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Ein Fest, ein Todesfall - und ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit.
Beim 500-jährigen Jubiläum des Flammang-Anwesens trifft Sully Morland auf seine Jugendliebe Jou, die eigens aus Norwegen anreist. Die Stimmung ist ausgelassen - bis ein Freund der Familie tot aufgefunden wird. Unfall oder Mord? Je mehr Sully ermittelt, desto klarer wird: Der Tote hatte Feinde. Und Jou ein Motiv. Die Mörderjagd ist Sully gewohnt - doch diesmal geht ihm der Fall ans Herz ...
Ein klug konstruierter Cosy Crime mit Tiefgang, Ironie und einem Hauch Herzschmerz.
Über die Serie
Ein ermittelnder Briefträger in Luxemburg: Fallanalytiker Sully Morland braucht nach einem Schicksalsschlag und seiner Suspendierung beim BKA einen Neuanfang. Bei seiner Patentante Rose findet er Zuflucht in einem idyllischen Dorf in Luxemburg. Dort springt er spontan als Aushilfsbriefträger ein und verteilt mit dem Rad die Post. Als er dabei buchstäblich über eine Leiche stolpert und der Polizistin Claire Bofferding bei den Ermittlungen hilft, wird Sully zu Luxemburgs erstem und einzigen radelnden Detektiv.
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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Post, Mord und Provinzgeflüster - Die Serie
Titel
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Über die Autorin
Impressum
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Ein Fest, ein Todesfall – und ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit.
Beim 500-jährigen Jubiläum des Flammang-Anwesens trifft Sully Morland auf seine Jugendliebe Jou, die eigens aus Norwegen anreist. Die Stimmung ist ausgelassen – bis ein Freund der Familie tot aufgefunden wird. Unfall oder Mord? Je mehr Sully ermittelt, desto klarer wird: Der Tote hatte Feinde. Und Jou ein Motiv. Die Mörderjagd ist Sully gewohnt – doch diesmal geht ihm der Fall ans Herz …
Ein ermittelnder Briefträger in Luxemburg: Fallanalytiker Sully Morland braucht nach einem Schicksalsschlag und seiner Suspendierung beim BKA einen Neuanfang. Bei seiner Patentante Rose findet er Zuflucht in einem idyllischen Dorf in Luxemburg. Spontan springt er dort als Aushilfsbriefträger ein und verteilt mit dem Rad die Post. Als er dabei buchstäblich über eine Leiche stolpert und der Polizistin Claire Bofferding bei den Ermittlungen hilft, wird Sully zu Luxemburgs erstem und einzigen radelnden Detektiv.
JILL KALTENBORN
Tod an einem stillen Ort
Sully Morland blickte erneut auf die elektronische Anzeigentafel. Ja, der Flug aus Trondheim war bereits gelandet. Wieder und wieder öffneten sich die automatischen Milchglastüren und gaben einen kurzen Blick auf das Geschehen dahinter frei.
Sully war nervös. Wieso um Himmels willen war er eigentlich so nervös? Das war so was von bescheuert, fand er, und doch konnte er nicht anders, als sich noch einmal durch die Haare zu streichen, in der Hoffnung, etwas Ordnung in das dunkle Chaos zu bekommen und die Kapuze seines Hoodies zu richten.
Das muntere Treiben riss ihn aus seinen Gedanken. Eine ältere Dame neben ihm schrie vergnügt auf, als ihr ein kleiner Junge in die Arme fiel. »Du bass sou grouss gin«, sagte die Dame und wuschelte dem so groß gewordenen Jungen über den Kopf. »Endlich kommst du mich mal wieder besuchen.«
Völlig egal, schloss Sully seine Überlegungen ab, als er beobachtete, wie die Mutter des Jungen mit einem großen Koffer folgte. Aber dennoch, es war ja nicht verboten, halbwegs gepflegt auszusehen, egal, wen er vom Flughafen abholte, richtig?
