Post, Mord und Provinzgeflüster - Das Geheimnis der Rosengärtnerin - Jill Kaltenborn - E-Book

Post, Mord und Provinzgeflüster - Das Geheimnis der Rosengärtnerin E-Book

Jill Kaltenborn

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Beschreibung

Der ermittelnde Briefträger Sully entdeckt das Gärtnern für sich. Doch leider hat er keine Ahnung davon. Tante Rose kennt da - wie so oft - jemanden: Die rätselhafte Charlotte Dupong hat nicht nur einen perfekten Garten, sondern auch einen Fall für Sully. Ihr Lebensgefährte verscherbelt offenbar hinter ihrem Rücken die Kunstsammlung ihres vor Jahren spurlos verschwundenen Mannes. Aber warum? Das soll Sully herausfinden - im Tausch gegen Gartentipps und ein dringend benötigtes Honorar. Steckt am Ende doch mehr dahinter als Geldnot?

Über die Serie:

Ein ermittelnder Briefträger in Luxemburg: Fallanalytiker Sully Morland braucht nach einem Schicksalsschlag und seiner Suspendierung beim BKA einen Neuanfang. Bei seiner Patentante Rose findet er Zuflucht in einem idyllischen Dorf in Luxemburg. Dort springt er spontan als Aushilfsbriefträger ein und verteilt mit dem Rad die Post. Als er dabei buchstäblich über eine Leiche stolpert und der Polizistin Claire Bofferding bei den Ermittlungen hilft, wird Sully zu Luxemburgs erstem und einzigen radelnden Detektiv.

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Über diese Folge

Post, Mord und Provinzgeflüster - Die Serie

Titel

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Über diese Folge

Der ermittelnde Briefträger Sully entdeckt das Gärtnern für sich. Doch leider hat er keine Ahnung davon. Tante Rose kennt da – wie so oft – jemanden: Die rätselhafte Charlotte Dupong hat nicht nur einen perfekten Garten, sondern auch einen Fall für Sully. Ihr Lebensgefährte verscherbelt offenbar hinter ihrem Rücken die Kunstsammlung ihres vor Jahren spurlos verschwundenen Mannes. Aber warum? Das soll Sully herausfinden – im Tausch gegen Gartentipps und ein dringend benötigtes Honorar. Steckt am Ende doch mehr dahinter als Geldnot?

Post, Mord und Provinzgeflüster – Die Serie

Ein ermittelnder Briefträger in Luxemburg: Fallanalytiker Sully Morland braucht nach einem Schicksalsschlag und seiner Suspendierung beim BKA einen Neuanfang. Bei seiner Patentante Rose findet er Zuflucht in einem idyllischen Dorf in Luxemburg. Spontan springt er dort als Aushilfsbriefträger ein und verteilt mit dem Rad die Post. Als er dabei buchstäblich über eine Leiche stolpert und der Polizistin Claire Bofferding bei den Ermittlungen hilft, wird Sully zu Luxemburgs erstem und einzigen radelnden Detektiv.

JILL KALTENBORN

Das Geheimnis der Rosengärtnerin

1

Manche Leute haben ihre Leiche im Keller. Stattdessen lag sie hier möglicherweise in der Erde vergraben.

Zwar war es noch nicht richtig dunkel, aber der Mond stand bereits am Himmel. Als wollte er Sully Morland den Weg zeigen. Diese Unterstützung konnte er als Aufmunterung gut gebrauchen.

Er erkannte die Umrisse des Gewächshauses und näherte sich zielstrebig. Ein Ästchen knackte unter seinem Schritt, und er fuhr kurz zusammen. Aber das war natürlich lächerlich. Schließlich war er ja schon die letzten Tage hier gewesen. Was sollte passieren? Außerdem konnten Leichen ja nicht beißen.

Die Tür öffnete sich mit einem Knarren, das ihm bei Helligkeit nie so ohrenbetäubend vorgekommen war.

