Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 1 -  - E-Book

Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 1 E-Book

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Beschreibung

In diesem Werk versammelt Widar Ziehnert die Sagen, Märchen und Legenden fast aller Orte und Städte des ehemaligen Königreichs Preußen auf eine angenehme als auch unterhaltende Art. Er erzählt, erklärt die jeweiligen Wahrzeichen, und benutzt dafür mitunter auch das Stilmittel einer Ballade. In diesem Band finden sich lange vergessene Erzählungen u.a. aus Berlin, Aachen, Breslau, Kleve, Köln, Magdeburg, Danzig, Stralsund, Königsberg, Bielefeld und vielen anderen Städten.

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Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden

 

Band 1

 

WIDAR ZIEHNERT

 

 

 

 

 

 

 

Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 1, W. Ziehnert

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988681676

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort1

1. Die drei Blutstropfen in Berlin.3

2. Der Wolf im Dom zu Aachen.12

3. Das Gesicht am Dom zu Breslau.16

4. Die heilige Genovefa von Mayenfeld.21

5. Die Schwanenburg zu Kleve.38

6. Der Riefenstein bei Nordhausen.44

7. Der Löwenkampf am Rathaus zu Köln.49

8. Der lange Tanz in Kolbeck bei Magdeburg. 55

9. Ursprung und Name der Stadt Danzig,59

10. Der Todeswürfel in Berlin.62

11. Der Ratmann und die Dohle zu Schweidnitz.69

12. Die Kirche zu Riesenbeck.71

13. Ursprung und Name von Schleusingen.79

14. Das Wunderblut in Zehdenick.84

15. Das Pferd in Magdeburg.86

16. Die Glocke zu Attendorn.90

17. Die Bettlerin zu Stralsund.93

18. Die linkische Windmühle bei Greifswald.99

19. Der Rittersprung auf Altenahr.102

20. Das Kruzifix zu Königsberg.104

21. Der Rabe in Merseburg. 105

22. Das Bügeleisen zu Glogau.119

23. Sankt Rusticus und Sankt Goar in Trier.121

24. Der Starost von Seekath.126

25. Der Wirt von Bielefeld.129

26. Die drei Linden auf dem Heiligen-Geist- Kirchhof zu Berlin.130

27. Der Dieb zu Thorn.137

28. Der Schellen-Moritz in Halle.140

29. Die heilige Dorothea von Marienwerder.142

30. Der Affe zu Daun.145

31. Der Sprung vom Kynast.147

32. Der heilige Brunnen zu Königsberg.151

33. Die weiße Jungfrau zu Elsey.152

34. Der große Stein bei Görlitz.156

35. Das steinerne Kreuz in Berlin.157

36. Die Glocke im grundlosen Kolk bei Warendorf.159

37. Der Meßner auf Bartenstein.160

38. Der Hofnarr in Düsseldorf.164

39. Die Dubberworth und die dürren  Hügel auf Jasmund. 166

40. Das Schnibbentor in Gardelegen.168

41. Die Gründung des Klosters Trebnitz.170

42. Die Daneilshöhle bei Halberstadt.172

43. Die Teufelskanzel bei Altenahr.175

44. Der Brotstein zu Oliva bei Danzig.178

45. Der Blutstein im Dom zu Magdeburg.179

46. Der Spielmann von Monheim.185

47. Syrene auf Christburg.188

48. Der Stein mit dem Huftritt bei Stendal.191

49. Die Zwerge bei Dardesheim.192

50. Die Magdalenenkapelle zu Erfurt196

51. Die Verlobung auf Neuhaus.199

52. Das Gnadenbild zu Marienburg.205

53. Der Dombau in Köln. 208

54. Der Rüde bei Solingen.213

 

Vorwort

 

