Professor Zamorra 1327 - Raymond Haffner - E-Book

Professor Zamorra 1327 E-Book

Raymond Haffner

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Beschreibung

Der Schrei verlor alles Menschliche, verwandelte sich in ein Grollen, wurde lauter und lauter und ließ schließlich die Terrasse erbeben. Mit Entsetzen beobachteten sie, wie sich der Zmej veränderte. Die einst menschliche Gestalt wuchs schnell an, brach aus dem fest gewordenen Marmor hervor, richtete sich auf und brüllte dabei ohrenbetäubend. Vor ihnen wuchs der Drache in die Höhe ...


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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Der Gottkaiser

Leserseite

Vorschau

Impressum

Der Gottkaiser

von Raymond Haffner

Auf der abgeflachten Spitze einer sechsseitigen Pyramide saß der Gottkaiser: ein gehörntes Monstrum mit roter schuppiger Haut, gefletschten nadelspitzen Zähnen und großen gefiederten Schwingen.

Als die ehrfürchtigen Neuankömmlinge vor dem Thron Halt gemacht hatten, erhob sich der Gottkaiser und breitete die Arme aus.

»Kreaturen, die ihr aus allen Winkeln der Galaxis an meinen Hof gebracht wurdet, seid willkommen«, sagte er und fletschte die Zähne. »In den nächsten Tagen oder Wochen wird es hier in meinem Palast eine blutige Hatz geben. Und ihr, die von mir auserwählten Kreaturen dieser Galaxis, werdet die Opfer sein!«

Irgendwo in Bulgarien

Nicole gab Professor Zamorra ein Handzeichen und drückte sich neben der Tür gegen die Wand. Er nickte und tat es ihr gleich. Nicoles Warnung wäre gar nicht notwendig gewesen, denn in diesem Moment erwärmte sich Merlins Stern, das Amulett, das Zamorra um den Hals trug. Die Quelle der schwarzen Magie kam näher.

Wir sind ganz nah dran, dachte er.

Nicole sah ihn erwartungsvoll an und strich sich eine Strähne aus der verschwitzten Stirn. Nicht nur die Temperatur von Merlins Stern nahm hier unten zu – auch die Luft wurde immer drückender und heißer, je weiter sie in die Tiefen der unterirdischen Anlage vordrangen. Trockene Hitze, wie sie von manchen großen Maschinen ausgehen mochte, erschwerte das Atmen. Und da war noch etwas in der Luft: eine Ahnung von Schwefeldioxid, stechend und säuerlich – ein Gas, das Fabriken und Kraftwerke auf der ganzen Welt in die Atmosphäre bliesen, aber auch ausbrechende Vulkane, und nicht zuletzt: Drachen. Oder Zmej, wie man sie hierzulande nannte.

Es war Zeit. Der Kampf stand kurz bevor.

Zamorra öffnete die schwarze Ledertasche, die er über der Schulter trug und holte zwei Gasmasken hervor. Eine davon reichte er Nicole. Als nächstes kam ein Paar Handschellen zum Vorschein. Sollten sie im Kampf durch den Druck einer Detonation durch die Luft geschleudert werden, durften sie sich nicht voneinander entfernen. Verloren sie Körperkontakt, konnte Zamorra Nicole nicht mehr mit der Magie des Amuletts schützen. Und Drachen waren meisterliche Schwarzmagier.

Mit einem Klicken schlossen sich die Handschellen. Zamorras linke und Nicoles rechte Hand waren nun miteinander verbunden. Durch die Gasmasken sahen sie einander an und nickten sich zu. Dann betraten sie die nächste Halle.

Im Gegensatz zu den Räumen und Gängen, die sie zuvor durchschlichen hatten, wies dieser Saal keinerlei Ähnlichkeit mit einer Tiefgarage, einem Lagerhaus oder einer U-Bahn-Baustelle auf. Korinthische Säulen stützten eine mit kunstvollen Fresken bemalte Decke, die man im Schein der wenigen Gasfackeln allerdings nur undeutlich erkennen konnte. Weite Teile der Halle lagen im Dunkeln. Trotzdem konnten Zamorra und Nicole marmorne Wände und Statuen erkennen, Wandteppiche und in Gold gerahmte Gemälde, mit Edelsteinen besetzte Vasen, und, auf einem Podest, ein weinrotes Auto, das Zamorra zufällig erkannte: ein Rolls-Royce, Modell »La Rose Noire Droptail«, das teuerste Auto der Welt. Sie waren dem Drachenhort ganz nah.