Öffne sie einfach schneller, dachte Sully, dann knarrt es nicht so laut. Noch nie hatte er sich gefragt, wieso das eigentlich so war. Es spielte natürlich auch keine Rolle, aber es war nicht schlecht, den Geist von dem abzulenken, was er nun vorhatte.

Er straffte die Schultern und ging schnurstracks auf die Wand zu, an der das gesäuberte Werkzeug auf seinen nächsten Einsatz wartete. Und der war jetzt gekommen.

Er griff zum Spaten, der ihm in gewisser Weise ans Herz gewachsen war, und entschuldigte sich fast dafür, was er mit ihm vorhatte.

»Dann wollen wir mal«, murmelte er, obwohl er wusste, dass das eigentlich nicht stimmte. Wir wollten ganz und gar nicht, aber wieder einmal war er an einen Punkt gelangt, bei dem es kein Zurück mehr gab.

Er drehte sich um, den schweren Spaten in der Hand, und steuerte auf den Garten zu. Auf der Türschwelle des Gewächshauses blieb er stehen. Nur einen Moment. Ein Seufzen. Morgen würde hier nichts mehr so sein, wie es war. Wenn er sich nicht irrte.

Er betrachtete die Kulisse. Unwirklich. Das hell erleuchtete Haus und die beiden dunklen Gestalten, die auf der Terrasse standen und ihn beobachteten. Als wären sie ebenso gespannt wie er. Zumindest eine von ihnen.

Mist, dachte Sully. Aber es nützte alles nichts. Dann fangen wir mal an zu graben.

Drei Wochen zuvor …

Sully Morland lehnte den Spaten gegen die steinerne Hauswand, wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn und streckte das Kreuz durch. Ein tiefer Atemzug. Die Luft war klar und angenehm frisch, während er die Wärme der letzten Sonnenstrahlen durch sein Flanellhemd spürte.

Zuversichtlich blickte er auf das kleine Karree vor ihm, das einmal sein Garten werden würde. Ein Paradies, da war er sich sicher. Im Moment jedoch glich es eher einem großen grünen Teppich, dem die Motten sporadisch bräunliche Löcher in den zerzausten Stoff gefressen hatten. Da, wo Sully beschlossen hatte, die ehemalige Wiese umzugraben.

Er streifte sich die Gartenhandschuhe ab, wischte den Rest Schwarz, der es trotzdem zwischen seine Finger geschafft hatte, an seinen Hosenbeinen ab und betrachtete die feinen dunklen Linien, die sich an der Seite seines rechten Zeigefingers in Richtung Fingerkuppe zogen.

Er musste schmunzeln. Es schien ihm, als diente eben dieser schwielige, nicht gerade attraktive Finger als Bildnis seiner derzeitigen Situation: So wie er selbst, war der Zeigefinger nichts weiter als ein praktisches Utensil, das unweigerlich mit dem Fleckchen Erde verbunden war – im Falle seines Fingers sogar wahrhaftig, denn seit einigen Tagen wollte der Schmutz einfach nicht mehr verschwinden. Und doch war er nie für das gedacht gewesen, was er nun tat. Zu einer Zeit, die alles andere als passend war.

Ende Mai war eindeutig zu spät, um einen neuen Garten anzulegen. Das hatte Sully in mehr als einem Gartenbuch gelesen, das er sich von seiner Patentante Rose ausgeliehen hatte. Und dennoch konnte er nicht anders, als es trotzdem zu tun.

Und genau so erging es Sully im Moment. In Bezug auf seinen Wohnort, seine Arbeit als Briefträger. Ja, selbst auf den verdammten Fall. Nichts war so geplant gewesen. Ihn schüttelte es bei dem Gedanken an weitreichende Objektive, die Ehebrecher in flagranti überführten, und übergroße Trenchcoats, in denen man vorgab, Zeitung zu lesen. Sofern man tatsächlich ein Privatdetektiv war. Aber so musste das Ganze ja nun wirklich nicht laufen. Oder?