In der jetzigen Zeit ist es unstrittig ein gutes Zeichen in der Literatur, dass dieselbe, ihrer Vielseitigkeit gemäß, auch die Sagen und Märchen des Volkes wieder zu Gnaden annimmt und nicht mehr so stiefmütterlich vernachlässigt. Denn der Wert der Volkssage ist ja anerkannt. Sie ist ein treuer Spiegel des Geistes und der Gemütsart einer Nation, sie bringt in die dunkeln Lücken der Geschichte, namentlich der früheren, wenn auch nicht klares Licht, doch wenigstens einen dankenswerten Dämmerschein, sie gibt den alter Wahrzeichen ihre Deutung, sie belebt verfallene Gebäude, Berge, Wälder und Seen mit vorzeitlichen Phantasiegebilden, und, was vorzüglich in Betracht kommen mag, sie enthält meist eine gute Lehre als gesunden Kern, welcher umso nahrhafter und stärkender ist, weil er in der Schale vorzeitlicher Derbheit liegt. Darum ist es sehr erfreulich zu sehen, wie jetzt fast jedes Land seine Sagen in einer Sammlung bearbeitet findet. Deutsche Sagen haben die verdienstvollen Gebrüder Grimm, ganz neuerdings Nodnagel, v. Steinau u. A., die rheinländischen haben N. Vogt, U. Schreiber, A. v. Stolterfoth, K. Simrock, U. Reumont u. A., die westfälischen H. Stahl und Montanus, die thüringischen L. Bechstein und A. Bube, die des Orlagaues W. Börner, die schlesischen Peschel und neulich H. Gödsche, die oft- und westpreußischen v. Lettau und H. Temme teils prosaisch, teils poetisch bearbeitet, und es befinden sich unter diesen gewiss recht erfreuliche Gewinne für die Literatur unsrer Zeit. Unzählige Sagen des Vaterlandes sind auch von den neuern Dichtern im Einzelnen bearbeitet worden. Die Sagen des Königreichs Sachsen, welche bisher, sonderbar genug, keinen Sammler gefunden hatten, bearbeitete ich selbst als Balladen und Romanzen in drei Bändchen (Unnaberg bei Rudolph und Dieterici, 1838), und ward darüber nicht müde, sondern fand an diesem Zweig der Dichtung vielmehr mein Wohlgefallen, so dass ich mich entschloss, auch die preußischen Volkssagen auf ähnliche Weise zu bearbeiten.

Der preußische Staat aber umschließt der Länder viele, und darunter so sagenreiche, dass seine sämtlichen Sagen und Märchen, auch in gedrängter Bearbeitung, zehn starke Bände füllen würden. Daher können in diesem Buche unmöglich alle jene unbedeutenden Chronikenauswüchse und Anekdoten, welche oft zu den Sagen gezählt werden, ohne dass das Volk dieselben jemals gekannt und im Munde geführt hat, aufgenommen werden. Einige, welche als Erklärung zu namhaften Wahrzeichen dienen, werden in kürzerer Bearbeitung Raum finden. Von den jeder Provinz eigentümlichen, bedeutenderen Sagen aber, hoffe ich, soll, wenn das Werk vollendet ist, keine fehlen. Sollte ich Manches hier aufgenommen haben, was der Ges schichte näher liegt als der Sage, so möge mir deshalb Niemand zürnen, denn gewiss bin ich dann zu diesem Schritt in ein fremdes Gebiet durch eine erfreuliche Beute verlockt worden.

Weil nun diese Sagensammlung vornehmlich ein Buch angenehmer Unterhaltung sein sollte, so war dazu sowohl Abwechslung in Heimat und Geist der Sagen, als auch in der Form ihrer Bearbeitung notwendig. Darum durfte ich nicht an eine Einteilung der Sagen nach den einzelnen Provinzen des Staates denken, denn wenn diese einerseits schon dem Interesse des Herrn Verlegers nicht günstig war, so hinderte sie andrerseits zugleich auch die Mannigfaltigkeit der Abwechslung.

Endlich sollte das Buch den gebildeten Lesern genügend, zugleich aber auch den minder gebildeten verständlich sein, und dies war eben keine leichte Aufgabe, da die Ballade und Romanze bisweilen unwillkürlich einen höheren, und künstlicheren Flug sich erzwingt, so dass die schlichte Klarheit und Volkstümlichkeit des Ausdrucks leicht leidet. In den meisten Fällen habe ich mehr Wert auf letztere gelegt, denn meine Absicht war es, diese Sagen auch den niederen Volksklassen, denen die meisten derselben entwachsen, sind, klar und kunstlos zu erzählen. Deshalb schien mir's auch wohlgetan, hin und wieder in einer Anmerkung topographische und historische Notizen beizufügen.

Möge denn dieses erste Bändchen Gönner und Freunde sich erwerben, und kein liebloses Urteil mir die Lust vergällen, mit der ich zu der Bearbeitung der noch für die drei übrigen Teile vorliegenden Sagenstoffe schreite.

Schlettau, in der Christwoche 1838.

 

 

1. Die drei Blutstropfen in Berlin.

 

Diese Sage fällt in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ob sie auf geschichtliche Tatsache sich gründet, und inwiefern, ist nicht zu bestimmen.

 

Gar rühmlich war das Gasthaus

des Brauers Wolf bekannt,

das auf der Lindenstraße

zunächst dem Brauhaus stand.

