Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 3 -  - E-Book

Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 3 E-Book

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Beschreibung

In diesem Werk versammelt Widar Ziehnert die Sagen, Märchen und Legenden fast aller Orte und Städte des ehemaligen Königreichs Preußen auf eine angenehme als auch unterhaltende Art. Er erzählt, erklärt die jeweiligen Wahrzeichen, und benutzt dafür mitunter auch das Stilmittel einer Ballade. In diesem Band finden sich lange vergessene Erzählungen u.a. aus Berlin,Solingen, Naumburg, Magdeburg, Stendal, Freiburg, Köln, Wesel, Erfurt und vielen anderen Städten.

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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden

 

Band 3

 

WIDAR ZIEHNERT

 

 

 

 

 

 

 

Preußens Volkssagen, Märchen und Legenden Band 3, W. Ziehnert

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988682536

 

Druck: Bookwire GmbH, Voltastr. 1, 60486 Frankfurt/M.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1. Der Glockenguss zu Breslau.1

2. Die Damaszenerklingen in Solingen.4

3. Die Männchen in Allenstein. 8

4. Die Kartenspieler in Volberg. 11

5. Die Kapelle auf dem Petersberg.14

6. Die lachende Braut im Dom zu Naumburg.17

7. Die Verlobung unter der Erde in Bolkenhain.18

8. Der Edelstein.19

9. Der Bischof und die Katze in Merseburg.23

10. Schäfer, Knecht und Hund  am Dom in Magdeburg.24

11. Burg Rolandseck und Ritter Toggenburg.24

12. Die Glocke in Großmöringen bei Stendal.30

13. Das Marienbild am Schloss in Marienburg.31

14. Der Edelacker bei Freiburg.32

15. Das Nachtgesicht in Rathenau.34

16. Der Schlosser auf Kynsberg in Schlesien.34

17. Das Kind bei den Schätzen auf Karpenstein in der Grafschaft Glatz.35

18. Der verzauberte Kaiser im Kyffhäuser.37

19. Das Brautpaar im Kyffhäuser.38

20. Das Hummelschloss bei Glatz. 40

21. Die Drachenburg bei Königswinter,42

22. Der Perückenmacher im  Hausberg bei Hirschberg.46

23. Der magische Ring zu Calbe. 46

24. Die Opfer zu Wesel.47

25. Der Schlossberg bei Bütow.48

26. Die Jungfernmühle bei Bütow.49

27. Die Brahejungfrauen in Westpreußen.50

28. Die Geister des Zobtenberges in Schlesien.53

29. Der Pfaffensee bei Ehrbardorf54

30. Das Erdmännchen in Hardenstein. 55

31. Das Ritterschild in der Kirche zu Wittenwalde,56

32. Die Gründung Kreuznachs.56

33. Der Schmied auf Christburg in Preußen,57

34. Das Mädchen mit dem Dolch an der Moritzburg. 59

35. Der Loosberg in Aachen.60

36. Der Kutschenstein  am Falkenstein bei Fischbach. 62

57. Der Mönch zu Heisterbach.63

38. Das Rathaus in Erfurt.65

39. Der böse Hans vor Droßen.65

40. Die versunkene Orgel zu Bernsdorf.66

41. Reck von Volmestein.67

42. Das Kreuz in St. Marien zu Köln.68

43. Das Wappen der Schaffgotsche in Schlesien.69

44. Die Windeckswacht.71

45. Wehrstedt bei Halberstadt.72

46. Das stille Kind bei Erfurt.74

47. Frobens Denkmal bei Fehrbellin,74

48. Der Trunk aus dem Stiefel zu  Rheingrafenstein bei Kreuznach.75

49. Entstehung des Klosters  Steinfeld bei Altenahr,77

50. Albertus Magnus in Köln.79

51. Das seltene Gastmahl zu Köln.80

52. Der Ritter von Steklenberg bei Quedlinburg.86

53. Korporal Spohn zu Koblenz.89

54. Die Domburg bei Halberstadt.90

55. Das Rad im Wappen zu Mainz.92

56. Die Ruinen der Stolzenburg,93

57. Die versteinerten Tänzer bei Bergelau,94

