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Cliff Conroy und Judy Davenport erhalten von Senator Campbell den Auftrag, in den Stadtarchiven von New Orleans eine Spur zu verfolgen. Kaum haben sie sich auf den Weg gemacht, ereignen sich in mehreren Ländern mysteriöse Attacken. Der Senator denkt sofort an die Hybriden - jene eigenartigen Wesen, vor denen seine Schützlinge bereits zweimal nur knapp entkommen konnten. Die Gefahr ist also noch nicht gebannt! Und schon bald geraten die Bundesmarshals bei ihrer eigentlich harmlosen Recherche in die Gewalt einer bewaffneten Truppe. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Fragmente einer uralten Maschine vor dem Zugriff der Hybriden zu bewahren. Sie befürchten nämlich den scheinbar unausweichlichen Sieg ihrer Feinde und verdächtigen die beiden Ermittler, mit den finsteren Geschöpfen zusammenzuarbeiten ...
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Fragmente
UFO-Archiv
Vorschau
Impressum
Raymond Haffner
Fragmente
Oberhalb der Stadt im Nebel
Nachts
Judy blickte auf das Lichtermeer. Die Stadt befand sich zwischen breiten Hügeln. Nebelschwaden zogen über sie hinweg.
Sie wusste, dass es dort laut war. Die Bewohner stritten, schimpften und schrien gerne. Sie konnten aber auch lustig, fleißig und mutig sein.
Aus der Ferne, von den steilen Hängen der Berge aus betrachtet, sah die Stadt in erster Linie friedlich aus.
Sie hörte das Zirpen, Knurren und Rascheln der Blätter. Dunkel und undurchdringlich lag der Urwald da, durchzogen von zahlreichen Flussarmen, die, beschienen von den zwei Monden wie Quecksilber leuchteten.
Es war ein guter Traum, doch von einem zum anderen Augenblick erkannte Judy, dass etwas nicht stimmte ...
Sie wusste es, bevor sie es sah. Und sie wollte schreien, um jemanden, irgendjemanden zu warnen. Aber sie brachte keinen Laut hervor.
Ohne etwas tun zu können, musste sie zusehen, wie auf einer der Hügelkuppen ein Tor entstand. Die Welt riss auf. Durch ein gähnendes Loch, das immer weiter wuchs, brach etwas in die Welt ein, ergoss sich wie ein Strom aus Gift in die Wälder und in die Stadt.
Zahllose Kreaturen aus Fleisch und Metall machten sich nun daran, die Welt zu unterwerfen.
Durch das größer und größer werdende Tor meinte Judy, boshafte, unmenschliche Augen zu sehen, die sie anstarrten. Wieder versuchte sie, zu schreien. Es war aber vergeblich. Stattdessen wachte sie auf.
An Bord des Winnebagos, Interstate 81
Washington D.C., 06. Juni 2024, 01:20 Uhr
»Alles gut, war nur ein Traum«, beruhigte sie Cliff und blickte hastig von seiner Partnerin zur Straße und wieder zurück. »Vielleicht war es doch keine so gute Idee, so spät noch so viel zu essen.«
Judy atmete erleichtert auf. Sie saß neben Cliff auf dem Beifahrersitz des Wohnmobils, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie schüttelte sich, als ob sie den Traum abschütteln wollte, und fluchte auf Arabisch. »Ich hasse diese Träume.«
»Bleib lieber eine Weile wach, sonst geht der Traum einfach weiter«, empfahl Cliff.
Judy nickte. »Diesmal habe ich geträumt, dass ich auf einem anderen Planeten war. Alles sah irgendwie seltsam aus, und es gab zwei Monde am Himmel. Dann kamen die Monster. Die Hybride1. Millionen von ihnen. Sie haben ein Loch in die Welt gerissen.«
Plötzlich klingelte Cliffs Mobiltelefon, und er nahm den Anruf über die Freisprechanlage entgegen.
