Tage hierbleiben muss, bis meine Nieren sich erholt haben. Dabei versuche ich die Situation nicht weiter hochzuschaukeln, ich musste auf meinen Blutdruck achtgeben, und Bille macht sich sowieso schon riesige Sorgen um mich.

Ich versuchte zu schlafen und morgen würden wir weitersehen.