Projekt Lucien - Matthias Boden - E-Book

Projekt Lucien E-Book

Matthias Boden

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Beschreibung

Der frisch gekündigte Bodyguard Michael Korn, ein misanthropischer Einzelgänger, wird von Interpol angeworben bevor er wegen Körperverletzung an einem Ministerpräsidenten eine Haftstrafe antreten muss. Zusammen mit der britischen Polizistin Liz Croll, dem Hacker Mike Banks, einem notorischen Schürzenjäger und der Auftragsmörderin Lea Enis soll er Forschungsdaten und einen Prototyp einer Firma aufspüren und in Sicherheit bringen. Bevor er und seine Mitstreiter zwei beteiligte Forscher verhören können, werden diese getötet. Den einzigen Hinweis auf die Daten liefert eine Notiz auf der Festplatte eines Forschers. Mehrere Gruppierungen sind ebenfalls hinter den Ergebnissen her und es beginnt ein mörderischer Wettlauf um die Welt.

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Seitenzahl: 701

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Projekt Lucien

Michael Korn und Liz Croll Band 1

Ein Thriller von

Matthias Boden

Copyright © 2021

Matthias Boden

Werrestraße 107b

32049 Herford

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Matthias Boden

Inhalt

Prolog

Mexiko, Irgendwo an der Küste

1. Kapitel

Deutschland, Köln

Großbritannien, London

2. Kapitel

Italien, Rom

3. Kapitel

Deutschland, Flughafen Köln/Bonn

Großbritannien, Flughafen London Heathrow

4. Kapitel

Vereinigte Staaten, Houston (TX)

5. Kapitel

Frankreich, Lyon

6. Kapitel

Vereinigte Staaten, Houston (TX)

7. Kapitel

Italien, Rom

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

8. Kapitel

Mexiko, Irgendwo an der Küste

9. Kapitel

Frankreich, Lyon

10. Kapitel

Mexiko, Cancún

11. Kapitel

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

Frankreich, Lyon

12. Kapitel

Europa, Irgendwo über dem Atlantik

13. Kapitel

Deutschland, Berlin

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

Deutschland, Bremen

14. Kapitel

Mexiko, Cancún

15. Kapitel

Vereinigte Staaten, Houston (TX)

Deutschland, Bremen

16. Kapitel

Frankreich, Lyon

17. Kapitel

Deutschland, Berlin

Deutschland, Hannover

Dänemark, Kopenhagen

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

18. Kapitel

Frankreich, Lyon

19. Kapitel

Deutschland, Hannover

Dominikanische Republik, Cabarete

20. Kapitel

Dänemark, Kopenhagen

Dominikanische Republik, Cabarete

21. Kapitel

Dominikanische Republik, Puerto Plata

Südamerika, Irgendwo über dem Atlantik

22. Kapitel

Dänemark, Kopenhagen

23. Kapitel

Dänemark, Kopenhagen

24. Kapitel

Frankreich, Lyon

Dänemark, Kopenhagen

25. Kapitel

Vereinigte Staaten, Moore (OK)

Deutschland, Berlin

26. Kapitel

Frankreich, Lyon

27. Kapitel

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

Europa, Irgendwo über Deutschland

28. Kapitel

Venezuela, Caracas

29. Kapitel

Deutschland, Berlin

Venezuela, Caracas

30. Kapitel

Frankreich, Lyon

31. Kapitel

Venezuela, Caracas

32. Kapitel

Frankreich, Lyon

33. Kapitel

Spanien, Barcelona

Deutschland, Bremen

34. Kapitel

Venezuela, Caracas

35. Kapitel

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

Frankreich, Paris

Vereinigte Staaten, Luftraum über Georgia

36. Kapitel

Spanien, Barcelona

Frankreich, Lyon

Deutschland, Berlin

37. Kapitel

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

38. Kapitel

Frankreich, Lyon

Irgendwo über dem Atlantik

39. Kapitel

Frankreich, Paris

Frankreich, Lyon

40. Kapitel

Frankreich, Lyon

41. Kapitel

Frankreich, Lyon

Frankreich, Lyon

Frankreich, Luftraum über Grenoble

Italien, Luftraum über Mailand

42. Kapitel

Kroatien, Split

Frankreich, Lyon

Ägypten, Sharm el Sheikh

43. Kapitel

Deutschland, Berlin

44. Kapitel

Deutschland, Bremen

Frankreich, Lyon

Deutschland, Berlin

45. Kapitel

Frankreich, Lyon

Frankreich, Monaco

46. Kapitel

Deutschland, Bremen

Frankreich, Lyon

47. Kapitel

Frankreich, Lyon

Deutschland, Berlin

Vereinigte Staaten, Washington D.C.

48. Kapitel

Frankreich, Lyon

Deutschland, Berlin

49. Kapitel

Frankreich, Lyon

Vereinigte Staaten, Washington D.C.

50. Kapitel

Frankreich, Lyon

Malaysia, Ipoh

Frankreich, Monaco

51. Kapitel

Deutschland, Berlin

Frankreich, Lyon

52. Kapitel

Frankreich, Lyon

Vereinigte Staaten, Washington D.C.

53. Kapitel

Frankreich, Lyon

Deutschland, Bremen

Deutschland, Berlin

54. Kapitel

Frankreich, Lyon

55. Kapitel

Deutschland, Bremen

56. Kapitel

Deutschland, Berlin

Frankreich, Lyon

57. Kapitel

Frankreich, Lyon

58. Kapitel

Frankreich, Lyon

Epilog

Bahamas, Nassau

Vereinigte Staaten, Santa Fe (NM)

Vereinigte Staaten, Tulsa (OK)

Danksagung

Impressum

Prolog

Mexiko, Irgendwo an der Küste

Mond­licht spiegel­te sich auf dem leicht ge­well­ten Ka­ri­bi­schen Meer und tauch­te den weichen Sand­strand des Hotels in ein sanf­tes Zwie­licht. Der kom­plett in schwarz ge­klei­de­te Mann ver­barg sich in den Schat­ten der Sträu­cher und ho­hen Grä­ser, wäh­rend er lang­sam und vor­sich­tig sei­nem Ziel immer nä­her kam. Die Luft roch nach Salz und Al­gen, die von den Wel­len an den Strand ge­spült wur­den. Ihm lief der Schweiß über die Stirn. Er war nicht son­der­lich gut trai­niert, und die vom Tag auf­ge­heiz­te Luft und der Wär­me Sand un­ter sei­nen schwar­zen Gum­mi­schu­hen, so­wie die ho­he Luft­feuch­tig­keit in dem sub­tro­pi­schen Land ta­ten ihr Üb­ri­ges. In sei­ner Hand hielt er ein klei­nes Käst­chen, auf dem leicht röt­li­che Zif­fern, in schnel­ler Fol­ge ih­re Wer­te än­der­ten. Zwi­schen zwei Grä­sern, un­weit vom Ufer, an den sich sanft die Was­ser­mas­sen leg­ten, fand er end­lich den ge­eig­ne­ten Ort. Lan­ge hat­te er ge­sucht, wäh­rend er in den ver­gan­ge­nen Ta­gen stun­den­lang am Strand um­her­ging. Sei­ne Arm­band­uhr gab ein akus­ti­sches Sig­nal von sich. Punkt 3 Uhr am Mor­gen. In knapp an­der­thalb Stun­den wür­de sich wie­der die Son­ne aus den Flu­ten er­he­ben und den pa­ra­die­si­schen wei­ßen Sand in glei­ßen­des Son­nen­licht tau­chen. Bis da­hin woll­te er aber be­reits wie­der ab­ge­reist sein. Der Auf­trag war er­füllt und er, wenn er zurück­ge­kehrt ist end­lich reich ge­nug sein, um nicht mehr ar­bei­ten zu müs­sen. Der­je­ni­ge, der ihn an­ge­spro­chen hat, wuss­te über wirk­lich alles in sei­nem Le­ben Be­scheid und stell­te ihm ei­ne sehr ho­he Sum­me in Aus­sicht. Doch zu­erst müss­te er noch den letz­ten Teil zu En­de brin­gen und sich un­ge­se­hen aus dem Staub ma­chen. Er ging auf die Knie und zog aus sei­ner Ta­sche ei­ne klei­ne Schau­fel her­aus. Der Sand war weich und er müss­te nicht lan­ge gra­ben, um ein Loch aus­zu­he­ben, in dem er den klei­nen Kas­ten si­cher ver­ber­gen könn­te.

We­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter war das Sand­loch groß ge­nug. Er steck­te die klei­ne Schau­fel wie­der ein und be­frei­te be­hut­sam den et­wa 10 cm gro­ßen Kas­ten aus sei­ner Ta­sche, und leg­te ihn in die Ver­tie­fung. Dann nahm er sei­nen elek­tro­ni­schen Hel­fer und leg­te ihn direkt über das Käst­chen. Die röt­li­chen Zah­len ver­strö­men ein sanf­tes Licht, das er so gut es eben ging, ab­schirm­te. Ge­nau­es­tens no­tier­te er sich die Zah­len, die auf­ge­hört hat­ten, sich zu be­we­gen. Nach­dem er alles noch ein­mal über­prüft hat­te, ver­schwand sein Hel­fer in sei­ner Ho­sen­ta­sche, und er ver­teil­te den immer noch war­men Sand über dem Kas­ten. Zu­letzt be­sei­tig­te er noch ge­wiss­en­haft sei­ne Spu­ren und ver­ließ den Strand. Zwi­schen ei­ni­gen Ko­ko­spal­men hielt er in­ne und stell­te er­leich­tert fest das die kom­plet­te Hotel­an­la­ge, mit Aus­nah­me der Not­aus­gangs­be­leuch­tung im Dun­keln lag. Nie­mand war zu se­hen. Auf lei­sen Soh­len stahl er sich an der An­la­ge vor­bei und lief zu sei­nem Wagen, der nicht weit vom Strand zwi­schen Palm­we­deln ver­steckt war.

Zu­frie­den star­te­te er den Motor und fuhr in Rich­tung Cancún da­von. Auf zur letz­ten Etap­pe sei­nem neu­en Le­ben ent­ge­gen.

In Playa del Car­men stopp­te er un­weit des Was­ser­parks Xca­ret und ging be­ster Lau­ne auf den Ein­gang zu. Ne­ben ei­nem Kas­sen­häus­chen ver­lief ein klei­nes Rinn­sal und ver­schwand in ei­nem et­wa hand­brei­ten Rohr. Dort nahm er sei­nen Zet­tel mit den Zif­fern zu Hand, fal­te­te ihn drei­mal und schob ihn in ei­ne klei­ne ver­schließ­ba­re Plas­tik­tü­te. Die­se be­fes­tig­te er mit Knet­mas­se an der obe­ren In­nen­sei­te des Roh­res und stapf­te wie­der zu sei­nem Auto zurück. Er ließ sich in den Fah­rer­sitz fal­len und griff nach sei­nem Smart­pho­ne. Er wähl­te ei­ne Num­mer und war­te­te, bis die Ver­bin­dung stand. Nach dem Zwei­ten läu­ten wur­de das Ge­spräch an­ge­nom­men. Er flüs­ter­te: »Paket ge­lie­fert!«, und be­en­de­te die Ver­bin­dung. Sein Auf­trag war be­en­det. Er ver­ließ den Park­platz und steu­er­te sei­nen Wagen direkt zum Flug­hafen von Cancún. Sein neu­es Le­ben in Reich­tum konn­te be­gin­nen.