58. Der Raubgraf auf der  Rudelsburg bei Naumburg.95

59. Die beiden Kreuze bei Prenzlau.99

60. Der Ochsenberg und Bruch bei Ursleben.100

61. Der Kiphäuser.101

62. Das Kloster am Gollenberg in Pommern.108

63. Der Liskateich bei Czeschhaus in Schlesien.109

64. Der Hautsee in Thüringen.109

65. Name und Wappen von Kosel,112

66. Kunigunde vom Kynast.113

67. Richmuth von der Aducht in Köln.118

68. Die Glocke im Dom zu Aachen.126

69. Die Hagelmacherinnen in Berlin.128

70. Der warnende Bauer bei Magdeburg.129

71. Die Jungfrau des Zobtenberges.130

72. Die Freischützen bei Paderborn,136

73. Der Prinzessinstuhl bei Fischbach.137

74. Die Wehmutter in Halle.139

1. Der Glockenguss zu Breslau.

War einst ein Glockengießer

zu Breslau in der Stadt,

ein ehrenwerter Meister,

gewandt in Rat und Tat.

Er hatte schon gegossen

viel Glocken, gelb und weiß,

für Kirchen und Kapellen,

zu Gottes Lob und Preis.

Und seine Glocken klangen

so voll, so hell, so rein:

er goss auch Lieb' und Glauben

mit in die Form hinein.

Doch aller Glocken Krone,

die er gegossen hat,

das ist die Sünderglocke

zu Breslau in der Stadt.

Im Magdalenenturme,

 da hängt das Meisterstück,

rief schon manch starres Herze

zu seinem Gott zurück.

Wie hat der gute Meister

so treu das Werk bedacht!

wie hat er seine Hände

gerührt bei Tag und Nacht!

Und als die Stunde kommen,

dass Alles fertig war,

die Form ist eingemauert,

die Speise gut und gar;

Da ruft er seinen Buben

zur Feuermacht herein:

« Ich lass auf kurze Weite

beim Kessel dich allein,

Will mich mit einem Trunke

noch stärken zu dem Guss,

das gibt der zähen Speise

erst einen vollen Fluss.»

«Duch hüte dich und rühre

Den Hahn mir nimmer an:

Sonst wär es um dein Leben,

Fürwitziger, getan.»

Der Bube steht am Kessel,

schaut in die Glut hinein:

das wogt und wallt und wirbelt

und will entfesselt sein.

Und zischt ihm in den Ohren

Und zuckt ihm durch den Sinn,

und zieht an allen Fingern,

ihn nach dem Hahne hin.

Er fühlt ihn in den Händen,

und hat ihn umgedreht;

da wird ihm angst und bange,

er weiß nicht, was er tät,

Und läuft hinaus zum Meister,

die Schuld ihm zu gesteh'n,

will seine Knie umfassen,

und ihn um Gnade fleh'n.

Doch wie er nur vernommen

des Knaben erstes Wort,

da reißt die kluge Rechte

der jähe Zorn ihn fort.

Er stößt sein scharfes Messer

Dem Buben in die Brust,

dann stürzt er nach dem Kessel,

sein selber nicht bewusst.

Vielleicht, dass er noch retten,

den Strom noch hemmen kann:

doch sieh, der Guss ist fertig,

es fehlt kein Tropfen dran.

Da eilt er abzuräumen,

und sieht, und wills nicht seh'n,

ganz ohne Fleck und Makel

die Glocke vor sich steh'n.

Der Knabe liegt am Boden,

er schaut sein Werk nicht mehr:

ach Meister, wilder Meister,

du stießest gar zu sehr.

Er stellt sich dem Gerichte,

er klagt sich selber an:

es tut den Richtern wehe

wohl um den wack'ren Mann.

Doch kann ihn keine retten,

denn Blut will wieder Blut.

er hört sein Todesurteil

mit ungebeugtem Mut.

Und als der Tag gekommen,

dass man ihn führt hinaus,

da wird ihm angeboten

der letzte Gnadenschmaus.

«Ich dank' euch,» spricht der Meister,

« Ihr Herren, lieb und wert;

doch eine and're Gnade

mein Herz von euch begehrt.»

« Last mich nur einmal hören

der neuen Glocke Klang:

ich hab' sie ja bereitet,

möcht wissen, ob's gelang!»

Die Bitte ward gewähret,

sie schien den Herrn gering;

die Glocke ward geläutet,

als er zu Tode ging.