Wohl viele Gäste lockte

das gute Bier dahin,

doch mehr noch Margarethe,

die schöne Kellnerin.

 

Ihr Blick war hell wie Sonne,

ihr Haar kastanienbraun,

ihr Hals wie Schnee, ihr Antlitz

wie Milch und Blut zu schau'n,

und schenkten ihre Händchen

das braune Kraftbier ein,

so schien es allen Gästen

ein Liebestrank zu sein.

 

Gern hätte mancher Jüngling

ihr seinen Schmerz geklagt,

und gern von ihren Lippen.

den süßen Raub gewagt,

doch Wolf, ihr Herr, war selber

ihr längst im Stillen gut,

und hielt sie unablässig

in eifersücht'ger Huth.

 

Wohl küsst' er als Gemahlin

ein liebes junges Weib,

doch sein Gelüsten brannte

auf Margarethens Leib.

Er ließ der schönen Dirne

auf keinem Schritte Ruh',

versprach ihr gold'ne Berge

und setzt' ihr stürmisch zu.

 

Doch züchtig war das Mägdchen,

und wies mit ernstem Blick

die ungestümen Bitten

des bösen Herrn zurück,

bis ihn zuletzt der Starrsinn

der Kellnerin verdross,

und er das letzte Mittel

zu wagen sich entschloss.

 

Einst als der Feuerwächter

die zwölfte Stunde rief,

und in des Brauherrn Hause

schon Alles ruhig schlief,

da schlich sich Wolf zur Kammer

der Kellnerin hinauf,

und schob mit einem Haken

den Riegel leise auf.

 

Er trat hinein und sah sich

an seiner Beute satt,

der Mondenschein erhellte

das Kämmerlein nur matt.

Wie reizend war das Mägdchen

im losen Schlafgewand,

auf ihrem Busen wiegte

sich ihre Schwanenhand.

 

Der Anblick frommer Unschuld

rührt den Verführer nicht,

er drückt den Kuss der Wollust

ihr heiß aufs Angesicht.

Er beugt sich gier'gen Blickes

auf ihren Busen hin,

da weckt ein Engel Gottes

die schöne Schläferin.

 

Sie rafft sich auf und ringt sich,

mit ängstlichem Geschrei

nach Hilfe, von den Händen

des Ehebrechers frei,

und stößt ihn fort, und springet

aus ihrem Bett heraus,

und rafft das Hemd' am Busen,

und will zur Tür hinaus.

 

Jedoch der Bube hatte

das Schloss still abgedrückt,

und hascht sie noch am Arme

und hält sie fest umstrickt.

"Was schreist du, Herzensmädel?

Was schreist du doch so sehr?

Ergib dich, du entgehst mir doch nun nicht länger mehr!"

 

"Ich will dir Alles geben,

was dir gelüsten kann!

Es tut dir nichts, und wär' es,

der Kellner wird dein Mann.

Ich kauf euch in der Vorstadt

ein schuldenfreies Haus,

und statte obendrein dich

mit hundert Gulden aus!"

 

In seinen Armen wand sich

die schöne Kellnerin,

da fuhr ihr ein Gedanke

urplötzlich in den Sinn,

und sprach sie: "Wird der Kellner

und hundert Gulden mein,

wohlan denn, Herr, so will ich

euch gern zu Willen sein."

 

Voll Freuden da noch einmal

versprach ihr den Gewinn

der böse Wolf, und zog sie

zum weichen Bettchen hin.

Durchs off'ne Kammerfenster

schien just mit hellem Schein,

als wollt er sie belauschen,

der volle Mond herein.

 

"Ha, lasst mich einmal ledig,

rief Margarethe schnell,

ich will den Vorhang zuzieh'n,

der Mond scheint gar zu hell.

Müsst mir's zugutehalten,

wenn's auch nur Laune ist;

seh' mich nun einmal lieber

im Dunkeln nur geküsst."

 

Gern lässt er ihr den Willen,

sie rafft sich schäkernd auf,

und springt vom nahen Sessel

aufs Fensterbrett hinauf.

"Herr Gott, sei du mir gnädig,

gib mir ein ehrlich Grab!"

so ruft sie laut, und springet

tief in den Hof hinab.

 

Wolf sah's, und in den Adern

erstarrte ihm das Blut,

er ballte seine Fäuste

in fürchterlicher Wut.

"Verflucht! Ich Narr! Betrogen

schon mitten im Genuss!

Wie, wenn ich ob der Leiche

noch Rede stehen muss?"