1. Kapitel

Deutschland, Köln

Mi­cha­el Korn saß auf ei­nem Korb­stuhl vor der Ca­fe­te­ria Köl­le und be­ob­ach­te­te mür­risch die um­her­wan­dern­den Men­schen in der Köl­ner In­nens­tadt. Er rauch­te ei­ne Zi­ga­ret­te, de­ren Qualm er in die Mit­tags­son­ne blies. In sei­nem schwar­zen Shirt und den eben­falls schwar­zen Car­go­ho­sen scann­te er mit sei­nen blau­en Pu­pil­len die Um­ge­bung. Wie hat­te es nur so weit kom­men kön­nen? Er, der ehe­ma­li­ge Body­gu­ard der Re­gie­rungs­ver­tre­ter war ge­kün­digt wor­den. Nur, weil er dem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len et­was un­sanft den El­len­bogen ins Ge­sicht ge­rammt hat­te. »Was kann denn ich da­für, wenn der Idi­ot sei­nen Kopf aus­ge­rech­net da hin­hält, wenn ich ge­ra­de zur Waf­fe grei­fe.«, dach­te er bei sich. Poli­ti­ker, das mie­ses­te Pack, das man sich vor­stel­len kann. Lü­gen wie ge­druckt und träu­men ih­re All­machts­fan­ta­sien, die kein nor­ma­ler Mensch mehr ver­steht. Zu al­lem Über­fluss gab es auch noch ei­ne An­zei­ge we­gen Körper­ver­let­zung. Als der Mi­nis­ter­prä­si­dent ihm das sag­te, stand Korn nur da und be­dach­te ihn mit ei­nem fins­te­ren Blick, be­vor er zu ihm mein­te: »Wo nichts ist, kann man auch nichts ver­let­zen, du Brat­hahn. Außer­dem soll­test du dich vor­se­hen, sonst mach ich Ernst und sto­ße dich aus dei­ner Arm­ani-Gar­di­ne!«. Manch­mal soll­te er sich viel­leicht doch zu ei­ner nor­ma­len Kom­mu­ni­ka­tion her­ab­las­sen, aber die­se Fä­hig­keit war bei ihm schon lan­ge nicht mehr ab­ruf­bar. Sein gan­zes bis­he­ri­ges Le­ben stand nicht un­ter ei­nem gu­ten Stern. Und wie­der ein­mal glit­ten sei­ne Ge­dan­ken drei­ßig Jah­re in die Ver­gan­gen­heit. Müh­sam käm­pfte er die Trä­nen aus sei­nen Augen und ver­such­te, an et­was an­de­res zu den­ken. Er drück­te sei­ne Kip­pe im Aschen­be­cher aus und nahm ei­nen letz­ten Schluck von sei­nem Kaffee. Mi­cha­el er­hob sich und ging auf die na­he ge­le­ge­ne Poli­zei­wa­che zu. Die Men­schen vor ihm teil­ten sich wie ein Vor­hang. Er war ei­ne im­po­san­te Er­schei­nung und be­saß ei­ne ge­wis­se na­tür­li­che Autor­ität, mit sei­nen wachen Augen und den har­ten Ge­sichts­zü­gen. Ru­hig be­trat er die Wa­che und mel­de­te sich am Schal­ter. Die jun­ge Po­li­zis­tin da­hin­ter warf ihm ei­nen ab­schät­zi­gen Blick zu, be­vor sie zum Hörer griff und ei­ne Num­mer wähl­te. »Ihr Be­su­cher ist hier!«, flö­te­te sie in den Hörer. Nach ei­ner kur­zen Pau­se füg­te sie »Na­tür­lich Herr Prä­si­dent!«, hin­zu und leg­te auf. »Neh­men Sie bit­te ei­nen Augen­blick Platz, sie wer­den ab­ge­holt«, hör­te er sie sa­gen, be­vor sie sich wie­der ih­rem Mo­ni­tor wid­me­te.

Korn blieb lie­ber ste­hen und war­te­te ei­ni­ge Mi­nu­ten, be­vor ein Mann mitt­le­ren Alters in ei­ner schmu­cken Uni­form ihm die Hand reich­te. »Mein Na­me ist Wald­schmidt Herr Korn! Ich bin der Poli­zei­prä­si­dent und ha­be sie her­ge­be­ten, weil mich ei­ne Nach­richt aus Ly­on er­reicht hat. Bit­te fol­gen Sie mir«, krä­chzte er mit et­was hei­se­rer Stim­me.

Korns Stie­fel quietsch­ten auf dem hell­grau­en Li­no­leum­boden, als er dem Prä­si­den­ten in ein ärm­lich ein­ge­rich­te­tes Be­spre­chungs­zim­mer folg­te. Die Tür fiel mit ei­nem leich­ten Kli­cken wie­der in das Schloss und Wald­schmidt for­der­te Mi­cha­el, auf Platz zu neh­men. Be­vor der Prä­si­dent et­was sa­gen konn­te, er­griff Korn das Wort. »Was zum Teu­fel ha­be ich denn mit Frosch­schen­keln zu tun? Mein ein­zi­ger Auf­ent­halt bei den Schne­cken­schlach­tern en­de­te in ei­nem Fi­as­ko, als drei mei­ner Kol­le­gen in ei­nem Kugel­ha­gel ster­ben muss­ten und ich lei­der über­lebt ha­be. Das ist aber auch schon fünf­zehn Jah­re her. Ist de­nen jetzt ein­ge­fal­len, dass ich da­mals das Cro­is­sant vor dem Ober­pfos­ten auf den Boden ge­tre­ten ha­be und sie mir jetzt ei­nen Auf­ent­halt im Knast spen­die­ren wol­len?«.

»Nein Herr Korn, es geht nicht um da­mals und hat mit der Poli­zei in Pa­ris über­haupt nichts zu tun«, ent­geg­ne­te Wald­schmidt »Man hat mich ge­be­ten Sie, und nur sie zu mir zu be­stel­len und ih­nen ei­nen Brief aus­zu­hän­di­gen. Aller­dings nicht von der Poli­zei, son­dern von In­ter­pol, die ih­ren Haupt­sitz in Ly­on hat.«

Un­gläu­big starr­te Korn den Prä­si­den­ten an und sah ihn ei­ne Map­pe auf­schla­gen, aus der er ei­nen Brief­um­schlag zog und ihm über­gab.

»Den In­halt die­ses Briefs kennt nur In­ter­pol selbst, aber es ging da­bei um ei­nen Job, den man ih­nen an­bie­ten möch­te«, er­klär­te er.

Korn nahm den Brief­um­schlag, sah ihn sich fra­gend an, be­vor er ihn öff­ne­te. Da­rin be­fand sich ei­ne Nach­richt so­wie ein Flug­ti­cket nach Ly­on, aus­ge­stellt auf sei­nen Na­men. Die Nach­richt lau­te­te:

Herr Korn,

bit­te be­su­chen Sie uns in der In­ter­pol Zen­tra­le in Ly­on. Wir ha­ben ei­nen Job für sie und wür­den ih­nen ger­ne alles Weite­re per­sön­lich er­klä­ren. Die gan­ze An­ge­le­gen­heit muss ver­trau­lich blei­ben.

Ber­nand Rous­sel, In­ter­pol.

Fas­sungs­los steck­te Mi­cha­el Korn den Brief­um­schlag in sei­ne lin­ke Bein­ta­sche und be­trach­te­te Wald­schmidt der et­was un­ru­hig auf sei­nem Stuhl saß. In sei­nem Kopf wir­bel­ten die Ge­dan­ken, wäh­rend sich sei­ne Mie­ne ver­dun­kel­te. Er konn­te es nicht glau­ben. Ein Jo­ban­ge­bot von In­ter­pol. Ist das die Be­loh­nung, wenn man ei­nem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten die Na­se bricht?

Großbritannien, London

»Hän­de hin­ter den Kopf und ganz lang­sam um­dre­hen« zisch­te Liz dem Jugend­li­chen zu, der ver­sucht hat­te ei­nen Ki­osk aus­zu­rau­ben, nur be­waff­net mit ei­nem Taschen­mes­ser aus der Schweiz. Der Jun­ge dreh­te ihr lang­sam den Rü­cken zu und hat­te sei­ne Fin­ger in­ei­nan­der ver­schränkt in den Na­cken ge­legt. Die Po­wer­frau steck­te ih­re Waf­fe zurück ins Hol­ster und nahm die Hand­schel­len vom Gür­tel. Vor­sich­tig trat sie auf den kaum 1,70 m gro­ßen Jugend­li­chen zu, der so viele Bol­zen im Ge­sicht hat­te, um ei­nen zwei­ten Eif­fel­turm nie­ten zu kön­nen. Mit der Schul­ter don­ner­te sie ihn ge­konnt ge­gen die Wand und fi­xier­te die von Nar­ben über­sä­ten Ar­me hin­ter dem Rü­cken. Dann trat sie et­was zurück und griff sich das Funk­ge­rät. »Ich hab ihn ein­ge­sam­melt, ihr könnt ihn jetzt ho­len.« Mur­mel­te sie und be­hielt den jun­gen im Blick.

Et­was spä­ter stand Liz vor ih­rem Strei­fen­wagen, rauch­te ge­nüss­lich ei­ne Zi­ga­ret­te in dem die­si­gen und leicht ver­reg­ne­ten Lon­do­ner Som­mer. Plötz­lich knack­te ihr Funk und ei­ne quä­len­de Stim­me er­klang: »Croll, kom­men sie zum Haupt­quar­tier und mel­den sie sich um­ge­hend beim Chief!«

Seuf­zend trat sie die Zi­ga­ret­te auf den Pflas­ter­stei­nen aus, blies noch ein­mal den Rauch vor sich hin und be­stä­tig­te den Funk­spruch. Was will der Al­te nur wie­der von mir, är­ger­te sie sich im zä­hen Ver­kehr auf der re­gen­rei­chen In­sel. Sie war ei­ne der be­sten der gan­zen Trup­pe ge­wor­den, trotz ih­res Han­di­caps mit nur knapp über 1,60 m Grö­ße un­ter den gan­zen Re­kru­ten mit Gar­de­maß. Vor dem Haupt­quar­tier stell­te sie den Strei­fen­wagen ab, ver­schloss ihn ord­nungs­ge­mäß und be­weg­te sich ziel­stre­big zum Büro des Chiefs. »Her­ein!« Bell­te die dunk­le Stim­me ih­res Vor­ge­setz­ten, als sie ge­klopft hat­te. Liz öff­ne­te die Tür und trat in das klei­ne Büro.

Chris Wil­li­ams sah zu ihr, leg­te sei­nen Stift auf den Ma­ha­go­ni­schreib­tisch und sag­te in ru­hi­gem Ton »Ah, da sind sie ja end­lich Croll. Set­zen Sie sich, ich ha­be et­was mit ih­nen zu be­spre­chen!«

Liz setz­te sich auf den Be­su­chers­tuhl und ver­such­te, die Mie­ne ih­res Chefs zu durch­drin­gen.

»Sie ha­ben mal wie­der gan­ze Ar­beit ge­leis­tet« be­gann der Chief. »Aller­dings sieht es so aus, als ob ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt sind Croll«

Liz war ver­wirrt. Ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt? »Wie denn das Chief? Hab ich was falsch ge­macht?«, frag­te sie mit ei­nem Vor­wurf in der Stim­me.

»Aber nein Croll, sie ha­ben nichts falsch ge­macht und ich wä­re froh, wenn ich das über die meis­ten hier sa­gen könn­te, aber um ehr­lich zu sein, gibt es ei­ne Ent­wi­cklung, von der sie ver­mut­lich über­rascht sein wer­den. Ich ha­be ei­ne Nach­richt von ei­nem ge­wis­sen Ber­nand Rous­sel von In­ter­pol be­kom­men. So wie es aus­sieht, will man sie dort ha­ben. Wo­für weiß nie­mand, aber es scheint ge­heim zu sein, weil sich wirk­lich alle da­rüber aus­schwei­gen. Sie flie­gen über­mor­gen von Hea­throw nach Ly­on rü­ber und wer­den auf­ge­klärt, wo­rum es sich han­delt. Ihr Flug­ti­cket ha­be ich be­reits hier!«

»Soll das ein Witz sein? Ich ha­be mich nir­gend­wo be­wor­ben und will auch nicht in ein Büro ge­setzt wer­den nur, um ir­gend­wel­che Stel­len über­all auf der Welt mit In­for­ma­tio­nen zu ver­sor­gen«, platz­te es aus Liz her­aus.