Er hatte Jou nicht mehr getroffen, seit Sara gestorben war. Na klar hatten sie telefoniert, auch mit Video, wie es heute üblich war, aber natürlich war das nicht dasselbe. Vielleicht hatte er daher Bedenken davor, was das Wiedersehen mit Jou in ihm auslösen würde. Gerade weil sie doch Roses Tochter war, wusste sie meist das Richtige zu sagen. Und im Moment, so redete Sully es sich ein, befand er sich bereits an einem Punkt, an dem er zumindest vorsichtig von beginnender Heilung sprechen konnte. Da hatte er wenig Lust, erneut Wunden aufreißen zu sehen.
»Pardon, Monsieur«, ertönte eine Stimme hinter ihm, und er fuhr herum. »Es hat Beschwerden von einigen Familien mit kleinen Kindern gegen Sie gegeben, und ich muss Sie daher bitten, diesen Platz zu räumen. Ich kann es verstehen, muss ich sagen, wie Sie hier in diesem dunklen Hoodie herumlungern und sich nervös umsehen … Also bitte.«
Vor Sully stand eine groß gewachsene Frau mit einem dunklen Lockenschopf, den einige graue Haare durchzogen, die jedoch eher elegant wirkten als sie alt erscheinen zu lassen.
»Das würde ich schrecklich gerne«, erwiderte Sully, »allerdings muss ich hier noch auf die Tochter meiner Patentante warten. So eine richtige Schreckschraube, wissen Sie, und wenn ich nicht hier bin, wenn sie ankommt, macht sie mir die Hölle heiß. Sie kennen den Typ Frau sicherlich, der immer denkt, er wäre wichtiger als die Großherzogin persönlich.«
Die Frau verzog keine Miene. »Was halten Sie dann davon, wenn wir die Anschuldigungen gegen Sie und die alte Schreckschraube vergessen und einfach zusammen verschwinden?«
»Gewagter Vorschlag, aber ich gehe darauf ein. Soll die Alte doch sehen, wo der Pfeffer wächst.«
Sully hielt der Frau seinen Arm hin, und sie hakte sich unter. Grinsend und schweigend setzten sie sich in Bewegung.
Nach einigen Schritten blieb die Frau stehen und drehte sich zu ihm um. »Meinen Koffer sollte ich aber trotzdem mitnehmen. Und jetzt komm endlich her, du alter Ganove, und lass dich in den Arm nehmen.«
Jou nahm ihn erst zaghaft, dann fester in den Arm. Sully merkte, wie sehr er sie vermisst hatte. Unwillkürlich sog er ihren vertrauten Duft nach Holz und Meer ein. Woher die Sache mit dem Meer kam, hatte er bis heute nicht verstanden. Für einen Moment war er froh, dass Erik und die Kinder noch in Norwegen geblieben waren – irgendein Zeltlager der Kinder – und Jou sich spontan entschieden hatte, trotzdem rechtzeitig zum Fest zu kommen. So konnte er für einen kurzen Moment vielleicht seine alte Freundin für sich haben, anstatt die beschäftigte Mutter zweier Kinder zu teilen, die ihre Sommerferien in ihrer Heimat verbrachte.
Als sie sich voneinander lösten, meinte Sully, Tränen in ihren Augen zu sehen. Sie sagte nichts. Musste sie auch nicht. Stattdessen führten sie in diesem Moment, diesen wenigen Sekunden, eine stille Unterhaltung darüber, wie unendlich traurig Jou über Saras Tod war und wie leid es ihr tat, dass es ihm nun so ging, wie es ihm eben ging.
Was er dankend abnickte.
Zumindest glaubte er, dass dies gerade passiert war. Denn das war Teil ihrer Magie. Er griff nach ihrem Koffer, und sie gingen schweigend in Richtung Parkplatz.
»Serge hat es noch nicht geschafft, dich in einen seiner Oldtimer zu zwängen?«
Sie nahm auf dem Beifahrersitz seines praktischen Kombis Platz, mit dem er vor einigen Monaten nach Luxemburg gereist war. Eine Ewigkeit schien es nun her. Ein anderes Leben.