»Guten Abend und guten Morgen, Senator. Conroy und Davenport hier.«
»Guten Abend, Sie beide«, meldete sich Senator Campbell. »Haben Sie sich schon auf den Weg gemacht?«
»Wir sind gerade auf der Interstate 81«, antwortete Cliff. »Es wird noch etwa fünfzehn Stunden dauern. Gibt es etwas Neues?«
»Nun ja, in gewisser Weise schon. Hier sind erst einmal die Informationen, die ich Ihnen vorhin versprochen habe: Sie haben heute noch einen Termin in den Stadtarchiven von New Orleans. Und zwar um 17:00 Uhr, nach den offiziellen Besucherzeiten. Stellen Sie sich dort bitte als Mark Daly und Cara Wise vor. Ausweisen müssen Sie sich nicht, aber im Moment wäre es mir trotzdem lieber, wenn Sie nicht Ihre echten Namen benutzen würden. Die Mitarbeiter sind bereits über das Thema der Recherche informiert. Wenn Sie dort ankommen, können Sie also gleich loslegen. Relevant könnten eventuell polizeiliche oder militärische Berichte aus dem Jahr 1814 sein.«
»Wir suchen also nach historischen Mordfällen, die vermuten lassen, dass ein Hybrid dahintersteckt?«, fragte Judy.
»Möglicherweise nicht nur nach Mordfällen«, erklärte Campbell weiter. »Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, dass meine Analysten, die das Tagebuch2 untersucht haben, zu dem Schluss gekommen sind, dass der Hybrid den sogenannten Kopf in New Orleans an sich gebracht hat. Vielleicht hat er dafür nicht nur gemordet, sondern musste darüber hinaus irgendwo einbrechen. Denkbar wäre auch, dass der Kopf bewacht wurde. Und das bringt mich zu einer neueren Entwicklung, die für Sie wichtig sein könnte: Mir ist gemeldet worden, dass es in den vergangenen zwei Tagen zu mehreren außergewöhnlichen Mordfällen und kleineren Katastrophen gekommen ist. Dazu zählen unter anderem verwüstete Häuser, verschwundene Familien, Schusswechsel ohne auffindbare Opfer, nicht nur in den USA, sondern auch in mehreren Ländern Lateinamerikas. Ich setze jetzt alles in Bewegung, was mir zur Verfügung steht, weil ich zu wissen glaube, was dahintersteckt. Dass die Hybride diesen sogenannten Kopf gefunden haben, hat etwas ausgelöst. Sie kommen nun aus ihren Verstecken und haben ein gemeinsames Ziel. Deshalb habe ich auch darüber nachgedacht, Sie beide an einen der Tatorte zu schicken, aber eventuell ist die Spur des Kopfes wichtiger. Vielleicht finden Sie etwas heraus, das meinen anderen Teams weiterhelfen kann. Also: Gehen Sie der Sache auf den Grund, was 1814 in New Orleans passiert ist. Aber vorerst wünsche ich Ihnen eine gute Fahrt.«
»Verstanden, Senator«, erwiderten Cliff und Judy wie aus einem Mund.
Daraufhin beendete Campbell das Gespräch.
»Das klingt dramatisch«, meinte Judy.
Cliff nickte. »Vielleicht hätten wir doch besser fliegen sollen. Aber vor zwei Stunden klang alles noch ganz entspannt.«
Judy holte ihren Laptop hervor und loggte sich in den UFO-AKTEN-Server ein. »Ich schaue eben nach, um welche Äußerung aus dem Tagebuch es genau geht.« Dann klickte sie sich durch die etwas unübersichtliche Benutzeroberfläche und wurde kurz darauf fündig. »Hier ist es schon: ›Es kommt von Nova Aurelia her, wo es einen lange gesuchten Schatz aufgespürt hat.‹ Das hat Cresswell am 14. März 1814 geschrieben.«
»Und Campbells Analysten meinen, dass mit dem Schatz der Kopf gemeint ist«, rekapitulierte Cliff.
»Richtig. Und Nova Aurelia ist New Orleans«, ergänzte Judy.