»Das ist kein Scherz. Es ist aber auch ih­re Ent­schei­dung, ob sie den Job bei In­ter­pol an­neh­men. Ich wür­de sie ger­ne hier­be­hal­ten, das kön­nen Sie mir glau­ben. Es ist nur ein An­ge­bot und nie­mand weiß ge­nau, wo­rum es geht. Al­so flie­gen sie nach Süd­frank­reich, hö­ren sich das an und tref­fen dann ih­re Ent­schei­dung. Ih­re Stel­le hier ist ih­nen si­cher, wenn sie ab­leh­nen.« Be­ru­hig­te sie Wil­li­ams.

»Wer ist eigent­lich die­ser Rous­sel? Hat der was zu mel­den?«, frag­te sie et­was lau­ter als be­ab­sich­tigt.

Chris Wil­li­ams blick­te sie lan­ge an, be­vor er schließ­lich her­vor­brach­te: »Ich ha­be mich in­for­miert und die­ser Rous­sel ist der Boss von In­ter­pol. Ein Fran­zo­se, mehr­fach aus­ge­zeich­net, mitt­ler­wei­le schon an die 60 Jah­re alt und hat den Laden schon seit 13 Jah­ren in sei­ner Hand. Und über In­ter­pol steht nie­mand mehr. Die­se Stel­le wird von nie­man­dem kon­trol­liert. Selbst die Poli­tik hat da nichts zu ent­schei­den. Völ­lig un­ab­hän­gig.«

»Okay, ich wer­de mir das mal an­hö­ren Chief«, ant­wort­ete Liz klein­laut.

2. Kapitel

Italien, Rom

Die Ma­schi­ne aus Cancún roll­te lang­sam an das Ga­te be­vor die Flug­gast­brü­cke zum Aus­stei­gen in Po­si­tion ge­bracht wur­de. Er war wie­der zurück in sei­ner Heimat und freu­te sich auf sei­ne Frau. End­lich hat­ten sie fi­nanz­iell aus­ge­sorgt. Be­schwingt ver­ließ er die Bo­eing und schlen­der­te zur Ein­rei­se­kon­trol­le. Nach den For­mal­itä­ten nahm er sei­nen Kof­fer vom Trans­port­band in der An­kunfts­hal­le und trat hin­aus in die Ewi­ge Stadt. Es war früh am Abend als er end­lich ge­lan­det war, aber die sechs Stun­den Zeit­un­ter­schied gau­kel­ten sei­ner in­ne­ren Uhr vor es wä­re frü­her Nach­mit­tag.

Er nahm sich ein Ta­xi nach Hau­se. End­lich wie­der sei­ne ge­lieb­te Frau in den Arm neh­men, die­ses Mal um ei­ni­ge Mil­lio­nen rei­cher und nicht mehr auf den Job an­ge­wie­sen Com­pu­ter­bau­tei­le über­all auf der Welt aus­zu­tau­schen nur, weil wie­der ir­gend­je­mand zu blö­de war das Zeug an­stän­dig zu war­ten. Nie wie­der wür­de er sei­ne Ma­riel­la allei­ne las­sen und quer durch die Welt flie­gen. Nur noch mit ihr zu­sam­men in den Ur­laub, an­sons­ten wür­de er in Rom blei­ben in dem klei­nen Haus, das er mit dem Geld kau­fen woll­te und sich mit Ma­riel­la um ei­ni­ge Bam­bi­ni zu küm­mern. Das Ta­xi er­reich­te die klei­ne Stra­ße mit­ten in Rom, wo er in ei­ner Bruch­bu­de le­ben muss­te, weil das Geld, was er ver­dien­te nicht aus­reich­te, um zu über­le­ben. Aber das soll­te jetzt der Ver­gan­gen­heit an­ge­hö­ren. In spä­tes­tens ei­ner Wo­che hät­te er das Geld für sei­nen Auf­trag.

Es war ein Kin­der­spiel. Alles lag ex­akt da, wo ihm der Be­su­cher ge­sagt hat­te. Rein in das La­bor, Com­pu­ter auf­ma­chen und das Lauf­werk aus­bauen. Nie­mand küm­mert sich, um ei­nen klei­nen Tech­ni­ker, der ein Lauf­werk auf­schraubt, um es zu re­pa­rie­ren. Dann in ei­nem un­be­obach­te­ten Mo­ment die Box aus der Schub­la­de zie­hen, im Lauf­werk ver­ste­cken und wie­der zu­sam­men­schrau­ben. Ein­mal nach drau­ßen ge­hen, um ein neu­es Lauf­werk zu ho­len und am En­de mit dem al­ten Lauf­werk das La­bor zu ver­las­sen. In sei­nem Hotel muss­te er nur wie­der die Box aus dem Lauf­werk ho­len und in den Kas­ten pa­cken. Ver­sie­geln, dann ver­gra­ben und die Geo-Ko­or­di­na­ten in ei­nem to­ten Brief­kas­ten hin­ter­las­sen. Was er da mit her­aus­ge­schmug­gelt hat, wur­de ihm zwar nicht ver­ra­ten, aber wenn es da­bei um fünf Mil­lio­nen Eu­ro geht, die in sei­ne Taschen wan­dern, spiel­te das kei­ne Rol­le.

Er schloss die Haus­tür auf und schlüpf­te lei­se hin­ein. Den Kof­fer stell­te er in den Flur, er wür­de ihn mor­gen aus­pa­cken. Er hör­te den Fern­se­her im Wohn­zim­mer. Ir­gend­ei­ne Ra­tes­how schon wie­der. Ma­riel­la lieb­te die­sen Quatsch. Er rief: »Ich bin wie­der zu Hau­se mein Schatz. Hast du mich ver­misst?«

Nie­mand ant­wort­ete. War Ma­riel­la wie­der zu der Nach­ba­rin ge­gan­gen und hat­te den Fern­se­her an­ge­las­sen? Er ging in die Kü­che und fand Spag­het­ti mit Meeres­früch­ten, die er sich schnell in die Mi­kro­wel­le schob. Sei­ne Frau war ei­ne sehr gu­te Kö­chin und er freu­te sich auf die Spag­het­ti. Er be­trach­te­te sehn­süch­tig die Di­gi­ta­lan­zei­ge die quä­lend lang­sam her­un­ter­lief, um dann mit ei­nem schril­len Piep­ton ver­kün­de­te, dass sein Es­sen fer­tig war. Er nahm den Tel­ler aus der Ma­schi­ne und ging da­mit ins Wohn­zim­mer. Als er durch die Tür trat, er­starr­te er. Dort auf dem So­fa saß nicht Ma­riel­la. Ein Typ in ei­nem dun­kel­blau­en An­zug war­te­te auf ihn mit ei­ner Waf­fe.

»Schön sie zu se­hen Mis­ter Ban­di­ni. Es freut mich, sie end­lich ein­mal ken­nen­zu­ler­nen. Ver­zei­hen Sie das Ein­drin­gen in ih­re Woh­nung aber wir kön­nen kei­ne Zeugen zurück­las­sen, die der Sa­che im We­ge ste­hen könn­ten. Nach­her re­den sie noch mit den Ca­ra­bi­nie­ri und brin­gen uns in Ver­le­gen­heit. Ach, nur noch ei­ne Klei­nig­keit. Ih­re Frau war­tet schon im Schlaf­zim­mer, wenn sie bit­te vor­aus­ge­hen wür­den, wä­re ich Ih­nen sehr ver­bun­den.«

»We, we, wer sind sie?« Stamm­el­te Ban­di­ni und hielt krampf­haft den Tel­ler mit sei­nen Spag­het­ti in der Hand.

»Nun, ich bin der Pro­blem­lö­ser Mis­ter Ban­di­ni. Und mein Pro­blem sind der­zeit sie. Ge­hen Sie jetzt bit­te ins Schlaf­zim­mer ich möch­te un­gern mei­nen An­zug rui­nie­ren, nur weil sie kei­ne paar Schrit­te ma­chen.«

Ban­di­ni such­te pa­nisch nach ir­gend­ei­nem Ge­gen­stand, um sich weh­ren zu kön­nen, aber er fand nichts in sei­ner Reich­wei­te. Lang­sam stell­te er den Tel­ler auf dem Schränk­chen ne­ben der Tür ab und ging mit be­däch­ti­gen Schrit­ten zurück in den Flur. Sein Kof­fer könn­te ihm hel­fen, wenn er schnell ge­nug han­deln wür­de. Vor­sich­tig be­weg­te er sich auf den Kof­fer zu und spann­te sei­ne Mus­keln um sich auf den An­griff vor­zu­be­rei­ten. Ge­ra­de als er mit ei­nem schnel­len Hand­griff zu dem Ge­päck­stück ab­tau­chen woll­te, spür­te er ei­nen Stich an sei­nem Hals. Mit weit auf­ge­ris­se­nen Augen dreh­te er sich um und sah den Pro­blem­lö­ser mit ei­ner Sprit­ze hin­ter sich. Dann fiel er zu Boden und das Letz­te, was er se­hen konn­te, be­vor die Welt im schwar­zen Ne­bel ver­schwand, waren laub­grü­ne Tep­pich­fa­sern.

Der Pro­blem­lö­ser zog den er­schlaff­ten Körper Ban­di­nis in das Schlaf­zim­mer und wuch­te­te ihn auf das Bett, in dem Ma­riel­la be­reits seit ei­ni­gen Stun­den be­we­gungs­los lag. Sie hat­te die Sprit­ze am Nach­mit­tag be­kom­men und wür­de nicht mehr zur Be­sin­nung kom­men, bis die Bu­de ab­ge­brannt ist. Er sah sich in dem Raum noch ein­mal um, ob er nichts ver­ges­sen hat­te. Nur der Kof­fer im Flur muss­te noch ver­schwin­den, dann war alles er­le­digt. Er nahm ihn auf und warf ihn schwung­voll auf den Klei­der­schrank. Dann ging er zurück in das Wohn­zim­mer, stell­te den Tel­ler mit den Spag­het­ti auf den Tisch, griff sich sei­ne Ta­sche und zog ei­ne gräu­li­che Do­se her­aus. Er ging zurück zu den Ban­di­nis und be­tä­tig­te den Aus­lö­ser auf der Do­se. Ei­ni­ge Se­kun­den spä­ter ver­wan­del­te sich das aus­tre­ten­de Ge­misch in ei­ne Feu­er­fon­tä­ne, die er acht­los un­ter das Bett warf und dann im Schutz der Dun­kel­heit das Haus ver­ließ.

Die Ta­sche auf der Schul­ter tra­gend lief er die Stra­ße ent­lang und fisch­te sein Han­dy aus dem Ja­ckett. Er wähl­te ei­ne Kurz­wahl und sag­te dann: »Die Fest­plat­te ist for­ma­tiert, alle Daten sind ge­löscht und das BBQ war­tet.« Dann leg­te er auf und ver­schwand in der Nacht.