 

Er sinnt, wie er am besten

abwende den Verdacht,

und schleicht sich in den Hofraum

hinunter still und sacht;

doch sieht er auf den Fliesen

drei blut'ge Tropfen nur,

sonst weiter von Margrethen

auch nicht die kleinste Spur.

 

Wie wird es dem Verruchten

nur so allmählich klar,

dass hier ein Engel Gottes

der Unschuld Retter war,

doch, statt dadurch erschüttert,

den Frevel zu bereu'n,

saugt seine schwarze Seele-

den Rat der Rache ein.

 

Er schleicht zurück zur Kammer,

und legt in ihre Truh'

dort seinen leeren Beutel

und geht darauf zur Ruh',

und morgens früh erhebt er

ein klägliches Geschrei,

dass er um hundert Gulden

bestohlen worden sei.

 

Und alles sein Gesinde

fährt er nun zornig an,

doch allesamt beteuern,

dass sie das nicht getan;

und als von ihnen allen

die Kellnerin nur fehlt,

da ruft er scheinbar grimmig:

"Sie ist's! sie stahl das Geld!"

 

Rasch eilt er mit dem Kellner

ins Kämmerlein hinauf,

und reißt dort, hastig suchend,

Margrethens Truhe auf.

"Sieh da, da liegt mein Beutel !

Nun freilich ist er leer.

So sprich, was meinst du, Kellner?"

Da ist kein Zweifel mehr!

 

Er meldet nun den Diebstahl

beim hohen Stadtgericht,

und bittet sehr um Eile,

und dieses säumet nicht,

und sendet seine Boten

nach allen Enden aus,

die finden Margarethen

in ihrer Muhme Haus."

 

Sie wird zu dreien Malen

vom Stadtgericht verhört,

und ob sie ihre Unschuld beteuert und beschwört,

der Brauherr hat die Richter

bestochen allesamt,

Und so wird Margarethe

zum Henkerschwert verdammt.

 

Nach sieben Wochen Kerkers

betrat sie das Schafott,

befahl den Leib dem Henker

und ihren Geist zu Gott,

und rief: "So wahr ich schuldlos,

so sollen am Gestein

die Tropfen meines Blutes

stets unvertilgbar sein."

 

Drauf, als ihr Haupt gefallen,

da weinte Jedermann,

und sah mit scheelen Augen

den bösen Brauherrn an.

Von mancher Lippe traf ihn

des Mitleids frommer Fluch,

und wenig fehlte, dass man

ihn in sein Antlitz schlug.

 

Wolf stierte vor sich nieder,

und ward, vor Angst halbtot,

bald bleich wie eine Kalkwand,

bald wie ein Scharlach rot.

Ihm war durchs Mark gegangen

Margrethens letztes Wort,

scheu schlich er sich und zitternd

vom Hochgerichte fort.

 

Und als er heimgekommen,

da wich im ganzen Haus,

als wär' sein Oden giftig,

ihm das Gesinde aus.

Er hatte keine Ruhe

und keinen Frieden mehr,

und seine Tische blieben

von allen Gästen leer.

 

Und abends spät, da wirft sich

voll Angst der Bösewicht

im Hofe auf die Fliesen

beim Diebslaternenlicht,

und kratzt mit seinen Nägeln

und scheuert hin und her,

doch die drei blut'gen Tropfen

verschwinden nimmermehr.

 

Da hackt er mit der Hacke

die blut'gen Fliesen aus,

und trägt sie vor die Stadt weit

in einen Teich hinaus,

und legt sich dann zu Bette

so ruhig, als er kann,

doch im Gewirr der Träume

weht ihn Entsetzen an.

 

Und wie er morgens aufsteht,

und schaut zur Tür heraus,

da steht viel Volk und gaffet

wild lärmend auf sein Haus,

und Alles weist mit Fingern

aufs ob're Stockwerk hin

und ruft: Seht da, dort klebet

das Blut der Kellnerin!

 

Wolf hört es voller Grausen,

und tritt hinaus, und sieht

die blut'gen Flecken oben

am Erker, und entflieht

zurück ins Haus. Ein Hagel

von Steinen und von Kot:

verfolgt den argen Mörder,

und dräut ihm Schmach und Tod.

 

Er wirft ins Schloss die Haustür,

und stürzt, an jedem Sinn

vor Angst und Schreck vernichtet,

auf das Getafel hin.

Wohl ringt er sich ins Leben

zurück nach kurzer Zeit,

doch glost aus seinem Auge

des Wahnsinns Grässlichkeit.

 

Er schreit: "Schafft mir Margrethen,

schafft ihre Leiche her!

Wer will, wer kann es sagen,

dass ich der Mörder wär?