Der Meister hört sie klingen

so voll, so hell, so rein;

die Augen geh'n ihm über,

es muss vor Freude sein;

und seine Blicke leuchten,

als wären sie verklärt;

er hat in ihrem Klange

wohl mehr als Klang gehört.

Hat auch geneigt den Nacken

zum Streich voll Zuversicht;

und was der Tod versprochen,

das bricht das Leben nicht.

Das ist der Glocken Krone,

die er gegossen hat,

die Magdalenenglocke

zu Breslau in der Stadt.

Die ward zur Sünderglocke

seit jenem Tag geweiht;

weiß nicht, ob's anders worden

in dieser neuen Zeit.

2.Die Damaszenerklingenin Solingen.

Du bist mir ein sehr wackrer, tüchtiger Gehilfe, den ich wert halte, aber meine Tochter kann ich dir nicht geben. So sprach ernst der Waffenschmied Stadlinger in Solingen (Kreisstadt im Düsseldorfer Regierungsbezirk an der Wipper) zu seinem Gesellen Severin Simmelputz, der um seine Tochter geworben hatte. Dieser war zwar durch eine so bestimmte Verneinung seines Herzenswunsches betroffen, wagte aber doch zu bemerken, dass er gern noch lange in seiner berühmten Werkstatt arbeiten möchte und, ob er wohl mit den Genfer Waffenschmieden umgehe, dennoch nicht calvinisch gesinnt sei, sondern als ein katholischer Christ leben und sterben wolle. Severins Bemerkungen waren nicht ganz erfolglos; denn Stadlinger sah nachdenkend eine Zeit lang starr vor sich hin, wie Einer, dessen Wünsche und Gedanken sich untereinander streiten und den Frieden nicht finden können. Endlich gab er wieder Rede: Severin, sprach er fast wehmütig, du bist wohl unter allen Waffenschmiedsgesellen unsrer Stadt einer der tüchtigsten, aber mir kannst du doch nicht helfen! Diese Äußerung des Meisters verriet Severin, dass jener etwas Wichtiges auf dem Herzen habe, und dies zündete in ihm den Funken neuer Hoffnung, endlich doch noch den Meister seinen Wünschen geneigt zu machen. Wenn mein Glück, sprach er zu ihm, auf dem Amboss liegt, lass ich es gewiss nicht dort liegen. Nun, so wisst es denn kurz, sagte der Meister mit schneidendem Ton, ich bin ein armer Mann! Kostspielige Versuche, Damaszenerklingen zu fertigen, haben mich um mein Vermögen gebracht, und doch ist es mir nicht gelungen, ob ich mich gleich dessen vor meinen Mitmeistern schon gerühmt habe. Mich kann nun nur ein reicher Schwiegersohn retten, dass ich meine Versuche fortsetzen kann, um mein Wort zu lösen und mit Ehren zu leben, oder zu sterben!

Das ist also die Bedingung, dachte Severin, von deren Erfüllung der Besitz der hübschen Waffenschmiedstochter abhängt, und um diesen zu erlangen, däuchte ihm Nichts zu schwer. Geld hatte er keins, um es in gewagten Versuchen durch die Esse zu jagen, und so versprach er, das Geheimnis an der Quelle zu erforschen, nämlich nach Damaskus zu reisen und dort so lange zu arbeiten, bis er die Kunst erlernt hätte. Da zuckte ein widriges, krampfartiges Lächeln um den Mund des Meisters! Geh, rief er einem Träumenden ähnlich Severin zu, geh nach Damaskus, und ein Jahr lang will ich dir meine Marie aufheben. Kommst du aber bis dahin nicht wieder oder bringst das Kunstgeheimnis nicht mit, so bin ich meines Wortes quitt. Geh und triff bald Anstalten zur Reise.

Severin verließ seinen Meister und eilte zur Kirche, aus der eben die andächtige Menge, welche die Christmetten (es war 1561) gefeiert hatte, nach Hause wallte. Unter ihnen war auch Maria, die Severin bei der Hand ergriff und sie seitwärts der Kirche zu dem Grab ihrer Mutter führte, um ihr dort zu erzählen, wie unglücklich die Brautwerbung bei dem Vater abgelaufen und welch' eine weite, gefahrvolle Reise er zu tun willens sei. Maria hörte des Geliebten Worte mit der Miene und Empfindung einer Verbrecherin, der ihr Todesurtheil gesprochen wird, und weinte. Severin sprach ihr Trost zu, obgleich er selbst dessen nötig hatte, denn die Trennung von Maria lag schwer auf seiner Seele. Nochmals versprachen sie einander treue Liebe, umarmten sich und empfahlen sich gemeinschaftlich dem Schutz Gottes.