3. Kapitel

Deutschland, Flughafen Köln/Bonn

Mi­cha­el Korn?? war­te­te am Ga­te auf sei­nen Flug nach Ly­on. Er hat­te sich, nach­dem er den Brief­um­schlag er­hielt über In­ter­pol In­for­ma­tio­nen ein­ge­holt. 1923 in Wien ge­grün­det, mit Haupt­sitz in Ly­on war In­ter­pol zu­stän­dig, die Zu­sam­men­ar­beit der ver­schie­de­nen Poli­zei­be­hör­den in 194 Län­dern der Welt zu ver­bes­sern. Sie war als Ver­ein ge­grün­det wor­den, nicht als Be­hör­de und un­ter­hielt kei­ne ei­ge­nen Agen­ten. 2013 wur­de Kri­tik laut als sich die In­ter­pol von Tabak­kon­zer­nen und knapp 30 Phar­ma­rie­sen ein Vier­tel ih­res Etats be­zah­len ließ. Als Grund gal­ten In­te­res­sen­skon­flik­te bei der Straf­ver­fol­gung und man­geln­de Trans­pa­renz. Nicht ge­ra­de ruhm­reich dach­te Korn, aber wenn die­se Or­ga­ni­sa­tion über ei­nen Etat von 300 Mil­lio­nen pro Jahr ver­fügt und ihm ei­nen Job an­bie­ten möch­te, kann man sich ja mal ein Bild ma­chen. Eigent­lich war es ihm egal. Ein Job war nur dann et­was für ihn, wenn er in Ge­fahr brin­gen wür­de und ihm ei­ne Auf­ga­be gibt. Er ver­füg­te über ei­ne außer­ge­wöhn­li­che Be­ob­ach­tungs­ga­be und zwin­gen­de Lo­gik. Für ihn war das nichts Be­son­de­res, das kön­nen viele an­de­re auch, viel­leicht deut­lich bes­ser als er. Nur war ver­mut­lich kei­ner der an­de­ren be­reit, sein Le­ben herz­uge­ben für ei­nen Job. Bei ihm war das aller­dings et­was an­de­res. Auf­re­gen konn­te man ihn nicht, da­zu be­durf­te man In­for­ma­tio­nen, die er aller­dings nie Preis gab. Das war der ein­zi­ge wun­de Punkt. Er ver­barg sich hin­ter ei­ner Mau­er aus schwei­gen und be­geg­ne­te den Men­schen ab­leh­nend. Sei­ne Art mit an­de­ren zu re­den war be­lei­di­gend mit fie­sem Humor. Trotz­dem war es we­ni­ger rat­sam ihm et­was ver­heim­li­chen zu wol­len. Aus den Re­ak­tio­nen konn­te er mit sei­ner Ga­be er­ken­nen, was die Wahr­heit war und wer ver­such­te, ihm ei­nen Bä­ren auf­zu­bin­den. Sein Aus­se­hen er­le­dig­te das Üb­ri­ge. Grund­sätz­lich immer in Schwarz, hoch­ge­wach­sen mit deut­li­chen An­zeichen von Kraft und ei­nem Blick der To­te wie­der er­we­cken könn­te. Zy­nisch, rück­sichts­los und nicht aus der Ru­he zu brin­gen.

Ein Sig­nal­ton drang aus den Lauts­pre­chern ge­folgt von der An­sa­ge: »Die Pass­agie­re des Flu­ges LH1724 nach Ly­on wer­den ge­be­ten sich zum Bo­ar­ding zu be­ge­ben!«

Korn er­hob sich und ging mit sei­nem Ti­cket zum Schal­ter. Er lieb­te das flie­gen. Wo sonst gab es so viele Mög­lich­kei­ten, ums Le­ben zu kom­men? Die Schwer­kraft ver­liert nie und es gab Mil­lio­nen von Tei­len mit ei­nem klei­nen de­fekt, die ei­ne Ma­schi­ne in Se­kun­den vom Himmel ho­len könn­ten. So­gar ein klei­ner Vogel in ei­nem Trieb­werk konn­te ei­ne Ka­ta­stro­phe aus­lö­sen. Viel­leicht klappt es ja heu­te, dach­te er bei sich und ging in die sil­ber­ne Bo­eing auf sei­nen Sitz­platz. In we­ni­gen Mi­nu­ten waren sie in der Luft, und Mi­cha­el auf dem Weg zu ei­ner neu­en, hof­fent­lich ge­fähr­li­chen, Auf­ga­be.

Großbritannien, Flughafen London Heathrow

Ge­lang­weilt sah sich Liz am Ga­te um. Sie war viel zu früh am Flug­hafen an­ge­kom­men und war­te­te un­ge­dul­dig wie ein Kind auf das Bo­ar­ding, des Air­bus A 320 von Hea­throw nach Ly­on. Mitt­ler­wei­le war schon über ei­ne Stun­de ver­gan­ge­nen, nach­dem sie aus dem Ta­xi, das sie her­ge­bracht hat, ge­stie­gen war, den Check in hin­ter sich brach­te und dann durch die Si­cher­heits­kon­trol­le ge­gan­gen war. Der damp­fen­de Kaffee in ih­rer Hand bot nicht wirk­lich ei­ne Er­fri­schung. Viel zu stark für ih­ren Ge­schmack und auch noch ei­nen üblen Nach­ge­schmack. Aber was woll­te sie auch er­war­ten, das hier war Groß­bri­tan­nien und da trin­ken die meis­ten Tee, wie sol­len die auch ei­nen an­stän­di­gen Kaffee zu­stan­de brin­gen.

Liz Croll war die Tochter ei­nes Leh­rers aus der Graf­schaft Sus­sex an der Süd­spit­ze der bri­ti­schen In­sel. Ih­re Mutter, ei­ne Spring­rei­te­rin, die lei­der bei ei­nem Rei­tun­fall ums Le­ben kam, als ih­re Stu­te sie ab­warf und sie mit dem Kopf auf ei­nen Stein prall­te, starb, als sie ge­ra­de 9 Jah­re alt war. Sie war ei­ne Kämp­fe­rin. Trotz ih­rer klei­nen Körper­grö­ße konn­te sie un­glau­bli­che Fä­hig­kei­ten in sich ver­ei­nen. Jetzt mit Mit­te 30 war sie zu ei­ner her­vor­ra­gen­den Po­li­zis­tin im Kö­nig­reich ge­wor­den und galt als ech­te Spür­na­se. Was immer es zu fin­den galt, wenn Liz sich der Sa­che an­nahm, stie­gen die Chan­cen, alles auf­zu­klä­ren ra­pi­de an. Ihr Vater brach­te ihr bei, hin­ter die Mas­ken der Men­schen zu bli­cken. Sie hat­te ein fast un­heim­li­ches Ge­spür da­für, wer et­was zu ver­ber­gen hat­te. Schon in ih­rer Kind­heit hat­te ihr Vater ihr immer wie­der ver­schie­de­ne Spu­ren ge­legt und sie hat mit Be­geis­te­rung je­den Hin­weis un­ter­sucht und war der Fähr­te nach­ge­gan­gen. Dort war­te­ten dann Sü­ßig­kei­ten oder Spiel­zeug auf sie. Heu­te war­te­ten nur noch Ver­bre­cher am En­de der Spu­ren, aber das war fast ge­nau­so gut. Und ihr ge­rin­ges Körper­maß hat­te noch ei­nen an­de­ren Vor­teil, sie war fast so schnell, wie ei­ne Kat­ze da­bei möch­te sie Hun­de um ei­ni­ges lie­ber.

Was wür­de nur in Ly­on auf sie war­ten frag­te sie sich, und wa­rum woll­te man aus­ge­rech­net sie dort ha­ben. Gab es in Groß­bri­tan­nien nicht ge­nug Ver­bre­cher, dass man sie in ein Büro ab­schie­ben konn­te, um an ei­ner Staub­lun­ge zu er­kran­ken, weil sie sich wie ein Holz­wurm durch al­te Ak­ten wüh­len müss­te. Das war nichts für Liz, sie moch­te die fri­sche Luft, die Spu­ren, das ent­rät­seln und das Ge­fühl et­was Sinn­vol­les mit ih­rem Le­ben an­zu­fan­gen. Augen durch und zu, wie das Sprich­wort sagt. Sie wür­de sich das an­hö­ren und wenn ihr die Fran­zo­sen auf die Ner­ven gin­gen zurück nach Eng­land flie­gen, um dort Ver­bre­cher zu ja­gen.

Das Bo­ar­ding be­gann end­lich und Liz nahm ih­re Hand­ta­sche, die auch ger­ne als Kof­fer hät­te durch­ge­hen kön­nen, und be­trat den mo­der­nen Air­bus. Für die 760 km wür­den an­der­thalb Stun­den aus­rei­chen.

4. Kapitel

Vereinigte Staaten, Houston (TX)

Das Fa­denk­reuz lag zwei cm ober­halb des Her­zens der Ziel­per­son, auf die Ent­fer­nung von 300 m wä­re das ein Voll­tref­fer. Lang­sam at­me­te Lea aus und drück­te den Ab­zug an ih­rem M24, ei­ner Va­ri­an­te des Re­ming­ton 700, durch. Mit ih­rem Ziel­fern­rohr er­kann­te sie, das die Ziel­per­son schon tot war, als der Körper auf dem Kies­boden auf­schlug. »Sau­ber ge­trof­fen, Mis­sion be­en­det. Flucht­punkt Al­pha in 10!« Hör­te sie über ihr He­ad­set.

Lea Enis ging hin­ter der Brüs­tung des Hoch­hau­ses in De­ckung und nahm das M24 aus­ein­an­der, ver­pack­te die ein­zel­nen Tei­le wie­der in ih­rer Um­hän­ge­ta­sche. Sie leg­te sich die Trä­ger auf die Schul­ter und ging ge­duckt zu der Tür, die auf das Dach führ­te. Im schumm­ri­gen Licht des Trep­pen­hau­ses lief sie tritt­si­cher nach un­ten bis zum 28. Stock­werk, schlüpf­te durch die Tür zur Trep­pe und be­fand sich im Flur des Hotels. Drei­ßig Schrit­te links von ihr be­fand sich der Per­so­nal­auf­zug. Sie zog ih­re Zu­gangs­kar­te aus der Ho­sen­ta­sche und hielt sie vor das Le­se­ge­rät. Die Fahr­stuhl­tür glitt auf und sie be­trat die Ka­bi­ne, des al­ten Auf­zugs, der sei­ne be­sten Zeiten lan­ge hin­ter sich hat­te. Nach dem Druck auf die Tas­te B1 schlos­sen sich die Türen und der Auf­zug setz­te sich ru­ckelnd in Be­we­gung. Un­ten an­ge­kom­men ver­ließ sie die Ka­bi­ne, dreh­te sich nach rechts und lief durch die Groß­kü­che zum Sei­ten­ein­gang. Sie wirk­te wie ein jun­ges Dienst­mäd­chen in dem Hotel, das ge­ra­de ih­re Schicht be­en­de­te und nach Hau­se woll­te. Vor der Tür bog sie nach links ab und ver­schwand in der klei­nen Sei­ten­gas­se. Sie er­blick­te den dun­kel­blau­en Van und eil­te ihm ent­ge­gen. Im Schritt­tem­po öff­ne­te sich die Sei­ten­tür des Fahr­zeugs und Lea sprang hin­ein. Die Tür fiel pol­ternd hin­ter ihr zu. Es war warm in dem Van, doch Lea frös­tel­te. Et­was stimm­te hier nicht. Sie soll­te allei­ne in dem Fahr­zeug sein, doch ge­gen­über auf dem hin­te­ren Sitz saß ei­ne Frau in Busi­ness­an­zug, die ver­träumt aus dem ver­dun­kel­ten Fens­ter blick­te.

»Wo bin ich denn hier ge­lan­det, das ge­hört nicht zum Plan«, er­öff­ne­te Lea.

»Ganz ru­hig Miss Enis, es läuft alles so, wie es ge­dacht ist. Leh­nen Sie sich zurück und ge­nie­ßen sie ih­re letz­te Fahrt in Frei­heit. Sie wer­den sehr lan­ge kei­ne Ge­le­gen­heit mehr da­zu ha­ben«, ent­geg­ne­te die Frau.

»Was soll das hei­ßen?«, frag­te sie.

»Das heißt, dass sie uns in die Fal­le ge­gan­gen sind und jetzt die näch­sten Jah­re in ei­nem Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis zu­brin­gen wer­den.«, kon­ter­te sie kühl.