Die blut'gen Tropfen meint ihr?

Was kümmern diese mich?

Nun freilich ja, der Teufel,

auf Blut beruft er sich!"

 

So schreit und rast er grässlich

von früh bis in die Nacht,

und tobt und will's nicht dulden,

dass Jemand ihn bewacht,

und als einmal der Schlummer

den Wächter übermannt,

da würgt er ihn zu Tode

mit krampfigstarker Hand.

 

Drauf steigt er durch das Fenster,

und schmiegt im irren Sinn

auf schmalem Gurtgesimse

sich bis zum Erker hin,

und an den blut'gen Tropfen

dort kratzt und reibt er sich

die Nägel von den Fingern,

und winselt fürchterlich.

 

Ein Wächter kommt der Straße,

der sieht ihn oben steh'n,

und ruft ihn laut bei Namen;

da war's um ihn gescheh'n.

Er blickte um, und stürzte

herab mit lautem Schrei,

und schlug sich auf den Steinen

den Schädel morsch entzwei.

 

Im Armensünderwinkel.

des Kirchhofs war sein Grab,

dort ließ man ihn frühmorgens ·

ohn' Sang und Klang hinab.

Margrethens Leiche aber

am Galgen grub man aus,

und trug sie mit Gepränge

ins bess're Grab hinaus.

 

Am Wolfschen Hause wurde

die Tünche oft erneut,

doch die drei blut'gen Tropfen,

sie blieben allezeit,

bis dass vor hundert Jahren

das Haus ward neu erbaut,

so fest und schön und stattlich,

wie mans noch heute schaut.

 

2. Der Wolf im Dom zuAachen.

 

Im Aachener Dom zeigt man einen Spalt am einen Flügel des ehernen Tors, so wie einen aus Erz gegossenen Wolf und Tannenzapfen, welcher letztere, nach einem alten Volksglauben, der Seele eines Wolfs am ähnlichsten sein soll.

 

Was sollen wir beginnen?

Kaum halb vollendet steht der Bau

vor männiglich zur Schau

nun gilt's, was zu ersinnen! ––

Im Seckel unsrer Stadt ist bald kein Kreuzer mehr

und wenig gibts der frommen Spenden;

wo nehmen fürder Geld wir her,

um unsre Kirche zu vollenden?"

 

So sprach zu Aachens Senatoren

der Bürgermeister düster'n Blicks,

und diese, in Gedanken ganz verloren,

zu finden eine Spur des Glücks,

umstanden ihn, und – schwiegen

denn das sah Jeder, ohn' ein Salomo zu sein,

ganz klar und deutlich ein:

Gibt es kein Geld, so bleibt der Dombau liegen!

 

Und das geschah auch wirklich lange Zeit,

bis endlich noch mit selt'ner Freundlichkeit

ein reicher Gönner sich erbot,

dem Magistrat in dieser Not

die nöt'gen Gelder zu verleih'n,

bis dass der Bau vollendet würde sein.

 

Das Anerbieten selbst war annehmbar,

doch nicht der reiche Freund, denn dieser war

kein Andrer, als, Gott sei bei uns! der Teufel,

und die Bedingung, die er sich gemacht,

hat den hochweisen Magistrat,

der Luft zum Bau'n und keine Kreuzer hat,

aus aller Fassung fast gebracht.

"Ich schaff' euch Geld", so sprach der Fürst der Hölle,

"so viel zum Bau wird nötig sein,

wenn's euch beliebt, noch heute Nacht zur Stelle,

jedoch ihr müsst mir auch etwas verleih'n,

und meine Forderung, ihr Herren, ist gar klein:

Die erste Seele, die den neuen Dom betritt,

versprecht ihr mir gefälligst, und somit

find wir dann eins. Gewiss, ihr willigt ein?"

 

Hart klingt des schwarzen Gönners Wort,

und der hochweise Rat beschließt sofort,

das Anerbieten christlich abzulehnen.

Denn ob sie auch nach Geld sich sehnen,

scheint's ihnen gottlos doch zu sein,

und Alle sagen,

was sie gewiss sonst selten wagen,

einstimmig: Nein!

 

"Was wird nun aus dem Bau?

Zum Weiterbau'n nichts in den Händen

soll er die Stadt als Trümmer schänden?"

erwiderte der Teufel schlau.

"Wollt ihr die Schande wohl erleben,

dass das, was ihr so gross begründet,

durch euch nicht die Vollendung findet?

Ein Seelchen könnt ihr mir doch geben!"