Ja, Gott segne euch und eure Liebe! rief es plötzlich in feierlichem Ton hinter ihnen, und Severin und Maria fühlten eine Hand auf ihrem Haupte. Verwundert und ergriffen von dem unerwarteten Segenswunsch sahen sie auf, und ein Greis im schwarzen Rittergewand stand bei ihnen. Maria überfiel bei seinem Anblick ein heimliches Grauen, denn des Fremden Auge blickte wie das eines Toten.

Fürchtet euch nicht vor mir, Jungfrau, sprach der Fremde ihr tröstend zu; für euch aber, wandte er sich zu Severin, hab' ich Hilfe, wenn ihr sie annehmen wollt. Als dieser durch Mienen und Gebärden seine Sehnsucht nach Hilfe kundgegeben, fuhr Jener fort: Wandert in der Mitternacht des Silvestertages. mitternachtswärts hinunter an dem Ufer der Wipper in den Wald, so weit, bis ihr einen Turm und auf ihm eine brennende Fackel erblickt. Steht ihr vor der Pforte des Turmes, so ruft den Namen Johannes, und sie wird sich euch austun, und ihr werdet dort lernen, weshalb ihr nach Damaskus reisen wollt.

Das Anerbieten war zu lockend, als dass es Severin hätte gleichgültig anhören können; aber der geisterhafte Anblick des Fremden machte ihn doch bedenklich, und er konnte sich der Frage an ihn, ob er ein Waffenschmied sei, nicht enthalten. Wohl hab' ich, entgegnete dieser ernst, in meinem Leben viel Waffen geschmiedet gegen mich selbst! Indem ich dir helfe, will ich mir Ruhe gewinnen. Kommst du? Severin blickte bald auf Maria, die er gern sein nennen wollte, bald auf den Fremden, der ein grausiges Ansehen hatte, und war verlegen um eine bestimmte Antwort. Nun, wenn du nicht willst, sprach trotzig der Fremde, so lass es. Nein, fuhr er nach einigen Sekunden sich selbst besänftigend fort, lass es nicht, dann bleibst du bei deiner Marie! Willst du sie, so folge meinem Rat. Mit diesen Worten wandte er sich zum Fortgehen. Severin sah es, wie ein Schlag durchfuhr es sein ganzes Wesen, tief atmete er auf und rief: Ich komme! Bei diesen Worten war Maria einer Ohnmacht nahe, denn sie fürchtete, dass ihr Geliebter sich mit dem Bösen eingelassen habe.

Beide verließen nun den Kirchhof und gingen nach ihrer Wohnung, Severin voll Gedanken über sein neues Verhältnis und dessen vermutliche Folgen, und Marie ängstlich zwischen Furcht und Hoffnung schiwebend. Viel wollten sie sich sagen und der Mund blieb stumm, aber die Festgottesdienste besuchten Beide fleißig und beteten Jedes für sich und das Andere. Schneller, als sie glaubten, waren die letzten Tage des Jahres vergangen und der Silvesterabend, der es beschließen sollte, fing an zu dunkeln. Es tonte die neunte Stunde vom Turme; da nahm Severin sein Kruzifix und ging vor des Meisters Haus, um noch einmal Marien zu sehen und zu sprechen. Er hörte sie in lebhaftem Zwiegespräch mit ihrem Vater und wagte nicht, dieses zu unterbrechen, besonders da er einige Male seinen Namen nennen hörte, und trat nicht ohne Ban gigkeit den verhängnisvollen Weg an, von dem Winter mit einem leichten Schnee bedeckt, der in dem klaren Sternenlichte freundlich glänzte. Severin empfahl sich Gott und seinem Schutzheiligen und schritt ernst und entschlossen am Wasser hin dem Walde zu, und er erblickte den Turm, den er bereits am Tage zu finden sich vergeblich bemüht hatte, und auf seiner Spitze die düster qualmende, Fackel. Vor der Pforte angekommen, wollte er Johannes rufen, aber die Stimme versagte und seine Kehle war ihm wie zugeschnürt. Nach mehreren vergeblichen Versuchen legte er sein Kruzifix an das Turmtor und rief kräftig Johannes, und schauerlich hallte der Ruf in den wilden, zerrissenen Steingeklüften wieder. Das Tor öffnete sich, er trat ein und der Alte vom Kirchhof, mit entblößtem Haupt und einem großen Buch unter dem Arm, hieß ihn willkommen und führte ihn in eine vollständig eingerichtete Waffenschmiede. Severin folgte etwas zögernd, weil er fürchtete, dass er das ersehnte Geheimnis mit seinem Seelenheil erkaufen müsse, und wagte endlich auch seine Besorgnis auszusprechen. Der Alte lachte und stellte es ihm frei, in wessen Namen er die Waffen schmieden wolle; doch riet er ihm, es im Namen Gottes zu tun, und bei jedem Schlag seine Heiligen anzurufen! Severin nickte diesem Rat Beifall zu. Darauf schlug der Alte mit einem Stab in die Kohlen auf dem Herd, und hochauf loderte die Flamme; dann zeigte er seinem aufmerksamen Lehrling genau, wie er die Elemente benutzen müsse, um seine Absicht zu erreichen. Severin folgte sorgfältig der Anweisung seines Lehrers, und nach wenig Minuten glänzte in seiner Hand eine der schönsten Damaszenerklingen, die er je in seinem Leben gesehen hatte, und Freude leuchtete aus seinem ganzen Wesen. Wie soll ich euch nun danken? fragte er den Alten. Wer seid ihr? dass ich eurer stets als meines größten Wohltäters gedenke.

