politisch (in)korrekt - Timo Klein - E-Book

politisch (in)korrekt E-Book

Timo Klein

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Beschreibung

Durch meinen Beruf als Polizeibeamter nehme ich täglich Fühlung mit der „Straße“ auf. Ich kommuniziere mit einer Vielzahl von Bürgern unterschiedlichster Herkunft, verschiedenen Standes oder beruflicher Stellung. Da diese Interaktionen nicht ausschließlich in lockeren Gesprächen im Vorübergehen stattfinden, sondern oftmals als Hilfegesuch herangetragen werden oder in sonstigen Spannungs- oder absoluten Ausnahmesituationen ablaufen, behaupte ich, in besonderem Maße den Finger am Puls des Lebens zu haben bzw. Sachverhalte lebenswirklicher als die Politik beurteilen zu können. In solchen Situationen wird nicht beschönigt. Es geht schlicht um Tatsachen, die nackte Wahrheit oder die Lüge und den Umgang der beteiligten Personen damit. Diese Erkenntnisse kann man sicher nicht aus Umfragen ablesen oder bei steril gehaltenen und abgeschirmten Bürgerkontakten zu Tage fördern. Sollte dieser Schuss von Leben und Realität einmal unvorbereitet und mit scharfer Kontur auf einen Politiker treffen, erleben wir Unsicherheit. Die Wahrheit wird durch unsere „Political Correctness“ bemäntelt, zur weiteren Verarbeitung abgeschwächt und für den politischen Organismus verdaulich gemacht. Mit mir nicht!!!

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Seitenzahl: 349

Veröffentlichungsjahr: 2013

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politisch (in)korrekt

Timo Klein

Books on Demand

Inhalt

Einleitung

1. Abenteuer Afghanistan

2. Es war einmal… “Die Wehrpflicht“

-

Das unausweichliche Ende einer Erfolgsstory

3. Beamtenpension versus Rente

-

Schmarotzer gegen braven Beitragszahler?

4. Die Rente

-

Der Generationenvertrag ist in Gefahr!

5. Der Sozialstaat

6. Rechtsstaat Deutschland

7. Der Polizeibeamte

8. (Jugendkriminalität) Justiz und Strafvollzug

9. Migration, Integration, Frustration und Resignation

10. Links-Rechts

-

gut gegen böse?

11. Politiksplitter

-

(Medien) Kampagne gegen zu Guttenberg?

-

Proteste gegen Stuttgart

-

Castortransporte Gorleben

-

Atomunfall in Japan –Verwerfung in der deutschen Politiklandschaft

-

Der Abgang von Christian Wulff

-

Das Betreuungsgeld

12. Glaube und Religion

Schlusswort

„Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen.“

George Bernard Shaw

Einleitung

Deutschland mein Deutschland! Du Land der Dichter und Denker, Forscher und Erfinder…

Kein anderes Land vergleichbarer Größe und Einwohnerzahl hat die Geschichte weltweit so nachhaltig beeinflusst wie Du und Deine Bürger. Dies im Positiven wie sicher auch im Negativen.

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2013. Wie sieht es momentan aus? Wo steuern wir hin und wer hält bei uns das Steuer in der Hand?

Eine meiner zentralen Fragestellungen beschäftigt sich mit dem was hier offenkundig falsch zu laufen scheint. In diesem Zusammenhang ist auch schon die Antriebsfeder und Grundlage meiner literarischen Erstbetätigung genannt. Ich werde nachfolgend aktuelle und essentielle Themenbereiche benennen und meine Meinung hierzu exemplarisch darstellen. Ein besonderes Augenmerk soll hierbei einem großen und völlig unterschätzten Übel in unserem deutschen „Gutmenschentum“ gelten. Dieses zieht sich wie ein roter Faden durch alle gesellschaftlichen Bereiche, verpestet die politische Kultur Deutschlands und ist ein riesiges Entwicklungshemmnis für unser Land, ja sogar geeignet, die Bundesrepublik Deutschland, so wie wir sie kennen, letztlich in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Es handelt sich um die omnipräsente

„Political Correctness“

Aus meiner Sicht speist sich dieses Phänomen hauptsächlich aus den Geschehnissen des 1. und 2. Weltkriegs und den damit immer noch verbundenen und in den Köpfen tief eingebrannten Gefühlen von Schuld und Verantwortlichkeit!

Dies muss 65 Jahre nach Beendigung des 2. Weltkriegs, im Sinne der Stabilität und Fortentwicklung unseres Landes, endlich ein Ende haben.

Es kommt mir in der öffentlichen Debatte, meist bei Sachthemen, so vor, als ob man über verschiedene Dinge nicht problemorientiert und völlig losgelöst von Befindlichkeiten verschiedener Personen, Personengruppen oder gar ganzer Staaten diskutieren kann. Es scheint immer so zu sein, dass die „PC“ wie eine Käseglocke oder ein Sieb über den Problemen zu hängen scheint. Tatsächliche an der Sache angelehnte, praxisnahe und zielführende Lösungsvorschläge prallen daran ab und gelangen überhaupt nicht in den Entscheidungsfindungsprozess. Lediglich die weichgespülten, durch Kompromisse und mehrfach hinsichtlich der Medienakzeptanz überprüften und dadurch korrumpierten Vorschläge werden umgesetzt. Dies hat natürlich nur noch wenig mit der Sache an sich zu tun und kommt eher einem „herumdoktern“ gleich. Ich möchte abschließend anmerken, dass es sich bei meinen nachfolgenden Darstellungen um persönliche Ansichten handelt. Diese generieren sich aus dem Leben, Presse-veröffentlichungen, Funk und Fernsehen, natürlich auch aus Stammtischgesprächen, aber zum größten Teil aus meinem beruflichen Erfahrungsschatz und somit dem täglichen Umgang mit den verschiedenartigsten Menschen. Ich habe mir bezüglich der Angabe meines Berufsstandes lange Gedanken gemacht. Ich war mir einfach unsicher, ob meine Tätigkeit als Polizeibeamter hier Erwähnung finden sollte. Der Hauptgrund hierfür war, wie sollte es anders sein, die „PC“.

Man muss sich also in der heutigen politischen Landschaft schon genau überlegen, ob und in wieweit man seine Meinung und Überzeugungen mitteilen darf, ohne persönliche Sanktionen oder gar Maßregelungen fürchten zu müssen. Es wären einige Beispiele aufzuzählen wo dies nach hinten losgegangen ist und Mut/Courage mit erheblichen negativen Auswirkungen für die Betroffenen behaftet war.

In meinem Fall ist es jedoch so, dass ich aus der Mitte der Bevölkerung komme und fest auf dem Boden von Verfassung und parlamentarischer Demokratie stehe. Aus diesem Grund lasse ich mir meine Meinung nicht verbieten, beschneiden oder durch die völlig unangebrachte „PC“ verwässern.