»Wer zum Teu­fel sind sie, und wie­so glau­ben sie, ich wür­de still hier sit­zen blei­ben? Was soll­te mich da­von ab­hal­ten sie ein­fach zu kil­len? Ob jetzt nur ei­ner dran glau­ben muss­te oder zwei spielt kei­ne Rol­le!«

»Das hat­ten wir er­war­tet Miss Enis. Ich bin Spe­ci­al Agent Tur­ner vom FBI. Wir sind jetzt seit vier Jah­ren hin­ter ih­nen her. Sie waren flei­ßig. Ins­ge­samt ge­hen mehr als vier­zig Lei­chen auf ihr Konto und das ist si­cher nur die Spit­ze des Eis­bergs. Soll­ten Sie auch nur den Ver­such un­ter­neh­men, mich an­zu­grei­fen, wer­den sie die­ses Fahr­zeug nicht mehr le­bend ver­las­sen. Ha­be ich mich deut­lich ge­nug aus­ge­drückt?«

»Sie wer­den ihr blau­es Wun­der er­le­ben!«, wü­te­te Lea, »In spä­tes­tens zwei Stun­den wer­den ih­nen die Kugeln nur so um den Kopf sau­sen und es wird mir die größ­te Freu­de be­rei­ten, sie mit ei­ner ro­sti­gen Ga­bel aus­zu­wei­den!«

»Spa­ren sie sich die gro­ßen Re­den Miss Enis. In zwei Stun­den sit­zen sie ge­müt­lich in der Zel­le und rich­ten sich für ei­nen sehr lan­gen Auf­ent­halt in ih­rer neu­en Heimat ein!«

Lea konn­te nicht glau­ben, was da eben pas­siert war. Der Plan war per­fekt. Jetzt saß hier ei­ne vom FBI vor ihr und er­zähl­te was von Knast. Das kann ein­fach nicht wahr sein. Ich bin viel zu jung, um in den Knast zu ge­hen. Ge­ra­de mal 30 Jah­re alt und in der be­sten Zeit mei­nes Lebens. Was war da nur schief­ge­lau­fen, und vor al­lem wo ist Den­nis ab­ge­blie­ben? Den­nis war ihr Freund und war seit acht Jah­ren immer an ih­rer Sei­te. Er soll­te eigent­lich den Flucht­wagen fah­ren, wäh­rend sie hier allei­ne sit­zend ab­tauch­te. Nur wo war Den­nis jetzt? Fra­gen über Fra­gen, aber kei­ne Ant­wor­ten.

Wäh­rend ihr Tausen­de Ge­dan­ken durch den Kopf rausch­ten und sich zu ei­ner breii­gen Mas­se zu­sam­men­zo­gen, wur­de das klei­ne Fens­ter zur Fahr­er­ka­bi­ne ge­öff­net. Be­nom­men ver­nahm sie ei­ne ver­trau­te Stim­me, konn­te aber die Wor­te nicht ver­ste­hen, zu sehr war sie in ih­ren Ge­dan­ken ge­fan­gen. Der Van fuhr weiter durch die Stra­ßen von Hous­ton in Te­xas, mit Lea auf der Rei­se in die un­ge­wis­se Zu­kunft.

5. Kapitel

Frankreich, Lyon

Sur­rend setz­te sich das Trans­port­band in Gang. Liz stand et­was ab­seits um nicht im gro­ßen Ge­drän­ge um­ge­rannt zu wer­den. Um sie he­rum fie­len sich Fa­mi­lien in die Ar­me, Kin­der lach­ten und Jugend­li­che stell­ten ih­re Co­ol­ness un­ter Be­weis, in­dem sie ein­fach alles und je­den ig­no­rier­ten. Der ganz nor­ma­le Wahn­sinn an ei­nem Flug­hafen. Ihr Blick fiel auf ei­nen kom­plett in schwarz ge­klei­de­ten Mann, der nur ei­ni­ge Me­ter ent­fernt von ihr stand. Sei­ne Au­ra wirk­te düs­ter und be­droh­lich auf sie, ob­wohl die kan­ti­gen Zü­ge ihm ei­ne ge­wis­se At­trak­ti­vi­tät ver­lie­hen. Trotz­dem woll­te sie so je­man­dem si­cher nicht nachts be­geg­nen. Er stand wie ein Baum auf ei­ner Stel­le, doch sei­ne blau­en Augen waren hell­wach und streif­ten un­auf­hör­lich durch die Hal­le. Wie aus dem nichts setz­te er sich in Be­we­gung und hielt auf das Band zu, auf dem eben ei­ne schwar­ze Ny­lon­ta­sche er­schien. Oh­ne Um­weg lief er ge­ra­de­aus, rem­pel­te ei­nen Jugend­li­chen fast um, der ihm auf Fran­zö­sisch ir­gend­et­was hin­ter­her­warf, was nicht be­son­ders freund­lich klang. Er ig­no­rier­te ein strei­ten­des Ehe­paar, lief direkt zwi­schen ih­nen durch, pack­te die schwar­ze Ta­sche am Griff und ging dann auf den Aus­gang der Hal­le zu. Mit dem ist si­cher, nicht gut Kir­schen es­sen, grins­te sie in sich hin­ein. Die Rei­hen vor dem Band lich­te­ten sich ein we­nig und Liz er­kann­te ih­ren Kof­fer der sei­ne Krei­se dreh­te. Sie nahm ihn vom Band, stell­te ihn auf den Boden und zog den Griff nach oben um ihn hin­ter sich her­rol­len zu las­sen. Sie ver­ließ die Hal­le auf di­rek­tem Weg, um nach drau­ßen zu kom­men, es wur­de lang­sam Zeit den Ni­ko­tin­spiegel auf ein nor­ma­les Le­vel zu brin­gen, der seit Lon­don ins Boden­lo­se ge­fal­len war.

Drau­ßen leg­te die Son­ne Ly­on in hel­les Licht, das in den Augen brann­te. Liz kniff die Augen zu­sam­men, da­mit sich die Pu­pil­len ver­en­gen konn­ten. Als sie sich an die Hel­lig­keit ge­wöhnt hat­te, öff­ne­te sie die Augen, fisch­te in ih­rer Hand­ta­sche nach ei­nem Glimm­stän­gel und ih­rem Feu­er­zeug. Da stand er wie­der vor ihr, der Mann in Schwarz. Die­ses Mal mit ei­ner eben­falls schwar­zen Son­nen­bril­le vor den Augen zog er an sei­ner Zi­ga­ret­te und in­ha­liert tief. Sie ver­such­te, ihn ab­zu­schät­zen. Groß war er, mar­kan­tes Ge­sicht mit den har­ten Zü­gen, et­was rund­lich um die Hüf­te und ein Kreuz wie ein Bär. Aber ir­gend­was ir­ri­tier­te sie an ihm. Er wirk­te un­glau­blich mäch­tig und doch spür­te sie so et­was wie Un­si­cher­heit. In­te­res­san­ter Typ eigent­lich wä­re da nicht sein Be­neh­men wie ein Ele­fant im Kühl­schrank.

Dann ent­deck­te sie ei­nen jün­ge­ren Mann, der in ei­nem schwar­zen An­zug zwei Schild­chen in die Hö­he reck­te. Auf dem lin­ken stand L. Croll und auf dem rech­ten M. Korn. Das war wohl ein Büro­hengst von In­ter­pol, der zwei Per­so­nen ab­ho­len soll­te, wo­bei er so dürr war wie ein klei­ner Stock und auf sie wirk­te, als kön­ne er kaum ei­nen Bleis­tift hal­ten. Egal dach­te sie sich, fah­ren wird er wohl kön­nen und so weit ist es ja auch wie­der nicht. Sie wink­te ihm zu und stell­te sich als Liz Croll vor. Ei­ne piep­sen­de Kin­der­stim­me drang aus sei­nem Mund, als er sag­te »Mon­sieur Rous­sel schickt mich, um sie ab­zu­ho­len Miss Croll. Ist mir ei­ne Freu­de, sie ken­nen­zu­ler­nen. Wir war­ten lei­der noch auf Mis­ter Korn, der eigent­lich vor ih­nen ge­lan­det sein müss­te.«

»Ich hab dich schon lan­ge ge­se­hen Büb­chen!«, raun­te ei­ne tie­fe Stim­me hin­ter Liz.

Er­schro­cken dreh­te sie sich um und starr­te auf ein schwar­zes Shirt, erst als sie den Kopf hob, er­kann­te sie, dass es der Bull­do­zer, der vor­her durch die Ge­päck­hal­le ge­pflügt war. Das ist al­so Mis­ter Korn, oder soll­te ich ihn eher Mis­ter Arsch nen­nen?

Die schril­le Stim­me leg­te wie­der los »Mis­ter Korn, es freut mich, dass sie hier sind. Wie waren ih­re Flü­ge?«

Ehe Liz et­was er­wi­dern konn­te, hat­te schon Mis­ter Arsch das Wort er­grif­fen und sah den jun­gen an, als wol­le er, ihn gleich auf der Stel­le zum ewi­gen Schwei­gen brin­gen »Quatsch mir kei­ne Fri­ka­del­le ans Knie du Kno­chen­ge­rüst. Hau die Ha­cken in den Teer und lass uns fah­ren sonst krieg ich schlech­te Lau­ne!«

»Noch schlech­ter als jetzt ist wohl kaum mög­lich Mis­ter Korn, oder soll­te ich sie bes­ser Mis­ter Arsch nen­nen?«, gift­ete Liz.

»Vor­sich­tig, das Zwer­gen wer­fen wur­de letz­tes Jahr wie­der er­laubt, viel­leicht mach ich spä­ter noch Ge­brauch da­von«, hör­te sie den dump­fen Bass sei­ner Stim­me.

»Be­vor wir fah­ren müss­te ich sie bit­ten, sich aus­zu­wei­sen!«, be­harr­te der Fah­rer.

Korn griff in sei­ne hin­te­re Ho­sen­ta­sche und zog sei­nen Aus­weis her­aus, den er an­ge­wi­dert dem Fah­rer vor die Na­se hielt. Als er da­nach grei­fen woll­te, zog Korn sei­ne Hand zurück und mach­te ein fins­te­res Ge­sicht.

»Du be­hältst dei­ne Pfo­ten bei dir, sonst bre­che ich sie dir!«, pflaum­te er ihn an.

Liz nes­tel­te in ih­rer Hand­ta­sche nach ih­rem Aus­weis­do­ku­ment. Un­ge­dul­dig be­ob­ach­tet der schwarz ge­klei­de­te Body­gu­ard das Schau­spiel und riet ihr dann »Ver­su­chen sie es im Kel­ler der Rei­se­ta­sche!«

»Dan­ke für den Hin­weis, aber ich wer­de mei­nen Aus­weis auch oh­ne ih­re Hil­fe fin­den!«, warf sie ihm et­was un­ge­hal­ten an den Kopf.

»Ich be­zweif­le ernst­haft, das sie ei­nen Aus­weis be­sit­zen, eher ver­mu­te ich ein Ent­schul­di­gungs­schrei­ben von Du­rex!«, gab Korn zurück.

Na das kann ja hei­ter wer­den, schoss es ihr durch den Kopf und sie be­reu­te, dass sie ih­re Waf­fe nicht mit­neh­men durf­te. Liz fand ih­ren Per­so­nal­aus­weis zu­sam­men mit ih­rem Diens­ta­us­weis in ei­ner in­ne­ren Sei­ten­ta­sche. Sie reich­te das Do­ku­ment dem Fah­rer, der es auf­merk­sam be­gut­ach­te­te und es ihr wie­der mit ei­nem schie­fen Lä­cheln zurück­gab. Korn hat­te sich be­reits auf den Bei­fah­rer­sitz ge­setzt und die Tür zu­ge­schla­gen. Sei­ne Augen waren in den zart­blau­en Himmel über Ly­on ge­rich­tet. Liz nahm hin­ter dem Fah­rer Platz und starr­te bö­se auf Korn. Fast un­merk­lich schüt­tel­te sie den Kopf über das Ver­hal­ten des Man­nes. Er nahm da­von kei­ne Notiz. Sein Kopf war zum Fens­ter ge­rich­tet, durch das er starr und un­be­weg­lich in den Himmel blick­te.

Die Fahrt ver­lief still, mit Aus­nah­me der Chan­son sin­gen­den Stim­me aus dem Ra­dio, die sich an­hör­te, als wür­de man ihr ge­ra­de den Blind­darm oh­ne Be­täu­bung ent­fer­nen.

6. Kapitel

Vereinigte Staaten, Houston (TX)

Spe­ci­al Agent Tur­ner lehn­te in ih­rem Leder­ses­sel und hielt ei­nen Mo­no­log über die so­eben ver­haf­te­te Lea Enis. Vor ihr blick­te sie Agent Bloom an, der auf dem un­be­que­men Holz­stuhl Platz ge­nom­men hat­te.