Auf leisen Sohlen durchquerten sie die Halle und näherten sich einer weit offen stehenden Pforte, durch die, dem Luftzug folgend, dünne, träge Rauchschwaden herauszogen. Dort angekommen drückten sie sich an einen der beiden schmiedeeisernen Torflügel und blickten durch den weißen Rauch in einen noch viel größeren Saal.

Vor ihnen führte eine marmorne Freitreppe in die Tiefe und verschwand dort in einem Berg aus Münzen, Kleinodien, Artefakten und Edelsteinen. Die Wände der Halle waren mit Ölgemälden geradezu übersäht; von hohen Balustraden hingen schwere Banner aus Seide und Brokatstoff herab. Das Licht gewaltiger Kornleuchter wurde von titanischen Säulen zurückgeworfen, die allesamt mit Blattgold überzogen waren. Auf Bergen von Kostbarkeiten standen weitere Luxusautos, außerdem Kleinflugzeuge, eine Jacht und ein Panzer.

Inmitten dieses irrsinnigen Chaos aus Reichtum befand sich eine große, kreisrunde Freifläche. Dort standen sich Einrichtungsgegenstände, die gut in die Villa eines Tech-Milliardärs gepasst hätten. Sie wirkten im Vergleich zu ihrer Umgebung beinahe schlicht. Man konnte ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer erkennen. Was fehlte, waren Wände. Auf einer Art Terrasse saß ein Mann in einem grünen Sessel und wurde gerade porträtiert. Das war der Drache, daran hatte Zamorra keinen Zweifel. Zamorra meinte den Angstschweiß des alten Malers von seinem Versteck aus erkennen zu können, auch wenn der dafür natürlich viel zu weit weg war.

Neben dem Drachen stand eine nackte Frau mit einem Tablett. Weder der Maler noch die Frau trugen Gasmasken. Sie befanden sich in einer von dem Drachen geschaffenen Blase aus halbwegs frischer Luft. Zamorra und Nicole würde ihre Masken auf jeden Fall aufbehalten; der weiße Rauch um sie herum ließ keinen Zweifel daran, dass die Ausdünstungen des Drachen sein Domizil für Menschen hochgiftig machten.

Zamorra nahm Nicole bei der Hand, und gemeinsam schritten sie die Freitreppe hinab.

Durch ein gewundenes Tal, das zwischen den Bergen aus Luxus hindurchführte, durchquerten sie anschließend den Drachenhort. Dabei wurde es um sie herum immer heißer. Merlins Stern brannte Zamorra auf der Haut, bis er die Warnfunktion des Artefakts unterbrach. Er wollte keine Energie verschwenden.

Zwischen all den Kostbarkeiten erkannten sie nun auch Knochen und andere menschliche Überreste. Ein mit kunstvollen Intarsien versehener Schrank aus Ebenholz war umgestürzt und zerborsten. Das Holz war in Blut getränkt, Fetzen aus Fleisch, Knochen und Kleidungsstücken bedeckten das uralte Möbelstück. Wahrscheinlich hatte der Zmej hier vor nicht allzu langer Zeit gespeist – nicht in menschlicher, sondern in Drachengestalt.

Plötzlich hörte Zamorra ein Stimme in seinem Kopf: »Professor. Wie schön, dass Sie mir in meinem bescheidenen Anwesen einen Besuch abstatten.«

Sofort ließ Zamorra seine Kraft in Merlins Stern fließen. »Verziehen Sie sich aus meinem Kopf. Ich bin gleich bei Ihnen«, erwiderte er in Gedanken. Dann schlug er den telepathischen Vorstoß energisch zurück.

Nicole sah ihn fragend von der Seite an. Sie hatte gespürt, dass er ihre Hand plötzlich fester gepackt hatte.

»Er weiß, dass wir kommen«, erklärte Zamorra, ohne ihren Blick zu erwidern.

Mit der freien Hand umschloss Nicole ihren Dhyarra, jenen blau funkelnden Stein, den sie an einer Kette um den Hals trug. Mit der Kraft des Dhyarras konnte sie ihre Gedanken Wirklichkeit werden lassen – auch wenn das gerade in einem Kampf höchste Konzentration und Selbstdisziplin erforderte.