Viel Spaß beim Lesen…

Ihr Timo Klein

1. Abenteuer Afghanistan

Der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr

„Auch unser aller Sicherheit, die Sicherheit Deutschlands, wird am Hindukusch verteidigt.“

So äußerte sich der Verteidigungsminister a. D. Peter Struck auf die Frage nach dem Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Der Hindukusch war mir bis zu dieser Aussage nur wenig geläufig. Die grundsätzliche Beschäftigung mit der Sinnhaftigkeit des Bundeswehreinsatzes indes, schien mir völlig berechtigt zu sein. Mein erster Gedanke bezüglich der oben angeführten Begründung für den Einsatz ist mir aber noch in Erinnerung. Ich dachte: Was ist das für ein Blödsinn…

Nachfolgend versuche ich meinen ersten Impuls mit Fakten zu unterlegen und zu überprüfen, ob dieser Gedanke für mich weiterhin vertretbar bleibt oder ob ich Herrn Struck nachträglich doch zustimmen muss. Diese Meinungsbildung entwickle ich über die Beschäftigung mit verschiedenen Fragestellungen.

Wo ist der Hindukusch und was ist er überhaupt?

Gibt es Wissenswertes aus der Kultur und der Geschichte Afghanistans? Werden diese Zusammenhänge auch bei der Einsatzplanung und Gestaltung in entsprechendem Maße berücksichtigt?

Was waren die Gründe für den Auslandseinsatz der Bundeswehr und hat es bislang überhaupt etwas gebracht? Wo liegen die Probleme bei dem Einsatz?

Na ja, um ehrlich zu sein, hatte ich Afghanistan bis zum Jahr 2002 überhaupt nicht auf dem Schirm. Einzig der Umstand einer früheren russischen Intervention war mir bekannt. Nähere Gedanken hierzu hatte ich mir aber nie gemacht. Weitere halbseidene Kenntnisse über den Stolz der Afghanen und die kriegerische Tradition dieses Landes hatte ich durch den Film „Rambo III“ im Hinterkopf. Ja ein kleines Lächeln ist an dieser Stelle sicher angebracht. Neben einigen weiteren Hobbys bin ich ein bekennender Fernseh- und Filmfreund. Aber solange ich meine Informationen nicht hauptsächlich aus Actionfilmen beziehe, dürfte dieser kleine Querverweis wohl unschädlich sein. Nun habe ich mich anlässlich meiner schreiberischen Tätigkeit näher mit dem Land und seiner durchaus bewegten Geschichte beschäftigt. Hierzu habe ich mich neben weiteren Quellen auch mit den entsprechenden Ausführungen in Wikipedia vertraut gemacht. Einige interessante Einzelheiten habe ich hieraus übernommen und nachfolgend in meiner Darstellung mit verarbeitet. So bedeutet Afghanistan wörtlich „Land der Afghanen“. In früheren Jahrhunderten wurde das Land auch Kabulistan oder Khorasan genannt. Das Wort Afghane bezeichnet dem Wortsinn nach eigentlich nicht den Staatsbürger Afghanistans, sondern bezieht sich auf die Stämme der Paschtunen. Es gibt demnach also mehrere, verschieden stark vertretene ethnische Gruppierungen innerhalb Afghanistans. Den größten Bevölkerungsanteil mit etwa 40% stellen die Paschtunen. Diese könnte man als Namensgeber und staatstragende Gruppierung bezeichnen. Die Tadschiken sind mit etwa 30% repräsentiert. Im Weiteren gibt es eine Vielzahl von Siedler- und Nomadenstämmen. Noch spezifischere Unterscheidungen und die Herleitung der Entwicklungsgeschichte der einzelnen Bevölkerungsgruppen würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen.

Man geht insgesamt von etwa 30 Millionen Einwohnern aus. Die Hauptstadt Kabul ist mit knapp 5 Millionen Bewohnern die größte Stadt Afghanistans, wobei die Bevölkerung aber zum größten Teil in den ländlichen Regionen, den Steppen oder Gebirgen beheimatet ist.

Auch hinsichtlich seiner Topografie ist Afghanistan sehr abwechslungsreich. Die Bandbreite zwischen niedrig gelegenen Flussebenen auf ca. 200 Metern über NN, bis hin zu den Hochregionen in eben jenem Hindukusch Gebirge, in dem sich ein Berg namens Noshak, mit einer Höhe von ca. 7.500 Metern als höchste Erhebung ausweist und so majestätisch über die atemberaubende Umgebung thront, ist beachtlich.

Die klimatischen Bedingungen können als schwierig angesehen werden. Im Sommer kann es zu ausgeprägten Dürren und sehr heißen Temperaturen bzw. in südlicheren Gebieten zu monsunartigen Regenfällen kommen. In den Gebirgen sind dagegen extrem kalte Temperaturen und starker Schneefall nichts Ungewöhnliches. Schon allein diese äußeren Rahmenbedingungen machen einen Bundeswehreinsatz dort nicht unbedingt erstrebenswert.

Wenden wir uns nun doch dem afghanischen Volk zu. Ihre Religion ist enorm wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens der Afghanen. Etwa 99 Prozent der Afghanen sind muslimischen/islamischen Glaubens. Ein Großteil praktiziert diesen Glauben mit Selbstverständlichkeit und in einer Art und Weise, wie es in westlichen, vorwiegend christlich geprägten Regionen, nur noch sehr selten der Fall ist. Diese Erkenntnis bzw. das Wissen um den Stellenwert der Religion ist von existenzieller Bedeutung. Im Islam gibt es zwei Hauptrichtungen:

Etwa dreiviertel der afghanischen Bevölkerung sind Sunniten und ein Viertel folgt dem schiitischen Glaubensverständnis. Die Unterscheidung der beiden Richtungen des Islam ist nicht ganz unproblematisch. Da ich mich nicht dem vernichtenden Urteil von Religionswissenschaftlern oder den Gläubigen selbst aussetzen will und in diesem Zusammenhang keine vermeidbaren Fehler machen möchte, halte ich mich etwas bedeckt und beschreibe den Unterschied nur grob. Nach meinem Verständnis resultierte die o. g. Aufspaltung nicht aus theologischen Differenzen der beiden Gruppen, sondern vielmehr aus der unterschiedlichen Auffassung bezüglich der legitimen Nachfolge des Propheten Mohammed und der sich daraus ergebenden Führungsrolle in der Gemeinschaft der Muslime. Die Schiiten sind davon überzeugt, dass der Prophet die Menschen nie ohne festgelegte Führung verlassen hätte. Die Mehrheit (Sunniten) verständigte sich darauf, selbst einen Nachfolger zu benennen. Dieser sollte zwar die religiöse und politische Führung in sich vereinen, aber keine göttliche Figur darstellen. Das heilige Buch der Muslime ist der in einzelne Suren (Kapitel) eingeteilte Koran. Der Islam in seinem Grundtenor und Selbstverständnis, vor allem in der Ausgestaltung durch die Gläubigen im Alltag, ist meiner Meinung nach fast kriegerisch und daher problematisch, wenn nicht gar gefährlich. Er bietet ein großes Betätigungsfeld und fruchtbaren Nährboden für fundamentalistische Tendenzen. Meine Überzeugungen zu diesem Thema, vor allem dem gelebten Islam in seiner täglichen Ausprägung und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Probleme, mache ich in meinem Kapitel zur Integration von Muslimen in Deutschland näher kenntlich.