»Mein lie­ber Agent Bloom, ich bin sehr froh, dass wir heu­te Miss Enis aus dem Ver­kehr zie­hen konn­ten. Das alles ist so gut wie allei­ne ihr Ver­dienst. Sie ha­ben die­ses Mons­ter jah­re­lang über­wacht und konn­ten uns den ent­schei­den­den Hin­weis lie­fern, der letz­tend­lich zu ih­rer Er­grei­fung führ­te. In den letz­ten Jah­ren fie­len ihr, nach of­fi­ziel­len Zah­len, die wir auch ih­nen ver­dan­ken, mehr oder we­ni­ger zu­min­dest, na­he­zu 49 Per­so­nen zum Opfer. Hin­ge­rich­tet, möch­te ich bei­nahe sa­gen, in 23 Bun­des­staaten die­ses Lan­des. Die gan­zen Opfer hat­ten ei­nes ge­mein­sam, sie ar­beit­eten für die un­ter­schied­lich­sten Be­hör­den die­ses Lan­des. Bis­her feh­len uns lei­der noch die gan­zen Be­wei­se, wo­her sie ih­re Auf­trä­ge be­kom­men hat, und vor al­lem auf wel­chem We­ge. Die Com­pu­ter­daten durch den von ih­nen ein­ge­schleus­ten Tro­ja­ner er­ga­ben kei­nen ein­zi­gen Tref­fer oder An­halts­punk­te, wo­her die Auf­trä­ge ka­men und wer da­für be­zahlt hat. Sie sind der Held des Jahr­zehnts. Ich mag mir gar nicht vor­stel­len wie sie da­run­ter ge­lit­ten ha­ben müs­sen. Letz­ten En­des ist sie jetzt aber in der Zel­le, be­vor man sie in den näch­sten Ta­gen in ein Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis ver­legt, in dem sie nach der­zei­ti­ger Schät­zung we­nigs­tens 120 Jah­re ver­brin­gen wird. Dann wä­re sie 150 Jah­re alt, wenn sie raus­kommt. Nur das wird nicht pas­sie­ren, wür­de ich sa­gen. Was ha­ben sie jetzt als Näch­stes vor Agent?«

»Zu­erst möch­te ich ger­ne ei­nen län­ge­ren Ur­laub an­tre­ten, mei­ne Fa­mi­lie be­su­chen, so­wie ei­ne rie­si­ge Par­ty ver­an­stal­ten« lä­chel­te Bloom.

»Wir müs­sen erst noch ih­re Tar­nung rück­gän­gig ma­chen, aber da küm­me­re ich mich be­reits drum. Ge­nie­ßen Sie ih­ren Ur­laub« strahl­te Tur­ner ihn an.

»Ach ei­ne Fra­ge noch Mis­ses Tur­ner, dürf­te ich die Ge­fan­ge­ne noch ein­mal be­su­chen? Ich ha­be da noch ein per­sön­li­ches An­lie­gen, das ich ger­ne mit Miss Enis klä­ren wür­de.« er­wi­der­te Agent Bloom.

Tur­ner über­leg­te ei­nen Mo­ment, be­vor sie die Er­laub­nis gab. Agent Bloom er­hob sich von dem har­ten Stuhl, drück­te sein Kreuz durch, be­dank­te sich mit ei­nem Ni­cken und schloss die Büro­tür hin­ter sich. Auf sei­nem Weg zu den Ver­wahr­zel­len im Un­ter­ge­schoss des Ge­bäu­des muss­te er immer wie­der ste­hen blei­ben, um sich zu orien­tie­ren. Er war seit ei­ner Ewig­keit nicht mehr in dem Ge­bäu­de ge­we­sen. In den letz­ten Jah­ren hat­te sich vieles ver­än­dert.

Un­ten an­ge­kom­men lief er an den er­sten Zel­len vor­bei, die alles­amt leer waren. Erst im hin­te­ren Be­reich ent­deck­te er Lea Enis, die auf ih­rer Prit­sche lag und das Ge­sicht in der krat­zi­gen Woll­de­cke ver­gra­ben hat­te.

Er stell­te sich an die Git­ter­stä­be und pfiff ei­ne lei­se Me­lo­die. Lea, die bis da­hin be­we­gungs­los und schwer at­mend auf der Prit­sche lag, dreh­te den Kopf et­was nach links. Als der Trä­nen­schleier sich lich­te­te, er­kann­te sie, wer da vor ih­rer Zel­le stand, be­vor sie über­has­tet zum Git­ter stürz­te, rief sie »Den­nis!«

Agent Bloom wich zurück und sag­te in ru­hi­gem Ton »Nicht Den­nis, für sie Agent Bloom Miss Enis.«

Lea ver­harr­te ei­ne Se­kun­de, be­vor sie maul­te »Lass die blö­den Scher­ze! Hol mich ge­fäl­ligst hier raus Den­nis!«

Der Agent lä­chel­te und in süf­fi­san­ten Ton merk­te er an »Mein Na­me war noch nie Den­nis Wil­cox, Miss Enis. Ich bin Agent Bloom. Üb­ri­gens bin ich der Grund, dass es uns ge­lun­gen ist sie zu er­grei­fen und der Ge­rech­tig­keit zu über­ge­ben.«

Le­as an­sons­ten blas­ses Ge­sicht än­der­te die Far­be in ein dunk­les Rot. Sie keif­te »Wenn ich hier raus bin, wirst du der er­ste Mord mei­ner Kar­rie­re den ich un­be­zahlt, aber mit höch­ster Be­frie­di­gung, lang­sam und qual­voll er­le­di­gen wer­de. Ich ver­spre­che dir, dass ich, wenn nö­tig, mein ge­sam­tes Ver­mö­gen aus­ge­be, um dei­ne Qua­len ewig zu ver­län­gern!«

»Da­raus wird wohl lei­der nichts, denn sie wer­den bis zum letz­ten Atem­zug hin­ter Git­tern ver­brin­gen.« lach­te Bloom.

Dann wand­te er sich um und ver­ließ das Un­ter­ge­schoss oh­ne ein wei­te­res Wort.

Lea konn­te es nicht fas­sen. Ihr Freund, den sie seit 8 Jah­ren an ih­rer Sei­te wuss­te, war ein Agent des FBI. Wie hat­te sie das nur all die Jah­re über­se­hen kön­nen?

Lea Enis war seit frü­hes­ter Kind­heit mit Waf­fen auf­ge­wach­sen. So­lan­ge sie den­ken konn­te, hat sie immer ir­gend­wie den Ab­zug ge­drückt. Als klei­nes blon­des Mäd­chen in Te­xas, als ihr Vater noch leb­te, hat­te sie erst Spiel­zeug­waf­fen in den Fin­gern, die durch klei­ne Zünd­hüt­chen ei­nen Knall ab­ga­ben. Mit zar­ten 8 Jah­ren hat­te sie das er­ste Mal ei­ne ech­te Waf­fe in der Hand und dürf­te un­ter der Auf­sicht ih­res Vaters mit Platz­pa­tro­nen auf ima­gi­nä­re bö­se Buben schie­ßen. Mit 11 durf­te sie das er­ste Mal in ih­rem Le­ben mit schar­fer Mu­ni­tion auf Ge­trän­ke­do­sen an­le­gen. Nach­mit­tags, wenn die Schu­le zu En­de war, üb­te sie auf ih­rer Plays­ta­tion das an­vi­sie­ren. So­bald dann ihr Vater zu Hau­se war, durf­te sie im Gar­ten, oder bei Re­gen auf der Ter­ras­se auf Tausen­de Zie­le schie­ßen. Ih­re Mutter brach­te ihr auto­ge­nes Trai­ning bei, was die Kon­zen­tra­tion stei­ger­te und ließ sie die Mus­keln der Ar­me trai­nie­ren. Lea Enis wur­de nur 1,58 m groß und wog bis heu­te nur knap­pe 45 Kilo­gramm. Sie war schon immer zier­lich, aber ihr Ziel war es, die gro­ßen Ge­weh­re ab­zu­feu­ern, die mit dem Rück­stoß für sie ein­fach nicht zu hal­ten waren. Viele Jah­re trai­nier­te sie wie ei­ne Be­ses­se­ne ih­re Mus­keln und die Hal­tung der Waf­fe bis sie mit 17 zum er­sten Mal mit ei­nem Ge­wehr auf weiter ent­fern­te Zie­le ihr Kön­nen un­ter Be­weis stel­len konn­te. Mit 19 Jah­ren muss­te sie mit­er­le­ben, wie ih­re Eltern ge­tö­tet wur­den. Sie kann­te die Män­ner nicht die ih­re Eltern um­ge­bracht ha­ben, bis es ihr mit­hil­fe ei­ni­ger Freun­de ge­lang, sie aus­fin­dig zu ma­chen. Sie über­leg­te sich ei­nen ge­nau­en Plan wie sie die bei­den, wann und wo, aus si­che­rer Ent­fer­nung er­le­di­gen konn­te. Die­se er­sten Mor­de blie­ben nicht un­be­merkt. Gut, die Cops tapp­ten im Dun­keln und waren nie in der La­ge das alles ir­gend­wie auf­zu­klä­ren. Aber ei­ni­ge Ge­schäfts­leu­te er­fuh­ren durch un­durch­sich­ti­ge Ka­nä­le da­von. Sie en­ga­gier­ten die jun­ge Frau für ei­ni­ge Mor­de. Aller­dings blieb ihr Grund­satz immer gleich. Sie wür­de nie ei­nen un­schul­di­gen Men­schen er­schie­ßen. Sie über­prüf­te je­den ein­zel­nen Auf­trag bis zu den dun­kel­sten Hin­ter­grün­den, be­vor sie los­zog, um sie zu eli­mi­nie­ren. Ih­re Auf­trä­ge be­zog sie über ei­nen to­ten Brief­kas­ten im Mu­se­um of fi­ne Arts in Hous­ton. Die Be­zah­lung ih­rer Dien­ste lief eben­falls über To­te Brief­kas­ten in Hous­ton.

Und jetzt saß sie in die­sem Loch, weil sie ei­nem ver­deck­ten Er­mitt­ler auf den Leim ge­gan­gen war, der es ge­schafft hat­te, ihr Herz zu steh­len. Sie muss­te raus aus dem Loch, die gro­ße Fra­ge war nur wie.

7. Kapitel

Italien, Rom

Das klei­ne Häus­chen in ei­ner der mie­ses­ten Ge­gen­den der Ewi­gen Stadt war bis auf die Grund­mau­ern nie­der­ge­brannt, trotz des un­er­müd­li­chen Ein­sat­zes der Feu­er­wehr­leu­te. Die bei­den Be­woh­ner, ein Com­pu­ter­tech­ni­ker und sei­ne Frau ka­men bei dem Brand ums Le­ben. Brand­er­mitt­ler un­ter­such­ten die Über­res­te und ka­men zu dem Schluss, dass es Brands­tif­tung ge­we­sen sein muss­te. Sie fan­den Spu­ren an den Die­len un­term Bett der Ehe­leu­te, die zwei­fel­soh­ne durch ei­nen Zünd­satz ent­stan­den. Das war auch der er­ste Brand­herd. Un­klar war den Er­mitt­lern nur, wa­rum das Ehe­paar das Bett nicht ver­las­sen hat­te, nach­dem der Brand aus­ge­bro­chen war. Aber noch et­was an­de­res fehl­te den Ca­ra­bi­nie­ri, näm­lich das Mo­tiv für ei­nen Mord an ei­nem Tech­ni­ker der ge­ra­de mal ge­nug ver­dien­te, um sich und sei­ne Frau über die Run­den zu be­kom­men. Das pass­te alles hin­ten und vor­ne nicht zu­sam­men.

Nach un­zäh­li­gen Ar­beits­stun­den der Er­mitt­ler wur­den die Er­geb­nis­se zu den Ak­ten ge­legt. Ei­ne Auf­klä­rung wur­de da­mit immer un­wahr­schein­li­cher.