Doch seit er von Charlotte Dupong angeheuert worden war, konnte er an kaum etwas anderes denken, während er Spatenstich um Spatenstich versuchte, die kleine Wiese oberhalb des Häuschens entgegen besseren Wissens in einen florierenden Garten zu verwandeln.

Er verschränkte die schmutzigen Finger ineinander, um sie zu dehnen, und bemerkte ein angenehmes Ziehen zwischen den Schulterblättern. Wenn er so weitermachte, würde sein Oberkörper bald zu seinen trainierten Beinen passen. Lediglich die Kochkünste seiner Patentante Rose konnten dem noch im Wege stehen. Briefe austragen und Gartenarbeit – wer brauchte da schon ein Fitnessstudio? Bei all der körperlichen Ertüchtigung, für die Sully früher die Zeit gefehlt hatte, hätte Sara nicht schlecht geguckt. Wie immer bei dem Gedanken an seine verstorbene Frau breitete sich ein melancholisch verliebtes Lächeln auf Sullys Lippen aus.

Er schüttelte die Erinnerung ab, griff erneut zum Spaten.

Es war Claire gewesen, die ihm den Anstoß gegeben hatte, einen Garten anzulegen. Als Rose erfahren hatte, dass die junge Polizistin ihm eine Pflanze geschenkt hatte, war sie mit ihm die kleine Steintreppe hinter dem Häuschen emporgeschritten, die auf die verwilderte Wiese oberhalb des Haupthauses führte.

Zunächst hatte er nicht verstanden. Aber als sie auf das kleine von Gräsern und Efeu überwucherte Rechteck gedeutet hatte, das sich gen Süden an der Hinterwand des Häuschens erstreckte, hatte er das Potenzial erkannt.

Noch am gleichen Abend hatte er erstmals zum Spaten gegriffen und seine Hände in der alten luxemburgischen Erde gewaschen. Von da an hatte er gewusst, dass er nicht so schnell mehr würde damit aufhören können. Ein bisschen Gemüse für den Eigenbedarf – Roses Eigenbedarf, denn mit dem Kochen würde er nun wirklich nicht anfangen, um nicht alle Klischees zu bedienen –, zwei Rhabarberpflanzen für sein Gelee, alles durchmischt mit blühenden Nutzpflanzen. Vielleicht ein paar Obstbäumchen am Rand. Ein geordnetes Chaos an harmonischen Farben. Ja, er konnte es eindeutig vor sich sehen. Aktuell jedoch wippten lediglich die Köpfe der Wiesenmargerite im seichten Wind, mit der Claire den Stein erst ins Rollen gebracht hatte. So wie sie eigentlich bisher alles ins Rollen gebracht hatte.

Denn spätestens mit dem ersten Spatenstich war die stille Übereinkunft, die er mit sich selbst getroffen hatte, Wirklichkeit geworden: Er würde zunächst in Gréngdall bleiben.

Und im Moment, so fand Sully, gab es Schlimmeres, als das alte, steinerne Kutschenhäuschen auf dem Anwesen seiner Patentante in den Ardennen zu bewohnen, täglich bei sich besserndem Wetter die Post auszutragen, dabei an seiner Fitness zu arbeiten und mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die ihn langsam als ihr Eigen ansahen.

Zugegeben, seit Briefträger Jhemp die Arbeit komplett hatte einstellen müssen, hatte sich Sullys Stundenanzahl deutlich erhöht. Aber wenn man zuvor Tag und Nacht beim Bundeskriminalamt gearbeitet hatte, kamen einem die Arbeitszeiten trotzdem fast wie Ferien vor.