Hierbei versuche ich natürlich mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Im Umgang mit dem Islam kann man sich nur allzu leicht ins Abseits manövrieren und zur Zielscheibe von aufgewiegelten und in der „Ehre“ angetasteten Fundamentalisten werden. In diesem Zusammenhang verweise ich notwendigerweise auf die Unruhen und gewalttätigen Demonstrationen in stark islamisch geprägten Ländern wie Saudi - Arabien oder dem Iran. Diese waren im Jahre 2007 direkte Reaktion auf die Mohammed-Karikaturen eines schwedischen Künstlers namens Lars Vilks u. a.

In westlichen Gefilden tritt die Religion und der Glaube immer mehr in den Hintergrund. Ein Comic mit dem gekreuzigten Jesus als Inhalt, würde höchstens einen reflexartigen Aufschrei der Kirchen zufolge haben, aber keinen Bürger mehr hinter dem Ofen hervorlocken können. Dies sieht im Islam anders aus. Ich halte diesen Aufruhr zwar für stark übertrieben, aber dem Grunde nach, aus Sicht im Glauben stark verhafteter Muslime, für nachvollziehbar. Die medienwirksam inszenierten Demos mit dem Verbrennen von Flaggen westlicher Staaten (diese wurden teilweise zuvor an die Demonstranten ausgegeben), dürften von dem einen oder anderen Staatschef sicher durch gezielte Nachrichtensteuerung befeuert worden und als willkommener Anlass zur Hetze gegen den Westen genutzt worden sein. Jedoch ist es nicht das Problem der gläubigen Muslime, dass wir im Westen mit unserem Glauben nichts mehr anzufangen wissen und so nicht nur scheinbar ein immer größer werdendes Ungleichgewicht zwischen gläubigen Christen und den Anhängern des Islam entsteht.

Nun ja, neben den religiösen Aspekten sollte dem Einsatzsoldaten vor Ort klar sein, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung weder lesen noch schreiben kann. Die weibliche Bevölkerung besteht bis zu 90 Prozent aus Analphabeten. Meiner Meinung nach ist dieser Umstand ebenfalls allein auf die Religion bzw. die Fehlinterpretation des Islam zurückzuführen. Nach tatsächlicher Lesart ist es eben keinesfalls so, dass Männer und Frauen als gleichwertig angesehen werden. Aus dieser Sicht heraus ist Schulbildung für junge Mädchen nicht notwendig. Diese sollen lediglich für Nachwuchs sorgen und den Haushalt führen. Die Bildung oder das Erlernen eines Berufes bleibt meist dem männlichen Nachwuchs vorbehalten. Dieser Lebenswirklichkeit gilt es im Einsatz Rechnung zu tragen. Hiermit meine ich, dass traditionelle Gegebenheiten und Realitäten im Einsatzland zu berücksichtigen sind und darauf notwendigerweise einzugehen ist.

Beispiel:

Der Soldat sollte es vermeiden die vorübergehende Gruppe afghanischer Frauen anzusprechen. Es ist angezeigt, dies eher bei den ihnen üblicherweise folgenden Ehemännern, als jeweilige Hausvorstände, zu tun. Alles andere dürfte zu allgemeiner Verwunderung, Missstimmungen und Ungereimtheiten führen. Noch gravierender aber können die Folgen bei notwendigen Eingriffsmaßnahmen aussehen. Etwa bei Durchsuchungen von Personen oder Sachen. Hier gilt es als „Ungläubiger“ (Nicht- Moslem, Sichtweise der Afghanen) absolute Vorsicht walten zu lassen. Insbesondere beim Abtasten des Körpers. Oft führen Afghanen einen Koran mit sich. Allein die Berührung dieses heiligen Buches durch einen Nicht-Moslem, wird als absolute Provokation empfunden und ist aus Sicht des Islam in keiner Weise hinzunehmen. Es gibt unzählige weitere Beispiele bei denen westliche Formen des Umgangs, des Miteinanders oder der kulturellen Prägung mit den in Afghanistan vorherrschenden Verhaltensmustern in Konflikt geraten können. Aus diesen scheinbar kleineren Vorfällen können folglich größere und schwerwiegendere Probleme entstehen. Den kulturellen Hintergründen, der speziellen Geschichte einzelner Siedlungsgebiete, einschließlich der ständigen Verwerfungen und andauernden Veränderungen im Machtgefüge und der daraus resultierenden Haltung der Bevölkerung in einzelnen Fragen, sollten von alliierter Seite höchste Aufmerksamkeit zukommen. Im Rahmen meiner Nachforschungen bei der Bundeswehr wurde mir versichert, dass auch die kulturellen Gegebenheiten in Afghanistan bei der Einsatzplanung berücksichtigt wurden. Jedem Soldaten würde vor dem Einsatz eine entsprechende Schulung zum Verhalten im Einsatz und dem Umgang mit der Zivilbevölkerung zukommen. Nähere Angaben hierzu konnte ich allerdings nicht erhalten.

Wichtig bei der Einsatzplanung der Nato war hoffentlich auch die Beschäftigung mit der durchweg kriegerischen Geschichte Afghanistans. Ich beziehe mich in der Hauptsache auf England und Russland. Beide Länder haben mit militärischen Mitteln zur Durchsetzung eigener Ziele in Afghanistan interveniert. Ich halte die Kenntnis hierüber aus folgendem Grund für wichtig:

Wenn ich als Bürger Afghanistans auf eigenem Grund und Boden mehrfach von fremden Mächten überfallen worden wäre, so würde mein Verhalten und die Einstellung gegenüber einer erneuten militärischen Präsenz im Land logischerweise zunächst äußerst skeptisch ausfallen. Beide Mächte, (England und Russland) zeigten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts starkes Interesse an Afghanistan. Den Russen war durch eine mögliche Einnahme des Landes daran gelegen, einen Zugang zum indischen Ozean zu schaffen, um dort einen eisfreien Hafen nutzen zu können. Diesen Bemühungen versuchten die Briten zuvorzukommen, indem sie 1839 einmarschierten, um auf diesem Wege Afghanistan dem britischen Weltreich einzuverleiben. Dies jedoch ohne durchschlagenden dauerhaften Erfolg. Das Land konnte zwar besetzt werden doch der Widerstand der Afghanen keimte bis zum Waffenstillstand 1842 und auch darüber hinaus immer wieder auf. Eine vollständige Befriedung war nicht möglich, so dass es im Jahr 1878 zur erneuten Kriegserklärung der Briten kam. Zunächst gab es kleinere Erfolge auf Seiten der Afghanen, jedoch hatte man der britischen Übermacht in letzter Konsequenz nichts entgegen zu setzen. In den folgenden knapp 40 Jahren kam es unter dem von den Aggressoren eingesetzten König zu Aufruhren und bürgerkriegsähnlichen Kampfhandlungen. Weil sich die Afghanen der Unterjochung des britischen Empire nicht länger fügen wollten, wurde 1919 zum dritten Mal der Krieg erklärt. Afghanischen Unterhändlern gelang es jedoch durch kluge Vorgehensweise und Verhandlungstaktik innerhalb weniger Monate die langjährigen Kolonialbestrebungen der Briten endgültig zum Erlahmen zu bringen. So kam es letztlich dazu, dass noch im selben Jahr Afghanistan als unabhängiger Staat anerkannt wurde. In den folgenden Jahren wurde das Land zwar diktatorisch regiert, jedoch verstärkten sich die demokratischen Bemühungen unter König Sahir Schah zusehends. Dieser statuierte 1964 eine Verfassung und ein Jahr später wurde das erste Parlament in freien Wahlen gewählt und so demokratisch legitimiert. Der Frieden hielt bis zu einem Militärputsch 1973 an. Dieser wurde vom ehemaligen Premierminister Mohammed Daud Khan initiiert. Er selbst wurde aber 5 Jahre später selbst Opfer eines Putsches. Der neue Machthaber Mohammed Taraki lehnte die Kultur der Mitbestimmung vollends ab und fegte die noch in Kinderschuhen steckende demokratische Konstitution zugunsten starker kommunistischer Einflüsse aus der Sowjetunion hinweg. Nachdem er einen Freundschaftsvertrag mit der Großmacht unterzeichnete wurde der Widerstand der eigenen Landsleute immer heftiger. Es bildete sich die Gruppe der „Mujaheddin“ (Streiter Gottes) heraus. Diese lieferten sich, von westlichen Staaten unterstützt (vorwiegend USA) immer wieder Kämpfe mit Regierungstruppen, in deren Verlauf Taraki auch schwere Artillerie zum Einsatz bringen ließ. Nachdem dieser wiederum durch Hafisollah Amin gestürzt wurde marschierten Ende 1979 sowjetische Truppen ein. Aus deren Sicht war der westlich orientierte Amin nicht zu tolerieren. Er wurde zu Beginn der Intervention liquidiert und durch den Kommunisten Babrak Karmal ersetzt. Dies war der Anlass für einen zehn Jahre andauernden Bürgerkrieg zwischen der mittlerweile durch Westmächte bewaffneten Mudjaheddinbewegung (islamische Guerillas, Gotteskrieger) und den sowjetischen Truppen. Auch die Ablösung Karmals durch Mohammed Nadschibullah 1986 änderte hieran nichts. In den Jahren der Auseinandersetzung wurden über 1 Million Menschen getötet und eine Vielzahl verletzt. 1989 zogen sich die russischen Truppen zurück. Ihnen war es nicht gelungen den gut organisierten und aus unwegsamen Bergregionen geführte Widerstand zu brechen. Es bleibt also festzuhalten, dass sich beide Großmächte in Afghanistan nicht nur zwei blaue Augen, sondern darüber hinaus blutige Nasen geholt hatten und unverrichteter Dinge abziehen mussten. Auch nach dem Abzug der russischen Truppen wurde der Kampf durch die afghanischen Krieger gegen Regierungstruppen weitergeführt. Im Jahr 1992 konnte die Regierung Nadschibullah gestürzt werden. Nach Eroberung der Hauptstadt zersplitterten die Mudschaheddin und einzelne Verbände begannen gegeneinander zu kämpfen. Diesem Land sollte einfach keine Ruhepause beschert sein. Man kann sich in unseren Gefilden kaum mehr vorstellen, was es für eine Bevölkerung bedeutet, seit Jahrzehnten immer wieder im Krieg zu leben.

Etwa 1994 kamen die teilweise aus Pakistan unterstützten Taliban ins Spiel. Diese aus ehemaligen Widerstandskämpfern bestehende Truppe ernannte Mullah Mohammed Omar zu ihrem Führer. Die Anhängerschaft erhöhte sich schnell von anfänglich 1.500 bis zu 25.000 Mann in späteren Jahren. Sie versprachen das Ende des Chaos, aller kriegerischer Auseinandersetzung sowie die Entmachtung der sogenannten Gebietsherrscher (Warlords). Der Preis hierfür sollte die „reine Form des Islam“ sein. Die Scharia (islamisches Sittengesetz) wurde als oberste Direktive festgeschrieben. Hiermit war die absolute Unterdrückung der Frauen verbunden. Das Tragen der Burka (Ganzkörperverschleierung), das Ausbildungsund Schulverbot waren direkte Folgen. Frauen durften nur in männlicher Begleitung das Haus verlassen. Medizinische Behandlung war grundsätzlich den Männern vorbehalten. Wie unter der Talibanherrschaft mit Andersgläubigen verfahren wurde (vorwiegend Hindus), muss ich sicher nicht speziell erwähnen. Das Verbreiten westlichen Glaubens war naturgemäß unter schwere Strafe gestellt. Zuwiderhandlungen wurden drakonisch bestraft. Auch öffentliche Hinrichtungen stellten keine Seltenheit dar. In der Zeit dieser Schreckensherrschaft waren erhebliche Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Die Taliban gaben von 1994 bis 2001 den Ton an. Sie wurden jedoch lediglich durch Pakistan und Saudi-Arabien offiziell anerkannt. Nur im Nordosten Afghanistans konnte sich die „Nordallianz“ (Vereinigte islamische Front zur Rettung Afghanistans) auf relativ kleiner Fläche gegen die Taliban behaupten.