Vereinigte Staaten, Langley (VA)

Der Ein­satz­lei­ter der CIA?? John Clark­son?? blät­ter­te in ei­ni­gen Be­rich­ten auf sei­nem Schreib­tisch. Der Ein­satz in Cancún war nicht so ge­lau­fen, wie er das ge­plant hat­te. Le­dig­lich sein Pro­blem­lö­ser hat­te die Spu­ren in Rom be­sei­tigt. Sie hat­ten nur die Hül­le er­beu­tet, aber das eigent­li­che Ma­te­ri­al blieb ver­schwun­den. Da klin­gel­te sein Tele­fon.

»Was?«, frag­te Clark­son.

»Sir, wir ha­ben ein Pro­blem in Cancún!«, be­rich­te­te sein Agent.

»Schön wenn es nur eins wä­re! Was denn noch?«, seufzte er.

»Da, wo die Hül­le ver­gra­ben war, be­legt ein di­cker Ur­lau­ber den Strand. Wir kön­nen nicht mehr dran!«

»Hat der Wind von der An­ge­le­gen­heit be­kom­men und ver­sucht, jetzt selbst da­nach zu su­chen?«, frag­te er är­ger­lich.

»Mög­lich Sir. Er ver­lässt den Platz so gut wie nie und immer wie­der fin­gert er im Sand he­rum!«, be­stä­tig­te sein Agent vor Ort.

»Ver­dammt, das hat uns ge­ra­de noch ge­fehlt!«, blaff­te Clark­son, »Be­hal­ten sie ihn un­ter allen Um­stän­den im Au­ge. Durch­su­chen sie sein Hotel­zim­mer, ob er das Ma­te­ri­al be­reits in sei­nem Be­sitz hat. Wenn er es weiter­gibt, will ich wis­sen an wen und wo es dann zu ho­len ist!«

»Was ma­chen wir mit dem Typ?«, frag­te er.

»Falls es ein nor­ma­ler Ur­lau­ber ist, braucht er nichts zu wis­sen, dann las­sen sie ihn lau­fen. Be­sitzt er ir­gend­wel­che Kennt­nis von uns oder der An­ge­le­gen­heit, oder wer­den sie ent­deckt ma­chen sie ihn um­ge­hend un­schäd­lich!«, fauch­te er.

»Wird er­le­digt Sir!«, sag­te sein Agent und leg­te auf.

Ein Ur­lau­ber, der ex­akt an der Stel­le mit den Fin­gern im Sand spielt? Aus­ge­rech­net dann, wenn sei­ne Leu­te die Res­te aus dem Ver­steck ho­len muss­ten, weil das er­ste Te­am zu blöd war ein biss­chen tie­fer zu gra­ben. Die gan­ze Ge­schich­te war erst an­ge­lau­fen und ver­wan­del­te sich mit je­der Stun­de, die ver­strich in ei­nen Alb­traum. Es hät­te so ein­fach sein kön­nen. Der Com­pu­ter­vogel holt den Pro­to­typ aus dem La­bor, ver­steckt ihn in Cancún am Strand und kommt bei ei­nem Woh­nungs­brand in Rom auf tra­gi­sche Wei­se mit­samt sei­ner Al­ten um. Die Wis­sen­schaft­ler, die da­ran ge­ar­bei­tet ha­ben, ver­schwin­den eben­so wie das an­ge­mel­de­te Patent in Deutsch­land. Alles, was dann noch fehl­te, war die blö­de For­mel, aber die kann man not­falls auch mit dem Ma­te­ri­al her­aus­fin­den.

Ein ein­fa­cher Rou­ti­ne­ein­satz soll­te es sein. Da­nach wä­re John Clark­son nicht mehr auf die­ses Al­mo­sen der CIA an­ge­wie­sen. Das war sei­ne Chan­ce, aus dem Loch hier her­aus­zu­kom­men. Alles lag of­fen da, man muss­te es nur noch mit­neh­men und ei­ni­ge Mit­wis­ser be­sei­ti­gen. Dann wür­de es Mil­li­ar­den auf ihn reg­nen. Aber an­statt alles, oh­ne gro­ßes Auf­se­hen zu er­le­di­gen, pro­du­zier­ten sei­ne Agen­ten ei­ne Ka­ta­stro­phe nach der an­de­ren. Das, was er da un­ter sich hat­te, waren kei­ne Field Agents, son­dern ir­gend­wel­che Col­le­ge­pfei­fen aus ei­nem In­zucht­dorf in Ida­ho. De­ren Stamm­baum war ein ver­damm­ter Kreis.

8. Kapitel

Mexiko, Irgendwo an der Küste

Rai­ner lag auf sei­ner De­cke am wei­ßen Sand­strand des Hotels und las in ei­nem Buch. Er kam je­des Jahr für zwei Wo­chen hier­her, um sich zu er­ho­len. Er lieb­te das azur­blaue Meer, in dem die Son­ne glit­zer­te, den weichen hei­ßen Sand und den Ser­vi­ce den ihm das Hotel bie­ten konn­te. All-in­clu­si­ve und ein Hotel für 18+ on­ly. Kei­ne schrei­en­den, nör­geln­den Kin­der oder Halb­star­ke die zu viel Tes­tos­te­ron ab­bauen muss­ten und das mit wil­dem Balz­ver­hal­ten ge­gen­über gleich­al­tri­gen jun­gen Damen zum Aus­druck brach­ten. Ein­fach nur Ru­he und Ent­span­nung. Bis auf die­ses Jahr. Rai­ner lag seit Jah­ren am Strand immer an der glei­chen Stel­le. Um­ge­ben von ho­hen Grä­sern, in de­ren Hal­men der leich­te Wind am Strand et­was Be­we­gung brach­te und so ein ent­span­nen­des Säu­seln er­zeug­te. In die­sem Jahr kam er sich je­doch be­ob­ach­tet vor. Nicht von ei­ner jun­gen Da­me, das wä­re nicht das Pro­blem, mit der könn­te man ja auch ein paar hei­te­re Stun­den ver­brin­gen, ein Mann be­ob­ach­te­te ihn stän­dig. Egal wo­hin Rai­ner auch ging, immer war der Mann in der Nä­he und über­wach­te mit Ar­gu­sau­gen je­den sei­ner Schrit­te. Aber da­mit soll­te jetzt Schluss sein dach­te er sich. Er leg­te das Buch auf sei­ne De­cke, stand auf, um an der na­hen Bar ei­nen Drink zu neh­men. Nach sei­nem Drink be­such­te er die Toi­let­te, nur nicht, um et­was los­zu­wer­den, son­dern um et­was zu fan­gen. Klei­ne auf­dring­li­che Gaf­fer fängt man am be­sten mit Speck und Rai­ner war als Be­ton­bau­er be­stens ge­rüs­tet. Er war­te­te ei­ni­ge Se­kun­den direkt hin­ter dem Ein­gang. Er wuss­te, dass sein Ver­fol­ger gleich in der Nä­he der Tür ste­hen wür­de.

Rai­ner riss die Tür auf, stürm­te auf den Gang und pack­te sei­nen Be­ob­ach­ter, der völ­lig über­rum­pelt wur­de, am Kra­gen und warf ihn in ei­ner flie­ßen­den Be­we­gung an die ge­gen­über­lie­gen­de Wand aus Back­stei­nen. Dann stie­gen 130 kg Kampf­ge­wicht auf die Ze­hen sei­nes Stal­kers. Rai­ner fun­kel­te den Mann an, der Trä­nen in den Augen hat­te we­gen der Mas­sa­ge sei­ner un­te­ren Ex­tre­mit­äten und flüs­ter­te »So Kol­le­ge, wir bei­den Pas­toren­töch­ter wer­den uns jetzt mal bei ei­nem klei­nen Tänz­chen un­ter­hal­ten, und glaub mir, du willst nicht wirk­lich lan­ge mit mir tan­zen. Ich stel­le dir jetzt ein paar Fra­gen, und wenn du mir ei­ne Ant­wort gibst, die mir nicht ge­fällt, könn­ten die klei­nen Kno­chen in dei­nen Ze­hen et­was Schaden neh­men.«

»Ich deu­te dein Schwei­gen mal als Zeichen, dass du be­grif­fen hast, was jetzt hier ab­läuft. Wa­rum steigst du mir stän­dig hin­ter­her?«

»Wir wol­len wis­sen, ob sie es ha­ben« brach­te er stöh­nend her­vor.

»Ihr wollt wis­sen, ob ich was ha­be?«, frag­te Rai­ner.

»Die klei­ne Box!«, stamm­el­te der Be­ob­ach­ter.

»Ich ha­be we­der ei­ne Box, noch ir­gend­ei­ne scheiß Ah­nung, wo­von du singst. Aber ei­nes ha­be ich, näm­lich den Ka­nal voll in mei­nem Ur­laub be­ob­ach­tet zu wer­den!«, flüs­ter­te Rai­ner be­droh­lich und stam­pfte mit dem Fuß auf die ge­schun­de­nen Ze­hen des an­de­ren.

»Auuu­uuuu. Wir brau­chen die­se Box«, heul­te der Stal­ker.

»Okay, noch mal ganz lang­sam für die Stein­meiß­ler zum Mit­mei­ßeln. Ich ha­be kei­ne Box, nur ei­nen gu­ten Tipp für dich. Wenn ich dich oder ir­gend­ei­nen an­de­ren Tau­ge­nichts se­he, der mir nach­stellt, so­lan­ge ich noch hier bin, zieh ich je­den von euch auf Links. HAST DU DAS BE­GRIF­FEN?«, frag­te Rai­ner an­griff­slus­tig.

»Ja, ja ich hab es ver­stan­den«, jaul­te der Mann.

»Schön, dann hast du jetzt die gro­ße Eh­re zu­künf­tig dei­ne Schu­he in un­ter­schied­li­chen Grö­ßen zu kau­fen«, spie Rai­ner aus und trat mit vol­ler Wucht auf die Ze­hen sei­nes Geg­ners. Knack­ge­räu­sche waren zu hö­ren und ein gel­len­der Schrei er­tön­te. Rai­ner Ham­mer ließ sei­nen Stal­ker zu Boden glei­ten, zog sein Shirt glatt und ver­ließ die Bar.

Am näch­sten Mor­gen klopf­te die Putz­frau Ro­sa­lia an Zim­mer 409 des Hotels, um dort zu put­zen. Nie­mand mel­de­te sich und Ro­sa­lia be­trat das Zim­mer mit ih­rer Key­card. Sie woll­te die Vor­hän­ge öff­nen, trat am Bad vor­bei und er­starr­te. Der Gast lag noch im Bett.

Sie ver­schob Zim­mer 409 weiter nach hin­ten, um den Gast nicht zu stö­ren.

Am spä­ten Nach­mit­tag be­trat sie das Zim­mer er­neut, doch der Gast lag immer noch im Bett. Sie ging vor­sich­tig an das Bett und rüt­tel­te da­ran. Der Mann reg­te sich nicht. Sie trat nä­her an den Gast he­ran und fass­te ihm an die Schul­ter. Sie war eis­kalt. Ro­sa­lia tau­mel­te zurück Rich­tung Gang, be­vor sie an­fing, fürch­ter­lich zu schrei­en.

Der Gast auf Zim­mer 409 war tot, in den Un­ter­lagen stand der Na­me Rai­ner Ham­mer.

9. Kapitel

Frankreich, Lyon

In dem Be­spre­chungs­raum von In­ter­pol, in­mit­ten ei­nes gro­ßen Ti­sches aus Nuss­baum­holz stand ein klei­ner Be­amer, der ei­ne Pro­jekt­ions­flä­che an der Stirn­wand des Rau­mes mit dem Lo­go von In­ter­pol an die Wand warf. Klei­ne LED Spots in der De­cke spen­de­ten ge­nug licht und tauch­ten den Raum in ei­nen hel­len Schein von kalt­wei­ßem Licht. Auf den brau­nen Leder­ses­seln hat­ten die an­we­sen­den Platz ge­nom­men. Rous­sel saß am Kop­fen­de des Ti­sches, Liz Croll links von ihm und Mi­cha­el Korn rechts. Vor Rous­sel lag ein blau­er Ord­ner mit dem auf­ge­druck­ten Lo­go von In­ter­pol.