Cliff seufzte. »Na schön. Jetzt müssen wir erstmal die fünfzehn Stunden rumkriegen. Ich frage mich, was McKay und seine Leute gerade machen. Wenn sich merkwürdige Vorkommnisse häufen, wird ihnen das bestimmt nicht verborgen geblieben sein.«
NSA-Hauptquartier
Fort Meade, Maryland, 06. Juni 2024, 01:40 Uhr
Jeremy McKay saß vor seinem Laptop und betrachtete ein Bild nach dem anderen. Jedes einzelne erinnerte ihn an den zerstörten unterirdischen Laborkomplex in der Nähe von Baker Lake3. Die Tatorte sahen aus, als habe dort eine übermenschliche Kraft gewütet. Teile der Gebäude waren zertrümmert, Kabelbäume von den Wänden gerissen und der Boden mit Splittern bedeckt. Aber nirgendwo waren Leichen zu sehen.
Trotzdem wusste McKay, dass Menschen ihr Leben verloren hatten. Viele Menschen. Er konnte sie sogar beziffern. An acht verschiedenen Orten von Kalifornien bis Argentinien waren insgesamt sechsundzwanzig Menschen von den Angreifern getötet worden. Die NSA hatte sie überwacht (wenn auch nicht mit Personal vor Ort) und konnte nun nicht mehr tun, als die Morde streng geheim und intern zu registrieren.
Und McKay wusste noch mehr. Er wusste, was geraubt worden war: Maschinenteile, deren Zweck seine Abteilung nie hatte herausfinden können. Vor dem Hintergrund der neuesten Ereignisse hatte er allerdings eine Ahnung.
Er klappte den Laptop zu, packte ihn in seine Aktentasche und erhob sich.
In diesem Moment trat einer seiner Agenten zu ihm. »Sir, die Teams Bolivien und Peru sind in der Luft.«
McKay nickte. Der Miene seines Agenten konnte er entnehmen, dass dies noch nicht alles war. »Weiter!«, befahl er deshalb knapp.
Der Agent schluckte. »Die Objekte in Saint Petersburg, Florida, sind nicht auffindbar.«
McKay konnte sich gut vorstellen, was dahintersteckte. Die Bewacher der Maschinenfragmente hatten das ihnen anvertraute Teil fortgeschafft, um einem Angriff zu entgehen. Wenn er richtig lag, würde sie das nicht schützen.
»Finden Sie sie«, ordnete er deshalb an. »Ich fliege jetzt nach Sacramento. Teilen Sie dem Team dort mit, dass ich in acht Stunden da sein werde. Wenn bis dahin ein Angriff erfolgt, wissen Sie, was zu tun ist.«
Ufer des Lake Borgne
Louisiana, 06. Juni 2024, 01:55 Uhr
Ava saß auf dem Boden des Schnellbootes und starrte auf das Maschinengewehr, das in ihrem Schoß lag. Wie gerne hätte sie es einfach ins Wasser geworfen. Aber dann hätte sie hinterherspringen müssen. Es gab keinen Weg mehr zurück. Sie hatte ihr Wort gegeben. Sie hatte geschworen.
»Hey, Prinzessin!«, rief Javier missmutig. »Kannst du mal deinen Arsch bewegen und mit anpacken?«
Er, Lana und Russell waren gerade damit beschäftigt, die Ladung zu löschen – eine Ladung, die ausschließlich aus Waffen und Munition bestand.
»Ich komme schon«, antwortete Ava mit zitternder Stimme. Dann legte sie die Waffe zur Seite und erhob sich schwankend.
»Das kommt dabei raus, wenn die jungen Leute keine Kampferfahrung mehr mitbringen«, murmelte Russell.
Ava nahm sich eine der Kisten, hievte sie hoch und reichte sie Javier. »Habt ihr denn keine Angst?«, fragte sie, ohne die mentale Kraft aufbieten zu können, sich über Russell zu ärgern.
»Klar haben wir Angst«, erwiderte Lana. »Und das ändert sich auch durch die Kampferfahrung nicht. Aber irgendwann ist die Angst so normal, dass sie einen nicht mehr lähmt.«
Javier, Lana und Russell waren mehrere Jahre in Afghanistan stationiert gewesen. Ava konnte nicht so recht glauben, dass ihre hartgesottenen Kampfgenossen wirklich die gleichen Ängste ausstanden wie sie. Fast tausend Jahre lang hatten ihre gemeinsamen Vorfahren darauf gewartet, dass der Feind kommen würde. Und jetzt sollte es so weit sein?