Und so blieb Sully tatsächlich noch immer genug Freiraum für andere Dinge. Wie seinen neuen Garten und eine weitere Ermittlung. Eine Ermittlung, die er zugegebenermaßen nicht gesucht, die ihn aber irgendwie gefunden hatte.

Das Wort »irgendwie« war dabei ziemlich unpassend, dachte Sully. Schließlich war es niemand anders als Rose gewesen, die ihm Charlotte vorgestellt und von ihrer Misere unterrichtet hatte.

Sully zwängte seine Finger erneut in die Gartenhandschuhe, als er daran dachte, wie er Charlotte Dupong kennengelernt hatte. Sie und Rose waren alte Studienfreundinnen. Reich und elegant, eloquent und angesehen. Beide.

Mit ihrem Erscheinungsbild hatte Charlotte an jenem Nachmittag in Manuels Kneipe in etwa so viel in dem Etablissement zu tun gehabt wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz. Nicht zuletzt bei dem Anblick ihrer übergroßen Perlenohrringe und der bizarren Halskette mit der Münze als Talisman war Sully aufgegangen, dass er nicht anders konnte, als dem Schmetterling aus seiner Misere zu helfen.

»Sully!« Die Stimme von Roses Sohn Serge hallte an der Hauswand zu ihm empor und riss ihn aus seinen Gedanken. »Leg den Spaten nieder, du ale Preiss. Es ist Kartenzeit.«

Sully hörte es schon gar nicht mehr, wenn Serge ihn einen alten Preußen betitelte. Wie eigentlich alle Deutschen.

Sully sah auf die Casio an seinem schmutzigen Handgelenk und wünschte sich nicht zum ersten Mal, er wäre so unverwüstlich wie sie. Ja, richtig. Es war Dienstagabend. Sieben Uhr. Die Sonne war schon hinter dem Haus verschwunden.

Mist, ob er noch eine schnelle Dusche schaffte?

Instinktiv roch er unter seinem linken Arm. Ging eigentlich. Deo könnte reichen.

Aber da sich die Zusammensetzung der Doppelkopfrunde im letzten Monat gewandelt hatte, entschied er sich, trotzdem schnell unter die Dusche zu springen.

2

»Na du frisch geduschtes Blumenmädchen, wie ist die Lage?«

Serge drückte Sully das eiskalte Bier wie eine Eintrittskarte in die Hand, als er den urigen Gewölbekeller unter dem Haupthaus betrat. Die heiligen Hallen der Kartenmagie, wie Sullys Patenonkel Fernand zu sagen pflegte.

»Die Lage ist gut, merci. Südwestrichtung. Der Efeu macht mir zu schaffen, aber das ist nichts, was sich nicht beheben lässt. Außerdem gibt es schlimmere Beleidigungen als Blumenmädchen, musst du alter Gauner wissen. So, und nun misch endlich die Karten, bevor du noch auf dumme Gedanken kommst.«

»Ja, ja, erst zu spät kommen und dann meckern. So sind sie, die Preußen. Immer so, wie es ihnen passt.«

Serges ansteckendes Lachen erfüllte den Raum. Er griff nach einem makellosen Deck Karten auf dem Tisch. Im Hause Flammang wurde die Kartentradition großgeschrieben und stets darauf geachtet, dass abgegriffene Rückseiten das Spiel nicht beeinflussen konnten. Erstmals fragte sich Sully, wo all die ausrangierten Karten abgeblieben waren.

»Wenn man nicht wüsste, dass ihr beide euch eigentlich gut leiden könnt …«

Claire schüttelte den Kopf, ihr schiefes Lächeln auf den Lippen, und trank einen großen Schluck Bier. Vielleicht, um sich den Gepflogenheiten der etablierten Männerrunde anzupassen, vielleicht aber auch, weil sie wider Erwarten wirklich gut hineinpasste.

Sully stellte seine Flasche ab, hob beschwichtigend die Hände und deutete Serge, erneut zu mischen.