Wie aber und warum kam es letztlich zur internationalen Militärintervention im Jahr 2001 und somit auch zum Bundeswehreinsatz? Führte man an dieser Stelle die oftmals als Begründung vorgeschobene Durchsetzung der eben angesprochenen Menschenrechte an, so würde ich entgegenhalten, dass man mit dieser Ansicht in bis zur 30 weiteren Staaten einmarschieren müsste. Da dies aktuell und auf absehbare Zeit nicht der Fall sein wird, muss es weitere Gründe geben. Die Zerstörung monumentaler Buddhastatuen zu Beginn des Jahres 2001 führte zwar zu weltweiter Empörung, starker Abgrenzung zum Talibanregime und der Isolation Afghanistans, kann aber ebenfalls nicht als tauglicher Kriegsgrund angesehen werden. Öffentlicher Darstellung zufolge war man in den USA nach den Anschlägen auf das World Trade Center (WTC) im Jahr 2001 zur Ansicht gelangt, dass sich die Ausbildungsstätten der Terroristen in Afghanistan befunden hätten. Diese sollten zerstört und durch weitere Maßnahmen den stärker werdenden radikal - islamistischen Tendenzen der Nährboden im Land entzogen werden. Ferner war es eines der Hauptziele der USA, den Drahtzieher der Anschläge Osama Bin Laden (Führer des Terrornetzwerks al Kaida) zu stellen. Dieser soll in den unübersichtlichen Bergregionen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet Unterschlupf gefunden haben und sich seit knapp 10 Jahren dort verborgen halten. Im Wesentlichen ging es also um die Vergeltung von Terroranschlägen. Diese lagen teilweise schon vor dem Jahr 2001. Nachdem sich nämlich Bin Laden im Jahr 1999 zu einem Bombenanschlag auf die US Botschaft in Nairobi bekannte, war es die Bestrebung der Amerikaner, diesem, allgemeiner Auffassung nach aus Afghanistan heraus operierenden Terroristen, habhaft zu werden. Die Talibanregierung machte damals jedoch klar, dass sie nicht Willens oder in der Lage sei ihn auszuliefern. Nachdem Anschlag auf das WTC am 11.09.2001 musste die Bush- Regierung reagieren. Die Zerstörung der Zwillingstürme, die Entführung von Verkehrsflugzeugen, sowie der Versuch der Zerstörung des Pentagons trafen die amerikanische Seele tief. Möglicherweise lassen sich auch noch weitere Antriebsfedern für die Invasion der USA entdecken. Diese dürften größtenteils strategischer, geopolitischer und vor allem finanzieller Natur sein. Hier soll als Beispiel das schwarze Gold (Öl) genannt sein. Die Förderung von Bodenschätzen bzw. die Führung von Pipelines durch das Staatsgebiet Afghanistans sind starke Motivatoren. Falls der geneigte Leser zwischen den Zeilen eine gewisse Skepsis meinerseits, vor allem bzgl. der amerikanischen Absichten in Afghanistan (Irak/Kuwait) herauszulesen glaubt, so möchte ich dies nicht verneinen. Ich neige nun mal dazu überlegt zu handeln, Sachlagen zu analysieren, abzuwägen und auch die mittel- und langfristigen Folgen meines Handelns und die daraus erwachsenden Verpflichtungen zu überdenken. (ha. ha..) Dies alles aber habe ich bei der Bush-Regierung schmerzlich vermisst. Gerade von dieser selbst ernannten „Supermacht“ hätte ich trotz des zu diesem Zeitpunkt verständlichen amerikanischen Pathos und dem öffentlich zur Schau gestellten Patriotismus erwartet, dass man sich nicht von diesem allgemeinen Empfinden und der Vergeltungssucht hätte anstecken lassen. Oder sollte ich mich getäuscht haben und George W. Bush stellt sich im Nachgang als cleverer heraus als so mancher vermutet hatte? Möglicherweise hat er den ersten Impuls einer notwendigen Reaktion auf die Terroranschläge geschickt ausgenutzt. Im Fahrwasser des aufkeimenden Hasses der amerikanischen Bevölkerung gegenüber allen „Turbanträgern“, könnte er seine schon länger vorhandenen Absichten in Afghanistan umgesetzt haben. Ich beziehe mich auf die Sicherstellung und Befriedigung des enormen amerikanischen Bedarfs an Rohstoffen, vorwiegend Erdöl und Erdgas. Die Öffentlichkeit hat im Allgemeinen nur wenig Kenntnisse über die reichen Vorkommen in Afghanistan und seinen direkten Nachbarstaaten. Lühr Henken (Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag) führt hierzu einige interessante Aspekte aus. Hiernach sollen im Juni 2010 US- Geologen unter der Führung eines Pentagonteams von gigantischen Rohstoffvorkommen in Afghanistan berichtet haben. Diese sollen das Land zur weltweit führenden Bergbaunation machen. Hauptsächlich handele es sich um Kupfer, Eisen, Gold und Lithium. Die amerikanische Generalität schwärmte von atemberaubenden Möglichkeiten. Warum nur freut sich das amerikanische Militär so darüber? Ich denke, dass dies etwas mit der Aussage des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zu tun haben könnte. Er wird am 19.06.2010 in der FAZ mit folgender Äußerung zitiert: „Afghanistan sollte zunächst den Ländern Zugang gewähren, die uns in den vergangenen Jahren massiv unterstützt haben.“ Das Wissen um die Rohstoffe ist aber alles andere als neu. Die Geologen bezogen sich auf russische Forschungen aus den 70er Jahren. Die Sowjets schätzten die Erdgasreserven des Landes auf etwa 2 Trillionen Kubikmeter. Das vorhandene Erdöl wurde auf 95 Millionen Barrel (1 Barrel=159 Liter) beziffert. Die Kohlevorkommen sollten etwa 70 Millionen Tonnen betragen. Im Weiteren wird von bedeutenden Marmoreinschlüssen berichtet. (Quelle: Verborgene Ziele, Hubert Erb)

Bereits im Jahr 1998 sollte zwischen dem amerikanischen Öl-Multi UNOCAL und der damaligen Talibanregierung ein Abkommen über den Bau einer Ölpipeline geschlossen werden. Diesem Unterfangen hat Osama Bin Laden persönlich ein Ende gesetzt, indem er die Talibanführer zu einem Abschluss mit der argentinischen Ölfirma Bridas geraten hat. Einer der für die UNOCAL in Afghanistan tätigen Lobbyisten war der mittlerweile allseits bekannte Hamid Karsai. In einem Bericht des Magazin „Junge Welt“ vom 03.07.2008 wird ausgeführt, dass die Verärgerung über den geplatzten Deal derartig groß war, dass man schon sechs Monate vor den Anschlägen am 11.09.2001 erste Pläne für den Einmarsch in Afghanistan geschmiedet haben soll. Hierzu muss man wissen, dass der geplatzte Pipelinebau nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Heritage Foundation legte dem US Kongress 1999 eine korrespondierende Studie vor. In dieser wird abermals die strategische Bedeutung Afghanistans herausgestellt und auch auf die enormen Rohstoffvorkommen in den Nachbarländern (Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan) verwiesen. Es soll sich um über 15.000.000 Barrel Ölreserven und 9 Trillionen Kubikmeter Erdgas handeln. Diese Zusammenhänge werden in einem Buch des Autors Zbigniew Brzezinski (Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft) von 1997 sehr schön beschrieben. Es gibt in dem Buch einen Untertitel mit dem Namen „Das Eurasische Schachbrett“. Damit soll verdeutlicht werden, dass der amerikanische Hauptgewinn Eurasien sei. Da dieser Erdteil drei Viertel der Menschheit und auch drei Viertel der Energieressourcen beherbergt, wäre es von absoluter Wichtigkeit, sich dort zu behaupten. Afghanistan grenzt an die Atommächte Pakistan, Indien, China und Russland. Es liegt daher an einem zentralen Punkt auf diesem Schachbrett. Im Juli 2001 soll es laut Angaben deutscher Diplomaten zu einem Treffen zwischen dem State Departement, Vertretern der Ölindustrie und verschiedenen Talibanführern gekommen sein. Es ging um eine Ölpipeline vom kaspischen Meer nach Karachi. In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass von amerikanischer Seite der Satz „Either you comply and we will cover you with a carpet of gold, or you dont and we will cover you with a carpet of bombs“ gefallen sei. Dies bedeutet soviel wie: „Entweder Ihr spielt mit und wir bedecken euch mit einem Teppich aus Gold, oder ihr macht nicht mit, dann bedecken wir Euch mit einem Bombenteppich“. Verbindungsmann der Amerikaner war erneut Hamid Karsai, dessen Bruder nebenbei als der mächtigste Drogenboss Afghanistans gilt. Dieser amerikanischen Verhandlungsführung wäre in der Tat nichts mehr hinzuzufügen und würde die kurze Zeit später realisierte Militärintervention in einem anderen Licht erscheinen lassen. Auf etliche Verschwörungstheorien zur angeblichen Motivlage der US Regierung will ich überhaupt nicht eingehen. Ich habe daher nur die aus meiner Sicht plausibelsten Gründe benannt. Das sind die Motive, die in der Menschheitsgeschichte schon immer die Hauptrolle gespielt haben: Das Streben nach Macht und Geld! Fakt war letztlich, dass der Anschlag auf das WTC als kriegerischer Akt gegen Amerika eingestuft wurde. Durch eine UN Resolution war daraufhin das Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt worden. Dieses Recht wurde durch die Bush-Regierung als Grundlage und völkerrechtliche Legitimation für den Einmarsch in Afghanistan angesehen. Diese Interpretation ist völkerrechtlich mehr als umstritten. Die Invasion wurde als „Verteidigungskrieg“ bezeichnet und durch Bush, gegen die Einschätzung seiner eigenen Militärs, politisch durchgesetzt. Das unbestreitbare Recht auf Selbstverteidigung kann meiner Meinung nach nicht so umgedeutet werden, dass der Einmarsch in ein fremdes Land zu rechtfertigen wäre. Zumindest nicht bei der vorliegenden Konstellation. Verteidigungskrieg? Was soll das überhaupt sein? Ich halte das zumindest in diesem Zusammenhang für paradox. Erstaunlicherweise sind mir sogar nach kurzem Überlegen einige weitere Bezeichnungen für bestimmte Formen der Auseinandersetzung eingefallen. Nennen kann ich an dieser Stelle den Eroberungs- Angriffs- Atom- Verbreitungs- Stellungs- Blitzkrieg und eben jenen Verteidigungskrieg. Ich vermute aber, dass der afghanische Bürger diese Unterscheidung nicht trifft und er sich aus seinem Empfinden heraus eher Angriffskriegern gegenübersieht.