Sully schnallte sich an. »Bisher nicht. Aber um ehrlich zu sein, ist dieses Auto doch um einiges praktischer. Und immerhin weiß ich, dass es anspringt.«
»Und du kannst all die Pakete im Kofferraum transportieren, richtig?«
Er konnte ihr schiefes Grinsen aus dem Augenwinkel sehen, mit dem sie auf seinen neuen Job als Briefträger von Gréngdall anspielte, als er den Wagen rückwärts aus der Parklücke lenkte. Wobei das Wort »neu« in dem Zusammenhang gar nicht mehr so angemessen war, wie Sully auffiel. War er wirklich schon über vier Monate in Luxemburg?
»Da muss ich dich enttäuschen«, entgegnete er, nicht zuletzt, um sich nicht die ganze Rückfahrt von ihr aufziehen zu lassen. »Ich nehme das Fahrrad. Nur Briefpost, Pakete nur als Gefälligkeit für die, die ich mag«, sagte er knapp und musste ebenfalls schmunzeln.
Ja, okay, ein bisschen Komik konnte er natürlich doch darin sehen. Insbesondere, wenn er bedachte, dass er in der kurzen Zeit trotzdem über mehr als eine Leiche gestolpert war. »Also, wenn du so willst, mache ich nur ein bisschen Sport und tue etwas Gutes dabei. Und außerdem habe ich gerade Urlaub«, schloss er.
»Sully Morland, der Robin Hood der Briefe, der ab und an ein Verbrechen aufdeckt?«, witzelte sie.
»Vielleicht musst du dein Wissen über die mittelalterlichen Sagen noch einmal auffrischen, bevor du sie als Beleidigung einsetzt. Schließlich klaue ich nicht den Reichen die Post und verteile sie an die Armen.«
»Kleinkarierter Preuße, du.« Sie lachte. »War ja klar, dass du die Sache mit der Verbrecherjagd getrost übergehst.«
»Schön, dass sich manches nicht ändert und du noch immer so charmant bist wie immer.«
Sie schwiegen eine Weile, während sie die Nordstrooss, die Autobahn in Richtung Gréngdall, nahmen.
»Und?«, meldete sich Jou zu Wort, während die Landschaft ihrer Jugend an den Fenstern vorüberzog. »Hat sie sehr übertrieben? Ich hatte kurz überlegt, ebenfalls erst nach dem Fest zu kommen und diese Sensation auszulassen, aber …«
»Ja, Rose, hätte dir das vielleicht nicht so schnell verziehen.«
»Genau.«
»Keine Angst, es ist tatsächlich dezent und schön. Vielleicht ein bisschen viele Menschen für meinen Geschmack.«
Jou blickte gedankenverloren aus dem Fenster. »Das habe ich befürchtet.«
Eine Pause.
»Wie meinst du das?«, hakte er nach.
»Du weißt doch selbst, wie das ist. Wenn du eine Weile weg warst, dann musst du nicht zwangsläufig in die Vergangenheit zurückversetzt werden, oder?«
Sully lachte. »Na ja, kommt drauf an. Die Erinnerungen an meine Sommermonate bei euch haben mir in meinem Fall den Arsch gerettet. Darum bin ich hier. Also kommt es vielleicht auf die Erinnerungen an.«
Sully sah, wie sie die Lippen aufeinanderpresste.
Irgendetwas schien sie zu bedrücken. Daher wollte er versuchen, sie abzulenken.
»Jedenfalls hat der ganze Ort seit Tagen gebacken, um etwas beizusteuern. Ich weiß nicht, wie viele Rinder der Metzger opfern musste, und soweit ich weiß, gibt es sowohl einen Clown als auch eine Schnitzeljagd für die Kleinen.«
»Und dabei hat noch nicht einmal jemand Geburtstag.«
»Na ja …«
»Fang du nicht auch noch an, es zu personifizieren.«
»Nein, das vielleicht nicht, aber ich verstehe die Liebe deiner Eltern für das Anwesen. Fünfhundert Jahre … Das sind ganz schön alte Gemäuer. Leute haben schon für geringfügigere Anlässe Feste gefeiert.«
»Ja, vielleicht.«
Sully konnte ihren Blick von der Seite spüren, als wollte sie noch etwas sagen. Was sie nicht tat.