»Und, Claire«, versuchte Fernand ein konstruktives Gespräch zu beginnen, »haben Sie sich an Ihre neue Position gewöhnt?«

Sully fand es seltsam, dass Fernand Claire weiterhin siezte und als Madame betitelte. So war der alte Charmeur eben, obwohl er Claire mehr als einmal hatte rülpsen hören.

»Ich kann nicht klagen.«

Ihre Stimme war tonlos. Nach Claires Beförderung gegenüber ihrem alten Rivalen Hoffmann hatten ihre blauen Augen stets ein kleines bisschen mehr gestrahlt. Doch heute nicht.

»Hört sich irgendwie anders an. Ist etwas passiert?«, lenkte Sully ein.

Seufzend lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. »Ach, das ist es ja gerade. Eben nicht!«

Aha, daher wehte der Wind. Claire war bei der kleinen Polizeidienststelle in Gréngdall tätig. Sie war zielstrebig und klug, hatte sich vor Kurzem durch Sullys Hilfe erstmals gegen ihren Rivalen behaupten können und war auf einen führenden Posten befördert worden. Sully zweifelte nicht daran, dass sie nun auf eine Möglichkeit wartete, um ihrem Chef beweisen zu können, dass er richtig daran getan hatte.

»Also zu wenig Mord und Totschlag in der Nachbarschaft, ja?«, witzelte Serge, aber Sully wusste, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. »Na, dann hast du ja immerhin genug Zeit, um dein Verständnis für die Karten auf das nächste Level, unser Level, zu bringen.«

Serge vollführte ein Kunststück mit den Karten, das ein Dealer in einem Casino hätte erblassen lassen.

Dabei war er es gewesen, der Claire als vierten Kopf für die Runde vorgeschlagen hatte, was in Serges Welt einem Ritterschlag glich. Erst da hatte Sully erfahren, dass Claire und Serge zusammen zur Schule gegangen waren und sie daher eine gemeinsame Vergangenheit verband. Wobei Sully noch nicht recht sagen konnte, wie die ausgesehen hatte. Da Serge ihr Kalkül und ihre Professionalität jedoch gelobt hatte, wusste Sully, dass er Claire gerade nur aufziehen wollte. Wie eigentlich jeden. Immer.

Sie ließ die Worte an sich abblitzen. Ihr war offensichtlich nicht nach Frotzeln zu Mute. »Ja. Irgendwie schon. Zu wenig Mord, zu wenig Totschlag.« Sie begrub ihr Gesicht unter ihren Händen. »Pardon, das darf man nun wirklich nicht sagen, aber …«

»Wo drückt der Schuh, meine Liebe?«, fragte Fernand.

Claire nahm einen weiteren Schluck Bier. »Ach, es ist … Mir fällt die Decke auf den Kopf. Und nun will Premier Commissaire Thill, dass ich meine Zeit nutze, um eine Vortragsreihe für die neuen Rekruten an der Polizeischule über das perfekte Verbrechen zu starten. Ist das nicht schrecklich? Das perfekte Verbrechen …« Sie spuckte die Worte fast aus. »Erstens gibt es so etwas gar nicht, und zweitens fand ich das schon immer dämlich zu sagen. Thill will nur modern wirken und nicht wie ein alter hinterwäldlerischer Greis. Keine Ahnung, wen er beeindrucken will.«

Sie seufzte und stellte ihre Bierflasche zurück auf den Tisch.

»Das perfekte Verbrechen …« sinnierte Serge.

»Dass jemand den Fehler gemacht hat, dir zu zeigen, wie man Schnaps brennt, Serge?«, witzelte Fernand.

»Nicht das größte Verbrechen, Papa, sondern das perfekte. Ein perfektes Verbrechen ist doch eigentlich eines, das man nicht als solches erkennt, oder nicht?«

Serge mischte die Karten gedankenverloren weiter.