Für sie, genauso wie für Generationen vor ihr, war der Auftrag in erster Linie eine sehr gut bezahlte Nebentätigkeit gewesen. Die Geschichten der Bedrohung waren so alt und legendenhaft, dass es schwerfiel, wirklich an sie zu glauben. Doch jetzt schienen die alten Geschichten realer als je zuvor.
Und Ava hätte alles dafür gegeben, wenn sie in der Zeit zurückreisen und ihre Entscheidung hätte revidieren können. Denn was auch immer sie gerade dazu brachte, ein Versteck nach dem anderen auszuheben – egal ob Aliens, Monster, Dämonen, Drogenkartelle oder Regierungsbeamte –, sie und ihre Kampfgenossen würden nicht den Hauch einer Chance haben. Das zumindest sagte ihre innere Stimme immer und immer wieder.
Jede Faser ihres Körpers drängte sie dazu, abzuhauen, ganz weit wegzurennen, sich zu verstecken. Aber das konnte sie nicht tun. Wenn sie den Schwur brach, bestand ihre einzige Hoffnung darin, dass ihre ehemaligen Freunde irgendwann davon ablassen würden, sie zu jagen. Andernfalls würde man sie töten.
Javier, Russell und auch Lana, die Ava gerade aufmunternd zulächelte, sie alle würden, ohne zu zögern, abdrücken.
Dabei wäre auch eine erfolgreiche Flucht letztendlich sinnlos. Wenn es stimmte, dass ein übermächtiger Feind damit begonnen hatte, die Teile des Artefakts aufzustöbern und an sich zu bringen, dann stimmte sicherlich auch der Rest der Überlieferung: Wenn alle Teile des Artefakts in der Hand des Feindes vereint wurden, bedeutete dies das Ende. Dann gab es keinen Ort mehr, an den man hätte fliehen können.
Ava hob die nächste Kiste hoch und reichte sie Lana. Dabei zwang sie sich, ihr Lächeln zu erwidern.
Wenn der Tag kommt, sind wir bereit, hieß es in dem Schwur. Sie würde ihr Bestes geben.
An Bord des Winnebagos, Interstate 24
Tennessee, 06. Juni 2024, 09:15 Uhr
Cliffs Handy begann zu vibrieren und zu piepen. Er holte es aus seiner Tasche und schaltete den Wecker aus.
»Ich bin wach!«, rief er. »Die Ablösung ist wach und bereit, das Steuer zu übernehmen, ... wenn sie sich die Zähne geputzt hat.«
»Keine Eile«, erwiderte Judy. »Ich denke, ich bleibe jetzt wach.«
»Wie du magst. Wie weit sind wir denn?«, erkundigte sich Cliff und erhob sich.
»Ich biege gleich auf die Interstate 59 ab«, meldete Judy. »Wir kommen gut voran.«
Als Cliff kurz darauf erfrischt neben ihr Platz nahm, deutete sie auf ein Straßenschild. »Gleich kommt eine Raststätte. Da können wir dann gerne die Plätze tauschen.«
»Und frühstücken«, ergänzte Cliff. »Ich habe Appetit auf Pfannkuchen.«
»Ich musste vorhin an das denken, was Campbell gesagt hat«, wechselte Judy das Thema. »Er hat gesagt, er würde alles in Bewegung setzen, was ihm zur Verfügung steht. Meinst du, damit sind auch Art4 und seine Leute gemeint?«
Cliff zuckte mit den Schultern. »Könnte gut sein. Aber ehrlich gesagt haben wir leider nicht den blassesten Schimmer, über welche Mittel Campbell verfügt. Auf jeden Fall kann es nicht schaden, wenn unsere Recherchen mit angemessener Feuerkraft abgesichert werden. Manchmal helfen Kreativität und Kombinationsgabe, und manchmal hilft ein Raketenwerfer.«
»Weise Worte«, erwiderte Judy. »So, da ist die Ausfahrt. Ich kann die Pfannkuchen schon förmlich schmecken.«
Kurz darauf saßen sie in einem Diner, dessen Inneneinrichtung fast gänzlich in den Farben weiß und rot gehalten war. Wie geplant aßen sie Pfannkuchen, Judy ihre mit Heidelbeersoße und Cliff seine mit Ahornsirup und Banane. Dazu gab es Kaffee, um den letzten Rest Müdigkeit zu vertreiben.