»Immerhin wird es natürlich nicht an Alkohol mangeln. Serge braut seit Tagen irgendetwas im Keller zusammen und hat eine große Überraschung geplant. Ich stelle mich dir gerne zur Verfügung, wenn du mit jemandem zusammen die Bar plündern möchtest. Alternativ gibt es natürlich auch diverse Versteckmöglichkeiten auf dem Anwesen, die wir aufsuchen können, wenn alles zu viel wird.«
Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen, und Sully fragte sich, ob sie ebenso an jenen Nachmittag vor unzähligen Sommern dachte, in dem sie sich zusammen am Ende des Geheimgangs im Garten versteckt und geküsst hatten. Jugendlich, unschuldig, unverfänglich.
Doch dieses Lächeln war schnell vorüber. »Weißt du, eigentlich habe ich nicht vor, mich zu verstecken.« Sie streckte ihre Schultern durch, setzte sich aufrechter hin. »Im Gegenteil. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ein paar alte Dämonen verjagt, vielleicht sogar gerächt werden.«
»Ah, sieh mal einer an. Déi verluere Schwëster, da ist sie ja.«
Serge löste seinen Arm von einer großen, braunhaarigen Schönheit, entfernte sich von einer Gruppe Gleichaltriger und kam auf Sully und Jou zu.
Das ist also Marie, dachte Sully. Er konnte kaum glauben, dass er sie tatsächlich einmal zu Gesicht bekam.
»Wenn das nicht mein kleiner Bruder mit der zu vielen Freizeit ist!«
Jou zog ihn mit diesem ständigen Scherz zwischen den beiden auf, seit Serge als Chemielehrer arbeitete. Sie schlossen sich in die Arme.
»Und immer noch die gleichen dreckigen Pranken wie eh und je«, stellte Jou bei dem Anblick von Serges Händen fest, auf denen sich eine Schicht Motoröl und Schmiere seiner Oldtimer festgefressen hatte. »Heute ist ein Fest, konntest du nicht duschen?«
Er zuckte mit den Achseln. »So sehen die Hände eines hart arbeitenden Mannes eben aus. Und jetzt kommt, lasst uns ein bisschen feiern.«
Der Abend war noch nicht hereingebrochen, und doch war das Fest bereits voll im Gange. Der Flammang’sche Garten war auf das Feinste herausgeputzt worden. Lichterketten mit großen Glühbirnen hingen zwischen Werkstatt, Haus und Hühnerstall und würden für Stimmung sorgen, wenn die Sonne untergegangen war. Weiße Lampions baumelten von den großen Linden im Sommerwind. Das gepflasterte Karree vor Serges Werkstatt war mit unzähligen Stehtischen gesäumt, die mit schnatternden, gut gelaunten Menschen bevölkert waren.
Alle waren sie da, um das fünfhundertjährige Bestehen des Anwesens zu feiern. Fünfhundert Jahre, Sully konnte diesen Zeitraum kaum fassen. Na klar, er liebte das alte Gemäuer, und er wusste, dass es vermutlich mehr Geschichten als ein Märchenbuch erzählen könnte, allerdings hatte er sich bisher noch keine Gedanken darüber gemacht, wie viele Generationen vor ihm tatsächlich über die knarzenden Holzdielen gelaufen waren.
»Kommt mit«, sagte Serge und schleppte die beiden zu der kleinen Gruppe Menschen um seine Freundin Marie.
Sully setzte sich in Bewegung und drehte sich zu allen Seiten um. Er war etwa zwei Stunden weg gewesen, um Jou abzuholen. In der Zwischenzeit hatte sich die Anzahl der Besucher eindeutig verdoppelt.
Er fragte sich, ob Claire mittlerweile aufgekreuzt war. Doch noch konnte er die junge Polizistin, die sein Leben in den letzten Monaten in mehr als einer Hinsicht umgekrempelt hatte, in der Menge nicht ausmachen. Im Gegensatz zu seiner Patentante Rose, die trotz ihrer siebzig Jahre in ihrem lindgrünen Kleid und ihrer Ausstrahlung in der Menge auffiel, als wäre ein Scheinwerfer auf sie gerichtet. Fernand, ihr Mann, stand neben ihr, während sie sich mit Premier Commissaire Ernie Thill unterhielten, und hatte die Hand auf den Rücken seiner Frau gelegt.