Der Rauch wurde dichter und dichter, kroch über Wege aus Gold und Edelsteinen und hüllte sie schließlich vollständig ein. Nicole hatte bald die Orientierung verloren, aber Zamorra zog sie weiter. Sie passierten zwei riesenhafte Statuen aus schwarzem Marmor, die bärtige Ringer darstellten, sahen die Scheinwerfer eines alten Aston Martin durch den Qualm leuchten und tauchten plötzlich völlig unvermittelt aus alledem wieder auf. Die letzte Wand aus Rauch öffnete sich vor ihnen. Sie befanden sich nun auf dem freien Platz in der Mitte des Saales. Hier war die Luft allem Anschein nach noch immer klar und ungiftig.

Ein ganzes Stück entfernt saß der Drache auf seinem Sessel und ließ sich porträtieren. Er machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu ihnen umzudrehen.

Zamorra und Nicole hielten für einen Moment inne.

Dass die eigenartige Behausung des Drachen über keine Wände verfügte, gab ihr den Anschein einer Theaterkulisse. Auf dem großen Fernseher, der im Wohnzimmer stand, waren Aktienkurse zu sehen.

Ohne einander loszulassen, gingen sie weiter, um einen Swimming Pool herum, eine kleine Treppe hinauf, zur Terrasse. Erst jetzt zeigte der Drache, dass er ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm. Mit einem Wink bedeutete er dem Maler, sich zurückzuziehen. Der Mann war kreidebleich, verbeugte sich so tief er konnte und lief unter weiteren Verbeugungen rückwärts, bis zu einer Treppe, die scheinbar in ein Untergeschoss führte. Mit schnellen Schritten verschwand er aus dem Blickfeld.

Die Nackte trat unterdessen an Zamorra und Nicole heran und bot ihnen Champagner an.

»Besten Dank, aber nein.« Zamorra hob die freie rechte Hand. »Ich würde ja gerne, aber die Maske lasse ich lieber an, wenn es dem Hausherrn nichts ausmacht.« Mit diesen Worten blickte er an der Frau vorbei zum Drachen.

Der Zmej erhob sich nun betont langsam aus seinem Sessel. Er hatte ein kantiges Gesicht von einer seltsam unmenschlichen Attraktivität, die an das Werk einer generativen AI erinnerte. Sein anthrazitfarbener Anzug saß perfekt.

»Professor Zamorra«, sagte er nun mit einem schlangenartigen Lächeln. »Sie sind so misstrauisch. Aber ich werde Sie nicht drängen. Auf jeden Fall weiß ich es zu schätzen, dass Sie die weite Reise zu mir unternommen haben. Sie sind natürlich mein Gast. Bleiben Sie so lange Sie möchten.«

Zamorra nickte knapp. »Ich bedanke mich in aller Form für Ihre Gastfreundschaft, auch wenn der viele Rauch es nicht einfach gemacht hat, bis zu Ihnen vorzudringen. Ich habe doch ein wenig den Eindruck bekommen, Sie hätten auf meinen Besuch lieber verzichtet.«

Der Zmej machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich bitte Sie, Professor. Sie wissen doch, dass diese Gifte für mich so wohltuend sind wie für Sie eine kühle Brise am Meer oder der Duft frisch gemähten Grases. Aber hier,« mit diesen Worten breitere er die Arme aus, »hier kann Ihresgleichen frei atmen. Mir kann niemand nachsagen, dass ich den Austausch mit Menschen und anderen niederen Wesen scheuen würde. Sie sind mir alle willkommen, solange sie sich respektvoll verhalten.«

»Die meisten Menschen der Gegend haben Sie zu Sklaven gemacht«, stellte Zamorra kühl fest.

»Sie klingen so vorwurfsvoll.« Der Zmej runzelte die Stirn. »Das sind nur einfache Arbeiter und Bauern – keine Intellektuellen, mit denen sich zu sprechen lohnen würde. Sie wollen sich mit diesen minderen Wesen doch sicherlich nicht auf eine Stufe stellen, oder Professor?«

»Sie und ich – wir haben eine sehr unterschiedliche Sicht auf die Welt«, meinte Zamorra, ohne die Frage zu beantworten. »Und ich weiß, dass Sie sich über ein Vierteljahrtausend damit zufrieden gegeben haben, dass die Zeiten sich ändern und dass Sie keine Herrschaft mehr über Menschen ausüben können, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.«