 

Kommt Zeit, kommt Rat!

so dachte bei sich jetzt der Bürgermeister,

und der gesamte Magistrat

versprach dem Fürsten schwarzer Geister,

 was er sich ausbedungen hat.

 

Der schaffte Geld zur G'nüge nun herbei,

und gross und prächtig ward der Dom erbaut,

wie ihn bewundernd noch die Nachwelt schaut,

und Mancher fragte, wie das möglich sei.

Denn wer des Seckels Armut kannte,

dem war's ein Wunder, bis man ihm ins Ohr

den Gläubiger und die Bedingung nannte,

wobei er dann gewiss die Lust verlor,

der Erste, würde man die Kirche weih'n,

in ihr zu sein.

 

Den Teufel selbst, den schlauen, zu betrügen,

ist christliches Verdienst, und macht Vergnügen!

So dachte auch der Aachner Magistrat,

und sann und kalkulierte früh und spat,

wie er die zugesagte Seele

dem bösen Gönner wieder stehle.

 

Die Herren sinnen, dass sie schwitzen,

jedoch ob Einer auch den besten Rat

mit vieler Mühe sich ersonnen hat,

beim Aber der Kollegen bleibt er sitzen,

und was man sich ersinnt, ganz taugt es nicht,

bis plötzlich noch ein freundlich Licht

ins Dunkel der Besorgnis dämmert.

 

Just einen Wolf im Walde fing man ein,

der manchen Stall schon ausgelämmert,

der sollte nun das Opfer sein.

Um einen Wolf, ei, da ist's wenig Schade!

So dachte man, und flugs ward ohne Gnade

dem Wolfe der Prozess gemacht,

und drauf das arme Tier –– war das nicht hart?

zum Stadtfron in die Kost gebracht,

wo's um kein Quäntchen feister ward.

 

Als nun der Tag der Einweihung erschien,

und hoch vom Turm die neuen Glocken klangen,

da schmückte man den Wolf mit Kränzen von Jasmin,

und führte ihn, nicht ohne Bangen,

zum hohen Tor des Domes hin.

Zu beiden Seiten im Gedränge

stand harrend die neugier'ge Menge,

jedoch der Rat –– warum, das wisst ihr schon!

war nicht dabei und schickte nur den Fron.

 

Der öffnete das Tor, und stieß den Wolf hinein,

und sank, vor Schrecken ohne Oden,

in selbem Augenblick zu Boden,

denn –– brüllend fuhr der Teufel hinterdrein,

und fasste, was er sich bedungen hatte.

Er hält den Wolf in seiner Krallenfaust,

und heulte wütend: "Ha, was soll die Ratte?

Solch' Best ist kaum noch wert, dass mans zerzaust!

Wenn ich denn einmal so betrogen bin,

so lauf auch du zum Kuckuck hin!"

Somit ließ er die Bestie frei,

und fuhr mit grässlichem Geschrei

hinaus zum Dom, und warf in wilder Wut,

weil seine Arglist nicht gelang,

die Türe so gewaltig zu,

dass einer ihrer Flügel sprang.

 

Zum Zeichen, dass dies wirklich sei geschehen,

weist man noch bis auf diesen Tag

den Spalt am Kirchentore nach.

Auch jenen Wolf kann man noch sehen;

er steht, aus Erz geformt von Künstlerhand,

im Aachner Dome an der Wand.

 

 

3. Das Gesicht am Dom zu Breslau.

 

Hör mal, Junge, ich glaube gar, du beliebäugelst mein Mädel! Das käm' auf! Hast noch zwei Jahre zu lernen, musst dann hinaus in die Welt, wo der Wind dir rauher um's Näschen weht, musst noch viel sehen und hören, ehe du einmal Meister werden und ein Weib nehmen kannst. Ja, ja, sieh mich nur an, ist mir auch so gegangen, und wird noch Vielen so gehen! Ich war auch einst Lehrbursch, wie du, aber dass ich mich unterfangen hätte, mit der Meisterstochter zu scharmutzieren, da sei Gott vor! Hab' dirs schon lange angesehen; das Faseln und Faulenzen, das kommt von solcher unzeitigen Liebelei. Meinst du, die ehrsamen Meisterstöchter sitzen für die Lehrbuben da? Heinrich, Heinrich, lass mir das Mädel ungeschoren, oder der Teufel soll dir das Licht halten!

Mit dieser ernsten Weisung legte der wackere Goldschmiedemeister Frank in Breslau die Feile weg und verließ seine Werkstatt, um im Wohngemach den Morgenimbiss zu nehmen, den ihm seine einzige Tochter Mechtild bereitet hatte.