»Ah, da sind Mama und Papa. Ich komme gleich nach«, sagte Jou an Serge gewandt und entfernte sich.
Sully blickte ihr nach und konnte das freudige Gesicht seiner Patentante sehen, als sie ihre Tochter erblickte.
Ja, es war tatsächlich schön, dass Jou es sich anders überlegt hatte und vor ihrer Familie angekommen war.
»So, Sully«, meinte Serge, als sie die Gruppe um Marie erreicht hatten. »Darf ich vorstellen? Um all deinen Sprüchen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Das ist Marie.«
»Sprüche?«
Die große Schöne lächelte schüchtern und begrüßte Sully anschließend mit Küsschen auf beide Wangen.
»Nun, da wir uns in all der Zeit noch nicht begegnet sind, hatte ich schon die Befürchtung, Serge hätte sich seine schöne Freundin nur ausgedacht. Ich muss sagen, es ist unwahrscheinlich schön, dich endlich kennenzulernen, Marie.«
Sully grinste Serge an, der ihm wiederum die Zunge herausstreckte.
Marie schien sich zu einem Lächeln zu zwingen. »Nun, wenn ich mir schon einen Partner ausgesucht habe, der so viel um die Ohren hat wie Serge, dann sollten mich solche Sprüche vermutlich nicht wundern. Wir haben beide viel zu tun, schätze ich. Da kann ich mich glücklich schätzen, dass er mich heute zu der Feier mitgenommen hat, richtig?«
»Äh«, sagte Sully, weil ihm die Worte fehlten.
Ui, da stand der Haussegen aber tatsächlich schief, dachte Sully. Er fand Marie eindeutig hübsch, ein wenig erinnerte sie ihn sogar an Jou mit ihren dunklen Locken, aber auch ein wenig farblos. Vielleicht musste sie ja erst auftauen. Oder die beiden hatten kurz zuvor gestritten.
»Traurige Geschichte spannend erzählt«, schloss Serge mit einem Lachen und war wie meist so einfühlsam wie ein Amboss. »Und Pol und Romain kennst du ja natürlich.«
»Klar, moien, ihr beiden«, sagte Sully an Serges Freunde gewandt.
Er hatte sie in den letzten Wochen bereits kennengelernt, weil sie Serge gelegentlich dabei halfen, an seinen Oldtimern zu schrauben. Sie waren Kollegen, arbeiteten an derselben Schule und kannten sich seit der eigenen Schulzeit, wobei Romain und Pol eher in Jous Alter waren.
Pol, der blonde Mann mit charismatisch-kantigem Kinn, lehnte an einem Stehtisch, eine Bierflasche in der Hand.
»Und, wie geht es Jou?«, fragte er Sully, was dessen Vermutung bezüglich des Alters bestätigte.
»Äh, gut, denke ich.«
Irgendwie fand Sully es seltsam, nach Jou befragt zu werden. Oder zu jemand halb Fremdem irgendetwas über sie zu sagen.
»Wieso?«, fragte der dunkelhaarige Romain, der Zurückhaltendere der beiden. »Hast du Angst, dass sie die Sache noch nicht überwunden hat und dir gleich die Augen auskratzt? Hast sie ja lange nicht gesehen, oder?«
»Ha, ha«, entgegnete Pol und trank einen Schluck Bier. »Ist doch eine alte Geschichte.«
»… die dir keine Frau der Welt so schnell verzeihen würde«, fügte Marie hinzu.
»Serge, sag du auch mal was«, meinte Pol.
»Pardon, mein Freund. Sie ist meine Schwester, da bin ich ganz auf Maries Seite.«
»Das ist ja mal was Neues«, neckte sie Serge, der den Einwand überging.
»Pass also auf, Pol, dass sie dir nicht gleich etwas in deinen Drink mischt, einfach nur, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Oder du suchst schon einmal die nächste Toilette auf.« Serge grinste. Halbherzig.
Sully verstand nur Bahnhof und sah Serge fragend an.