Mit düsterem Ernst beantwortete der Greis Severins Fragen: Schon seit Jahrhunderten zählen mich die Menschen zu den Toten, ich bin tot und Lebe noch! Geht mit euerm Gott, und wenn ihr Hilfe braucht, denkt an mich; ich heiße Johannes Faust. Bei Nennung seines Namens schlug er wieder mit dem Stabe in die Flamme, und Rauch und Dampf erfüllten die Werkstatt so, dass Severin das Freie suchen musste. Hier schüttelte es ihn wie einen Fieberfrostigen, und den aufgegangenen ersten Morgen des neuen Jahres schauend, wähnte er einen schweren Traum geträumt zu haben, aber noch fest in der Hand hielt er die herrliche Damaszenerklinge. Mit dieser eilte er nun zu seinem Meister, um ihm, wie er hoffte, eine große Neujahrsfreude zu bereiten. Freundlich begrüßte ihn Maria, finster aber der Meister, und als dieser nun die herrliche Klinge sah und die Geschichte ihrer Entstehung gehört hatte, und Severin ihm versicherte, dass er deren nun tausende machen wollte, wechselten in seinem Gesicht die Glut des Zornes und die Blässe des Neides schnell miteinander. Er hatte seine beste Lebenszeit und Kraft, hatte sein Hab' und Gut und seine Ruhe vergeblich geopfert, um solche Klingen fertigen zu können, und diesem jungen Gesellen muss es ein Geister spuk ungesucht und ohne Mühe offenbaren Gedanken konnte Meister Stadlinger nicht ertragen. Severin, Marie an der Hand haltend, suchte ihn zu besänftigen, und sie baten um seinen Vatersegen zu ihrer Liebe. Bist du, fragte der Meister, dessen Zorn sich in Hohn verwandelte, schon in Damaskus gewesen? So, wie du, halte ich auch Wort. Da schlugen die beiden Liebenden die Augen nieder und Maria weinte. Meister Stadlinger hatte seine Tochter lieb und achtete Severin als einen ehrlichen, tüchtigen Gesellen, und stellte daher nach einer langen Pause, während er mit hastigen Schritten auf und abging und oft seine Stirne rieb, Beiden eine Bedingung, unter der er ihre eheliche Verbindung gestatten wolle, dass nämlich, so lange er lebe, Niemand in Solingen mit der Kunst, Damaszenerklingen zu fertigen, auftreten, ja dass Severin selbst keine machen, sondern diese Kunst erst seinem Sohn lehren und dieser solche erst ausüben dürfe. Severin und Maria gingen diese Bedingung ein und haben sie redlich gehalten, und so wahr Severins Sohn Peter der erste in Deutschland, der Damaszenerklingen verfertigte.

3. Die Männchen in Allenstein

Allenstein an der Alle, Kreisstadt im Regierungsbezirk Königsberg. Sie ist alt und die Sage von ihren Männchen gehört in die frühe Märchenzeit.