Nun richtete er, nachdem er einige Bissen unmutig verzehrt hatte, an sie seine Worte: Will die Jungfer heut nicht mit essen? Warum hängt sie das Köpfchen? Hat sie etwa gehört, wie ich den unreifen Freier zurecht gewiesen habe? Kann ihr ebenso gehen, wenn das Ding nicht bald anders wird. Erst siebzehn Sommer alt, und schon nach dem Mannsvolk geguckt! Pfui, Mechtild, schäme dich! Schlag dir das dumme Zeug aus dem Sinne! Ich habe dich lieb, und du brauchst nicht zu denken, dass ich hart gegen dich bin; wenn das deine selige Mutter wüsste, die würde mir beipflichten und wohl noch anders mit dir sprechen. Komm her! Nicht wahr, Mädel, du tust mir das nicht mehr zu Leid?

Mechtild weinte und reichte dem sorglichen Vater schweigend die Hand. Sie fühlte gar wohl, wie gut er es mit ihr meine, und dass er, als Meister und Vormund Heinrichs, über denselben eine strenge Aufsicht führen müsse. Auch dünkten ihr seine Scheltworte gegen den Lehrburschen nicht zu hart, denn dieser war gar ein lockerer Zeisig, dem lose Streiche lieber wären als Arbeit; aber es tat ihr doch wehe, wenn ihn der Vater so herunterschnitzte, dass kein gutes Härchen an ihm blieb, denn er war so ein hübscher, stattlicher Bursche mit schwarzen Augen und schwarzen Haaren und über sein Alter gross, der so schöne, freundliche Dinge zu reden wusste und gar grosse Stücke auf sie hielt. Darum, wie ernstlich sie sich auch vornahm, sich nicht mehr nach ihm umzusehen, es wollte gar nicht gehen; sie war ihm zu gut, als dass sie ihn hätte lassen, und wiederum auch dem Vater zu gut, als dass sie ihn hätte länger betrüben können. So schwankte ihr Herz zwischen Liebe und Pflicht.

Heinrich aber, der trotzige Lehrbursch, war entschlossener. Kaum war der Meister aus der Werkstatt hinaus, da warf er den Hammer grimmig in den Winkel, dass das Eisen vom Heft sprang. Es muss ja nicht sein! knirschte er, und ein buntes Gemisch von unsinnigen Plänen fuhr ihm durch den Kopf. Lange stand er da und sann; endlich hatte er den besten Weg gefunden. Er hob den Hammer wieder auf, steckte ihn wieder zusammen und arbeitete, tückisch vor sich hinblickend, bis zum Feierabend fort. Als aber der Meister nach der Abendmahlzeit in das Bierhaus gegangen war, da packte er heimlich seine sieben Sachen in ein Ränzel, das er seinem Meister entwandte, und trat reisefertig in die Wohnstube, um von Mechtild Abschied zu nehmen. Je, wo willst du denn hin? rief ihm diese entgegen. Hast ja keine Kundschaft, wo willst du Arbeit finden? So nimmt dich kein Meister; bleib' da, tu' uns das Leid nicht an! Sie bat wohl inständig, aber Heinrich sagte: Nein, Mechtild, mit dem Dableiben ist's nun nichts mehr! Glaubst du, ich soll mir von deinem Vater solche Grobheiten anhängen lassen? Nein, das, hat unser Einer nicht nötig. Ein Kerl, wie ich, kommt überall fort. Habe nur um mich keine Angst, und bleib' mir gut! Ich will's auch, so wahr Gott lebt! und wenn ich mir etwas Ansehnliches verdient habe, dann hol' ich dich nach und heirate dich! Mit diesen Worten zog er das weinende Mädchen an sich, küsste sie, stülpte dann den Hut recht pfiffig auf's rechte Ohr und ging.

Der Meister kam erst spät nach Hause, als Mechtild schon in ihrem Kämmerlein schlief, und erfuhr daher erst früh das Entweichen des Lehrlings. Ei, du böser Bube! rief er zornig, nun draußen werden sie dir schon das Näschen putzen! Schändlich! was werden die Leute sagen? Je nun, sie kennen mich und ihn! Vielleicht kommt er durch die Not zu Verstand. Aber was will er anfangen? Arbeit findet er nicht, also muss er betteln oder stehlen! Da mag sich Gott erbarmen! So sprach er, und ging kopfschüttelnd an seine Arbeit.