»Ach, alte Kamelle«, meinte Serge, »und nur Teenager-Blödsinn. Oh, seht mal, da ist ja Claire!«
Sully fuhr herum und meinte aus dem Augenwinkel erkennen zu können, dass sich Maries Miene verfinsterte. Im Gegensatz zu der Serges. Vielleicht kam Sully dies auch nur so vor.
»Morland, Serge«, sagte sie, ihr immer schiefes Lächeln auf den Lippen. »Salut, Marie.«
Sie stellte sich zu der Gruppe, als gehörte sie seit Ewigkeiten dazu. Vielleicht tat sie das auch. »Und moien, ihr anderen natürlich.«
Sully kam sich ein wenig seltsam vor, denn er wusste, dass sie alle eine gemeinsame Jugend miteinander verband. Er selbst war damals eher so eine Art regelmäßiger Sommerbesucher gewesen. Ein Beobachter von außen, der einen Teil des Jahres dazugehörte. Aber eben nie so richtig. Vielleicht fühlte er sich auch noch immer so.
»Was ein Fest«, sagte Claire. »Aber mir fehlt eindeutig ein Drink.«
»Ich schätze, das ist mein Stichwort«, sagte Serge. »Einen Moment.«
Er entfernte sich von der Gruppe, und Sully meinte, ein Augenrollen bei Marie zu sehen.
Kurze Zeit später kam Serge wieder, einen Stapel Schnapsgläser in der einen, eine Glasflasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der anderen Hand. Er schob Jou vor sich her, die sich nur widerwillig zu nähern schien.
»Was zur …?«, sagte sie. »Serge, was ist denn …? Moien«, sagte sie schließlich schüchtern an die anderen gewandt.
Ein verstohlener Blick in Richtung Pol. Oder bildete Sully sich das nur ein?
»Na, was muss ich mir hier so Dringendes angucken?«, fragte sie dann.
»Wirst du gleich sehen.«
Serge schenkte großzügig in die Gläschen ein und verteilte sie anschließend.
»Also, darf ich vorstellen?«, sagte er, als er allen eingeschüttet hatte, und hob sein Glas. »Pommes de Gréngdall. Der neue Stern des luxemburgischen Spirituosenmarkts.«
Er trank sein Glas leer, die anderen taten es ihm gleich, sahen ihn verwundert an. Außer Sully, denn er wusste natürlich schon von Serges Plan. Schließlich war die letzten Wochen zu Hause von kaum etwas anderem die Rede gewesen. Nun, bis auf die heutige Veranstaltung natürlich. Und auch Marie schien nicht überrascht, denn Sully schätzte, dass auch sie Serges ungebremsten Enthusiasmus abbekommen hatte.
Die Flüssigkeit lief Sullys Kehle herunter und hinterließ einen angenehm trocken, fruchtigen Nachgeschmack. Dann wurde ihm warm ums Herz. Er schaute zu Claire. Sie sah fantastisch aus in ihrem hellblauen Sommerkleid, das ihre Augen zum Strahlen brachte. Alle Achtung, so hatte er sie noch nie gesehen. Schnell schaute er wieder weg.
»Was meinst du damit, Stern am Himmel?« Romain stellte sein Glas zuerst ab. »Schmeckt jedenfalls … Es schmeckt hervorragend.«
»Findest du? Das bedeutet mir viel, schließlich bist du ja der einzige Experimentierfreudige hier, der auch gern mal selbst etwas braut.« Serge hob geheimnisvoll eine Augenbraue. »Das hier ist nur eine Kostprobe für Auserwählte. Den Rest hebe ich für Wichtigeres auf. Er schlummert wohlverwahrt in einem Eichenfass im Keller. Müsste noch gerade genug sein, dann muss erst nachproduziert werden.«
»Genug für was?«, fragte Pol.
»Oh!«, rief Romain aus, als er sein Glas auf dem Stehtisch abstellte. »Du meinst doch nicht etwa …?«
»Wir alle wissen, dass du hervorragenden Schnaps brennst, Serge, was ist denn nun los?«, wollte Jou wissen.
Sie fühlte sich sichtlich unwohl. Sully hätte zu gerne gewusst, wieso.