Der Drache lachte. »Rechenschaft? Sie amüsieren mich, Professor. Wer sollte mich denn zur Rechenschaft ziehen? Sie wissen doch genau, was sich in den letzten Jahren alles verändert hat. Die von den Menschen so gefürchteten und doch gleichfalls herbeigesehnten dunklen Kräfte, die vor langer Zeit die Geschichte der Welt bestimmt haben, kehren zurück. Ich weiß sehr gut, dass die Zeiten sich ändern. Ich habe das damals erkannt. Und ich erkenne es auch heute. Lange bin ich geduldig gewesen. Aber ich muss es nicht mehr sein. Mich wird niemand zur Rechenschaft ziehen, denn die Welt wird neu aufgeteilt, und ich fordere ein, was mir zusteht.«

Zamorra schüttelte den Kopf. »Mit Verlaub, wir sind gekommen, um Sie zur Rechenschaft zu ziehen, wie Sie sehr wohl wissen.«

»Wir?« Der Drache tat verblüfft. »Wer ist das: wir?« Zum ersten Mal sah er Nicole direkt an, als habe er sie erst jetzt bemerkt. »Sie meinen die Frau? Ich war fest davon ausgegangen, es handle sich bei ihr um ein Gastgeschenk an mich. Sollte ich mich in Ihnen getäuscht haben? Ich dachte, Sie seien ein Mann, der weiß, was sich gehört.«

»Sie sind ziemlich frech«, sagte Nicole, ohne dabei die Stimme zu erheben.

Wieder lachte der Drache. »Ich sehe schon, Professor, diese Frau ist Ihre Schwäche. Ich würde Ihnen einen Gefallen damit tun, sie als Geschenk anzunehmen. Ihr Hülle sagt mir zu, und ihren Kampfgeist würde ich mit Leichtigkeit entfernen. Überlegen Sie es sich. Ich könnte Ihnen gleich ein Dutzend Frauen überlassen, derer ich überdrüssig geworden bin.«

Nur mit Mühe gelang es Zamorra, seine Wut zu unterdrücken. »Sie haben unrecht, wenn Sie sagen, dass die alten Zeiten wiederkehren«, sagte er ruhig. »Was Sie hier tun, ist und bleibt unzulässig. Sie müssen die Menschen freigeben und Ihren Bann von der Region nehmen.«

»Ich muss überhaupt nichts!«, fuhr ihn der Zmej an, in dessen Augen mit einem Mal ein gleißendes Feuer loderte. »Wie können Sie es wagen, mir in meinem eigenen Haus Lektionen zu erteilen? Ich weiß, dass Sie trotz ihres jugendlichen Aussehens ein alter Mann sind, Professor. Sie denken, Sie verstünden die Welt, in die sie erst seit wenigen Jahren Einblick bekommen haben. Aber in meinen Augen sind Sie nichts weiter als ein Wickelkind. Die Kräfte, mit denen Sie sich anlegen, haben Universen gesehen, von denen Sie sich keine Vorstellung machen können! Sie wären gut beraten, sich in den Dienst eines Herrn zu stellen, der größer ist als Sie. Tun Sie es nicht, werden Sie zermalmt werden!« Das Glühen in den Augen des Zmejs verschwand wieder. Der Drache atmete tief durch, dann fuhr er fort: »Ich will Ihnen Ihre Unbeholfenheit verzeihen und Ihnen sagen, wie nun zu verfahren ist: Sie nehmen die Gasmasken ab und leisten mir Gesellschaft; ich werde Ihnen vorführen, welchen Luxus und welche Macht Sie erhalten werden, wenn Sie mir Gefolgschaft leisten, und anschließend können Sie sich entscheiden, ob Sie wirklich diesen sinnlosen Kampf mit mir aufnehmen wollen.«

Zamorra schwieg einen Moment. »Na schön«, sagte er schließlich leise – mehr zu sich selbst als zu dem Drachen. »Dann eben so.«

Blitze schosse aus Merlins Stern hervor, trafen den Zmej mit aller Kraft und warfen ihn zu Boden. Kaum war er auf dem Marmor aufgeschlagen, da wurde er dickflüssig. Schon versank der Drache im marmornen Morast; ein Schrei entstieg seiner Kehle, während Zamorra unablässig Blitze auf ihn abschoss.