Hört ihr Frauen, die Geschichte,

die in Allenstein gescheh'n;

sie ist lehrreich, darum lasset

sie euch recht zu Herzen gehen,

dass euch, ihr seid alt genug,

mache fremder Schaden klug.

Seit uralten Zeiten wohnte

in dem Städtchen Allenstein

ein Geschlecht von Geistermännchen,

viel an Zahl und Körperlein.

Diese hat man oft geseh'n

Haus für Haus im Städtchen geh'n.

Was sie aber allda trieben

wusste niemand, weil sie gern

ihr Geschäft im Stillen übten,

waren anspruchslose Herrn.

Männer, die bescheiden sein,

gehen zuweilen gern allein.

Schellendorf, der in dem Städtlein

jetzt ein reicher Ratsherr war,

hatt' ein wunderbares Weibchen,

älter nicht als zwanzig Jahr.

Gut war sie wohl ihrem Mann,

aber sah auch –– andre an.

Einst bei Abenddämmerlichte

saß sie in dem Schlafgemach

noch am Bett allein und dachte

über ihre Ehe nach.

diesen denn sie wollte immer seh'n

jeden Weg, den Männer geh'n.

Und das ist doch rein unmöglich,

einmal, weil's nicht möglich ist,

ferner, weil dadurch entstünde

 mancher Argwohn, mancher Zwist.

Allzu viel seh'n, wahrlich,

tut nimmer in der Ehe gut.

Nun es sei drum, wie es wolle

als die Frau saß ohne Licht,

krabbelt's an der Stubentüre;

sie will schrei'n –– doch kann sie nicht

und herein tritt eine Schar

kleiner Männlein Paar für Paar!

Graue Röcke, spitz'ge Hüte

war gemeinsam ihre Tracht,

und an jedem Hut war oben

ein Laternchen angebracht,

und darin ein Lichtchen noch,

das sehr stark nach Schwefel roch.

Jedes Männchen führt am Arme

ein geputztes, kleines Weib,

und es schien, als ob ein Tänzchen

solle sein ihr Zeitvertreib.

Auf die Schellendorferin

sah'n die Männlein finster hin.

Diese hält sich vor die Augen

schnell die Hände, aber breit,

dass sie durch die Finger sehen

kann der Männlein Zärtlichkeit;

und das machte sie sehr klug,

denn sie sah noch genug.

Und die Männlein waren munter,

kosten zärtlich Paar für Paar,

weil sie glaubten, dass nun Niemand

Zeuge ihrer Freude war:

durch die Finger seh'n ist klug;

Frauen, ihr seht noch genug!

Plötzlich trat der Männchen Eines

zürnend zu der Ratsherrnfrau,

deren Lauschen er bemerkte,

trotz der klugen Finger Bau,

und befahl ihr: Mach' im Nu

deine Schelmenaugen zu.

Diese aber lachte heimlich

und schloss ihrer Augen Licht

vor der Männlein Scherz und Kosen,

dem Verbote trotzend, nicht.

Drauf das Männlein ernster:

Du, mache deine Augen zu!

Doch der Geist des Widerspruches

ließ sie sehen frank und frei;

da erzürnt das Männchen, rufte

schnell ein anderes herbei

und befahl ihm: Mach' im Nu

diese hellen Fenster zu!

Der Geruf'ne blies dem Weibe

in die Augen Schwefelhauch,

und ihr Augenstern –– verlöschte,

ihr Gesicht umflorte Rauch.

Eine Blinde –– kann sie nun

nimmer schau'n der Männer Tun!

Frauen, lernt aus der Geschichte:

Mögen eure Männer geh'n

wohin müsst ihr durch die Finger seh'n;

und tun, was sie wollen,

oder, liebt ihr Fried' und Ruh',

drückt gleich beide Augen zu!