Sully konnte sehen, wie jeder der Anwesenden darüber zu sinnieren schien. Und er konnte verstehen, wieso Claire so demotiviert war. Sie wollte die Welt zu einem besseren Ort machen, indem sie Verbrecher bestrafte. Nur deshalb war sie über Umwege letztlich zur Polizei gegangen. Ganz sicher wollte sie sich keine theoretische Vortragsreihe ausdenken, um Berufsanfängern ein modernes, verzerrtes Bild von dem Job zu präsentieren. Trotzdem fand Sully, dass sich das Thema zumindest für ein Gespräch an diesem Abend eignete. Schließlich war auch sein Gehirn derzeit unterfordert.

»Es ist vermutlich eine Definitionssache, aber ich persönlich finde, dass es erst das perfekte Verbrechen ist, wenn jemand es als solches identifiziert hat, man aber nicht dafür belangt werden kann. Die reiche Stiefmutter ist offensichtlich erschossen worden, ich bin Alleinerbe, in Geldnot und habe sie gehasst, jeder weiß es. Selbst die Tatwaffe gehört mir. Aber ich habe ein wasserdichtes Alibi, also kann mir nichts nachgewiesen werden. Wisst ihr, was ich meine?«

»Eine etwas romantische Agatha-Christie-Vorstellung, oder?« Claire rollte mit den Augen. »Wenn wir bei Mord als Verbrechen bleiben … Es gibt doch viel mehr Fälle, die nie als Mord geahndet werden, weil sie wie ein Unfall aussehen zum Beispiel. Das ist doch noch besser.«

»Ja, vielleicht. Aber da solche Fälle im Dunklen bleiben, wird man sie nicht untersuchen können. Also kann man nichts darüber sagen und sich letztlich nicht sicher sein, ob es sich dabei tatsächlich um das perfekte Verbrechen handelt, oder?«

Claire zuckte mit den Schultern. Es schien sie zu ärgern, dass die Männertruppe ihr verhasstes Thema so bereitwillig aufgriff.

»Trotzdem. Ich bin keine Drehbuchautorin oder so etwas. Es ist mir egal. Ich will das Pferd ja nicht von hinten aufzäumen und erst recht will ich niemandem einen Floh ins Ohr setzen und am besten noch eine Anleitung zum perfekten Mord geben. Das ist doch einfach nur dämlich.«

Serge überging ihre Aussage. »Also was meint ihr, was sind die Voraussetzungen, um nicht für das perfekte Verbrechen belangt zu werden?«

»Wir reden über Mord, richtig?«

Die Nüchternheit in Fernands Aussage war beindruckend.

»Immer«, konterte Serge und begann endlich, die Karten auszuteilen.

»Was lässt einen immer auffliegen?«, stellte Sully die entscheidende Frage.

»Die Leiche natürlich.« Serge schaute sich in dem Gruselkabinett um, das er seine Werkstatt nannte. »Aber ich wüsste da was. Ein bisschen Kalilauge und der große Druckkessel da. Den nehme ich natürlich sonst nur zum Einkochen von Gulasch, aber … Das müsste gehen. Keine DNA mehr übrig danach. Nur braune Suppe. Und ein paar Knochen. Ja, die Knochen, die sind doch das eigentliche Problem.«

»Ganz der Chemiker«, meinte Claire. »Ich weiß gerade nicht, ob ich mich vor dir gruseln oder den Hut ziehen soll.«

»Dafür gibt es doch Knochenmühlen, Serge. Dann bleibt nichts als Mehl.«

»Ich frage nicht, woher du das weißt, Papa«, meinte Serge.

»Aber … Keine Leiche, kein Verbrechen«, musste Sully einwenden. »Und somit per Definition auch kein perfektes Verbrechen.«

»Oh, Mann, ihr scheint ja alle Experten auf dem Gebiet zu sein. Wieso wundert mich das nicht? Und fallt mir ruhig in den Rücken. Männer!«

Wieder verdrehte Claire die Augen, diesmal mit dem Anflug eines Lächelns.