Mir bleibt daher nur zu hoffen, dass es sich nicht um einen Verzweiflungskrieg handelt!

Der Einsatz der US- Streitkräfte begann im Oktober 2001 unter dem Operationsnamen „Enduring Freedom“ (andauernde, fortgeführte Freiheit). Die Talibanregierung konnte in Zusammenarbeit mit der Nordallianz rasch aus Kabul vertrieben werden, sodass eine Übergangsregierung bereits im Dezember 2001 installiert werden konnte. Die Regierungsbildung war, ebenso wie der Stufenplan zum Aufbau und zur Demokratisierung des Landes Ergebnis der „Petersberger Konferenz“ in Bonn. Hier waren neben Vertretern der internationalen Gemeinschaft auch Gesandte der Nordallianz anwesend. Man einigte sich auf den zwielichtigen und als völlig korrupt bekannten Hamid Karsai als Regierungschef. Führer der Nordallianz nahmen zudem Schlüsselpositionen in der Regierung ein. Aufgrund der bereits beschriebenen Beziehungen der USA zu dem neuen Regierungschef kann dieser als Mittelsmann bzw. verlängerter Arm der Amerikaner angesehen werden. Viele bezeichnen ihn auch in negativem Sinne als „Handlanger“ oder „Marionette“ der Amerikaner. Ich frage mich nur wie eine derartige Person nach Abzug des Militärs in der Lage sein soll, das Land nach demokratischen Grundsätzen zu regieren? Zur Stützung der Regierung und Sicherung des Wiederaufbaus wurde durch UN-Mandat der ISAF-Einsatz (Stabilisierungseinsatz) initiiert. Da es sich um einen sogenannten Bündnisfall handelte, war Deutschland und somit die Bundeswehr notgedrungen mit im Boot. Nach dem Ex- Kanzler Schröder damals mit dem Nein zum Irakeinsatz zwar Wahlstimmen im Deutschen Volk holte, jedoch zeitgleich für größte Missstimmung bei den Verbündeten sorgte, konnte man sich nun nicht mehr um den aktuellen Einsatz herumdrücken.

Es gibt also seit 2002 zwei verschiedene Missionen (OEF/ISAF) in Afghanistan. Diese haben völlig unterschiedliche Zielsetzungen. Bei OEF geht es unter Führung der Amerikaner um die Bekämpfung des Terrors und die Zerschlagung von al-Qaida. Die Prämisse des ISAF-Mandats war die Sicherung und Hilfe beim Aufbau des Landes. Nach Aussagen hochrangiger Offiziere wolle man nicht kämpfen, sondern helfen. Während die OEF-Kräfte nun umkämpfte Ortschaften im Süden stürmten, bombten und auf der Jagd nach den Taliban unzählige Opfer auf beiden Seiten verursachten, waren die Deutschen im ruhigen und gemäßigten Bereich des Nordens stationiert. Man besuchte Wochenmärkte, baute Schulen und bohrte Brunnen. Nach anfänglichem Triumphzug und freundschaftlicher Anerkennung durch die Zivilbevölkerung schlug auch dort die Stimmung um. Die afghanischen Bürger waren nur schwerlich in der Lage zwischen beiden Missionen zu unterscheiden. Wie sollte man ihnen denn auch den Unterschied zwischen den bösen britischen/US Soldaten im schonungslosen Antiterrorkampf und den guten Brunnenbauern und Landvermessern in Bundeswehruniform erklären? Der deutsche Bonus war also angesichts des tobenden Krieges im Süden und der vielen Toten schnell aufgebraucht. Selbstmordanschläge häuften sich auch im Norden und die Kämpfe verlagerten sich. Die meiner Ansicht nach unzureichend ausgerüsteten und schlecht vorbereiteten deutschen Soldaten nahmen sich plötzlich selbst als Ziel wahr und mussten erste Kameraden zu Grabe tragen. Als Reaktion hierauf zog man sich ins Lager zurück und war in der Hauptsache nur noch mit Eigensicherung beschäftigt. Der ursprüngliche Auftrag der Stabilisierung, Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung und Überwachung bzw. der Schutz von Aufbauhelfern fand so gut wie nicht mehr statt. Im Gegenteil: verschiedene zivile Hilfsorganisationen lehnten die Unterstützung der Streitkräfte sogar strikt ab. Dadurch waren sie in der Lage ihre sinnvollen Projekte des zivilen Aufbaus weiterzuführen und gerieten auf diese Weise nicht in den direkten Fokus der Taliban. Außerdem frage ich mich, warum deutsche Soldaten in Afghanistan Schulen bauen und Brunnen bohren sollten? Der damalige Außenminister Steinmeier verkündete ja lauthals, dass jeder Brunnen ein kleiner Sieg wäre. Es geht hier aber nicht um einen tatsächlichen Nutzen, sondern nur um die möglichst positive Darstellung in der Öffentlichkeit. Auch wenn einige hundert junge Menschen ihren Schulabschluss gemacht haben, so steht dies dennoch nicht in Relation zu den hierfür aufgewendeten Mitteln. Das Bohren eines Brunnens durch westliche Soldaten führt in der Folge oftmals zu erheblichen Problemen. Durch den Bau kann es sein, dass ein seit Jahrhunderten bestehendes Machtgefüge in einem Dorf oder einer Region ins Wanken gerät. Der Zugang zum Wasser wird plötzlich durch eine Familie kontrolliert und es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn.

Die Bundeswehr führt seit der Verschärfung der Kämpfe jedenfalls lediglich einzelne Patrouillenfahrten in teilweise schlecht gepanzerten Fahrzeugen durch. Etwa 90% der Einsatzkräfte verlassen innerhalb ihrer Einsatzzeit nicht das Lager und kümmern sich stattdessen um Logistik, die Instandhaltung des Fitnessraums, um den bundeswehreigenen Soldatenradiosender oder sonstiges. Nach meinem Empfinden müsste es sich genau umgekehrt verhalten. Zumindest falls man tatsächlich etwas erreichen möchte. Der Einsatz in heutiger Form hat daher nichts mehr mit der eigentlichen Zielsetzung zu tun.