»Lass uns nochmal über den Kopf reden«, schlug Cliff kauend vor. »Wir haben ja schon einmal darüber nachgedacht, was das Ding sein könnte, und natürlich wissen wir jetzt nicht mehr als vor ein paar Wochen. Aber wenn die jüngsten Angriffe etwas mit dem Kopf zu tun haben, könnte es doch immerhin gut sein, dass der Kopf wirklich eine Art zentraler Speicher für die Hybriden ist.«
Judy nickte. »Und es könnte sein, dass der Fund des Kopfes irgendetwas ausgelöst hat. In dem Tagebuch von Cresswell stand ja, dass die Herrschaft der Hybride beginnen kann, wenn sie mithilfe des Tores die Welten gewechselt haben.«
»Ich ärgere mich immer noch, dass wir den Kopf nicht genauer in Augenschein nehmen konnten«, gab Cliff zu verstehen und signalisierte der Kellnerin, dass er noch einen Kaffee haben wollte. »Wir können davon ausgehen, dass das Ding sehr wichtig für die Hybriden ist und dass sie schon vor über zweihundert Jahren danach gesucht haben. 1814 haben sie es dann gefunden, nur um es gleich wieder zu verlieren – wie auch immer das passiert sein mag. In den letzten Monaten scheinen sie ihre Aktivitäten verstärkt zu haben, auch mithilfe von Bao5 und wer weiß mit wie vielen weiteren Helfern und Verbündeten. Aber der Fund des Kopfes ist dann ja wohl doch eher zufällig passiert, vorausgesetzt, auch der Fund der eisernen Hand6 war ein Zufall.«
»Auf jeden Fall haben sie den Kopf nun, den sie so lange gesucht haben. Und wenn es stimmt, dass es sich bei dem Ding um einen Speicher handelt, sind sie jetzt vielleicht um einige wichtige Infos reicher«, entgegnete Judy und seufzte. »Wäre toll, wenn wir in New Orleans was Wichtiges finden würden. Aber ich glaube nicht so recht daran. Selbst wenn wir im Archiv historische Quellen finden sollten, die uns Hinweise auf den ersten Fund des Kopfes im Jahr 1814 geben, lässt sich daraus sicherlich nicht ableiten, was die Hybride jetzt gerade vorhaben und warum sie sich durch die Weltgeschichte morden.«
Labor B, NSA Black Site
Sacramento, Kalifornien, 06. Juni 2024, 09:40 Uhr
»Zeigen Sie es mir!«, befahl McKay, noch ehe sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
Laborleiter Kenneth Wu deutete auf einen Kasten aus Sicherheitsglas. »Dort ist es, Sir. Ich gebe Ihnen sofort einen Überblick über die Untersuchungen, die wir damals durchgeführt haben.«
McKay winkte ab. »Nicht nötig. Ich habe mir längst alles angesehen. Wissen Sie, wie man es zerstören kann?«
Wu machte große Augen. »Sir?«
McKay runzelte leicht die Stirn und brachte damit seine Missbilligung über die Verzögerung des Gesprächs zum Ausdruck.
Wu wusste sehr gut, dass das für McKay gewissermaßen ein Gefühlsausbruch war, weshalb er schnell fortfuhr: »Wir haben damals keine entsprechenden Versuche unternommen. Aber wir können sofort damit beginnen.«
Langsam trat McKay an die Scheibe und betrachtete das kleine Stück Metall, das vor ihm lag. Der abteilungsinterne Name für das Ding lautete KN-03/745. Ursprung: unbekannt. Funktion: unbekannt. McKay wirkte plötzlich sehr müde.