Doch dann veränderte sich der Schrei. Er verlor alles Menschliche, verwandelte sich in ein Grollen, wurde lauter und lauter und ließ schließlich die Terrasse erbeben. Zamorra und Nicole gingen zu Boden und hielten sich die Ohren zu. Für einen Moment verhinderten das die Handschellen, bis sie dicht aneinanderrückten. Um sie herum breitete sich Rauch aus.

Mit Entsetzen beobachteten sie nun, wie sich der Zmej veränderte. Die einst menschliche Gestalt wuchs schnell an, brach aus dem fest gewordenen Marmor hervor, richtete sich auf und brüllte dabei ohrenbetäubend. Vor ihnen wuchs der Drache in die Höhe. Schwarze Schuppen glänzten durch den Qualm; riesige ledrige Schwingen entfalteten sich; ein sechsfach gehörntes Haupt erhob sich zur Decke des riesigen Saales. Dann richteten sich glühende Augen auf die beiden Menschen.

»Jetzt werdet ihr sterben«, donnerte eine Stimme, so überwältigend wie ein Orkan.

Das riesige Maul öffnete sich und schwarze Blitze schossen daraus hervor, hüllten Zamorra und Nicole ein und zertrümmerten das Gestein um sie herum. Merlins Stern hatte einen grünlichen Schutzschirm gebildet.

Während Nicole verzweifelt versuchte, sich auf ihren Dhyarra zu konzentrieren, wandte Zamorra all seine Kraft auf, um den Schutz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig erneut zum Angriff überzugehen. Er wusste, dass sie diesen Kampf schnell entscheiden mussten. Andernfalls würde die eigene Magie ihn umbringen, ihn gänzlich auszehren und Nicole schutzlos zurücklassen.

Der Blitzstoß des Drachen ebbte ab. Wieder schrie er auf, schlug mit dem Schwanz und ließ dabei die Reste seines Designer-Hauses zersplittern. Dann schlug er mit seiner rechten Vorderpranke zu.

Zamorra warf sich gegen Nicole. Während sich hinter ihnen fünf spitze Klauen in den Boden gruben, von denen jede größer war als Zamorra, rollten die beiden Menschen einen Hang hinab.

Plötzlich spürte Zamorra einen brennenden Schmerz in der Schulter. Die Klinge eines mit Rubinen verzierten Schwertes hatte ihm ihn die Schulter geschnitten. Er schrie auf, und auch Nicole schrie. Im nächsten Moment schien alles um sie herum zu explodieren.

Als Nicole zu sich kam, hörte sie die Stimme des Zmej in ihrem Kopf.

»Komm her«, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. Es war jene melodische und doch etwas gehässige Stimme seiner menschlichen Form, nicht das tosende Brüllen des schwarzen Drachen.

Nicole schlug die Augen auf und merkte sofort, dass sie ihre Gasmaske nicht mehr trug. Ihr rechtes Handgelenk brannte wie Feuer, ihre Hand blutete. Dort hatten die Handschellen Zamorra und sie miteinander verbunden; nun waren sie fort. Und Zamorra war nirgends zu sehen.

Über ihr ragte der Drache auf.

Nicole erhob sich und begann mit dem Aufstieg. Schutt, Trümmerteile und Silbermünzen gaben immer wieder unter ihr nach. In ihrem Kopf spürte sie die Belustigung des Drachen, ohne dass er etwas gesagt hätte.

Als sie schließlich oben angekommen war, blieb sie stehen.

»Zieh dich aus«, befahl der Drache. Und Nicole tat, wie ihr geheißen.

Keuchend erwachte Zamorra und rappelte sich sofort auf. Sein ganzer Körper schien aus Schmerzen zu bestehen. An seinem linken Handgelenk baumelten die Handschellen; Nicole war fort. Entsetzt sah er sich um. Die Gasmaske war stark beschädigt; er musste sie abnehmen, um etwas erkennen zu können. Sofort musste er husten. In seinem Mund war Blut.

»Verdammt noch mal«, fluchte er leise.

Dann humpelte er einen Weg entlang, der zwischen zwei Bergen aus Kostbarkeiten hindurchführte. Er glaubte, den Weg zu erkennen; sicher war er sich allerdings nicht.

Hoffentlich war Nicole irgendwo außerhalb der Reichweite des Drachen gelandet und war dabei unverletzt geblieben. Wenn ihr etwas zustieß, würde er sich das niemals verzeihen.