Dem ISAF- Einsatz ist also aufgrund tatsächlicher Entwicklungen der Boden entzogen worden. Durch die Regierung wird er aber nach wie vor vehement verteidigt. Hinzu kommen atmosphärische Störungen unter den Alliierten. Aufgrund der defensiven Haltung der Bundeswehr und des vermehrten Rückzugs in sichere Zonen bzw. durch das Verharren im befestigten Lager, kam es zu einem lauten Donnerwetter aus Kreisen befreundeter Staaten. Diese hatten schließlich erhebliche eigene Verluste zu beklagen. Die deutsche Regierung hingegen hatte immer noch genügend damit zu tun, der Bevölkerung das Märchen von Aufbauhilfe und Schulunterricht für afghanische Mädchen zu erzählen. Seit langem waren Attentate und Schusswechsel im deutschen Zuständigkeitsbereich alltäglich. Deutsche Soldaten und auch Afghanen ließen ihr Leben. Die Angst der Politik die Dinge beim Namen zu nennen wurde offensichtlich und führte in letzter Konsequenz zur Gefährdung unserer Soldaten. Den Forderungen aus der Truppe nach besserer Ausstattung wurde und wird immer nur unter öffentlichem Druck und in kleinen Dosen nachgegeben. In einem Kommentar von Stefan Kornelius heißt es, dass die Truppe, deren Zuschnitt, Rotationsprinzip und Ausstattung den Bedürfnissen des politischen Betriebs in Berlin entspricht, nicht aber der militärischen Situation in Kundus oder in Baghlan angepasst ist. In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzend auf die im Verlauf der Mission abgeänderten Einsatzregeln der Bundeswehr verweisen. War es noch zu Beginn so, dass der potentielle Aggressor in englischer Sprache mehrfach darauf aufmerksam gemacht werden musste, dass man im Notfall, zur Verteidigung, auch von der Schusswaffe Gebrauch machen würde, so war diese Praxis nicht länger zu halten. Die Vorschrift wurde mittlerweile aufgrund der Ereignisse und durch Intervention aus der Truppe überdacht und der Lage in der Art angepasst, dass die Soldaten einen Kugelhagel sofort erwidern dürfen. Aha… endlich…

Allein dieser Vorgang zeigt wie blauäugig man seitens der Politik in diesen Einsatz gegangen ist. Lächerlich waren meiner Meinung nach auch die sprachlichen Klimmzüge in der Parteienlandschaft. Es wurden jahrelang die absurdesten Wortkreationen und Bezeichnungen für die Vorgänge in Afghanistan verwendet. Besonders der ehemalige Bundesminister der Verteidigung (BMVG) Jung tat sich hervor. Er sprach über einen Stabilisierungseinsatz, von Konflikten und Auseinandersetzungen u. ä. Nachdem mehrere deutsche Soldaten in einem Feuergefecht gefallen waren äußerte er wörtlich, dass sich die Intensität des mit Waffen ausgetragenen Konflikts nun erhöht habe. Erst zu Guttenberg benannte die Situation vor Ort als kriegsähnlichen Konflikt und sprach dann in der Folge auch von Krieg. Seither wird diese Formulierung fraktionsübergreifend verwendet. Dies wäre vor einigen Monaten noch aus politischem Kalkül heraus undenkbar gewesen. Ich bin an dieser Stelle keinerlei wahltaktischen Zwängen ausgesetzt und so muss ich mich im Gegensatz zum derzeitigen Oppositionsführer Sigmar Gabriel nicht in völlig unrelevanten Bewertungen und speziellen Differenzierungen des juristischen Kriegsbegriffes ergehen. Es war im Übrigen keine Überzeugungstat Gabriels, sondern es ging ihm nur darum, gegen den politischen Gegner zu schießen (sprichwörtlich). Politisches Alltagsgeschäft! Man sollte ihm jedoch nahe bringen, dass bei einer solch heiklen Angelegenheit, im Zusammenhang mit verletzten und toten deutschen Soldaten, derartiges politisches Gezänk keinen Platz hat und mehr als unangebracht ist. Wenn es dann aber dazu kommt, dass durch die Truppe benötigte und angeforderte Einsatzgerätschaften, Fahrzeuge oder Waffensysteme nicht nach Afghanistan verlegt werden, weil man in der Bevölkerung keine falschen Assoziationen hervorrufen will, so wird es gefährlich. Dieses Eindrucks konnte ich mich lange Zeit nicht erwehren. Vor allem weil niederländische Kräfte deutsche Raketensysteme als unbedingt notwendige Ausrüstung angefordert und ausgeliehen hatten, diese aber für die Bundeswehrkräfte im Einsatzraum Afghanistan nicht zur Verfügung gestellt wurden. Denn was nicht Krieg heißen darf, soll natürlich auch nicht danach aussehen. Ich hoffe, dass meine Einschätzung zum Hintergrund dieses Vorgangs nicht in vollem Umfang zutrifft, da ich ansonsten mit der politischen Abteilung noch schärfer ins Gericht gehen müsste als das sowieso schon der Fall ist. Ein solcher Sachverhalt wäre an Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen.

Seit 2002 sind unsere Truppen nun im Rahmen von ISAF vor Ort. Ab 2011 haben erste Streitkräfte mit dem etappenweisen Rückzug begonnen. Eine Strategie der „Übergabe in Verantwortung“ soll gefahren werden. Ziel ist es, im Jahr 2014 die Verantwortung vollständig in die Hände der Afghanen übergeben zu können.

Ich behaupte, völlig entgegen aller politischen Diktion und Beteuerung, dass man wohl endlich erkannt hat, dass der Krieg in Afghanistan ein aussichtsloses Unterfangen darstellt und nicht zu gewinnen ist. Die Illusion der Demokratisierung Afghanistans, der Traum vom Austrocknen des Nährbodens fundamentalistischen Terrors, die Bekämpfung der Korruption und die Vorstellung Analphabeten zu Polizeikräften auszubilden bzw. die Annahme Taliban durch Geldzahlungen zur Abkehr zu bewegen, haben sich als realitätsferne Wunschträume entpuppt. Die plötzliche Vorgabe eines Abzugstermins stellt nichts anderes als Resignation und das Ankommen in der Realität dar. Es wird versucht das Gesicht zu wahren, indem man auf vermeintliche Erfolge in den zurückliegenden Jahren oder das bislang erreichte verweist und vorgibt die Bemühungen um Aufbau und Stabilität im Land nochmals zu verstärken. Erscheint es eigentlich vernünftig anzunehmen, dass die ohnehin aus Pakistan operierenden Talibanführer bzw. al Qaida Kämpfer, die man seit 10 Jahren mit aktuell über 120.000 Soldaten völlig vergebens zu bekämpfen versucht, ab 2014 wie von Wunderhand weggezaubert, verschwunden sind? Die stehen doch meiner Meinung nach schon am darauf folgenden Tag wieder auf der Matte und führen der internationalen Gemeinschaft die Dummheit vor Augen. Man traut der afghanischen Regierung nach 10 Jahren ja nicht einmal zu, dass sie zugewiesene Gelder für Entwicklungshilfe in eigener Zuständigkeit sinnvoll verteilt. Deutschland unterhält als einziges Land allein zu diesem Zweck einen eigenen Behördenapparat in Afghanistan. Ich gebe zu, wahrscheinlich zu Recht. Aber soviel sei zur erfolgreichen Bekämpfung der Korruption und zur Einschätzung des ach so honorigen Staatspräsidenten Karsai gesagt: Die Wahl 2009 wird als manipuliert angesehen. Altkanzler Helmut Schmidt äußerte unlängst in einem Interview mit Sandra Maischberger, dass man sehen müsse möglichst glimpflich dort herauszukommen. Nun kann man 45 gefallene Bundeswehrsoldaten sicher nicht als glimpflich bezeichnen, doch vor dem Hintergrund dieses unglücklichen und sinnentleerten Einsatzes halte ich die Einschätzung für zutreffend. Man hat sich von deutscher Seite ohne große Vorbereitungsund Planungszeit überstürzt in eine Sache verrannt und findet nun den rechten Ausweg nicht mehr.