Bei dem Stichwort erschien Rose in der Tür.

»Was ist das?« Serge warf einen entsetzten Blick auf die kunstvoll drapierten Häppchen auf dem Teller in ihrer Hand und hielt im Austeilen der Karten inne.

»Canapés natürlich.«

»Was haben denn Canapés beim Kartenspielen zu suchen? Da gibt’s eigentlich nur Chips. Wenn überhaupt.«

Und solche Worte von Serge, der sonst keine Gaumenfreude der Welt ausschlug.

»Du weißt doch, Chérie, ein voller Mund lenkt vom Spiel ab. Da verzählt man sich, während man kaut, und ehe man sich versieht, gewinnt der Preuße versehentlich ein Spiel. Und das wäre doch eine Schande.«

Fernand strich seiner Frau liebevoll über den Arm, den amüsierten Blick auf Sully gerichtet.

»Nun habt ihr Höhlenmenschen aber auch eine Dame in eurer Runde aufgenommen, da muss ich hier gelegentlich nach dem Rechten sehen. Außerdem, Sully, habe ich vorhin mit Charlotte telefoniert. Sie fragt, ob du morgen früh auf deiner Runde bei ihrem Haus vorbeischauen könntest. Etwas mit ein paar schweren Blumentöpfen, sagte sie. Und außerdem wollte sie dir noch etwas geben. Das sollte ich dir ausrichten.« Rose zwinkerte Sully fast unbemerkt zu. Aber eben auch nur fast.

»Charlotte Dupong? Was will die denn von dir?«

Rose antwortete prompt für ihren Patensohn. »Seit der Mann des Hauses sich den Fuß gebrochen hat, sind einige schwerere Arbeiten in ihrem Garten liegen geblieben. Und Sully hat sich bereit erklärt, sie ein wenig zu unterstützen. Nicht wahr, mein Junge?«

Sully schmunzelte. »So und nicht anders.«

Tatsächlich aber hatte Charlotte Dupong den Verdacht, dass sich der sogenannte »Mann des Hauses«, ihr Lebensgefährte Doktor Benno Mensing, an dem Vermögen ihres ersten Ehemannes bereicherte. Es war bei Manuels Pizzafest gewesen, dass Charlotte Sully gebeten hatte, Doktor Mensing ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Allerdings hatte sich Sully – wieder in Gedanken bei Zeitung und Trenchcoat – bisher zurückgehalten. Nun aber sah die Sache anders aus, wie Rose ihm erzählt hatte. Schließlich wollte Charlottes Tochter Doktor Mensing dabei erwischt haben, wie er ein teures Gemälde aus dem Keller entwendet hatte.

Er griff nach einem Häppchen, steckte es sich in den Mund und ignorierte Serges strengen Blick. »Köstlich, Rose, wie immer.

»So, Jungs«, unterbrach Claire. »Dann zieht euch mal warm an. Ich sage: Re, keine sechzig. Und jetzt spielt endlich Karten, darum sind wir doch eigentlich hier.«

Ihre Stimme klang seltsam kehlig, als sie Sully anfunkelte. Claire ahnte wohl, dass es nicht nur um Gartenarbeiten ging. Zudem schien Claire nicht aufgefallen zu sein, dass Serge beim Austeilen unterbrochen worden war, und sie noch nicht einmal alle zwölf Karten in der Hand hielt.

3

Seit Briefträger Jhemp Weber wegen Mordes verhaftet worden war, hatte Sully eingewilligt, weitere Routen in Gréngdall zu übernehmen. Solange sich niemand Neues fand. Auch in diesem Metier wurde händeringend nach Nachwuchs gesucht. Außerdem war es vielen Menschen in diesem beschaulichen Teil der Erde wichtig, eine gewisse Kontinuität zu behalten.