Rous­sel be­gann, mit ei­nem deut­li­chen Ak­zent zu spre­chen »Ich freue mich außer­or­dent­lich, dass sie bei­den hier sind Miss Croll und Mis­ter Korn. Wie sie wis­sen, han­delt es sich um ei­nen neu­en Job. Bis­her war es ja so, dass In­ter­pol kei­ne ei­ge­nen Agen­ten ins Feld schi­cken konn­te. Das lag nicht zu­letzt da­ran, dass alle Mit­gliedss­taa­ten ei­ne eige­ne, so­gar meh­re­re, Poli­zei­be­hör­den hat und es so­mit zu Ver­wi­cklun­gen von In­ter­pol mit den je­wei­li­gen Be­hör­den ge­führt hät­te. Nach jah­re­lan­gen zä­hen Ver­hand­lun­gen mit den ein­zel­nen Staaten ist es uns, nicht zu­letzt un­ter mei­ner Lei­tung ge­lun­gen die­se Pro­ble­me aus dem Weg zu räu­men. Je­der Mit­gliedss­taat hat uns, nicht oh­ne Zu­ge­ständ­nis­se, ein­ge­räumt ein ei­ge­nes Te­am von In­ter­po­lagen­ten auf­zu­bauen, die auch in je­dem Mit­glieds­taat die glei­chen Be­fug­nis­se hat. Un­ser Com­pu­ter hat da­für ins­ge­samt vier Na­men aus­ge­spuckt mit den be­sten Kan­di­da­ten. Sie bei­den sind zwei die­ser Na­men. Num­mer 3 ist der­zeit noch be­schäf­tigt, wird aber in kür­ze zu ih­nen stoßen. Num­mer 4 aller­dings, ist noch in den USA ge­bun­den, soll­te aber spä­tes­tens mor­gen hier ein­tref­fen. Vor­ran­gig je­doch sind sie bei­den ge­fragt.«

Liz hör­te stau­nend zu, wäh­rend Korn ei­nen geis­tig ab­we­sen­den Ein­druck mach­te und mit sei­nen Fin­gern spiel­te. Sie hat­te den Kotz­bro­cken be­reits ken­nen­ge­lernt. Jetzt die Aus­sicht da­rauf, mit ihm zu­sam­men­zu­ar­bei­ten, jag­te ihr ei­nen Schau­er über den Rü­cken.

Rous­sel fuhr fort »Sie bei­den ken­nen sich na­tür­lich noch nicht, ich darf al­so ein biss­chen was er­zäh­len. Be­gin­nen wir mit Miss Croll. Sie sind ei­ne der be­sten Po­li­zis­tin­nen, die je­mals ei­ne Mar­ke ge­tra­gen hat. Wirk­lich be­ein­druckend. Trotz ih­res Han­di­caps ei­ner ge­rin­gen Körper­grö­ße sind sie ei­ne der be­sten Er­mitt­le­rin­nen ge­wor­den und sie scheu­en sich nicht in körper­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu ge­hen, noch da­zu ha­ben sie die Fä­hig­keit ent­wi­ckelt Lü­gen zu er­ken­nen. Sie sind kom­mu­ni­ka­tiv und ver­fü­gen über ei­nen gro­ßen Er­fah­rungs­schatz.« Rous­sel mus­ter­te sie mit ei­nem be­wun­dern­den Lä­cheln auf den Lip­pen.

»Nun zu Mis­ter Korn. Ihr Dos­sier ist eben­falls be­ein­druckend. Body­gu­ard, ei­ner der ganz har­ten Sor­te. Wach­sam, eher still und, wie soll ich es aus­drü­cken, nicht ge­ra­de men­schen­freund­lich ein­ge­stellt. Ge­fahr ist schein­bar ihr zwei­ter Vor­na­me, denn sie su­chen ge­ra­de­zu ver­zwei­felt da­nach. Eben­falls in der La­ge, Lüg­ner zu ent­lar­ven. Be­ob­ach­ter er­sten Ran­ges, es gibt ver­mut­lich fast nichts, was ih­nen ent­geht und so lo­gisch den­kend wie ein Com­pu­ter. Ne­ga­tiv an­zu­se­hen ist aller­dings ih­re Kom­mu­ni­ka­tion. Be­lei­di­gend, ar­ro­gant und ex­trem zy­nisch mit dem Char­me ei­ner Dampf­ram­me. Aller­dings auch da­durch ein Ver­hör­spe­zi­a­list. Und ich darf noch hin­zu­fü­gen, wenn sie nicht ge­ra­de ih­ren Job ver­lo­ren hät­ten, wä­ren sie nicht hier. Eher wür­den sie ei­ne Ge­fäng­nis­stra­fe ab­sit­zen. Wenn ich rich­tig in­for­miert bin über 2 Jah­re. Ist das kor­rekt?«

Rous­sel fi­xier­te Korn und der hob an »Nicht ganz, eigent­lich sind es 2 Jah­re und 4 Mona­te« gab er et­was ge­nervt zu. Liz kniff die Augen zu­sam­men und dach­te sich ih­ren Teil.

»Gibt es Fra­gen von ih­nen bei­den?« Frag­te Rous­sel.

Liz, die bis da­hin schwei­gend ge­lauscht hat­te, frag­te »Oh ja, die gibt es Mon­sieur Rous­sel. Wir sol­len ein Te­am bil­den, was sich aller­dings schwer ge­stal­tet, wenn Mis­ter Korn uns wie Dreck be­han­delt und lie­ber sein ei­ge­nes Süpp­chen kocht. Zu­dem sa­gen sie, er wür­de eigent­lich im Knast sit­zen, wo er mei­ner Mei­nung nach auch hin­ge­hört. Dann sind da, nach ih­rer Aus­sage, noch zwei Mit­glie­der, von de­nen wir bis hier­hin noch nicht das Ge­ring­ste er­fah­ren ha­ben. Be­vor ich ir­gend­was zu­stim­men kann, möch­te ich ger­ne die ge­nau­en Fak­ten ken­nen, wenn sie ver­ste­hen.«

Korn stand auf und ging durch den Raum zum Fens­ter. Er blick­te in die Tie­fe. Rous­sel und Liz sa­hen ihm ir­ri­tiert zu. Korn be­gann zu spre­chen »Ich se­he es ähn­lich wie Miss Zwerg. Mir ist nicht ganz klar, was ich zum ei­nen mit ihr an­fan­gen soll und zum an­de­ren was die bei­den an­de­ren Null­num­mern aus­ge­fres­sen ha­ben. Immer­hin bin ich mir nicht ganz si­cher, was da auf uns zu­kommt, was wir eigent­lich tun soll­ten und wel­che Be­fug­nis­se man uns ein­räumt. Ich bin kein Ver­suchs­kar­ni­ckel für In­ter­pol, den man un­ter La­bor­be­din­gun­gen zwin­gen will, Müll zu fres­sen.«

Rous­sel press­te sei­ne Hand­flä­chen an­ein­an­der und hielt sie sich un­ter die Na­se. Liz sah den Body­gu­ard an und wünsch­te sich, sie könn­te ihn ein­fach aus dem Fens­ter stoßen. Was glaub­te der Typ eigent­lich, wer er ist? Rous­sel über­leg­te ei­ne Wei­le be­vor er lei­se fort­setz­te »Ich ver­ste­he ih­re Be­den­ken. Es ist nur so, dass man In­ter­pol als In­for­ma­tions­quel­le nutzt. Wenn sich aller­dings Pro­ble­me er­ge­ben, in de­nen es um gro­ße Ver­schwö­run­gen geht, und ich ge­be ger­ne zu, das da mit­un­ter auch hoch­ran­gi­ge Poli­ti­ker ih­re dre­cki­gen Fin­ger im Spiel ha­ben, dann wird da nicht groß weiter er­mittelt. Wenn bei­spiels­wei­se ein Mi­nis­ter die Fin­ger im Spiel hat, ver­lau­fen die Er­mitt­lun­gen im Sand, weil nie­mand ei­nen Mi­nis­ter an­pin­keln will, weil sein Job da­von ab­hängt. Bei In­ter­pol gibt es die­ses Pro­blem aller­dings nicht, wir sind völ­lig un­ab­hän­gig von jeg­li­cher po­li­ti­schen Ein­mi­schung. Aber ge­nug da­von, sie woll­ten bei­de wis­sen, wer da noch mit­mi­schen soll. Ich wer­de es ih­nen sa­gen, ob­wohl ich weiß, dass ei­ne nicht ganz in ihr Bild pas­sen wird. Ein wei­te­res Mit­glied ih­res Te­ams ist Mi­ke Banks. Ein IT und Ab­hör­spe­zi­a­list, wenn er nicht ge­ra­de wie­der Re­gie­rungs­ser­ver hackt. Saß in den USA 4 Jah­re im Knast, weil er der First La­dy ei­nen Bart ins Ge­sicht ge­zau­bert hat. Auf ih­rem Pass­bild. Wir fan­den das ganz lus­tig, weil die­se Frau wirk­lich wie ein ver­rück­ter Mann ge­han­delt hat, die USA fan­den das nicht ganz so lus­tig. Er kann so gut wie je­des Si­cher­heits­sys­tem aus­tri­cksen. Und da­mit das Gleich­ge­wicht wie­der stimmt, soll ei­ne weite­re Da­me da­zu­ge­hö­ren. In Euro­pa ist sie we­ni­ger be­kannt, in Asien und den USA da­ge­gen um­so mehr. Ihr Ge­sicht war noch nie in den Nach­rich­ten. Nie­mand kann­te die­se Frau, aber alle hat­ten Angst vor ihr. Ihr Na­me ist Lea Enis, bes­ser be­kannt als La­dy Sni­per. Ei­ne Auf­trags­kil­le­rin, die mit ei­nem Scharf­schüt­zen­ge­wehr alles ab­knallt, was Dreck am Ste­cken hat. Sie hat in den letz­ten Jah­ren über 120 Män­ner und Frau­en ge­tö­tet, die alle ei­nes ge­mein­sam hat­ten. Sie ar­beit­eten für Re­gie­run­gen oder Be­hör­den und waren alle alles an­de­re als un­schul­dig.«

»Ist das ihr ver­schis­se­ner Ernst Rous­sel? Ei­ne Auf­trags­kil­le­rin, die mit ei­nem Ge­wehr alles um­legt, was ge­ra­de ir­gend­wo steht?«, er­ei­fer­te sich Liz lauts­tark.

Korn stand immer noch am Fens­ter und dreh­te sich blitz­schnell um. Liz hat­te ihm das nicht zu­ge­traut. So schnell kann sich fast kei­ner be­we­gen, er bringt das trotz sei­ner Körper­fül­le, dach­te sie.

Korn be­gann »Bis­her war es ja ganz lus­tig Rous­sel, aber Sie ha­ben was am Kopf und das sind nicht die Haa­re. Banks ken­ne ich be­reits, der ist gar nicht das Pro­blem, ob­wohl er sich für den größ­ten un­ter der Son­ne hält. Ty­pi­scher Ami eben. Aber ei­ne Auf­trags­kil­le­rin ist ein ganz an­de­res Ka­li­ber und dann noch in ei­ner Poli­zei­be­hör­de. Ent­we­der ha­ben sie völ­lig den Ver­stand ver­lo­ren, oder aber ihr Hei­li­gen­schein, der ver­mut­lich ge­ra­de in der Rei­ni­gung ist, drückt ih­ren Denk­ap­pa­rat ab. Viel­leicht soll­te ich sie mal ein biss­chen ge­gen die Wand wer­fen, da­mit die Blut­zir­ku­la­tion mög­li­cher­wei­se wie­der in Gang kommt! Oder war das Whis­ke­yg­las heu­te Mor­gen et­was zu voll?«

Rous­sel wur­de bleich wie ei­ne frisch ge­kalk­te Wand. »Ich ver­ste­he ih­re Be­den­ken ge­gen Lea Enis, aber sie steht auf der rich­ti­gen Sei­te, das ver­si­che­re ich Ih­nen. Und sie wür­de uns nie schaden!«