Wie stellt sich denn die Lage aktuell dar und welche Entwicklung kann man nach 10 Jahren des Einsatzes wirklich erkennen? Aufgrund des massiven militärischen Vorgehens der OEF- Kräfte konnten anfangs schnelle Erfolge verbucht werden. Die Taliban wurden gestürzt und waren dadurch gezwungen sich vorübergehend zurückzuziehen. Nach Installierung der Regierung unter dem westlich geprägten Karsai wurden ISAF-Kräfte unter den Aspekten Schützen, Helfen, Vermitteln und Kämpfen in das Land entsandt. Hier konnten sich die Deutschen im wenig umkämpften Norden mit einer Strategie der Zurückhaltung darin üben, das Herz und den Verstand der Afghanen zu gewinnen. Ein oft gehörter Spruch. Durch martialisches und rücksichtsloses Vorgehen der OEF-Kräfte, vorrangig Briten und Amerikaner, gab es viele Tote auf beiden Seiten und das Bestreben der ISAF-Kräfte wurde erheblich erschwert bis unmöglich gemacht. Die hohe Anzahl ziviler Opfer ließ die Stimmung im Land kippen und bereitete speziell der anfangs auf persönliche Kontakte zur Bevölkerung hin orientierten Bundeswehr zunehmend Probleme. Auch im Norden gab es vermehrt Feuergefechte und die Selbstmordanschläge auf Patrouillen oder an öffentlichen Plätzen häuften sich. Man fand sich in einem Szenario wieder das man so wohl nicht erwartet bzw. völlig unterschätzt hatte. Auch von den politischen Auswirkungen in der Heimat und den dadurch ausgelösten Debatten scheint man überrascht gewesen zu sein. Die Anerkennung der Wirklichkeit und das Ziehen notwendiger Schlüsse in Sachen Ausbildung und Ausrüstung ließen lange, viel zu lange auf sich warten. Der ISAF-Einsatz verlor im Laufe der Zeit seine Unschuld und die anfangs klar festgelegten Konturen weichten auf. Eine Unterscheidung zu OEF wurde immer schwieriger. Es herrscht nun mal Krieg in diesem Land. Die afghanische Bevölkerung ist größtenteils gegen die ausländische Besatzungsmacht und unterstützt die immer stärker werdenden Taliban. Die zarten Pflänzchen des politisch immer wieder vorgetragenen Erfolgs von Schulbau und Trinkwasserversorgung der Bevölkerung sind meiner Meinung nur solange vorhanden, wie sie mit starkem militärischen Einsatz geschützt werden können. Diese unter unverhältnismäßigem Einsatz erreichten Entwicklungen werden daher nur von kurzer Dauer sein und die Regierung pseudo-demokratischen Anstrichs wird nach Abzug der ausländischen Militärs in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Wir sind mittlerweile bei einem deutschen Ansatz von 4860 Soldaten. Insgesamt sind allein im letzten Jahr über 700 westliche Soldaten gefallen. Allein die USA hatte über 500 Tote zu beklagen. Die Milliarden an Steuergeldern habe ich bewusst nicht einmal erwähnt. Die Taliban sind definitiv auf dem Vormarsch. Wenn dies sogar bei der angesprochenen Truppenpräsenz nicht aufzuhalten ist, warum soll dann das Problem 2014 beim Abzug der Truppen nicht mehr vorhanden sein? Sämtliche Konzepte (Partnering etc.) oder aber der angedachte 50.000.000 Euro Fonds der Bundesrepublik zur Prämienzahlung an reuige und zur Abkehr bereiten Taliban, haben keine Aussicht auf Erfolg oder werden keine Besserung bringen. Typisch deutsch, ein derartiges Problem mit Geld lösen zu wollen. Bezüglich des monetären Aspekts kann ich als Beispiel anführen, dass bislang aus dem Steuerbeutel der BRD 900.000.000 Euro an Entwicklungshilfe geflossen sind. Mit diesem Geld wurde innerhalb eines Jahrzehnts versucht, ein völlig daniederliegendes Land ohne jeglichen Strukturen, in doppelter Größe Deutschlands, aufzubauen. Es handelt sich zwar um sehr viel Geld, dies würde aber nicht einmal für den Bau eines einzigen Bahnhofes in Deutschland ausreichen (siehe S.→). Es handelt sich also um den Tropfen auf den heißen Stein. Aber wie gesagt, es ist keine Frage des Geldes allein. Außenminister Westerwelle treibt sein Reintegrationsprogramm für Aufständische dennoch unbeirrt voran. Als Voraussetzung werden die Anerkennung der Verfassung und der Menschenrechte sowie das Kappen aller Verbindungen zum Terror und die Abkehr von der Gewalt gefordert. Wenn Westerwelle diese Maßstäbe auch an die Regierung Karsais anlegen würde, so hätte man die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden. Es kann sich bei dem Programm also nur um einen Schlag ins Wasser handeln. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich wie bereits angesprochen seit 2002 massiv verschlechtert. Es gibt mittlerweile mehr Taliban sowie Unterstützer und radikalisierte aus der Bevölkerung. Der gemeinsame westliche Feind scheint zusammenzuschweißen. Der alliierten Militärführung ist schon seit etwa 8 Jahren bekannt, dass sich die al Quaida Kämpfer aus dem Land zurückgezogen haben und aus Saudi Arabien oder Pakistan heraus agieren.

Was also macht man dann noch dort? Warum wird dieser Einsatz künstlich derart hochgekocht?

Ich vermute aus mangelnder Perspektive. Die befreundeten Öl-Giganten aus Saudi Arabien wird man doch wegen ein paar Terroristen nicht verprellen. Dazu sei gesagt, dass Osama bin Laden selbst Saudi ist. In Pakistan kann man ebenfalls nicht einmarschieren, da ansonsten der nukleare Supergau droht. Also dürfte folgende Devise weiter Geltung haben: „Solange in Afghanistan weiterkämpfen bis man ohne Gesichtsverlust halbwegs nachvollziehbar abziehen kann“. Dass dieser Einsatz die Terrorgefahr erheblich erhöht hat, absolut kontraproduktiv und alles andere als nachhaltig war, würde niemand zugeben. Ich hätte selbst nicht vermutet, dass ich einmal mit der Wochenzeitung „linksliberal“ übereinstimme. Aber der Herausgeber Jakob Augstein schreibt zu Recht, dass der durchschnittliche Paschtune, auch nach weiteren Jahren des Engagements in den Tälern des Hindukusch, mit dem westlichen Zivilisationsgedanken wenig anfangen kann. Der von mir bewunderte und wirkliche Kenner