Indessen war Heinrich schon ein klein Stück Weges von Breslau weg, denn er war die ganze Nacht gelaufen. Das Reisen gefiel ihm; herumstreichen und Niemandem gehorchen, das war so seine Sache. Nur. schlimm, dass ihm die wenigen Reisepfennige bald ausgingen, und er nun an den Wirtshäusern möglichst rasch vorübereilen musste, um sich nicht durch Sehn sucht nach einem Kruge Bier und warmem Essen die Reiselust zu verderben, denn die Rüben; die er den Bauern vom Felde stahl, und die Beeren und Hagebutten, die er an den Straßenrändern auffand, reichten. nicht aus für die Forderungen seines Magens, der eine kräftigere Kost gewohnt war. Das bewog ihn endlich, die Meister in den Städten um Arbeit anzugehen. Aber überall frug man nach seiner Kundschaft, und da er solche nicht aufweisen konnte, so wies man ihn achselzuckend fort; ja hin und wieder ward er gar als Landstreicher vom Büttel zur Stadt hinausgebracht.

So irrte er planlos in der Welt umher, vom peinlichsten Hunger gequält, mit zerlumpten Kleidern und verwildertem Angesicht. Da endlich fand sich für ihn ein recht annehmbares Unterkommen.

Eines Morgens, als er unter einer alten Riesentanne von seinem Nachtschlafe erwachte, sah er sich von drei Männern umgeben, welche ihr wildes Ansehen und die blutrostigen Mordgewehre als Freibeuter bezeichneten. Erschrocken sprang er auf und bat um sein Leben so inständig und flehentlich, dass die drei schrecklichen Männer laut auflachten. Narr du, hub der eine an, dich tot zu schlagen, das lohnte sich wohl der Mühe! Wie kann dir das Leben noch gefallen, da du doch so verhungert und jämmerlich aussiehst? Dein Gesicht hat so einen eigenen Zug, der mich fast bewegen könnte, dir unsere Brüderschaft anzutragen. Was hast du für ein Handwerk? - Ein Goldschmied? Das ist gut, dich können wir brauchen. Willst du mit uns halten, so schlag' ein! Freudig, sich so freundlich behandelt zu sehen, schlug Heinrich ein und war das Mitglied einer zahlreichen und gefürchteten Räuberbande.

Zwei Jahre lang trieb er das schändliche Handwerk des Raubens und des Mordens, ohne dass ihm ein Gedanke der Reue zu Sinn kam, als die Gefangennahme und Hinrichtung der meisten seiner Genossen ihn aus den Freuden dieses sündigen Lebens herausriss. Flüchtig griff er wieder zum Knotenstock, das alte Ränzel voll von Raubgut. Was sollte er nun tun? wohin sich wenden?

Da dachte er an seine Mechtild, die alte Liebe ward wieder rege in seinem Herzen, und zwei Jahre älter und männlicher geworden, beschloss er nun, bei ihrem Vater um sie zu werben. Er kaufte sich flugs ein gutes Pferd, stattliche Kleider und einen feinen Mantelsack, darin er sein Geld verwahrte, warf das alte Ränzel von sich, und ritt so schnell, als das Pferd nur laufen wollte, nach der Vaterstadt zurück. Er erreichte sie an einem Spätabend. Vor seines ehemaligen Meisters Hause stieg er ab; Haustür und Laden waren bereits zu. Er band sein Pferd an die Tür und klopfte, und Mechtild öffnete. Als sie mit dem Messinglämpchen den staubbedeckten Reiter beleuchtete und ihren Heinrich in ihm erkannte, da schrak sie zurück. Heinrich! Du hier? rief sie mit gepresster Stimme und sah ihm lange starr ins Gesicht, bis sie der Heimgekehrte endlich bei der Hand fasste und sprach: Ja, Mechtild, Heinrich ist wieder da und hat dir viel zu erzählen. Ist dein Vater daheim? Mechtild verneinte es. Nun, umso besser! Komm herein! Mit diesen Worten führte er sie in das Wohngemach. Schmeicheleien und Lügen flossen von seinem falschen Munde, er schwatzte viel von seiner treuen Liebe, wie er oft sehnlich sich zu ihr gewünscht, und sein Herz sich um sie geängstet, und wie nur die Hoffnung, bei seinem guten Verdienste reich genug zu werden, um sie als Weib heimführen zu können, ihn getröstet hätte. Das arglose, liebende Mädchen glaubte Alles gern und schmiegte sich willig zu Kuss und Druck in seinen Arm, als es plötzlich heftig draußen pochte. Erschrocken fuhren die Liebenden auf, Keins wagte zu öffnen. Als sich aber das Pochen stärker wiederholte, und Mechtild sich rufen hörte und die Stimme ihres Vaters erkannte, da eilte sie hinaus und öffnete.