4. Die Kartenspieler inVolberg

an der Sülz, im Mühlheimer Kreis des Regierungsbezirks Köln. Man zeigt daselbst noch heute ein Haus mit einem zerbrochenen Fenster, an dem jede Reparatur, jeder Neubau vergeblich ist. Die Ursache davon erzählt folgende Sage:

Schon vor mehreren Jahrhunderten war das Kartenspiel in den langen Winterabenden ein Lieblingsvergnügen der Bergischen Landleute. Dagegen eiferten die Geistlichen des Klosters Rösrath gar heftig und stellten zur Warnung Beispiele auf, wo der Satan, der das Kartenspiel erfunden habe, dadurch die Menschen zu allen Lastern verleite und mit sich in die Hölle führe! Einige achteten auf diese ernsten Abmahnungen, vier Volberger Bauern aber lachten darüber und spielten Tag und Nacht so eifrig, dass Viele sie vom Teufel besessen glaubten!

Eines Abends fehlte zu ihrem Spiel der vierte Mann, denn Einer ihrer Spielgenossen lag daheim todkrank. Da hatten die drei Andern grässliche Langeweile, tranken mehr als sonst Branntwein, fluchten und lärmten, dass ihnen der Teufel den vierten Mann schaffen möchte, und dieser fand sich unerwartet.

In einer dunkeln Ecke der Schenkstube saß ein Fremder, der ein Jäger zu sein und die Bauern gar nicht zu beachten schien. Diese aber bekamen Lust, ihn zu ihrem Kartenspiel einzuladen. Das suchte der Wirt zu wehren, denn er hielt den Fremden für einen reichen Junker, weil er eine Flasche Wein gefordert und sie mit einem Goldstück bezahlt hatte. Aber die schon halb betrunkenen Bauern ließen sich dadurch nicht abhalten, den Fremden freundlich, so gut sie es mit schon stammelnder Zunge vermochten, zum Spiel einzuladen. Dieser erwiderte, dass er leidenschaftlich gern spiele und es auch jetzt tun würde, wenn er nicht befürchtete, dass sie bald aufhören und nach Hause gehen würden, was ihm dann unangenehm wäre; denn wenn er einmal zu spielen anfange, pflege er nicht sobald wieder aufzuhören. Die Bauern versicherten, dass er das nicht zu befürchten habe, denn sie pflegten bei dem Spiel bis an den hellen lichten Morgen auszuhalten, und, als der Fremde auch in diese Zusicherungen noch Zweifel setzte, fluchten sie, dass sie der Teufel holen sollte, wenn sie zuerst aufhörten. Nun, wenn das ist, sagte der Fremde, will ich mit euch spielen; es gilt also euer Wort: « Wer zuerst aufhört, den soll der Teufel holen!» Es gilt, schrien die Bauern, und sie setzten sich zum Spiel. Da erhob sich auch der vermeintliche Junker aus seinem Winkel und trat zum Licht. Die spielsüchtigen Bauern waren froh, dass sie den vierten Mann gefunden hatten, und kümmerten sich nicht um sein Äußeres. Der Wirt aber betrachtete es genauer, und es wollte ihm gar nicht gefallen; denn die Gestalt war lang und hager, das Gesicht hatte eckige, höhnische Züge, ein Auge war mit einem Pflaster, bedeckt und das andere hatte einen grauen widrigen Glanz, die Nase war lang, spitzig und rot wie ein gesottener Krebs; auf dem Kopfe trug er einen seegrünen Hut mit einer roten Hahnenfeder, den er, ob es gleich sehr warm in der Stube war, nicht ablegte. Der Junker setzte sich also mit an den Spieltisch, zog eine eigene Karte aus der Tasche und das Spiel begann. Die übrigen Gäste und Hausgenossen verließen nach und nach die Stube und nur der Wirt blieb bei den Spielern sitzen. Anfangs spielten sie nur um Pfennige, als aber diese alle die Bauern gewonnen hatten, um Goldstücke, welche ebenfalls den Bauern wieder zufielen, die sich vor Freude darüber nicht zu lassen wussten; und so geschah es, dass Einer von ihnen beim Einstreichen des reichen Gewinnes eine Karte unter den Tisch fallen ließ. Schnell zündete der Wirt einen Kienspan an, um sie zu suchen. Er fand sie, warf sie aber mit einem entsetzlich gellenden Ach! auf den Tisch und stürzte fast atemlos aus der Stube. Die Bauern, obgleich betrunken und spielwütig, wurden doch durch des Wirts Geschrei und Flucht so erschreckt, dass sie fast ihr Versprechen vergessen hätten und ihm nachgeeilt wären, wenn der fremde Junker nicht ruhig fortgespielt und überhaupt die mindeste Bestürzung gezeigt hätte. Sie blieben; aber wie wurde ihnen zu