»Wissen Sie, wir sind damals in den Besitz dieses Objekts gekommen, weil man es uns mit der Bitte anvertraut hat, es zu zerstören. Wir sind dieser Bitte allerdings nicht nachgekommen – auf meine persönliche Anweisung hin. Es erschien mir damals wichtiger, zu untersuchen und zu beobachten, was an und für sich der bessere Ansatz ist, so sehe ich das auch heute noch. Aber vielleicht haben wir zu lange abgewartet.«
»Ich kann nicht ganz folgen, Sir«, erwiderte Wu merklich irritiert.
»Zerstören Sie das Ding!«, befahl McKay. »Es interessiert mich nicht länger, wofür es da ist. Es ist eine Gefahr für uns alle. Ich habe in den Akten etwas von Wolfram-Legierung gelesen, aber ich bin mir sicher, dass Sie es irgendwie kaputt kriegen.«
»Verstanden, Sir.«
McKay wandte sich nun zum Gehen. »Und noch etwas: Ich will die neuesten Daten zu dem Hybrid haben. Ich muss jetzt meine Teams an der Oberfläche koordinieren, aber wenn ich wieder da bin, möchte ich den Container sehen.« Mit diesen Worten verließ er das Labor.
Während der Laborleiter seine Assistenten mit ein paar knappen Befehlen in Bewegung setzte, ging McKay zu den Fahrstühlen. Seine Agenten waren schon seit Stunden durchgehend in Kontakt mit den Teams in Lateinamerika. Vielleicht war es, während er hier unten mit Wu gesprochen hatte, irgendwo zu einem Kampf mit einem Hybrid gekommen. Worum es sich bei diesen Maschinenfragmenten auch handeln mochte: Die Hybride waren drauf und dran, sie alle in ihren Besitz zu bringen.
McKay drückte auf die -1 und fuhr nach oben.
Vielleicht würde die Black Site bald angegriffen werden. Ihm gefiel die Vorstellung ganz und gar nicht. So weit hätte es nicht kommen sollen. Zufrieden stimmte ihn lediglich die Tatsache, dass seine Anweisungen zur Vorbereitung eines Abwehrkampfes in Perfektion umgesetzt worden waren. Ein integraler Bestandteil der Verteidigungsstellungen waren die Flammenwerfer.
Kaum hatte sich die Fahrstuhltür geöffnet, da war McKay schon von seinen Mitarbeitern umgeben. »Sir, Team Peru hat bei Huancayo die Spur von Überlebenden aufgenommen.«
»Wenn nötig, in Zusammenarbeit mit den lokalen Polizeibehörden ausfindig machen!«, befahl McKay, während er auf sein Büro zusteuerte. »Aber keine Feindseligkeiten. Den Leuten muss klargemacht werden, dass sie Leben retten können, wenn sie von weiteren relevanten Orten wissen, die wir nicht kennen.«
Der Agent nickte und machte einem Kollegen Platz.
»Sir, die Analyse der Flughafen-Daten liegt jetzt vor. Wir haben eindeutig eine deutlich erhöhte Aktivität privater Sicherheitsfirmen, mit und ohne bekannte Anbindung zu den Behörden. An die dreißig Trupps haben im Tagesverlauf das Land Richtung Süden verlassen.«
»Alles, was über die Mitglieder bekannt ist, soll den Teams im Einsatz zur Verfügung gestellt werden. Stellen Sie mir bitte die Teamleiter an meinen Platz durch«, ordnete McKay an und betrat sein Büro.
Es galt jetzt, schnell zu handeln. Er durfte sich keine Sekunde Pause gönnen.
An Bord des Winnebagos, Interstate 59
Tennessee, 06. Juni 2024, 10:10 Uhr
»Ich frage mich wirklich, wie viel die NSA weiß«, meinte Cliff und lenkte den Winnebago auf die mittlere Spur. »Besonders würde mich interessieren, was sie unter dem zusammengestürzten Waldstück7